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Red Bull verleiht Flügel und Zeitunglesen macht klug

Die spinnen doch, die Amis! Jetzt muss das österreichische Unternehmen Red Bull 13 Millionen Dollar an US-Amerikaner auszahlen, die sich die vermeintliche Energie-Limo seit Jahren eintrichtern, aber vergeblich darauf warten, dass ihnen so depperte Flügel an den Schultern wachsen, wie es Red Bull in der Werbung verspricht. Wächst aber gar nix! Echt jetzt! Und nun steht also fast überall, dass der Getränkehersteller die Trinker entschädigen muss.

Illustration von web.de

Überschrift "Passauer Neue Presse"

Überschrift bild.de

Überschrift welt.de

Überschrift n24.de

Der Hammer, oder? Verleiht gar keine Flügel, die Plörre. Und die Klage passt so gut ins europäische Bild von diesen freakigen US-Amerikanern, die andauernd alle verklagen, weil irgendwas passiert, was man nun wirklich nicht ahnen konnte: Dass zum Beispiel der zur Legende gewordene Hamster explodiert, wenn man ihn bloß mal kurz zum Trocknen in die Mikrowelle gibt, was aber so nicht in der Gebrauchsanweisung stand, weder in der für die Mikro, noch für den Hamster.

Liest sich also gut, das mit Red Bull und den Flügeln, ist aber Unsinn. Den Slogan „Red Bull verleiht Flügel“ haben die Initiatoren der Sammelklage durchaus so metaphorisch verstanden, wie er gemeint ist: als Bild für die Leistungssteigerung, die Red Bull in der Werbung und mit Hilfe von Studien suggeriert. Den Klägern geht es also um die versprochene Wirkung, um den Effekt des Getränks.

Das Unternehmen verspreche, Red Bull steigere die Leistung, Konzentration und Reaktion, argumentieren die Kläger, dabei wirke es nicht viel mehr als eine Tasse Kaffee. Als Beleg halten sie ihrerseits eine Studie dagegen. Einer der Kläger behauptet außerdem, er trinke seit zwölf Jahren den Energy-Drink, seither habe sich aber nicht viel verbessert. Die Kläger vermissen also die in der Werbung versprochene Leistungssteigerung, nicht die Flügel.

13 Millionen Euro in einen Fonds zu zahlen, ist der Vergleich, den Red Bull bereits im Sommer einging, was aber jetzt erst zu uns rüber geschwappt ist. So kann man das auf US-amerikanischen Blogs und Websites nachlesen, auf die sich auch einige Nachrichtenseiten hierzulande beziehen. Doch meistens wird die Geschichte hier verknappt dargestellt; verknappt auf den leicht übergeschnappten US-Amerikaner, der ständig klagt – und dann auch noch Recht bekommt.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat den Klägern deshalb erst mal – in dieser Logik folgerichtig – jeden Humor aberkannt: „Humorlose Kläger in Amerika“ titelt sie in ihrem Wirtschaftsteil, um dann bierernst aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus zu kommen:

So etwas gibt es auch nur in den Vereinigten Staaten: Weil der österreichische Energydrink-Hersteller Red Bull für seine angeblich leistungssteigernde Brause mit dem Slogan „Red Bull verleiht Flügel“ wirbt, haben amerikanische Verbraucher diese Losung nun wörtlich genommen. Vor einem Bundesgericht in New York strengten sie eine Sammelklage gegen Red Bull an – weil ein normaler Mensch auch nach dem Genuss einer kompletten Dose des klebrigen Süßgetränks tatsächlich immer noch nicht fliegen könne.

Genau: Nach einer Dose! Nicht fliegen! Diese Amerikaner, Mann!

In der Wirtschaftsredaktion der „Welt“ ist man auch ganz fassungslos. „Deutschland amüsiert sich“, schreibt die Zeitung gleich im Vorspann ihres länglichen Online-Textes, weil bei twitter ein paar Leute jetzt Gags über Red Bull reißen, also: ganz Deutschland. Während die „Welt“ den Amerikanern weiter unten nicht den Humor abspricht, sondern gleich die Vernunft:

Kein vernünftiger Mensch würde nach dem Genuss einer Dose des Energydrinks auf einen Felsen klettern und in die Tiefe springen, blind darauf vertrauend, dass ihm schon Flügel wachsen werden. Weiter könnte man auch argumentieren, dass kein vernünftiger Mensch auf den Gedanken käme, wegen des Ausbleibens der Flügel vor Gericht zu ziehen.

