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Marietta Slomka

Wenn es etwas gibt, das ich in den vergangenen Monaten aus dem deutschen Fernsehen über das Leben in China gelernt habe, dann dies: Wer dort als ausländischer Reporter irgendetwas zu filmen versucht, wird sofort von Scharen scheinfreundlicher uniformierter Menschen umringt und darf – während im Hintergrund unfreundliche scheinzivile Menschen alle Filmanlässe aus dem Bild räumen – die nächsten Stunden damit verbringen, Akkreditierungen, Dokumente und Filmgenehmigungen durchzugehen.

Das ist natürlich keine irrelevante Erkenntnis. Sie sagt etwas aus darüber, wie unfrei dieses Land ist und wie groß die Paranoia der Mächtigen. Und darüber, wie ungeschickt die Sicherheitskräfte mit dem Dilemma umgehen, dass sie vor Olympia gleichzeitig besonders gründlich ungewünschte Bilder verhindern und besonders nett zu den Journalisten sein sollen.

Aber es ist dann eben doch nicht dasselbe: Ob man über die Probleme in China berichtet. Oder über die Probleme, über die Probleme in China zu berichten. Ermüdend vorhersagbar und selbstreferentiell sind diese Berichte, so oberflächlich spektakulär es auch scheinen mag, dass Marietta Slomka, unsere Marietta Slomka plötzlich in China von Stasi-Leuten belästigt wird.

Frau Slomka hat nämlich für eine Mini-Reportage-Reihe das „heute journal“ verlassen und sich mal in China umgesehen. Sie kannte Land und Leute nicht, ist entsprechend verblüfft und lässt uns an ihrem Staunen teilhaben. Den ZDF-Korrespondenten vor Ort fehlt wohl diese erfrischende Naivität – Erfahrung muss man sich im modernen Nachrichtengeschäft anscheinend vor allem als Ballast vorstellen.

Das ist ganz sympathisch, manchmal, wie Frau Slomka da herumtigert, sich in eine Schulbank setzt, mit Schülern und Künstlern plaudert, einen Fan trifft und mit ihm in ein komisches Restaurant geht und all das mit ihrer typischen Ironie kommentiert. Aber irgendwie steht sie zwischen uns und diesem Land. Und die Art, wie sie ihre Erlebnisse schildert, klingt oft, wie wenn man Kindern etwas erklärt, und in diesem Fall ist die Erzählerin auch noch die nur etwas ältere Schwester, die das, was sie uns erklärt, selbst gerade erst erfahren hat.

Das ist fluffiges Fernsehen, nett anzuschauen, gut gemeint und merkwürdig glatt. Und so telegen Frau Slomka ist und so hübsch sie sich in Szene setzen lässt, am Ende bleibt das schale Gefühl, nicht mehr mitgenommen zu haben als ihren letzten Satz: „In dieser langen Nacht hab ich eines gelernt: Peking kennt viele Farben.“

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Herr Ramsauer setzt eine klare Überschrift

So, Herr Ramsauer, folgende Aufgabe: Sie sprechen live fünf Minuten im „Heute Journal“ mit Marietta Slomka. Sie erwähnen weder den Ministerpräsidenten noch diese aufmüpfige Landrätin. Wenn Sie das schaffen, mindestens fünfmal „Wildbad Kreuth“ und einmal „die Menschen draußen im Land“ sagen und das Gespräch mit einer faustdicken Lüge beenden, kriegen Sie ein Bier.

Marietta Slomka: Und aus Wildbad Kreuth zugeschaltet: der CSU-Landesgruppenchef, Peter Raumsauer. Guten Abend!

Peter Ramsauer: Guten Abend aus Wildbad Kreuth!

Das war ein erstaunliches Bild heute in München bei der Pressekonferenz. Vier gestandene Männer waren da angetreten, ein Aufgebot, um die Angriffe einer Landrätin abzuwehren. Was ist denn eigentlich los bei Ihnen in Bayern?

Wir haben in Bayern eine hervorragende Struktur, was die Wirtschaft, Arbeitsplätze, Staatsfinanzen, Bildung anbelangt. Wir haben eine ausgezeichnete Struktur innerhalb der Partei. Viele, die meisten Frauen, junge Frauen, mittlere, ältere Frauen in unserer Partei wundern sich, ehrlich gesagt, über das, was da vorgeht. Nämlich über die angreifende Seite wundern die sich. Aber ich möchte Ihnen ganz ehrlich sagen, darum geht es hier in Wildbad Kreuth überhaupt nicht. Wir setzen uns hier in Wildbad Kreuth auseinander mit wichtigen Zukunftsfragen unseres Landes. Mit Fragen…

Aber die Frage, wer zukünftig…

…Fragen der Gesundheitsreform, der Utnernehmenssteuerreform…

…aber Herr Ramsauer, die Frage, wer dann bei der nächsten Wahl antritt, ist schon auch…

…und so weiter…

…aber die Frage, wer nächster Ministerpräsident in Bayern wird, ist wohl auch eine wichtige Zukunftsfrage. Und Sie haben heute gesagt, Sie würden sich hinter Herrn Stoiber stellen, vor ihn und auch um ihn herum. Das klingt fast so, als müssten Sie ein waidwundes Reh beschützen. Warum braucht der Ministerpräsident so viel Schutz?

