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Söders Propaganda-Soap: BR-Intendant nennt Auftritt „problematisch“

Ulrich Wilhelm (CSU), der Intendant des Bayerischen Rundfunks, hat den Gastauftritt von Heimatminister Markus Söder (CSU) in der BR-Seifenoper „Dahoam is Dahoam“ kritisiert. Dass dem Minister „eine umfassende Gelegenheit zu politischen Darstellungen“ gegeben wurde, sei problematisch. Er distanzierte sich damit von seiner Fernsehdirektorin Bettina Reitz, die die Einbindung Söders am Donnerstag verteidigt und ähnliche Auftritte weiterer Politiker angekündigt hatte. In einer Presseerklärung hatte sich der Sender am selben Tag ähnlich geäußert.

Wilhelm widersprach:

Die Serienredaktion hat mich bei ihrer Entscheidung nicht im Vorhinein befasst. Hätte sie mich um Rat gefragt, so hätte ich hier deutlich zu Zurückhaltung geraten. Es gab zwar bei uns im Programm und auch in vielen anderen Programmen immer wieder Auftritte von Politikern in Sendungen, die nicht politischen Inhalt hatten – ganz berühmt: der Auftritt von Bundeskanzler Schröder bei „Wetten, dass“ oder auch von Oberbürgermeister Ude bei „München 7“. In diesem Falle ist aber der problematische Punkt, dass es nicht nur ein Auftritt war eines Ministers, sondern dass es auch eine umfassende Gelegenheit gab zu politischen Darstellungen. Wenn wir solche politischen Inhalte bei uns im Programm haben, dann geschieht das in der Regel im journalistischen Kontext, das heißt, da ist ein Gegenüber, der dann solche Darstellungen auch kritisch hinterfragen kann, überprüfen kann, gegebenenfalls auch nachfragen kann. Dieses kann bei einem Drehbuch gar nicht der Fall sein – das war ja eine einstudierte Rolle, die vorformuliert war vom Autorenteam. Und diese Verknüpfung, einerseits des Gastauftrittes und andererseits einer politischen Darstellung, die erscheint mir in der Tat problematisch.

Wilhelm äußerte sich nicht gegenüber externen Journalisten. Sein Statement wurde am Sonntag im Medienmagazin von B5 ausgestrahlt. Der Moderator der Sendung betonte im Anschluss: „Den Einschaltquoten von ‚Dahoam is Dahoam‘ hat’s übrigens nicht geschadet: Die liegen derzeit bei fast einer Million!“

Der BR hat die Folge mit Söder aus der Mediathek entfernt. Ausschnitte daraus sind allerdings noch im Beitrag des BR-Magazins „Quer“ zu sehen, der sich am Donnerstag mit der „Söderisierung des Abendprogrammes“ befasste.

Der BR über die Propaganda-Soap des Heimatministers: „Markus Söder at his best“

Zu dem Werbepaket, das das Bayerische Fernsehen dem Heimatminister des Freistaates geschnürt hat, gehörte nicht nur der Auftritt in der Vorabendsoap „Dahoam is Dahoam“. Markus Söder (CSU) schaute am Tag der Ausstrahlung auch in der „Abendschau“ bei Moderator Christoph Deumling zum Kuscheln vorbei.

Deumling: Und jetzt in der Abendschau am Dienstag: Der Bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder, herzlich willkommen.

Söder: Herzlich willkommen. Grüß Gott.

Deumling: Wobei Sie heute nicht als Minister da sind, sondern als Schauspieler, denn, liebe Zuschauer, heute Abend, in „Dahoam is Dahoam“, in einer Gastrolle zu sehen. Wie kam das? Sind die auf Sie zugekommen?

Söder: Ja, ich hab irgendwann die Anfrage bekommen, ob ich in der populärsten, besten Serie aller Zeiten mitspielen will, vor allem in Bayern. Und da hab ich mir gedacht, naja, als Heimatminister in der Heimatserie, das könnte schon passen. Ich hab aber gesagt, wenn überhaupt, dann kann ich nur sozusagen als Minister da auftreten und nicht irgendwie als jugendlicher Liebhaber oder älterer Familienvater oder was weiß ich. Und dann haben sie mich gefragt, und dann hab ich einen Drehtag gehabt, und das war, ehrlich gesagt, ganz spannend.