Nö, stimmt. Und kein vernünftiger Mensch käme, wenn er sich ein bisschen eingelesen hätte, auf die Idee, dass es so war. Nur eben etliche Zeitschriften und Zeitungen wie die „Welt“, die noch ein bisschen höhnt über das amerikanische Rechtssystem, wo „immer wieder Großkonzerne mit zweifelhaften Klagen“ überzogen würden, „die wider den natürlichen Menschenverstand sind“.

Kein Wunder also, dass auch das „Manager Magazin“ staunt: „Es ist einer der Fälle, die eigentlich nur in den USA passieren können“, steht dort. Und im Vorspann: „Wer seit 2002 eine Dose Red Bull in den USA gekauft und sich gewundert hat, dass ihm keine Flügel wachsen, könne nun eine Entschädigung beantragen.“

Auch schön. Richtig ist: Wer nach 2002 in den USA eine Dose gekauft hat und die suggerierte Wirkung bei sich nicht feststellen konnte, kann das (hier) beantragen und bekommt dann vielleicht etwas aus dem Fonds. Auf den Vergleich hat sich Red Bull übrigens eingelassen, um nach eigenen Angaben einen potenziell langen und teuren Prozess zu vermeiden, wie das Unternehmen der Nachrichtenagentur APA sagte. Grundsätzlich widerspricht das Unternehmen aber: „Der Red Bull Marketingansatz war immer humorvoll, wahrheitsgemäß und korrekt.“

Mit Dank an Stanz.

Nachtrag 14.10.2014, 17:48 Uhr. Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Das „Manager Magazin“ hat seinen Artikel noch mal überarbeitet. Ursprünglich stand da in der Überschrift: „Red Bull kommen seine Flügel teuer zu stehen“. Und im Vorspann:

Red Bull verleiht Flügel – diesen Spruch hätte sich der Brausevermarkter in den USA vielleicht sparen sollen. Um eine Massenklage abzuwenden, stimmte Red Bull laut einem US-Blog einem Vergleich zu: Wer seit 2002 eine Dose Red Bull in den USA gekauft und sich gewundert hat, dass ihm keine Flügel wachsen, könne nun eine Entschädigung beantragen.

Da musste man natürlich noch mal ran. Die Überschrift: okay. Der erste Satz, joah: so halbrichtig. Der zweite stimmt – bis zum Doppelpunkt. Danach, die Sache mit den Flügeln: Unsinn. Und damit zur schlechten Nachricht. Das steht da jetzt in der Überschrift: „Red Bull verleiht doch keine Flügel“. Und im Vorspann:

So etwas funktioniert nur in den USA: Wer dort eine Dose Red Bull gekauft und sich gewundert hat, dass ihm keine Flügel wachsen, kann eine Entschädigung beantragen.

Naja, gut: In der Bildunterzeile steht ja auch immer noch:

Red Bull: Achtung Achtung – man kann nach dem Trinken gar nicht fliegen

Muss man nicht verstehen. Aber vielleicht kann es das „Manager Magazin“ erklären.

Nachtrag 18.10.2014. Sven Clausen, der stellvertretende Chefredakteur des „Manager Magazins“, hat mir gestern geantwortet. Er schreibt:

Wir halten unsere Formulierungen in Überschrift und Vorspann für zulässig und nicht irreführend. Wir bleiben damit im Formulierungskosmos von Red Bull, knüpfen damit also direkt an die ironische Figur des Werbespruchs an. Im Text steigen wir dann aus dieser rhetorischen Figur aus und schildern sauber und sachlich, wie der Stand der Dinge ist. Ironie ist im Nachrichten- und Analyse-Journalismus bekanntermaßen immer gefährlich, weil die Leser und User das tendenziell nicht erwarten. Im Fall von Red Bull ging das aber aus unserer Sicht, weil der Werbespruch – und damit seine ironische Aussage – so bekannt ist. Glücklicherweise hat uns die Reaktion unserer Leser bestätigt: Der Beitrag wurde gern (hohe Leserzahl) und gut (die für mm.de übliche, sehr geringe Bounce-Rate) gelesen. Beschwerden haben mich bislang nicht erreicht.

