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Der NDR als Taufkumpan: Und wieder eine Werbearie für AIDA

Es sind wieder AIDA-Festwochen im NDR-Fernsehen.

Die Rostocker Reederei hat am vergangenen Wochenende in Kiel mit dem üblichen Tamtam ein neues Kreuzfahrtschiff taufen lassen, und für den Haus- und Werbesender der Flotte ist das natürlich Pflicht zu flächendeckender Berichterstattung.

Der NDR-Fernseh-Chefredakteur Andreas Cichowicz hatte zwar im vergangenen Jahr gegenüber diesem Blog gesagt: „Wir zeigen nicht jedes neue Schiff“. Aber entweder meinte er das nicht so. Oder zu den „besonderen Kriterien“, die nach seinen Worten erfüllt sein müssen, damit der NDR berichtet („wenn es etwa das größte ist, das bisher gebaut wurde, wenn es um eine völlig neue Präsentation geht oder es für ein bestimmtes Klientel gemacht ist“) gehört auch der Superlativ, den die neue AIDAsol erfüllt: Sie hat angeblich den größten Wellnessbereich aller Kreuzfahrtschiffe an Bord. Sagt die AIDA. Und der NDR.

Dass das achte AIDA-Schiff, das im übrigen baugleich mit dem siebten ist, in Kiel getauft wurde, war ganz praktisch für den Vier-Länder-Sender NDR. Das Landesfunkhaus Niedersachsen kann immer schon die Ems-Überführungen der Schiffe von der Meyer-Werft in Papenburg begleiten, die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern sind schon wegen des Sitzes der Reederei in Rostock zuständig, und die Hamburger NDR-Leute durften im vergangenen Jahr groß über die Taufe der AIDAblu berichten. Das Landesfunkhaus Schleswig-Holstein hatte, so gesehen, deutlichen Nachholbedarf in Sachen öffentlicher AIDA-Begeisterung.

Entsprechend früh begann es seine Aufholjagd. Schon am 3. April, fast eine Woche vor der Taufe, berichtete das „Schleswig-Holstein Magazin“ darüber, dass sich „die nagelneue AIDAsol“ bereits mit den ersten Passagieren gefüllt habe, die in Betten schliefen, in denen noch nie zuvor ein Mensch geschlafen habe.

Am nächsten Tag besuchte das Magazin „Schleswig-Holstein 18:00 Uhr“ das Schiff und ließ sich mal ausführlich erklären, wie toll das Ding ist. Die Reporter begleiteten den Club-Direktor bei seiner Arbeit, fragten den Kapitän, ob eigentlich oft Kinder auf die Brücke wollen, und interviewten den Mann, der im bordeigenen Brauhaus Bier herstellen darf. Und der Moderator sagte, nachdem er eine Gesprächspartnerin als „Spa-Supervisor“ vorstellte: „Aber gespart wurde auf dem Schiff auch nicht im Wellness-Bereich.“

Am Tag der Taufe schaltete das „Schleswig-Holstein Magazin“ dann live zu einer Reporterin vor Ort, zeigte Aufnahmen von den Proben und sprach mit Besuchern, die Sätze sagten wie: „Das Wetter ist einmalig. Direkt für die AIDA bestimmt.“ Eine Frau war eigens 500 Kilometer vom Niederrhein angereist. Die Taufpatin hat sich in Hamburg ein tolles Abendkleid gekauft für den Anlass. Und Stargast Kim Wilde sagt, sie sei noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff mitgefahren, sie habe ein bisschen Angst, aber bei diesem Exemplar hier könne sie glatt in Versuchung kommen, „denn es sieht wunderschön aus“.

Am Tag danach informierte das NDR-Mischmagazin „DAS!“ dann die überregionale Öffentlichkeit über den Rekord mit dem größten Wellnessbereich. Der Filmbericht begann mit Aufnahmen, wie jemand das Schiff fotografiert, und dem Satz: „So einen properen Täufling fotografiert man doch gern.“ Im Anschluss schwelgte aber natürlich auch das „Schleswig-Holstein Magazin“ noch einmal ausführlich von der Show, die nach Veranstalter- und NDR-Angaben 50.000 Besucher anlockte.