Ein Einspielfilm demonstrierte dann, wie sehr Söder solche Auftritte in der Öffentlichkeit liebt, zum Beispiel auch beim Fasching. „Aber jetzt“, sagte die Sprecherin, „Markus Söder at his best, bei ‚Dahoam is Dahoam‘.“

Das Gespräch mit Söder auf dem Sofa endete einige Minuten später so:

Söder: Ich bin echter Fan von Bayern.

Deumling: Und Sie sind leidenschaftlicher Finanzminister und haben ein hohes Ziel: ausgeglichener Haushalt und 2030 ein schuldenfreies Bayern. In welcher Position werden Sie das erleben?

Söder: Das weiß ich noch nicht. Ich hoffe, dass ich es erlebe, ja, aber in welcher Position, ob beim Bayerischen Rundfunk [sic!], ob als Kabarettist… ich hoffe als Politiker natürlich.

Deumling: Wie schauen Sie heute Abend „Dahoam is Dahoam“?

Söder: Ich fahr jetzt dann nach Kreuth, und vielleicht ein paar Kollegen schauen mit mir das gemeinsam an.

Deumling: Wir drücken die Daumen.

Söder: Ja, ich bin auch schon ganz nervös.

Deumling: Alles Gute und Danke für den Besuch!

Söders Propaganda-Soap: BR weist Vorwürfe zurück


Foto: BR

Der Bayerische Rundfunk (BR) hat Kritik an dem PR-Auftritt des bayerischen Heimatministers Markus Söder in seiner Seifenoper „Dahoam is Dahoam“ zurückgeweisen. Der Auftritt sei „eine Gemeinschaftsidee der Autoren, der Produktionsfirma und der Redaktion von ‚Dahoam is Dahoam'“ gewesen, heißt es in einer Stellungnahme:

Die Serie greift als Spiegelbild des täglichen Lebens immer wieder aktuelle Themen, auch aus der Politik, auf.

Auch zukünftig sind für „Dahoam is Dahoam“ Episoden mit Bezug zu politischen und gesellschaftlichen Themen geplant. Kurze Gastauftritte von Politikern anderer Parteien sind bereits in Entwicklung.

In der Serie greifen die parteilose Bürgermeisterin Veronika Brunner und Landrat Lorenz Schattenhofer brisante politische Themen zur Entwicklung des ländlichen Raums auf. Um die Glaubwürdigkeit der fiktiven Charaktere zu unterstreichen, entstand die Idee, auch einen realen Politiker in einer Folge auftreten zu lassen.

Den Dialog von Minister Söder mit der Bürgermeisterin hat ein sechsköpfiges Autorenteam geschrieben. Der Text entstand im Autorenteam ohne jeglichen Einfluss von außen und wurde von der zuständigen Serienredakteurin abgenommen. Minister Söder hat sich in seinem Dialog inhaltlich an das Drehbuch gehalten, in dem Bürgermeisterin Brunner im Übrigen seine Aussagen wiederholt kritisch hinterfragt.

Nun. Dieses „kritische Hinterfragen“ gestaltet sich in der Praxis zum Beispiel so:

Vroni: Habt ihr schon eine Lösung dafür?
Söder: Naja klar.

Eine Anfrage von mir an die Pressestelle ist bislang unbeantwortet geblieben. Vielleicht stellt die veröffentlichte Stellungnahme diese Antwort dar. Ich hatte gefragt:

  • Wie kam es zu diesem Auftritt? Von wem ist die Initiative dazu ausgegangen?
  • Gab es eine Absprache mit dem Ministerium, diesen Auftritt dazu zu nutzen, die Leistungen der Staatsregierung für den ländlichen Raum positiv herauszustellen?
  • Warum stellt der BR seine Serie in den Dienst einer solchen politischen Botschaft?
  • Gibt es Vorgaben im BR über den Einsatz von Politikern in Unterhaltungssendungen?
  • Wer im Sender ist über den Gastauftritt und seine konkrete Gestaltung informiert gewesen?
  • Sind ähnliche Placements mit Themen oder Akteuren der Landesregierung oder der Opposition geplant?