Was die RTL-Chefin bei Klaus Boldt hervorwölben lässt

Der verlogenste Artikel zum Weltfrauentag stand dann aber doch nicht in „Bild“, sondern im Online-Auftritt des „Manager Magazins“. Der Medienredakteur Klaus Boldt, dessen Artikel berühmt dafür sind, dass man mit den in ihnen geflochtenen Girlanden eineinhalb mal sämtliche Karnevalsfeiern des südlichen Rheinlandes ausstatten könnte, hat Anke Schäferkordt getroffen, die erfolgreiche Geschäftsführerin von RTL, eine Frau.

Boldt hat sich in Schäferkordt verliebt. Ich weiß nicht, ob es etwas Erotisches ist, ihre Ausstrahlung, ihre Bilanzen oder auch nur ein gemeinsames Desinteresse am Medium Fernsehen. Ich fürchte, mit einmal kalt Duschen wird es nicht getan sein, aber ein Eimer Wasser über den Kopf könnte sicher nicht schaden.

Boldt ist ganz entrückt angesichts der Tatsache, dass diese Frau so erfolgreich ist und dieser erfolgreiche Manager eine Frau. Er lässt sich nicht davon beeindrucken, dass Schäferkordt die schöne Formulierung benutzt, sie sei „durchgängig gelangweilt“ von dem Thema, dass sie als Frau ein Milliardenunternehmen leite. Er versucht manchmal, seine Ungläubigkeit hinter Uneigentlichkeit zu verstecken, so als seien es nur die anderen, die staunten über diese Kombination von Geschlecht und Gewinn. Es gelingt ihm nicht.

Er schreibt, sie gelte als „Wonder Woman der deutschen Wirtschaft“, aber das hat er sich sicher nur ausgedacht. Sie ist seine Wonder Woman. Sie bringt ihn dazu, den üppigen Platz, den ihm die Zeitschrift eingeräumt hat, nicht nur mit verwegenen Ortsbeschreibungen zu füllen, sondern auch mit etwas, das er selbst „Weibergeschwätz“ nennt:

Wonder Woman kehrt vom Fenster an den Besprechungstisch zurück. Sie trägt einen Hosenanzug, der, wenn nicht alles täuscht, von der Farbe dunkler Alpenveilchen ist. Die Sekretärin liefert einen Cappuccino, Wonder Woman bleibt lieber beim Wasser: Sie ist erkältet und hustet, wofür sie sich höflicherweise jedes Mal entschuldigt.

Schäferkordt wurde, was womöglich Anlass seiner Liebeserklärung ist, in den Aufsichtsrat von BASF berufen, was laut Boldt einerseits eine Versammlung ist, in der sich „Wirtschaft und Weisheit so verdichten“ wie in wenigen anderen, andererseits womöglich übertrieben. Über den BASF-Aufsichtsratschef Eggert Voscherau schreibt er:

Dass Schäferkordt eine Frau sei, habe bei ihrer Berufung überhaupt keine Rolle gespielt. Geschadet hat es aber auch nicht: Man müsse ja „nicht gegen den Trend laufen, wenn man jemanden findet, der passt“, sagt Diplomat Voscherau.

Und so fragt Boldt:

Wer ist diese Frau, deren Aufstieg sich im Reich der Bertelsmann AG vollzog, die zu den Hochburgen des Machismo in diesem Lande gezählt werden darf?

Das „Manager Magazin“, muss man wissen, gehört auch zum Reich der Bertelsmann AG, weshalb man diesen Satz natürlich auch als eine Art augenzwinkernde Entschuldigung für den Chauvinismus des Artikels, in dem er steht, lesen kann, was ungefähr so gut gelingt wie der Versuch, eine Dauererektion unter einer Papierserviette zu verstecken.

Jedenfalls, also, wer ist nun diese Frau?

Wonder Woman ist eine gewandte, mittelgroße Frau; sie hat ein angenehmes Äußeres, ein nicht minder angenehmes Wesen und die sanfte Altstimme einer Schnulzensängerin. Sie ist kinderlos und unverheiratet, aber seit 20 Jahren mit dem Dr. Abteilungsdirektor Biermann vom Haus der Geschichte zu Bonn aufs Glücklichste liiert. Sie ist 48 und sieht aus wie 35.

Sie sah aus wie 35, und er war wieder 16. (War allerdings Winter.)