Chefredakteur Cichowicz hatte vergangenes Jahr noch gesagt, er sei sich des Problems bewusst, dass durch die Berichte, die der Sender mit jedem neuen Schiff vom Stapel lässt, „werbliche Effekte“ entstehen können. Er hätte sich aber mit mit den verantwortlichen Kameraleuten und Regisseuren abgesprochen „und festgelegt, wie man Einstellungen so aufnimmt, dass werbliche Effekte möglichst vermieden werden. Seitdem achten wir in dem Bereich, den ich für die Programmdirektion Fernsehen verantworte, darauf besonders.“

Die Tauffeierlichkeiten wurden praktischerweise vom Landesfunkhaus Schleswig-Holstein verantwortet.

Ob bereits ein NDR-Kamerateam an Bord ist für die obligatorische dreiviertelstündige Werbereportage, ist dem Fernsehblog nicht bekannt.

Das Ganze eine Reederei: Der NDR wieder in Diensten der Aida-Flotte

Sabine Kühn hat noch nie eine Kreuzfahrt mitgemacht. Das allein ist schon ein Wunder, denn es kann nicht mehr viele Moderatoren des NDR-Fernsehens geben, die noch nicht mit einem Schiff und einem Kamerateam um die Welt oder die Ostsee gefahren sind, um den Zuschauern von den fantastischen Angeboten zu berichten, die es da gibt.

Für Sabine Kühn aber war es eine Premiere. Sicherheitshalber hat sie nur eine Fünf-Tages-Tour gebucht, was ganz gut sei, „weil man dann einmal rausfinden kann, ob Kreuzfahrt etwas für einen ist.“ Und bei diesem atemberaubenden Experiment durften wir Fernsehzuschauer dabei sein! „Hanseblick Spezial: See(h)reise in den Norden“ heißt die einstündige Reportage, die am zweiten Weihnachtstag lief.

Sabine Kühn ist natürlich nicht mit irgendeiner Reederei gefahren, sondern mit Aida Cruises. „Die AIDA-Flotte aus Rostock hat die internationale Kreuzfahrt verändert“, teilte der NDR in einer Pressemitteilung zur Sendung fest. Richtig ist jedenfalls, dass die Aida-Flotte aus Rostock das NDR-Fernsehen verändert hat. Mit einer erstaunlichen Unverfrorenheit und Penetranz hat sich der öffentlich-rechtliche Sender zum Dauerwerbeprogramm des Unternehmens gemacht.

Sie machen sich nicht einmal mehr die Mühe, die schwärmerischen Pressemitteilungen neu zu verfassen. Der Text zur Sendung mit Sabine Kühns Jungfernfahrt ist über weite Strecken identisch mit der Ankündigung der Kreuzfahrt-Reportage, die der NDR vor zwei Jahren an Weihnachten sendete und passenderweise am Montag wiederholte.

„Die AIDA-Flotte aus Rostock hat die internationale Kreuzfahrt verändert. Nicht steif und teuer ist angesagt, sondern fröhlich und locker. (…) Ein NDR-Team hat für eine Schnupperreise auf der ‚AIDAblue‘ angeheuert und nimmt Kurs auf Nordeuropa.“ (2010)

„Die AIDA-Flotte hat die Kreuzfahrt verändert. Nicht steif und teuer ist angesagt, sondern locker. Friederike Witthuhn hat auf der ‚AIDAaura‘ angeheuert, mit Kurs auf Nordeuropa.“ (2008)

„Moderatorin Sabine Kühn entdeckt die vielen Angebote an Bord des Kreuzfahrtriesen: jeden Abend eine neue Show im Theatrium, Unterhaltung in den verschiedensten Bars mit dem ersten Brauhaus auf dem Meer, Rundumbetreuung im Kids-Club, Action bei den Fitnessangeboten.“ (2010)

