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„Meedia“ lässt Strunz ein Erfolgsbad ein

Frage: Wo befinden Sie sich im Projekt "Abendblatt 3.0"? Antwort: Mittendrin. Wir machen sukzessive aus einem Traditionsblatt eine moderne multimediale Metropolen-Zeitung. Ganz entscheidend dabei ist die Geschwindigkeit. Zu schnell ist genauso falsch wie zu langsam. Wir gehen dynamisch, aber mit Sorgfalt voran. Frage: Sie haben ja auch schon einiges erreicht. Antwort: Danke.

Experten erkennen es gleich: Es war wieder einmal Zeit für den Online-Branchendienst „Meedia“, mit Claus Strunz vom „Hamburger Abendblatt“ zu reden — man trifft sich alle paar Monate zum Plaudern (April, Juni Oktober), und Strunz führt seinem Gesprächspartner Alexander Becker dann vor, dass er heiße Luft rosa schimmern lassen kann.

Ich vermute, dass sich an die oben zitierten Zeilen im Original-Gespräch noch die Frage: „Ich mag Ihre Krawatte, ist die neu?“ anschloss, aber die ist wohl bei der Autorisierung weggefallen. Inhaltlich lässt sich das Interview ohne größere Substanzverluste auf einen Wortwechsel von twitterbarer Länge reduzieren, etwa: „‚Und, alles gut?‘ – ‚Besser!'“ Die Gesprächsatmosphäre ist dabei so, dass die kritischste denkbare Frage ungefähr lauten würde: „Herr Strunz, macht Ihnen Ihr überragender Erfolg nicht manchmal selbst Angst?“

Immerhin erfahren wir, dass Strunz seinen Wechsel von der „BamS“ zum „Abendblatt“ „hart, aber schön“ fand, dass er im Jahr ungefähr 1500 Leseranfragen persönlich beantwortet und dass es ihm einen „wahre Freude“ ist, „jeden Tag zu sehen, wie viele Fachleute und kritische Geister in dieser Redaktion hochwertigen Qualitätsjournalismus produzieren“.

Nun wäre Strunz nicht Strunz, wenn er es schaffte, bei der Wahrheit zu bleiben. Und so brüstet er sich:

Innerhalb eines Jahres konnten wir die Anzahl der Nutzer und Zugriffe [auf abendblatt.de] mehr als verdoppeln. Und haben zudem die Printauflage weitestgehend stabilisiert.

Die Zahl der Zugriffe hat sich dank absurder Klickstrecken tatsächlich mehr als verdoppelt, die der Nutzer aber nicht — egal wie man sie misst. Die „Visits“ haben um 65 Prozent zugenommen, bei den „Unique Usern“ lässt sich gegenüber dem Vorjahr keinerlei Wachstum feststellen. Strunz‘ Formulierung sei „so nicht korrekt“, räumt „Meedia“-Chefredakteur Georg Altrogge auf Nachfrage ein. (Im Interview hätte ein entsprechender Widerspruch oder ein Hinweis für die Leser aber vermutlich nur die plüschige Atmosphäre gestört, nehme ich an.)

Und was die „weitestgehend stabilisierte Printauflage“ angeht, hilft vielleicht ein Blick auf folgende Grafik (ohne die unrentablen „sonstigen Verkäufe“, auf deren Reduzierung Strunz den Auflagenrückgang um vier Prozent im Interview schiebt):

Wenn Sie ganz genau hinschauen, können Sie erkennen, dass beide Abwärtskurven tatsächlich wieder einen winzigen Tick flacher geworden sind. Die Zahl der Abonnenten ist nur noch um 2,4 Prozent gesunken (nach 3,0 im Vorjahr); im Einzelverkauf betrug der Rückgang nur noch 4,9 Prozent (nach 8,0 im Vorjahr).

Ja: wow.

Nun muss man es natürlich nicht dramatisch finden, wenn der Interviewte seine eigenen Leistungen schönfärbt. Ich finde es aber dramatisch, wenn der Interviewer sich daran beteiligt:

Strunz: In der Redaktion existiert zudem ein großer kreativer Spirit.

Meedia: Sie haben auch die Redaktion umgebaut?

Strunz: Das gehört dazu. Für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts „Abendblatt 3.0“ brauche ich eine schlagkräftige Mannschaft: Einige Kollegen haben uns verlassen, einige haben neue Aufgaben erhalten und einige sind neu dazu gekommen. (…)

Meedia: Sie unternehmen den Umbau aus einer Position der Stärke, Sie haben einen modernen Newsroom — was passiert, wenn Sie trotzdem scheitern?

Strunz: Wieso scheitern? Mit der Abendblatt 3.0-Strategie sind wir bestens für die Zukunft gewappnet.

Sensationelle letzte Frage übrigens, aber: Wer würde ahnen, dass hinter der nichtssagenden Formulierung vom „unternommenen Umbau“, die Alexander Becker benutzt, die rabiate „Freistellung“ von über 30, teils langjährigen „Abendblatt“-Redakteuren gehörte: Die Kollegen mussten offenbar von einem Tag auf den anderen ihre Schreibtische räumen und die Karten abgeben, mit denen sie in die Redaktion gelangten. Ein Mitarbeiter schrieb mir: „Empörend ist nicht nur, was der Mann macht, sondern auch, wie er es macht.“

Auch „Meedia“ berichtete damals; das war aber eine Gelegenheit, zu der Strunz sich ausnahmsweise nicht einmal gegenüber seinem Kuschelpartner äußern wollte. Auf meine Frage, warum „Meedia“ jetzt auf eine kritische Frage dazu verzichtete, antwortete mir Altrogge:

Die Freistellung von rund 30 Abendblatt-Redakteuren ist mit der Frage nach dem Umbau der Redaktion angesprochen worden, und darauf antwortet Claus Strunz auch.

