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Michael Johnson trifft Johannes B. Kerner

Gestern abend im ZDF:

Johannes B. Kerner: Zwei Mitglieder [der amerikanischen 4×400-Meter-Staffel von Sydney] sind des Dopings überführt worden. Einer hat gesagt, er hat’s getan. Sie haben gesagt, Sie haben nicht gedopt. Können Sie verstehen, dass es kritische Stimmen gibt, die sagen: Mensch, ausgerechnet der schnellste aus der Staffel von damals, der soll nichts genommen haben?

Michael Johnson: That’s a stupid question and I’m not gonna answer it.

Mal abgesehen davon, dass es schade ist, dass Senta Berger und Margarethe Schreinemakers nicht dabei sein konnten — gibt es wirklich niemanden im ZDF, dem sich die Fußnägel aufrollen, wenn er diese Gespräche sieht?

Es ist gut und richtig, dass Michael Johnson sich diese Fragen anhören muss. Es ist nur ein billiges Ablenkungsmanöver, wenn Michael Johnson am Ende daraus eine Verirrung der Deutschen oder des deutschen Fernsehens machen will.

Aber müsste Kerner nicht irgendwann erkennen (oder müsste ihn nicht irgendwann jemand vom ZDF beiseite nehmen und sagen), dass seine Form, Gespräche zu führen, untauglich ist, wenn ihm jemand anderes gegenübersitzt als Verona Pooth?

Er hat sie in seiner Sat.1-Vormittagstalkshow entwickelt, seine spezielle Form der Uneigentlichkeit, des Nicht-Fragens, und in seiner ZDF-Talkshow perfektioniert. Es ist seine Möglichkeit, tief im Schmutz zu wühlen, ohne selbst dreckig zu werden. Er, Kerner, hat ja immer nur gefragt und manchmal nicht einmal das. Nur zitiert, was andere meinen könnten. Angesprochen, was andere angesprochen haben, ohne es selbst angesprochen zu haben. Besonders eindrucksvoll demonstrierte er diese Methode, als vor Jahren die Schlagersängerin Michelle zu Gast war, der damals eine Affaire mit Oliver Kahn nachgesagt wurde. Das Gespräch begann so:

Kerner: Hallo Michelle, herzlich willkommen. Ja, übrigens Oliver Kahn war eigentlich angesagt für diese Sendung. Der FC Bayern hat ihm nach den glorreichen Spielen zuletzt verboten, die Stadt zu verlassen, und deshalb konnten wir das schöne Treffen mit Ihnen… Hätten Sie ihn gerne mal kennengelernt?

Michelle: Das ist schade, weil man sagt ja, ich hätte ein Verhältnis mit ihm, und ich hätte ihm zumindest vorher gerne einmal die Hand geschüttelt.

Kerner: Ach, Sie haben ihn noch nie getroffen?

Michelle: Nein, ich kenne ihn leider nicht.

Kerner: Ich kannte das Gerücht. Ich hätte nicht die Frechheit besessen, Sie darauf anzusprechen. Aber er ist ja glücklich verheiratet, wird Vater, zum zweiten Mal, das müßten Sie eigentlich wissen?

Nun versucht er, mit dieser Methode kritischen, nachhakenden, mutigen Journalismus zu simulieren: Michael Johnson, „Können Sie verstehen, dass es kritische Stimmen gibt, die sagen“? Er traut sich nicht selbst aus der Deckung, weshalb es auch so unwürdig ist, ihm dann beim Zurückschliddern zuzusehen. Bei seinem Kampf, seine Frage gleichzeitig als zulässig zu verteidigen, aber auch klarzumachen, dass es gar nicht seine Frage war. Bei seinem Rückzug auf ein schlichtes Rollenspiel, in dem Johnson und er nur tun, was sie tun müssen.

Und bei seiner nachhaltigen Irritation, dass er das Publikum plötzlich gegen sich hat. Wäre er kritischer Journalist und würde nicht nur gelegentlich in diese Rolle zu schlüpfen versuchen, wüsste er, dass es von den Fans natürlich keinen Applaus gibt für die Spielverderber, die ihre schönen Spiele kaputtmachen und an ihren Idolen sägen wollen. Kerner aber ist Showmaster.

Das ganze Gespräch in der ZDF-Mediathek