„Moderatorin Friederike Witthuhn entdeckt die vielen Angebote an Bord des Kreuzfahrtriesen: jeden Abend eine neue Show im Theater, Unterhaltung in den Bars, Rundumbetreuung im Kids-Club, Koch-, Mal-, Fotokurse, Entspannung im Wellnessbereich, Action bei den Fitnessangeboten.“ (2008)

„Das Fernsehteam darf auch in Bereiche, die für die Gäste tabu sind. Der Kapitän lädt auf die Brücke ein, der Küchenchef lässt in die Töpfe schauen und die Azubis sorgen bei Wartungsarbeiten im Maschinenraum für eine reibungslose Fahrt.“ (2010)

„Das ‚Hanseblick‘-Team darf auch in Bereiche, die für die Gäste tabu sind: Der Kapitän lädt auf die Brücke ein, der Küchenchef zeigt seinen Bereich und der Proviantmeister seine Lager.“ (2008)

Beide Filme stammen von Elke Bendin, der Redaktionsleiterin des „Hanseblicks“. Ihr Werk von vor zwei Jahren hätte aber auch die Aida-Werbeabteilung produzieren können – außer, dass die sich womöglich um ein bisschen mehr Anschein von Distanz bemüht hätte.

Der Film beginnt damit, dass die Moderatorin vor dem Schiff versucht, mit Lippenstift einen roten Kussmund zu malen, wie ihn die Schiffe der Reederei tragen. Es gibt sogar einen ausführlichen Besuch bei Feliks Büttner, dem Künstler, der dieses Markenzeichen erfunden hat und nun immer neuen Tand für die Kreuzfahrtpassagiere entwerfen darf.

Frau Witthuhn interviewt den Clubdirektor der Aida aura, geht mit dem Küchenchef der Aida aura auf den Fischmarkt, lässt sich vom Entertainment-Manager der Aida aura das Showprogramm erklären, freut sich über die gute Arbeit des Bordfernsehens der Aida aura, trifft den Küchenchef der Aida aura, begleitet den Proviantmeister der Aida aura, befragt den Kapitän der Aida aura, der der jüngste Kapitän der Aida-Flotte sei. Zwischendurch räumt sie mit dem Vorurteil auf, dass eine Kreuzfahrt mit kleinen Kindern undenkbar sei und kauft im Aida-Shop ein Aida-Memory-Spiel, um mit einer beeindruckten jungen Aida-Reisenden ins Gespräch zu kommen.

Schließlich nimmt sie an einem Treffen der Stammpassagiere teil, und es kommt zu einem Dialog, der die Botschaft des ganzen Filmes gut zusammenfasst:

Moderatorin: Sind Sie denn süchtig nach Kreuzfahrtschiffen?

Stammkunde: Nee, nicht nach Kreuzfahrtschiffen. Eigentlich nur nach Aida.

In der diesjährigen Aida-Reisereportage des „Hanseblicks“ ist die Werbung – vergleichsweise – weniger plump. Sie erzichtet sogar weitgehend darauf, das Logo der Reederei bildschirmfüllend ins Bild zu setzen. Das ist aber das einzig Positive, das sich über sie sagen lässt. Warum eine läppische Fahrt mit dem Schiff von Rostock nach Kopenhagen, Oslo und Hamburg ein Thema für ein einstündiges Special sein sollen, ist nach dem Ansehen ein noch größeres Rätsel als vorher.

Wir sehen Menschen, die dank der Welle der Kreuzfahrtschiffe in Warnemünde ein bisschen surfen können. In Skagen – einem Punkt, der, wie die Moderatorin sagt, faszinierend ist, weil hier Nord- und Ostsee zusammenstoßen, den die Aida aber mitten in der Nacht passiert, so dass die Passagiere es „wohl alle verschlafen“ – treffen wir Menschen, die Skagen schön finden und hier Golf spielen. Über Kopenhagen erzählt der Film die längst vielfach toterzählte Geschichte des alternativen Viertels Christiania. In Oslo erfahren wir ein bisschen was über, natürlich, den Nobelpreis und, klar, die schöne Bahnfahrt nach Bergen. Diese Berichte sind offensichtlich, ähnlich wie im 2008er Film, aus anderen Sendungen wiederverwertet, was natürlich immerhin noch besser ist, als wenn der NDR womöglich noch Geld dafür ausgegeben hätte.