Die Grünen im Bayerischen Landtag und der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) haben den Werbeauftritt Söders scharf kritisiert. Der BJV-Vorsitzende Michael Busch sagte:

„Einen offensichtlicheren Missbrauch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kann es gar nicht geben. Von einer Staatsferne ist der Bayerische Rundfunk in diesem Fall offensichtlich weit entfernt.“

Söder wies die Kritik mit den Worten zurück: „Ich habe nur die Wahrheit gesagt.“

Heimatminister Markus Söder kämpft gerade mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner um die Nachfolge von Ministerpräsident Horst Seehofer. Söder ist im Bayerischen Rundfunk ausgebildet worden. BR-Intendant Ulrich Wilhelm (CSU) war von 2005 bis 2010 Regierungssprecher der CDU/CSU/FDP-Koalition unter Angela Merkel.

Nachtrag, 16:45 Uhr. Der Medienforscher Klaus-Dieter Altmeppen von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sagte der Nachrichtenagentur dpa: „So unverfroren aus der Regierungserklärung zu verlesen, das habe ich noch nie erlebt.“ Er empfehle dem BR ein „Redaktionsstatut, bei dem ein solcher Durchgriff der Politik auf das Programm ausgeschlossen wird“.

Der Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann von der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht in Söders Auftritt einen „Werbespot“ für die CSU: „Hier dienen die Charaktere der Serie als Stichwortgeber für die Darstellung der verschiedenen Programmpunkte.“

Fortsetzung hier.

Söders Propaganda-Soap: BR macht Regierungs-PR in „Dahoam is Dahoam“

Der Bayerische Rundfunk hat dem bayerischen Finanz- und Heimatminister Markus Söder in seinem Fernsehprogramm am Dienstag die Gelegenheit zu einer Art Regierungserklärung gegeben – in der Daily Soap „Dahoam is Dahoam“. Ausführlich und unwidersprochen rühmt Söder, der sich selbst spielt, die vermeintlichen Leistungen der Staatsregierung bei der Förderung des ländlichen Raums.

In die fiktive Handlung der Serie gelangt Söder über eine Autopanne auf einer einsamen Landstraße. Vroni, die Bürgermeisterin von Lansing, kommt zufällig vorbei und staunt, als plötzlich der Minister aus dem Auto aussteigt. „Der Söder!“ – „Bleiben’s locker, ich beiß net.“

Sie bietet ihm an, ihn nach München mitzunehmen – „wenn Ihnen mein Auto genehm ist“. Söder sagt: „Okay, es ist rot, aber auf Äußerlichkeiten kommt’s nicht an.“

Es gibt dann ein bisschen Geplänkel im Auto, weil er sagt, das sei „nett und sympathisch“ von ihr, „typisch bayerisch“ halt, und sie antwortet, er solle jetzt nicht gleich politisch werden. Daraus entwickelt sich folgendes Gespräch:

Vroni: Dass ihr Politiker immer so geschwollen daherreden müsst. Schafft doch lieber mal Fakten! (…) Was machen Sie jetzt zum Beispiel gegen die Abwanderung vom Land? Die jungen Leute wollen doch alle in die Stadt.

Söder: Stimmt, da machen wir ne ganze Menge, mehr als jedes andere Bundesland. Bayern ist in der Beziehung Vorbild in ganz Deutschland.

Vroni: Werden Sie doch mal konkret. Wie genau schaffen wir das, dass unsere Dörfer nicht aussterben?

Söder: Erstens bin ich immer konkret. Und zweitens machen wir beispielsweise ein Programm, damit die Leute da bleiben können, indem wir schnelles Internet schaffen.

Vroni: Das ist ja schön. Aber was hilft das, wenn man eine Arbeit hat, aber nicht weiß, wie man seine Kinder unterbringen soll.

Söder: Sie haben recht, aber da muss man was tun.

Vroni: Habt ihr schon eine Lösung dafür?

Söder: Naja klar. Es gibt einmal ein Programm für mehr Kinderbetreuung. Zweitens gibt’s eines, das sehr wichtig ist, für den Erhalt der kleinen Mittelschulen, auch bei weniger Schülerzahlen, dass die Klassen erhalten bleiben. Und, für die älteren Leute sehr wichtig: Wir machen auch die medizinische Versorgung, mit vielen Ärzten.

Vroni: Das Förderprogramm zur Niederlassung von Hausärzten im ländlichen Raum.

Söder: Wow, Sie kennen sich aus.

Am Ende erfährt Söder, dass seine Fahrerin Bürgermeisterin ist, und lobt sie für ihr politisches Talent.