Okay.

Letzte Frage von mir an den Interviewer: „Läuft da was zwischen Ihnen und dem Claus?“ An seiner Stelle antwortete der „Meedia“-Chefredakteur, er finde die Frage „irritierend“:

Was auch immer Sie damit meinen, die Antwort ist nein.

Dabei hätte das so viel erklärt.

Hohe Kompetenz mit versierten Fachautoren!

Vielleicht raten Sie einfach mal mit, ob es sich bei diesem Text um eine Pressemitteilung von Gruner+Jahr oder den aktuellen Aufmacher des Online-Medien-Dienstes „Meedia“ handelt:

’stern‘-Sensationserfolg mit Jacko-Sonderheft

(…) Die Verkaufszahlen sind vor dem Hintergrund des auch für ein Sonderheft hohen Copy-Preises extrem ermutigend. (…)

Beim Thema Michael Jackson konnte der „stern“ seine hohe Kompetenz in der Verbindung anspruchvolle [sic] Redaktion plus eindrucksvolle Fotostrecken ausspielen. „Ein solches Projekt“, so [„Stern“-Chefredakteur Andreas] Petzold, „ist eine Freude für jeden Layouter“. Für den Text zeichnete unter anderem der versierte Fachautor Jochen Siemens verantwortlich.

Die Produktion des Sonderheftes war laut Petzold schnell entschieden: „Wir waren überhaupt nicht zögerlich und wussten gleich, dass dies ein Sonderheft werden muss.“ Folgerichtig sicherte sich das Hamburger Magazin für den Extra-Titel umgehend die Exklusivrechte an dem legendären Jackson-Foto von Herb Ritts und brachte dieses auf dem Cover. (…)

Okay, war leicht.

[via Swarley in den Kommentaren]

Meedioker

Beim Mediendienst „Meedia“ scheinen jetzt auch die betrunkenen Legastheniker zu arbeiten, die sonst die Seiten von „RP-Online“ füllen:

Ja, das ist eine Meldung für „Meedia“, und, ja, das ist die komplette Meldung.

Aber die Pointe kommt noch: Es stimmt nicht einmal, was da steht. Evan Williams sagte in der BBC (wie man auch der von „Meedia“ verlinkten Sekundärliteratur entnehmen kann), dass London die „top Twitter using city“ sei — also noch vor San Fran, äh, sico und New York liegen muss.

Dieses Geschäftsmodell, Nachrichten von anderen Seiten abzuschreiben und eigene Meldungen daraus zu machen, es ist anspruchsvoller, als man denken sollte.

Nachtrag, 12.35 Uhr. meedia.de hat flugs die Rechtschreibfehler korrigiert, am falschen Inhalt der Meldung aber sicherheitshalber nichts geändert.

Nachtrag, 13.30 Uhr. Nun ist die Meldung zwar nicht mehr eindeutig falsch. Aber von San Francisco und New York und ihren Platzierungen ist in Williams‘ BBC-Interview gar keine Rede.

Wer gibt noch was auf PageImpressions?

Im Zusammenhang mit dem absurden Wettrennen der Online-Medien um die höchsten Klickzahlen, das sie mit immer groteskeren Klickstrecken und Klickspielen bestreiten, taucht immer wieder die Frage auf, wer denn überhaupt so doof ist, der bei diesen Medien offenkundig sinnlos gewordenen Einheit „PageImpression“ (PI) überhaupt noch irgendeine Bedeutung als Erfolgsmesser beizumessen.

Nun, zum Beispiel die Kollegen von der Werbe-Fachzeitschrift „Horizont“:

Und die Kollegen von „Deutschlands Medien-Portal“ „Meedia“:

Und die Kollegen von der Werbe-Fachzeitschrift „werben & verkaufen“:

Und die Kollegen vom Medien-Fachdienst „kress“ natürlich:

Journalisten also. Journalisten sind so doof.

Nachtrag, 20:50 Uhr (auf besonderen Wunsch und weil man den ersten Absatz womöglich missverstehen kann): Es geht mir mit diesem Eintrag ausschließlich darum, zu sagen, dass Journalisten mitschuld daran sind, wenn die gesamte Branche an einer Währung festhält, die nicht mehr taugt und die schädlich ist für Journalismus und Journalisten.

Kleine Zwischenfrage für Meedia

Fast drei Monate ist es her, dass Dirk Mantheys teuer produziertes Online-Branchenmagazin „Meedia“ nach ungefähr vierhundertjähriger Vorbereitungszeit gestartet ist. Wie lange mag es noch dauern, bis jemand bemerkt, dass in den RSS-Feeds der „Meedia“-Artikel immer der erste Absatz fehlt?

z.B. Website:

Feed:

(Das ist eh ein interessanter Effekt: Dass all die Verlage und Produzenten über ihre teuren Content-Management-Systeme stöhnen, die offenbar nur mit größeren Verrenkungen dazu zu bringen sind, das zu tun, was kostenlose und einfach zu bedienende Blog-Software vorbildlich macht.)