Bleibt andererseits die Frage, warum er sich so eine Sendung nicht ganz spart, oder wenigstens das werbliche Rahmenprogramm, in dem Moderatorin Sabine Kühn dümmlich staunend das Schiff und all das, was so ein Schiff hat, besichtigt. (Würde sie das NDR-Fernsehen gucken, kennte sie all das natürlich schon, denn die Vorzüge der Aida blu, auf der sie sich befindet, hat ihr Kollege Peter Kellner aus dem Landesfunkhaus Niedersachsen vor nur gut einem halben Jahr im Programm bereits schamlos werblich beschrieben.)

Einmal muss die Moderatorin sich laut Drehbuch vergeblich einen Platz auf dem Sonnendeck suchen, um dann zur Überleitung sagen zu können: „Das Örtchen Skagen ist auch eine ganz begehrte Lage.“

Sie sagt: „Die kleinen Kreuzfahrer sind im Kids-Club am besten aufgehoben. Abwechslung ohne Ende.“ Sie freut sich: „Ganz neu auf einem Kreuzfahrtschiff: hier wird sogar Bier gebraut!“ Sie lobt: „13 Bars sorgen für gute stimmung. Da findet doch jeder sein Plätzchen!“ Selbst triste Aufnahmen von mittelalten Menschen, die in einer Disco tanzen, muss sie feiern mit Sätzen: „Im Theatrium wird auf Teufel komm raus geschwooft. Kreuzfahrer haben Kondition.“ Oft würden „schon die Neulinge infiziert“, sagt sie, „vom Virus einer Seereise. Knapp fünf Tage, randvoll mit Erlebnissen.“

Am Ende zieht sie folgendes überraschendes Fazit:

„Vielleicht heißt eine solche Reise ja auch Kreuzfahrt, weil es eine Kreuzung ist zwischen Hotellerie und Seefahrt. Und wenn man gerne weit herumkommt, aber immer das Zuhause dabei haben möchte, wenn man sehr gesellig ist und gern mit vielen Menschen gemeinsam etwas unternimmt, dann ist man auf so einem Schiff genau richtig.“

Gut, dass das endlich einmal geklärt ist.

Tragischer Sieg beim „NDR Comedy Contest“


Screenshot: NDR

Erinnern Sie sich an Nico, den depressiven „Lebensqualitäter“, für den ich vor ein paar Monaten getrommelt habe, weil er sich mit seinem Auftritt übers „Scheitern“ beim „NDR Comedy Contest“ beworben hatte?

Nun: Er hat es ins Finale geschafft. Und er hat gewonnen.

Ich habe leider die Show völlig vergessen — sie lief letzte Nacht im NDR-Fernsehen. Aber hier kann man sich die komplette Sendung ansehen, und hier Nicos Auftritt.

Glückwunsch, Nico!

Verlorene Ehre

Inken Ramelow, die Geschäftsführerin von „Hamburg On Air“, die für Blätter wie „Stern“ und „Bild“ und Sendungen wie das ZDF-Magazin „Hallo Deutschland“ die Drecksarbeit erledigt, droht dem NDR mit juristischen Schritten, weil das Medienmagazin „Zapp“ in „ehrverletzender, unwahrer und missverständlicher Art und Weise“ über sie berichtet habe.

Obwohl sie bislang keine einstweilige Verfügung gegen den Sender erwirkt hat, ließ der NDR in vorauseilendem Gehorsam den Beitrag von seiner Homepage entfernen. Auch die reguläre Wiederholung der Sendung auf 3sat heute Nachmittag entfällt.

Ramelows Anwalt beschwert sich u.a. darüber, dass das Magazin seine Mandantin in die Öffentlichkeit gezerrt habe. Fast könnte man darüber lachen.

Der „Zapp“-Beitrag:

Nachtrag, 29. April. Das Video ist nun wieder auf der „Zapp“-Homepage zu sehen. Der NDR hat das Unterlassungsbegehren von Frau Ramelow und ihrer Firma zurückgewiesen.