Ich hab das verdeutlicht. Weil, was hier an Theater aufgeführt wird, wird dem, was in der Tat an Substanz vorhanden ist, überhaupt nicht gerecht. Das war heute vormittag in München und jetzt hier in Wildbad Kreuth geht’s um all diese Sachfragen, die die Menschen im Land, bei denen ich dauernd bin, äh, draußen im Lande, in unzähligen Veranstaltungen, die sagen, habt’s ihr nichts besseres zu tun als euch mit Personalquerelen zu befassen. Und deswegen hab ich von Anfang an klargestellt, wir machen hier die Personalityshow, die von anderer Seite aufgezwungen werden soll, nicht mit, sondern wir tun das, was die Menschen im Land verlangen: nämlich dafür zu sorgen, daß ordentliche Politik gemacht wird.

Wer zwingt Ihnen denn diese Personaldebatte auf?

Ja. Äh, Sie unterhalten sich jetzt mit mir seit einigen Minuten nur darüber. Und ich möchte heut gerne auch darauf hinweisen, was wir tun, um ein ordentliches Gesundheitswesen auf die Beine zu stellen, die Frage, nach welchen Kriterien senden wir Soldaten ins Ausland bei Bundeswehreinsätzen…

Ja, Herr Raumsauer, das kann ich verstehen, dass Sie…

…das sind die Fragen, die mir immer gestellt werden…

…ja, aber seit Tagen redet man in der CSU im…

…steht genau das im Mittelpunkt auch unserer Beratungen…

Ja, Herr Ramsauer, …

… und wir haben seit drei Uhr nachmittag über nichts anderes gesprochen…

…ich versteh schon, dass Sie gerne möchten, dass wir jetzt über die Gesundheitsreform reden und vielleicht auch noch über Basistarife von privaten Krankenversicherungen, aber wir wollen über die Basis der CSU reden und über die Stimmung dort…

…das wird aber hier nicht bearbeitet …

…60 Prozent der bayerischen Wähler…

…seit 15 Uhr über andere Fragen.

Nee, nee, Sie unterhalten sich gar nicht über andere Fragen. In der CSU geht es vor allen Dingen im Moment um solche Fragen …

Doch, ich war zufällig bei meiner Klausurtagung dabei…

Lassen Sie uns über die bayerischen Wähler reden und nicht über Medien und Politiker.

Ich dachte, Sie wollten berichten über die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe.

Ja, wir reden über den ganzen Tag, die letzten Tage, die Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Und 60 Prozent der bayerischen Wähler sind der Meinung, dass die Ära Stoiber jetzt doch allmählich mal zuende geht und es Zeit für einen Wechsel ist. Wollen Sie das einfach so abtun, das Thema, und damit auch diesen Wählern vor die Füße treten?

Also, erstens war diese Umfrage-Fragestellung überhaupt nicht so, wie Sie gerade gesagt haben, sondern anders. Ich kenne Umfragen, solange ich politisch tätig bin. Ich weiß, wie wetterwendisch Umfragen heute in die eine Richtung und morgen in die andere Richtung sind. Deswegen schreckt mich das nicht. Deshalb ist es umso erforderlicher, dass wir eine klare Vision, eine klare Überschrift über unsere Politik setzen. Und genau das werden wir drei Tage hier in Wildbad Kreuth tun.

Und wenn das alles eigentlich gar kein Thema ist. Warum braucht denn Herr Stoiber seit Weihnachten täglich Solidaritätsbekundungen seiner Gefolgsleute?

Weil ich genau weiß, was in meiner Partei los ist. Wir gehen in Bayern auf ganz wichtige Kommunalwahlen zu im nächsten Jahr und auch auf Landtagswahlen. Das geht den allermeisten, auch Funktionsträgern bei uns an der Basis, den Gemeinderäten, Stadträten, Bürgermeistern, Landräten, Kreisräten und so weiter, darum, dass sie in ordentlicher Weise ihre Politik darstellen können. Das liegt den Menschen wesentlich näher und ihrem politischen Umfeld hier in Bayern als irgendwelche Personalquerelen, von irgendwoher ausgerufen werden.

Dann schaun wir mal, wie sich das entwickelt. Danke für das Gespräch.

Ja. Sehr gerne.