Das Gestelzte einer Business-School-Amazone geht ihr völlig ab, ihr Blick ist scharf und klar mit etwas Ehrlichem und Unschuldigem und Unverdorbenem darin, was man in dieser Branche nicht allzu oft zu sehen bekommt. Sie ist freundlich, aber auch nicht so vertraulich, als wollte sie einem einen Tipp fürs nächste Pferderennen geben.

Das ist ein Fluch. Wenn andere davon träumen, Pferde zu stehlen, wollen Wirtschaftsmagazinredakteure nur Tipps, wie man mit ihnen Geld verdienen kann.

Vielleicht liegt es nur an mir, aber in diesem Kontext lesen sich selbst Boldts gespreizte Verben fast pornographisch:

Im ersten Halbjahr 2010 wölbte sich der Umsatz (2009: 1,7 Milliarden Euro) um 5 Prozent auf 864 Millionen Euro vor, das Ebita dehnte sich um knapp 63 Prozent auf 257 Millionen Euro aus.

Jedenfalls:

Die Herren des Hauses Bertelsmann, dessen Betriebskapital von RTL in wünschenswertester Weise gestärkt wird, nicken einander zu und lassen die angenehmsten Scherze einfließen, der Art, dass man von außen nicht sagen könne, ob RTL nun von einem Weibe oder einem Manne geführt würde oder nicht.

Mein Draht zu Frau Schäferkordt ist nicht gut genug, um das herauskriegen zu können, aber ich wüsste gerne, ob es ihr beim Lesen dieser Stelle so ging wie mir und die Langeweile kurz von dem Geruch von Erbrochenen überlagert wurde. Aufs angenehmste, natürlich.

Tatsächlich ist bei Schäferkordt schon an dieser Stelle unbedingt die Intuition anzuführen, die den Damen bekanntlich im Übermaß zur Verfügung steht: Ihre Fähigkeit, den Publikumsgeschmack zu erraten, prägte sich bereits aus, als sie noch bei Vox die Sendeleitung innegehabt hatte.

Doch, Bauchgefühl, das haben sie, die Frauen.

In ihrer Amtszeit hat sie dem Senderrepertoire strategische Konturen verliehen und ein loses Ensemble zum soliden Ganzen zusammengeführt. Das Angebot leistet sich kaum Blößen: „Deutschland sucht den Superstar“, „Wer wird Millionär“, „Das Supertalent“, „Bauer sucht Frau“, dazu Boxen und die Rennen der Formel 1 – die Marktanteile der Konkurrenz lösen sich auf wie Brausetabletten.

Was immer „strategische Konturen“ sein mögen: Vier der sechs genannten Sendungen waren lange vor dem Amtsantritt von Schäferkordt tragende Säulen des RTL-Programms und Boxen ist es heute vermutlich weniger denn je. Aber Boldt ist längst zum englischen Patienten geworden:

Es kommt selten vor, dass jemand, nach seiner Arbeit gefragt, so freundlich, ja geradezu hingebungsvoll von seinem „Team“ spricht wie die RTL-Intendantin. Sie hat so eine gewisse Art, die einen an Lazarettschwestern denken lässt, die Verwundeten Erste Hilfe leisten.

„Fernsehen – und das ist wirklich schön und macht mir deswegen so viel Spaß – ist Teamarbeit. Den Programmerfolg würde ich nie für mich persönlich in Anspruch nehmen. Ich muss letztendlich nur alles zusammenhalten und ein wenig die Richtung weisen.“ Sie bringt diese Sätze mit Frische und Aufrichtigkeit vor, aber auch nicht so, als würde sie sie extra in ihr Tagebuch eintragen wollen.

Neinnein, ins Tagebuch nicht. Nur ins „Manager Magazin“.

Schäferkordt ist zwar ideologiefeste Bertelsfrau, und ihre unbeschwerte Arbeitsweise hat einiges damit zu tun, dass sie ihr gesamtes Berufsleben in diesem Unternehmen verbracht hat. Aber nicht nur BASF betrachtet sie mit Augen, in denen sowohl Neid liegt als auch Verlangen.

Verlangen! Sicherheitshalber hat Boldt hinzugefügt:

So eine wie die Schäferkordt hätten auch andere Unternehmen gern.

(Hervorhebung von mir.)