Im Abspann der Sendung wird Söder als Darsteller aufgeführt, erstaunlicherweise aber nicht als Autor.

Handlung und Text dieses Teils der Folge wirken, als seien sie direkt in der Bayerischen Staatsregierung ersonnen oder in ihrem Auftrag verfasst worden. Der minutenlange Auftritt hat eine andere Qualität als etwa das Auftauchen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder 1998 in der RTL-Seifenoper „Gute Zeichen, schlechte Zeiten“. Söder wird nicht nur als sympathisch-direkter Minister dargestellt, sondern rühmt auch ausführlich die angeblich herausragenden Taten seiner Regierung für den ländlichen Raum.

Heimatminister Markus Söder kämpft gerade mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner um die Nachfolge von Ministerpräsident Horst Seehofer. Söder ist im Bayerischen Rundfunk ausgebildet worden. BR-Intendant Ulrich Wilhelm (CSU) war vor diesem Amt Regierungssprecher der CDU/CSU/FDP-Koalition unter Angela Merkel.

Die Art, in der die Werbebotschaft in der Serie untergebracht wurde, entspricht der eines klassischen Placements. Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist nach dem Rundfunkstaatsvertrag unzulässig.

Der „Münchner Merkur“ hatte die Folge schon vorab besprochen – fand es aber offenbar nicht besonders skandalös oder überraschend, wenn der Bayerische Rundfunk sich zum Propagandasender der Regierung macht. Eher lakonisch schrieb die Zeitung:

Was niemand weiß: Ob diese Passagen auf sanftes Zureden von Söders Leuten ins Manuskript kamen, oder ob der BR das freiwillig tat. Söder war früher Redakteur beim Sender.

Für den echten Minister, der immer wieder an einem freundlich-nahbaren Image arbeitet, ist der Gastauftritt ein Riesenerfolg. (…) Es habe ihm echt Freude gemacht, sagt Söder über den Drehtag vor einigen Wochen. „Der Heimatminister muss auch mal in einer Heimatserie auftauchen. Aber ich bleib lieber doch dahoam in der Politik.“

Als ob er die für seinen Auftritt im Dienst der Eigen- und Regierungs-PR verlassen hätte.


Fotos: BR

Nachtrag, 22. Januar. Die Grünen im Bayerischen Landtag kritisieren das „dreiste Politiker-Placement“ und fordern eine Stellungnahme des BR-Intendanten. „Diese billige Werbung für die Seehofer-Administration kann nicht folgenlos bleiben“, sagte der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann. „Die Aufzählung der vermeintlichen Glanzleistungen der CSU-Staatsregierung hat in dieser Serie nichts verloren. Ich kann nicht verstehen, wie sich der Bayerische Rundfunk hierzu herablassen konnte.“ Die Partei will das Thema auch im Rundfunkrat des Senders auf die Tagesordnung bringen.

Fortsetzung hier.

Einen links, einen rechts, das ZDF fallenlassen

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Markus Söder kämpft für die CSU gegen die Sozis im Sender und für einen konservativen Programmdirektor – uns zuliebe natürlich.

Am Freitag entscheidet der ZDF-Verwaltungsrat, wer neuer Programmdirektor werden soll. Alles spricht für Fernsehspielchef Hans Janke – außer, daß er nach der schlichten Farbenlehre als „Roter“ gilt und Intendant Markus Schächter der einzige „Schwarze“ in der vierköpfigen ZDF-Spitze wäre. In der CDU gibt es inzwischen Stimmen, die sich trotzdem für Janke aussprechen. Wortführer der Gegner ist Markus Söder, Chef der CSU-Medienkommission und Mitglied im ZDF-Fernsehrat.

Herr Söder, Sie haben das ZDF öffentlich kritisiert: Im Wahlkampf sei „in den Redaktionsstuben linke Politik gemacht“ worden. Sie haben das Thema in den Fernsehrat gebracht. Gab es Beschlüsse dazu?

Wir haben gemeinsam festgestellt, die Debatte künftig in den zuständigen Ausschüssen zu führen.

Das heißt, Sie äußern sich in Zukunft weniger und anders?