Nachtrag, 28. April 2013. Nach meinem Eindruck hat sich Frau Ramelow jetzt seit einigen Jahren von dieser Form des Journalismus verabschiedet.

Wer hat Angst vor Eva Herman?

Vergangene Woche Freitag ist bei BILDblog einmal kurz Hektik ausgebrochen. Wir hatten erfahren, dass Eva Herman zwei Prozesse gegen Axel Springer gewonnen hat, und wollten möglichst schnell einen Eintrag produzieren, damit uns nicht alle anderen zuvorkommen. Das war großer Quatsch.

Denn über die juristischen Erfolge der früheren Fernsehmoderatorin berichtet ungefähr niemand.

Das Landgericht Köln hat Herman in gleich zwei Fällen Recht gegeben und je 10.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Der eine Fall ist eher banal, aber lustig und absolut Vermischtenseiten-tauglich: „Bild“ darf Eva Herman nicht mehr eine „dumme Kuh“ nennen, wie es der feinsinnige Franz Josef Wagner in seiner Kolumne getan hatte.

Der andere Fall ist komplexer und heikler, betrifft aber nichts weniger als den Auslöser des Skandals um Eva Herman, an dessen Ende ihr Ausschluss aus dem Kreis medial akzeptabler Personen stand. Es geht um eine Buchvorstellung, bei der Eva Herman wörtlich gesagt hatte:

„Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles, das alles [abgeschafft], was wir an Werten hatten. Es war eine grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle. Aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft.“

Das „Hamburger Abendblatt“ fasste Hermans Aussagen über das Dritte Reich so zusammen:

Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter.

Ich halte das für eine zulässige Zusammenfassung von Hermans wirren Sätzen und Gedanken. Das Kölner Landgericht findet das nicht und hat sie untersagt.

Der NDR beendete die Zusammenarbeit mit Herman erst, nachdem sie gegenüber der „Bild am Sonntag“ ihr Lob für die Förderung der „Werte“ wie „Familie, Kinder und das Mutterdasein“ im Dritten Reich wiederholt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war auch der Wortlaut von Hermans Äußerungen bei der Buchvorstellung bekannt.

Die umstrittene Formulierung im „Abendblatt“ ist also nicht Ursache für ihre Kündigung, aber sie war Auslöser der ganzen Aufregung. Wenn also ein Gericht diese Formulierung für unzulässig erklärt und Herman ein Schmerzensgeld zuspricht — dann ist das kein Thema für deutsche Medien? Die Meldung stammt von der evangelikalen Nachrichtenagentur idea.de vom vergangenen Freitag. Aufgenommen wurde sie vom Online-Auftritt der rechtskonservativen Zeitung „Junge Freiheit“ und von BILDblog, wo sie der Mediendienst „Meedia“ abschrieb. [Nachtrag: epd Medien hat auch berichtet.]

Das war’s.

Wenn ich es richtig sehe, hat keine Zeitung und kein größeres Online-Medium über Hermans Erfolge berichtet (die deutsche Nachrichtenagentur dpa meldet grundsätzlich nichts, was „Bild“ nicht gefallen könnte). Die Urteile sind zwar noch nicht rechtskräftig, Springer kann in Berufung gehen. Aber in einer Medienwelt, in der jeder Schluckauf zur Aufmacher-Meldung taugt, war für ausgerechnet diese Nachricht kein Platz mehr?

Wohlgemerkt: Ich finde es angesichts der Unfähigkeit von Eva Herman, ihre Thesen so zu formulieren, dass man sie nicht als Lob des Nationalsozialismus verstehen kann, zulässig, sie aus dem Kreis der Leute auszuschließen, die man in irgendwelche Talkshows einlädt, um über ihr neues Buch zu plaudern oder Kochrezepte zu tauschen. Ich finde es richtig, wenn die etablierten Medien ihr deshalb kein Podium mehr geben wollen.

