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Die Spulphobie des Mario Barth

Mario Barth ist lustig. Er will zum Beispiel nicht, dass die Leute bei seinen Fernsehshows einfach vor- oder zurückspulen oder zu bestimmten Stellen springen. Und hat die Möglichkeit deshalb in der RTL-Mediathek unterbinden lassen.

Aktuell kann man das zum Beispiel bei seiner Sendung „Willkommen bei Mario Barth“ auf RTLnow sehen. Die übliche Fortschrittsanzeige beim Player fehlt. Dafür steht dort der Hinweis: „Aus rechtlichen Gründen ist die Spulfunktion bei diesem Format deaktiviert.“


Screenshow: RTLnow

Man kann nicht einfach ein paar Sekunden zurückspringen, um sich eine Szene nochmal anzugucken. Man kann auch nicht bei Minute 30 einsteigen, um den Rest der Sendung nachzuholen, den man im Fernsehen vielleicht verpasst hatte. Und man kann nicht nur die Werbung nicht überspringen, wie es üblich ist bei solchen Video-on-Demand-Angeboten, sondern gar nichts.

Das war auch bei „Mario Barth deckt auf“ schon so, einem neuen Unvestigativ-Format des sympathischen Nachwuchskomikers, das im Oktober auf RTL lief. Auf Anfrage erklärte mir RTL interactive damals, dass der Lizenzgeber der Sendung, das Management von Mario Barth, dem Unternehmen die Auswertungsrechte nur unter der Bedingung eingeräumt habe, dass die Spulfunktion deaktiviert wird. Sonst hätte RTLnow die Sendung gar nicht zeigen können.

Barth und sein Management kämpfen offenbar bereits seit Jahren gegen die Unsitte des eigenmächtigen Hin- und Herspringens in seinen Programmen. Schon 2009 klagte ein Mensch im Internet, dass ihm beim Anschauen von „Willkommen bei Mario Barth“ der Browser abgestürzt sei, und er danach nicht einfach an der Stelle weiterschauen konnte, wo er war, sondern wieder alles von vorne hätte gucken müssen („das war mir dann zui doof“).

Es gibt bestimmt einen Super-Grund dafür, dass Mario Barth den Leuten, die ihn sich im Internet ansehen wollen, die Fernbedienung aus der Hand nimmt. Aber sein Management — eine Düsseldorfer Firma, die ihm gehört und den vermutlich doppelt ironischen Namen „Hauptstadt-Helden“ trägt — möchte nicht drüber reden. (Ich hatte allerdings auch zuerst von einem Mobiltelefon aus dort angerufen, was die zuständige Frau äußerst dubios fand, da könnte ja auch jeder kommen.) Aber schon auf meine dritte schriftliche Anfrage bekam ich, wenn schon keine Antwort, so doch zumindest eine Reaktion:

Leider kann ich Ihnen keine aussagekräftige Auskunft zu diesem technischen Vorgang geben.

Weitere Nachfragen verhallten ohne Lebenszeichen.

Also müssen wir uns das wohl alleine zusammenreimen. Hat jemand eine Idee, welchen Sinn so ein Barthsches Spulverbot hat?

Der letzte Auftritt von Eva Herman

Davon stand natürlich nichts in den aufgeregten Vorabmeldungen von dpa: Dass sich in der „Kerner“-Sendung kurz vor Schluss noch so eine Romy-Schneider-Burkhard-Driest’sche Romanze zwischen Senta Berger und Mario Barth andeuten würde. Er erzählte von der Städtereise nach Amsterdam, die er seinem Freund und dessen neuer Freundin geschenkt habe, und sagte bedeutungsschwanger, Amsterdam, das sei ja keine normale Städtereise. Und als Kerner das natürlich nicht so stehen lassen konnte und nachfragen musste, was denn so besonders sei an Amsterdam, antwortete Senta Berger blitzschnell für Mario Barth: „Die Tulpen“, und er lachte, und sie lachte, und wenn sie in diesem Moment die Hand auf seinen Arm gelegt hätte, wer weiß.