Ich habe das „Manager Magazin“ gekauft

Im aktuellen „Manager Magazin“ steht ein Interview mit dem Verleger und Zeitschriftenlobbyisten Hubert Burda. Die Frage aus dem Vorspann wird darin zwar nicht beantwortet. Das Gespräch endet aber so:

Herr Burda, was sagen Sie: Sollen wir dieses Interview im Internet verschenken? BURDA: Mir wäre es auch recht, wenn Sie es verkauften.

Verrückte Idee.

Ich wollte das „Manager Magazin“ schon am Mittwoch kaufen. Am Mittwoch veröffentlichten nämlich „Spiegel Online“ und „manager-magazin.de“ gleichlautende Artikel, in denen die interessant klingende Aussagen aus dem Interview zitiert wurden; Fachmedien wie „Meedia“ machten aus Burdas Äußerungen Meldungen (bzw. nutzten die teuer produzierten Qualitätsinhalte bedenkenlos kommerziell, wie es neuverlegerisch korrekt natürlich heißen muss).

Jedenfalls war ich schon halb aus der Tür raus, als mich mein Bürokollege darauf hinwies, dass es das Heft noch gar nicht gibt: Es erscheine erst in zwei Tagen. Richtig. Das hatte ich vergessen.

Das ist natürlich eine originelle Vermarktungsstrategie mit Cliffhanger: Das Interesse an dem Produkt zu einem Zeitpunkt schüren, an dem es noch gar nicht erhältlich ist, und hoffen, dass sich die Leute später, wenn es erhältlich ist, noch daran erinnern, dass sie es eigentlich haben wollten.

Erstaunlicherweise habe ich mich heute morgen aber noch daran erinnert und auf dem Weg zur Arbeit versucht, ein „Manager Magazin“ zu kaufen. Das gestaltete sich ein bisschen schwierig, weil es weder der eine Kiosk noch der andere Kiosk noch der Supermarkt hatten. Das hängt vermutlich mit der Dichte (oder besser: Dünne) von Managern in dem Bereich von Kreuzberg-Friedrichshain zusammen, in dem ich wohne und arbeite, aber zum Glück gibt es ja das Internet.

Ich habe also versucht, den Artikel online zu kaufen. Ich wäre bereit gewesen, das ganze „Manager Magazin“ zu kaufen, als PDF oder E-Paper, selbst zum Print-Verkaufspreis von 7 Euro (obwohl darin ja eigentlich auch die Druck- und Vertriebskosten enthalten sind). Ich hätte sogar einen absurd überteuerten Preis für den einzelnen Artikel gezahlt, wie es zum Beispiel die „FAZ“ bei ihren Texten anbietet. Aber das „Manager Magazin“ lässt mich einen Artikel aus dem heute erschienenen Heft nicht online kaufen, egal wieviel Geld ich dafür auszugeben bereit bin. (Das Angebot, das meinem Wunsch am nächsten käme, ist die Online-Bestellung des gedruckten Heftes, das mir dann per Post zugestellt wird. Vielen Dank.)

Zum Glück hatte ich heute Mittag einen Termin in der Nähe der Friedrichstraße, wo Kioske tatsächlich das „Manager Magazin“ anbieten, griff zu, zahlte und konnte so jetzt doch das Interview lesen und das Ende nicht glauben. Sie erinnern sich:

Herr Burda, was sagen Sie: Sollen wir dieses Interview im Internet verschenken? BURDA: Mir wäre es auch recht, wenn Sie es verkauften.

Ja, wenn.

Wir schreiben das Jahr 2009, und das „Manager Magazin“ ist stolz darauf, seine Inhalte im Internet nicht nur nicht zu verschenken, sondern auch nicht zu verkaufen.

Alle jammern über die „Kostenlos-Kultur“ im Internet, aber das „Manager Magazin“ zwingt mich dazu, nicht nur für den einzelnen Artikel zu zahlen (wozu ich gerne bereit bin), sondern das ganze Heft zu kaufen (was zu einem für mich sehr schlechten Preis-Leistungsverhältnis führt), und zwar ausschließlich als Zeitschrift auf Papier (vermutlich wegen der höheren Qualität). Das kann man natürlich machen, wenn es einem (zu) gut geht, erscheint mir aber im gegenwärtigen Medienumbruch doch eine gewagte Zukunftsstrategie.