Gerade dann muss man aber so fair sein, darüber zu berichten, wenn Eva Herman sich erfolgreich gegen diese Medien wehrt. Schon deshalb, weil mit jeder Meldung, die die etablierten Medien auf diese Weise totzuschweigen scheinen, die Gruppe derjeniger wächst, die glaubt, dass diese Medien ohnehin ein Meinungskartell bilden, das gemeinsam unerwünschte Informationen unterdrückt. Und es den Anhängern von Herman leichter gemacht wird, sie zur Märtyerin zu stilisieren.

Bei „Spiegel Online“ heißt es, es sei eine „rein journalistische Entscheidung“ gewesen, nicht über Eva Herman zu berichten: Man habe „zu der Zeit Anderes, Besseres zu vermelden“ gehabt. Das stimmt natürlich, der Freitag vergangener Woche war schließlich der Tag, an dem der Papst seinen eigenen YouTube-Kanal startete, ein Wachmann am Buckingham Palace einen Touristen beim Kragen packte, Berlusconis Frau ihre Schwäche für Obama offenbarte und Giulia Siegel exklusiv gegenüber „Spiegel Online“ enthüllte, Ingrid van Bergen im RTL-Dschungelcamp zweimal den Bauch massiert zu haben.

Gibt es womöglich wirklich einen Konsens, Eva Herman und ihre Erfolge totzuschweigen? Oder graut es den Medien nur davor, dass sie ihre Leserkommentare und E-Mail-Fächer wieder feucht durchwischen müssen, wenn Eva Hermans wutschäumende Anhänger dort durchgetrabt sind?

Vielleicht ist die Antwort aber auch ganz einfach die, dass eine Meldung, die weder von dpa noch von der „Bild“-Zeitung verbreitet wird, für 98 Prozent der deutschen Medien gar nicht existiert.

Bowling for „Tagesschau“

Das Video kommt daher mit dramatischer Musik und in einem Tonfall, als würde es beweisen, dass die ARD Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen im „Tagesschau“-Studio versteckt hatte. Gedehnt auf zwölf lange Minuten und mit dem Impetus einer Michael-Moore-Dokumentation prangert Robin Meyer-Lucht einen Beitrag der „Tagesschau“ vom 24. April 2007 an. (Video und weitere Dokumente hier.)

An diesem Tag hatte die EU-Kommission bekannt gegeben, dass sie das Verfahren gegen die Bundesrepublik wegen der Rundfunkgebühren eingestellt habe. In der jetzigen Form sei die Finanzierung von ARD und ZDF zwar nicht mit EU-Recht vereinbar, die Bundesregierung habe sich aber verbindlich zu den nötigen Korrekturen bereit erklärt. Angestrengt hatte das Verfahren der Lobbyverband der Privatsender (VPRT).

Die „Tagesschau“ hatte ihren Beitrag zu dem Thema mit folgenden Worten anmoderiert:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist mit europäischem Recht vereinbar. Die EU-Kommission stellte eine vor Jahren angestrengte Beihilfe-Untersuchung jetzt ein. Zugleich machte Brüssel aber Auflagen. So müssen die Bundesländer unter anderem den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konkretisieren. Mit der Entscheidung ist der Streit zwischen der EU und Deutschland über die Rundfunkgebühren für ARD und ZDF beigelegt.

Ungefähr an jeder einzelnen Formulierung nimmt Robin Meyer-Lucht Anstoß. Er sieht in ihnen einen Beweis dafür, dass die „Tagesschau“ nicht unabhängig berichtet, sondern ihre eigene Interpretation als objektive Nachricht ausgibt. Der erste Satz erinnert ihn sogar an Propaganda im Stil der „Aktuellen Kamera“.

Interessant nur, dass dieser erste Satz, der angeblich reine ARD-Propaganda ist, fast wörtlich aus einer dpa-Meldung vom selben Tag stammt. Sie beginnt so:

Jetzt haben es ARD und ZDF Schwarz auf Weiß: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist mit europäischem Recht vereinbar.