Eva Herman war da längst gegangen. „Rausschmiss“, wie dpa das nannte*, in werblicher Mission für Kerner und das ZDF, trifft es gar nicht. Kerner bat sie freundlich zu gehen, vor allem wohl, um das Platzen der Halsschlagader von Margarethe Schreinemakers zu verhindern, und Eva Herman, das sah man ihr an, war ohnehin längst fertig mit allen Anwesenden und ließ sich nicht lange bitten, und Kerner dankte ihr vielmals – keine Frage: fürs Kommen und fürs Gehen.

Das war in einer an bizarren Momenten reichen Sendung einer der bizarrsten: Berger, Schreinemakers und Barth hatten deutlich gemacht, dass es ihnen unmöglich ist, ernsthaft weiterzudiskutieren, solange noch diese Nazitante dabei sitzt. Und im selben Moment, in dem die Nazitante weg ist, köpfen sie einen Prosecco, vergessen die nervigen Diskussionen über Mütter, Kinder und Krippenplätze und machen Party. (Das mit dem Prosecco stimmt nicht, wäre aber in der aufgeräumten Stimmung auch nicht weiter aufgefallen.) Es war eine Reaktion, die Eva Hermans Selbstüberschätzung, sie werde stigmatisiert, damit man über ihre unbequemen Wahrheiten nicht diskutieren muss, auf eine unangenehme Weise zu bestätigen schien. Ohne die Nazitante, schien die Runde zu sagen, kann man nicht nur besser über gesellschaftliche Fragen diskutieren, sondern noch besser nicht über gesellschaftliche Fragen diskutieren.

Und so sprach man stattdessen über die Freundin von Mario Barth und sein Bühnenprogramm und seine Platin-DVD, und es war eine heitere Stimmung, und alles war sehr egal.

Für Johannes B. Kerner hatte diese Sendung mit Eva Herman natürlich eine ähnliche Funktion wie Reinhold Beckmanns demonstrativer Versuch, sich an Jan Ullrich als kritischer Nachfrager zu profilieren. Aber Kerner hatte es nicht auf den Eklat angelegt. Im Gegenteil: Mit jeder der vielen demonstrativ-scharfen Nachfragen trieb er Herman eigentlich nicht in die Ecke, sondern baute ihr eine Brücke nach der nächsten. Kerner weiß, wie das läuft in den Medien: Herman hat etwas gesagt, das sie nicht hätte sagen dürfen, über das Dritte Reich noch dazu. Sie ist zur Paria geworden, und ihre einzige Chance, wieder dazu zu gehören, auch in Zukunft wenigstens als Diskussionspartnerin zugelassen zu werden, ist es, Abbitte zu leisten. Es geht bei diesem Ritual nicht um die Frage, ob Eva Herman in irgendeiner Form nationalsozialistischem Gedankengut anhängt, es geht überhaupt eigentlich nicht um Inhalte. Es geht darum, dass sie sich entschuldigt und zugibt, Fehler gemacht zu haben.

Und dann, danach, kann man über alles reden, auch über ihre merkwürdigen Thesen über Frauen und Mütter und die bösen 68er, und man kann sich darauf einigen, anderer Meinung zu sein, aber dass sie in ihrem Kreuzzugs-Wahn die Familienwerte der Nazis lobt, das muss vorher aus der Welt. (Und sie hat, was gerne vergessen wird, ihren NDR-Job nicht verloren nach der wirren und teilweise falsch wiedergegebenen Buchvorstellungsrede; sondern erst, nachdem sie gegenüber der „Bild am Sonntag“ noch einmal ausdrücklich von den „Werten, die auch im Dritten Reich gefördert wurden“ gesprochen hat.)

Kerner weiß, dass das so ist, dass das die Spielregeln sind, nach denen unsere Medienwelt funktioniert; Spielregeln, die er nicht gemacht hat, denen er aber strikt folgt in seiner Sendung und die er dadurch verstärkt. Er hat Eva Herman in seiner schrecklich teflonhaften Art immer wieder die Möglichkeit gegeben, zu sagen: „Das hätte ich nicht sagen sollen, es tut mir leid“, und damit den einen, kleinen, entscheidenden Schritt zu tun von außerhalb des Kernerschen „Darüber können wir reden“ in diesen Kreis hinein.