Das hängt von Fall zu Fall ab. Die Situation ist nach der Wahl mehr als schwierig. Es gibt schon sehr viele Kritikpunkte an der Berichterstattung. Ob es um die „Endspurt“-Reportage ging, die Themenauswahl in „Frontal 21“ und das dortige „Kanzlerduell“ zweier Puppen, die Zusammensetzung des Publikums bei Sendungen wie „Nachtduell“, die Auswahl der Gäste von „Berlin Mitte“, bei der es meistens ein Verhältnis von drei zu zwei für Rot-Grün gab. Diese Fälle wollen wir jetzt intern aufarbeiten. Dann sehen wir, ob sich das bessert oder sich der Trend fortsetzt.

Dem ZDF ist schon vieles vorgeworfen worden, aber selten, ein linker Sender zu sein.

Ich würde nicht pauschal sagen, das ZDF ist links. Das ist viel zu einfach und würde dem Gesamthaus nicht gerecht. Aber es gibt aus unserer Sicht eindeutige Tendenzen bei der Themensetzung in der Aktualität und bei Magazinen.

Ein Trend, daß die meisten ZDF-Journalisten links sind?

Einige schon. Das sind natürlich alles professionelle Journalisten – aber die Art, wie die Themen aufbereitet wurden, war sehr oft an die Regierungssicht angelehnt.

Deshalb drohen Sie, man müsse „an die Rundfunkgebühren ran“.

Diese Debatte ist sehr ernst und wichtig. Das ZDF ist eine Länderanstalt, da müssen sich die Menschen auch wiederfinden. Die Bayern sind treue und unglaublich viele Gebührenzahler – und bei uns hat die CSU über 58 Prozent erreicht. Diese Bürger wollen sich auch im Programm wiederfinden. Sonst stellt sich schnell die Frage: Gebühren zahlen für etwas, bei dem man sich nicht repräsentiert fühlt? Oder diese noch erhöhen?

Kann es sein, daß Sie Ihr Interesse und das Parteiinteresse mit dem Zuschauerinteresse verwechseln?

Ich verstehe mich als Anwalt der Gebührenzahler und als Kontrolleur einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Ein Fernsehrat ist kein Lobbyist des ZDF. Meine Aufgabe besteht darin, darauf zu achten, für was Gebühren verwendet werden.

Der Gebührenzahler hat also ein Interesse, daß der neue ZDF-Programmdirektor konservativ ist?

Das ZDF ist zur Ausgewogenheit verpflichtet. Alle gesellschaftlich relevanten Gruppen müssen sich entsprechend ihrer Stärke wiederfinden; im Programm und letztlich in der personellen Mannschaft.

Sie kämpfen nicht für die Union, sondern für die Zuschauer gegen einen Programmdirektor Hans Janke? Ist das Ihr Ernst?

Ich nehme an, Sie wollen darauf hinaus, daß es dem Zuschauer letztlich egal sein kann, wer da sitzt.

Nein, aber welcher Partei er angeblich nahesteht.

Natürlich wäre es zu kurz gegriffen, allein aufs Parteibuch zu schauen. Daß die Leute Kompetenz haben müssen, ist keine Frage. Kompetenz steht an erster Stelle, aber an zweiter, aus welchem gesellschaftlich-politischen Milieu er kommt und ob sich damit die gesellschaftlich relevanten Gruppierungen repräsentiert fühlen. Es geht nicht darum, ob die CSU glücklich ist. Es geht darum, ob das ganze komplizierte Geflecht der gesellschaftlich-relevanten Kräfte repräsentiert wird im ZDF.

Und Thomas Reitze oder Thomas Bellut wären eine gute Wahl, weil sie als konservativ gelten?

Weil sie es können und weil es im Rahmen der Intendantenwahl bezüglich des Programmdirektors eine klare Vereinbarung gab. Ich denke, es wäre sinnvoll, diese Strukturen zu erhalten.

Hatten Sie den Eindruck, daß die Art, wie die Intendantenwahl auf der Grundlage dieser Strukturen stattfand, gut war fürs ZDF?

Nicht unbedingt. Ich würde manches ändern. Ich halte es für falsch, daß nicht nach zwei Wahlgängen eine einfache statt einer Dreifünftel-Mehrheit genügt. Das hat ja zu dieser Problemlage geführt.

Das? Oder eher, daß es immer allein darum geht: Welcher Partei steht jemand nahe? Sie sprechen von „gesellschaftlich relevanten Gruppen“, aber was zählt, ist nur, daß Janke als SPD-Mann gilt, Bellut als CDU-Mann.

Völlig unbedeutend ist es nicht.