Auch hätte die „Tagesschau“ nach Meyer-Luchts Ansicht nicht formulieren dürfen, dass die Auflagen „zugleich“ erfolgten — die Auflagen selbst stellten ja den erzielten Kompromiss dar. Aber auch diese Formulierung findet sich in den Agenturmeldungen vom selben Tag — konkret bei AP:

Die Kommission stellte zwar ihre Untersuchung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein, forderte zugleich aber die Bundesländer auf, die Verwendung der Gebühren schärfer zu kontrollieren.

Sogar dass die „Tagesschau“ formuliert, der Streit sei damit „beigelegt“, findet Meyer-Lucht irreführend und propagandistisch. So sah es allerdings zum Beispiel auch AFP:

Streit um Gebühren für ARD und ZDF beigelegt.

Meyer-Lucht erweckt den Eindruck, die „Tagesschau“ habe eine Niederlage der ARD in einen Sieg uminterpretiert. Aber auch das der besonderen Sympathie für öffentlich-rechtliche Sender unverdächtige „Handelsblatt“ wählte am nächsten Tag die Überschrift:

ARD gewinnt in Brüssel.
EU-Kommission lässt Investition der öffentlich-rechtlichen Sender in neue Geschäftsfelder zu.

Selbst der VPRT sah das offenbar so. Das „Handelsblatt“ zitierte dessen Präsidenten Jürgen Doetz mit den Worten:

„ARD und ZDF kommen mit einem blauen Auge davon. Sie können nun einen Sieg feiern.“

Meyer-Lucht kritisiert weiter, dass die Gegenseite in dem „Tagesschau“-Beitrag nicht zu Wort kam. Sicher wäre es besser gewesen, wenn sich die ARD diese Blöße nicht gegeben und einen VPRT-Vertreter zitiert hätte. Aber aus ARD-Sicht ist auch die EU-Kommission die Gegenseite — und die kam durchaus zu Wort.

Dass die Berichterstattung der ARD in eigener Sache häufig zu wünschen übrig lässt und der Beitrag auch in diesem Fall weniger angreifbar hätte formuliert sein können, ist keine Frage. Aber das Video von Robin Meyer-Lucht baut einen Popanz auf und verzerrt den Fall bis ins Lächerliche. Vor allem dient es wohl, massenhaft an Blogger verschickt, der Eigen-PR für Meyer-Luchts Firma „Berlin Institute“.

Und das funktioniert: Von erklärten Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie dem „Handelsblatt“-Blogger Thomas Knüwer, der seine Ahnungslosigkeit bei diesem Thema durch Zorn zu kompensieren versucht, wird das Video bereits ungeprüft für wahr erklärt.

Muss ja stimmen. Weiß man doch, wie die sind bei ARD und ZDF.

Bei Witzen versteht der NDR keinen Spaß

In der „Süddeutschen Zeitung“ erschien gestern ein längeres Portrait über Lutz Marmor, den neuen Intendanten des NDR. Es analysierte sportliche Hobbys, Wandschmuck, Schreibtischmodell und Anzugwahl, um zum Ergebnis zu kommen: „Er ist freundlich, grundsätzlich gut gelaunt (…). Ein vergnügter, ehrgeiziger Rheinländer.“

Um die Frage zu klären, ob der neue Intendant des NDR Humor hat, hätte allerdings ein Blick auf einen Text genügt, der nur einen Bruchteil so lang war und am Tag zuvor in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschien. Er lautete:

Gegendarstellung

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat am 20. Januar 2008 auf Seite 50 den Artikel „Bitte nicht weitersagen“ veröffentlicht. Darin heißt es: „Als am Freitag vor einer Woche der NDR-Intendant Jobst Plog mit einer Gala im ‚Studio Hamburg‘ verabschiedet wurde, war sie (Anmerkung: gemeint ist Anne Will) trotzdem nur eine Notlösung. Denn eigentlich hätte Günther Jauch die Verabschiedung des Senderchefs moderieren sollen — sagte aber ab . . .“ Hierzu stellen wir fest: Günther Jauch ist nie um die Moderation gebeten worden. Er hat deswegen auch nie abgesagt. Anne Will sollte die Moderation von Anfang an übernehmen.