Vor allem, wenn ich, nachdem ich endlich mühsam meine 7 Euro losgeworden bin, feststelle, dass sie es nicht wert waren. Weil das Interview ungefähr nichts von Belang enthält, das das Magazin nicht schon kostenlos online gestellt hat — außer dem unfreiwillig selbstironischen Schluss und einem, zugegeben, erhellenden Blick in die Seele eines „Manager Magazin“-Redakteurs. Einmal, ein einziges Mal bricht es aus Klaus Boldt, der Hubert Burda sonst nüchtern-routiniert frageähnliche Vorlagen serviert, nämlich heraus:

Immer mehr Journalisten und Freizeitschreiber fühlen sich bemüßigt, ihre Aha-Erlebnisse in Netztagebüchern zu verbreiten und ihren Senf unter den Meinungsbrei zu quirlen, der schon jetzt Digitaldurchfall hervorruft.

Vielleicht braucht man weniger einen Medienexperten als einen Psychologen, um zu erklären, was da passiert ist.

„Manager Magazin“ im Schönwaschgang

Na, da lass ich mich doch nicht zweimal bitten.

Da ist zum Beispiel die schöne Geschichte, wie plötzlich ein kümmerlich karger Wikipedia-Eintrag über das „Manager Magazin“ erblühte — fruchtbar gemacht durch einen warmen PR-Schauer:

(…) manager-magazin.de hat (…) seine Reichweite auf hohem Niveau stabilisiert. (…)

Kernelementen des Magazins sind exklusive Informationen und fundierte Unternehmensberichterstattung. Das manager magazin analysiert und dokumentiert unternehmerische Erfolge und Misserfolge; liefert exklusiv Namen und Nachrichten aus den Top-Etagen; verrät anhand konkreter Fallstudien, wie Unternehmen Probleme erfolgreich lösen; beschreibt, wie Manager Führungsaufgaben angehen, wie sie Weichen für die Zukunft stellen, Mitarbeiter motivieren, und porträtiert die Macher der Wirtschaft. (…)

Sein investigative Ansatz erzeugt Nachrichten, die manager magazin zu einem der meistzitierten Wirtschaftsmagazine Deutschlands machen. (…)

(…) konnte die Auflage in einem für die Wirtschaftspresse sehr schwierigen Jahr mit einem Rekordergebnis abgeschlossen werden. Der hohe hohe Abonnentenanteil von 46,8 Prozent bietet dem Anzeigenkunden große Planungssicherheit.

Und so weiter und so fort. Der anonyme Nutzer, der den Eintrag mit vielen Absätzen dieser Art veredelt hatte und die nächsten Stunden noch mit diversen Detailverbesserungen verbrachte, tat dies aus dem Computernetz des Spiegel-Verlages. Der bringt, Überraschung, auch das „Manager Magazin“ heraus. (Die Änderungen waren kurz darauf schon wieder Geschichte. Mit der lapidaren Erklärung „werbekram rausgeworfen“ machte sie jemand komplett rückgängig.)

Aber der Wiki-Scanner entblößt den Spiegel-Verlag nicht nur in diesem Fall als Selbstdarsteller, wie „Spiegel Online“ formulieren wurde. Anonym, aber von einem „Spiegel“-Computer aus, wurde im Juni auch der Wikipedia-Eintrag über den deutschen Milliardär Karl-Heinz Kipp verändert. Ursprünglich stand dort:

Er nimmt Rang 132 auf der Forbes Liste der reichsten Menschen (2007) mit geschätzten 5,7 Milliarden US-Dollar ein (…)

Ein „Spiegel“- oder „Manager Magazin“-Mensch machte daraus:

Er nimmt Rang 37 auf der Manager Magazin Liste der reichsten Deutschen (2006) mit geschätzten 2,9 Milliarden Euro ein.

Dass keine objektiv sachlichen Gründe für die Änderung sprachen, lässt sich schon aus der Tatsache erahnen, dass die „Forbes“-Liste vom März 2007 stammt, die des „Manager Magazins“ aber schon ein knappes halbes Jahr älter ist.

Zwischenzeitlich war diese Schönung auch prominent auf der Wikipedia-Seite aufgelistet, die bemerkenswerte Beispiele für Änderungen in Einträgen sammelt und auf die auch der „Spiegel Online“-Artikel verlinkt. Inzwischen hat sie jemand dort gelöscht. Warum auch immer.

[via René per Mail]