Ist das gut fürs Fernsehen? Ist das im Interesse der Gebührenzahler?

Wir haben eine repräsentative Demokratie in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, und die definiert sich über diesen pluralistischen Ansatz. Das hat sich 50 Jahre in vielen Bereichen von Gesellschaft und Politik bewährt. Das ZDF unterliegt den gleichen Prinzipien. Ich finde nicht, daß man das in Frage stellen sollte, bloß weil man mal bei einer Personalentscheidung nicht gleich die augenscheinlich „schnellste“ Lösung hat.

Viele, die sich auskennen, sagen öffentlich, sie halten Janke für die beste Wahl. Beeindruckt Sie das?

Natürlich nimmt man diese Stimmen ernst. Ich weiß allerdings nicht, ob zum Beispiel das massive Werben von Gottschalk dem Kandidaten nützt. Entscheiden müssen andere. Ich bin fest überzeugt, daß der Intendant am Freitag dem Verwaltungsrat einen Vorschlag macht, der mehrheitsfähig ist.

Sind Sie selbst mehrheitsfähig? Der Fernsehratsvorsitzende Polenz, CDU, sagt, der Einfluß der Parteien solle nicht zu groß werden, man dürfe nicht jeden Personalvorschlag politisch diskutieren.

Ich habe das so verstanden – und da stimme ich ihm auch zu -, daß man nicht jede Personalie öffentlich dauerhaft diskutieren soll.

Genau das tun Sie.

Nein, das tue ich nicht mehr.

Haben Sie aber getan.

Ich habe einen Diskussionsbeitrag zu dem Thema gegeben. Ich denke, das war wichtig und richtig. Aber ich habe Herrn Polenz so verstanden, daß wir das nicht dauerhaft fortsetzen wollen. Vor allem nicht bei jeder kleinen Personalie.

Polenz sagt: „Ich halte es nicht für sachgerecht, wenn öffentlich über Personen debattiert wird.“

Der Fernsehratsvorsitzende hat im übrigen eine andere Aufgabe als ich. Ich bin der Meinung: Ein bißchen Transparenz schadet nie. Es muß doch Kritik möglich sein, ohne daß gleich gesagt wird, „da wird jemand beschädigt“. Es nützt doch dem ZDF nur, wenn manche Sachen kritisch hinterfragt werden. Ich bin schließlich einer der jüngsten im Fernsehrat, vielleicht formuliere ich manches auch plakativer als ein Etablierter.

Etablierter als Sie kann man kaum sein: Sie halten jeden Unions-Mann für qualifiziert, jeden SPD-Mann für unqualifiziert.

Das habe ich nicht gesagt.

Darauf läuft es hinaus.

Ich habe gesagt, Qualifikation ist das erste. Aber stellen Sie sich vor, es gibt zwei Gleichqualifizierte.

Sie wollen einen Konservativen.

Halte ich insgesamt für die ausgewogenere Lösung. Aber entscheiden müssen es andere.

Sie sitzen als Vertreter der CSU im Fernsehrat. Es gibt Vertreter von CDU und SPD. Ich frage mich, ob da irgend jemand als Vertreter des Publikums oder der Interessen des ZDF sitzt.

Aber das ZDF-Programm ist doch ganz gut. Oder haben Sie den Eindruck, das ist alles schlecht?

Nein.

Dann haben wir doch gute Arbeit gemacht!

Wenn das Programm gut ist, dann trotz des Einflusses der Parteien, nicht wegen.

Das sehe ich nicht so.

Wie sehen Sie jetzt die Chancen für Janke oder für Bellut?

Ich bin optimistisch.

Inwiefern?

Ich bin optimistisch, daß wir eine gute Lösung finden.

Und Sie haben gesagt, daß Sie Reitze und Bellut für gute Lösungen halten und Janke nicht.

Ja, das habe ich gesagt.

Wäre Janke schlecht fürs ZDF oder schlecht für die Union?

Ich glaube, es würde eine schwierige Situation auslösen, die das Gesamtvertrauen zwischen ZDF und Kontrollgremien betreffen könnte.

Haben Sie überhaupt Indizien, daß Leute wie Janke oder Schächter Entscheidungen aufgrund ihrer Parteipräferenzen fällen?

Es sind ja Leitungspositionen bei der größten Fernsehanstalt in Europa. Da hat jede Aufgabe eine politische Dimension.