Hamburg, den 23. Januar 2008
Lutz Marmor, Intendant des Norddeutschen Rundfunks
Dr. Werner Hahn, Justitiar des Norddeutschen Rundfunks

Ich hoffe, irgendwer hat den beiden inzwischen den Witz erklärt.

Experten-Casting bei „Zapp“

Eine Zeitlang war ich so oft als „Experte“ im NDR-Medienmagazin „Zapp“ zu sehen, dass sich schon Leute lustig gemacht haben. Diese Woche wollten sie mich nicht haben.

Vor ein paar Tagen rief eine Kollegin von „Zapp“ an und sagte, sie wollten etwas darüber machen, dass „Extreme Activity“ den Grimme-Preis gewinnen würde, und ob ich das nicht auch schlimm fände. Ich sagte ihr, dass ich das nicht schlimm fände. Sie sagte, dass ich dann leider nicht der geeignete Interviewpartner zum Thema sei, und fragte noch, ob ich nicht jemanden wüsste, der das schlimm fände. Ich empfahl ihr Jana Hensel, aber wenn ich mich recht erinnere, war sie auf die schon selbst gekommen.

Lustigerweise weiß ich inzwischen von einem Kollegen, dass er genau so einen Anruf von „Zapp“ bekommen hat, leider auch nicht mit Empörung dienen konnte und deshalb ebenfalls als Gesprächspartner ausschied.

Der fertige „Zapp“-Beitrag zeigt dann, dass es nicht darin lag, dass man schon 27 Fürsprecher für „Extreme Activity“ gefunden hatte. Sondern weil man keinen Fürsprecher in dem Beitrag haben wollte.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich halte das nicht für einen Skandal. Ich finde es nur ein kleines, anschauliches Beispiel dafür, wie Journalisten arbeiten.

Und damit auch der letzte „Zapp“-Zuschauer versteht, was für ein Skandal es ist, einer solchen Kindergartenshow den Adolf-Grimme-Preis zu verleihen, schraubt die Anmoderation des Beitrags die Fallhöhe ins Schwindelerregende:

Adolf Grimme war ein Mann mit Mut. Unerschrocken engagierte er sich für die „Freiheit des Wortes“ — ob im Widerstand gegen das NS-Regimes oder später als erster Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks. Mit dem nach ihm benannten Fernsehpreis des Deutschen Volkshochschul-Verbandes sollen deshalb Sendungen und Filme gewürdigt werden, die im Sinne Adolf Grimmes vorbildlich sind.

Wow. Welche Fernsehsendung würde diesem Anspruch genügen: dem Vorbild des unerschrockenen Freiheit-Verteidigers und NS-Widerstandskämpfers zu folgen? Zum Glück ist das — anders als uns „Zapp“ glauben machen will — keineswegs der Maßstab für einen Grimme-Preis. Die ausgezeichneten Sendungen sollen „nur“ vorbildlich für die „Programmpraxis“ sein.

Ungleich einseitiger, irreführender und bösartiger als der Grimme-Beitrag ist allerdings der „Zapp“-Beitrag über Günther Jauch und seinen verlorenen Prozess gegen einen „Bild am Sonntag“-Reporter. Aber ich weiß noch nicht, ob ich Lust habe, mich damit hier im Detail auseinanderzusetzen.

BILDblog-TV

Liebe Freunde von „Zapp“,

wir freuen uns, dass ihr so oft über uns berichtet und uns so gründlich lest. Und natürlich geht das völlig in Ordnung, wenn ihr auch mal ohne Quellenangabe einfach aus zwei BILDblogEinträgen einen zweieinhalbminütigen „Zapp“-Beitrag macht — dafür schreiben wir das ja auf: Damit möglichst viele davon erfahren.

Aber wenn Euch das nächste Mal für einen Beitrag wieder einmal kein eigenes Ende einfällt, sondern ihr auch noch unsere Idee einer passenden Illustration übernehmt, dann wäre es doch schön, wenn ihr einen Hinweis darauf geben würdet, von wem sie stammt.

BILDblog:

„Zapp“:

(Geld nehmen wir sonst aber auch.)