Eva Herman hat jede Chance ausgeschlagen, ob aus Trotz oder aus Überzeugung, wer kann es sagen, aber: Wen interessiert es auch? Sie hat sich so vollkommen eingekuschelt in ihrer Opferrolle, in die sie auch von außen getrieben wurde, dass da kein Zentimeter Platz ist für eigenes Fehlverhalten. Das eigentlich Erschreckende an ihrem Auftritt bei Kerner und ihren Auftritten der vergangenen Wochen und Monate, ist weniger die Möglichkeit, dass Eva Herman in ihrem Hass auf die gesellschaftlichen Veränderungen durch die 68er, der auch ein Selbsthass sein muss, sogar im Dritten Reich vergleichsweise positive Zustände sehen könnte. Das eigentlich Erschreckende ist, wie dumm jemand sein kann, wie ahnungslos, wie dilettantisch und laienhaft in einer Medienwelt, in der sie sich seit vielen Jahren professionell bewegt.

Wäre sie kein Profi, es wäre fast mitleiderregend gewesen, mitanzusehen, wie sich Eva Herman immer weiter um Kopf und Kragen redete. Wie sie sich bei jeder Frage für die Antwort entschied, die alles noch schlimmer machte. Wie sie noch den Historiker angriff. Wie sie selbst Mario Barth gegen sich aufbrachte. Und wie sie, innerhalb der Sendung ebenso wie im Laufe des ganzen Konflikts, dadurch, dass sie sich in die Enge getrieben fühlte, sich immer weiter fanatisierte. Sie sah nicht ein, dass ihr ursprüngliches Zitat mindestens missverständlich war. Sie sah nicht ein, dass es, gelinde gesagt, unfassbar idiotisch war, in ihrem Fall ausgerechnet von einer „Gleichschaltung“ der Medien zu reden. Sie bestritt, dass „Gleichschaltung“ ein Wort der Nazis ist. Sie verglich das mit den Autobahnen, über die wir ja heute auch fahren, obwohl sie von den Nazis gebaut wurden. Und am Ende sagte sie zwar, sie würde sich heute nicht wieder so äußern über die Familienpolitik der Nationalsozialisten, begründete das aber nicht mit der Einsicht in eigene Fehler, sondern so:

Ich muss einfach lernen, dass man über den Verlauf unserer Geschichte nicht sprechen kann, ohne in Gefahr zu geraten.

An dieser Stelle befand Margarethe Schreinemakers, zu Recht, aber auch in Kenntnis der Gesetze solcher Sendungen und unserer Medienlandschaft überhaupt, dass der Unsinn, den Eva Herman erzählte, so groß und gefährlich war, dass es nicht mehr reichte, sich von ihr zu distanzieren. Sie drohte damit, die Sendung zu verlassen. Und Kerner entschied sich, nach einer kurzen Weile, für sie, die Empörte, und Berger, die 68erin, und Barth, den Komiker, und gegen Herman.

Und auch wenn das Wort „Eklat“ irgendwie unpassend wirkt angesichts des vergleichsweise freiwilligen Abgangs von Eva Herman aus der Sendung — ich bin mir ziemlich sicher: Dies war der letzte größere Auftritt Eva Hermans im deutschen Fernsehen. Mit der Art, wie sie sich selbst zum Opfer stilisierte, weil sie angeblich nur über die deutsche Geschichte „gesprochen“ hat, hat sie sich mit einer Entschiedenheit selbst ins rechte Abseits gestellt, wie es kein fahrlässig oder böswillig verkürztes Zitat je geschafft hätte.

Sie hat nichts verstanden.

*) Korrektur: dpa hat in seiner Vorabmeldung nicht von einem „Rausschmiss“ gesprochen, sondern davon, dass Kerner Herman „ausgeschlossen“ hat.