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„Mit Blau kann man nichts falsch machen“

Der Presserat ist ein komischer Verein.

Vor ein paar Tagen gab er bekannt, die „Rheinische Post“ wegen Schleichwerbung gerügt zu haben. Es geht um einen Artikel, der am 9. April 2011 unter der Überschrift „Urlaub im Luxusbus“ erschienen ist:

Reisen mit komfortablen Bussen boomen. Die Touristen schätzen die Rundum-Betreuung und die vielfältige Auswahl. Meinhold Hafermann berichtet aus Erfahrung.

Er gehört zu den zehn größten Unternehmen dieser Branche in Deutschland, befördert jährlich rund 50 000 Urlauber, die an in ganz Nordrhein-Westfalen verteilten Haltestationen zu- und aussteigen, und machte 2010 satte 19 Millionen Euro Umsatz. Die Rede ist vom renommierten Busreiseveranstalter „Hafermann Reisen“. Von der Zentrale in Witten aus steuern Meinhold Hafermann (59) und seine Schwestern Christel und Monika den Familienbetrieb, der als Transportunternehmen mit einer Pferdedroschke Fahrt aufnahm und jüngst 100-jähriges Bestehen feierte.

Über zehn eigene Reisebusse, sechs davon gleichsam nagelneu, unterhält Hafermann, rund 1000 Busse chartert er jährlich hinzu. Jede Woche sind 50 bis 80 Busse im Auftrag des Witteners unterwegs zu touristischen Zielen.

Es folgen einige Informationen, die das Reisen mit modernen Bussen allgemein als angesagte und angenehme Urlaubsform darstellen, und der Hinweis auf die Telefonnummer und Internetadresse des Busunternehmens.

In derselben Ausgabe der „Rheinischen Post“ habe das Busunternehmen eine Werbeanzeige geschaltet, auf die sich zudem ein Verlags-Gewinnspiel bezog, notiert der Presserat. Er beklagt „Schleichwerbung“ und greift zum schärfsten aller stumpfen Schwerter, die ihm zur Verfügung stehen: die öffentliche Rüge.

Nicht nur das Wittener Busunternehmen Hafermann feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Auch „Nivea“ wird 100.

Im April 2011 erscheint in der Zeitschrift „Brigitte Woman“ unter der Überschrift „Ein Blau geht um die Welt“ eine achtseitige Fotostrecke, die wie folgt anmoderiert wird:

Die Welt ist bunt. Aber es gibt da ein blaues Kosmetikprodukt, das findet man in nahezu jedem Land der Erde — und an den merkwürdigsten Plätzen. Eine Geschichte in Bildern.

Die Fotos, die teilweise direkt vom Hersteller der Creme stammen, zeigen „Nivea“-Werbung an verschiedenen Orten, zum Beispiel:

USA

Silvester 2010. In wenigen Stunden werden sich tausende von Menschen am New Yorker Times Square küssen — das Billboard empfiehlt dazu eine blaue Lippenpflege [von „Nivea“]

ÄTHIOPIEN

Fußball ist eine der populärsten Sportarten, Kopfschutz für die Zuschauer wichtig. Ein schwarzer Regenschirm? Nicht praktikabel. Besser: ein weißes Tuch Aber der Renner scheinen blaue Schirmmützen [von „Nivea“] zu sein

KENIA

Ein gutes Gefühl, wenn die Haut nicht mehr so trocken ist, weiß diese Reklameschönheit: eine Werbetafel [für „Nivea“] in Nairobi

Passend zu den plump-verdrucksten Bildtexten formuliert die Autorin im Text eine Ode scheinbar nicht auf die Creme, sondern auf die Farbe Blau:

Man muss sich mal vorstellen, die Welt wäre irgendwann einmal ausschließlich schwarz und weiß gewesen, vielleicht auch noch rot, gelb und braun. Und in diese Welt wäre dann einfach das Blau spaziert. Einfach, weil es Lust dazu hatte. Mensch, wäre das Blau erfolgreich mit seiner Welteroberung gewesen! (…)

In jeder Umfrage wird es von den meisten Menschen als Lieblingsfarbe genannt: Denn Blau steht für Freiheit, Ferne, Klarheit, Harmonie, aber auch bittersüße Sehnsucht. Mit Blau kann man nichts falsch machen (…).

In der Werbung steht ein dunkles Blau übrigens für Seriosität und für Vertrauen. Das sind überall geschätzte Werte — und vielleicht mit ein Grund, weswegen das sehr charakteristische Blau einer bekannten Kosmetikmarke in vielen Ländern der Erde so präsent ist, dass es ständig unvermutet auf irgendwelchen Reiseschnappschüssen auftaucht (…). Die Marke feiert übrigens in diesem Jahr 100-jähriges Jubiläum. Blau steht ja auch für Treue.

Am Ende der Fotostrecke steht ein Hinweis:

Noch mehr blaue Infos …
und viele Tipps zur Hautpflege gibt es unter
www.brigitte.de/pflegecoach

Die Seite, auf die der Link führt, ist „powered by NIVEA“.

In derselben Ausgabe von „Brigitte Woman“ hat „Nivea“ fast dreieinhalb Seiten Werbeanzeigen geschaltet.

Brigitte.de hat außerdem ein Gewinnspiel mit „Nivea“ veranstaltet und „die schönsten NIVEA-Geschichten gesucht“. Die drei Gewinnerinnen durften auf einem Schiff die „NIVEA Skin Journey“ mitmachen und bei der Gelegenheit der Kosmetik-Chefin von „Brigitte“ und dem Leiter der Forschungsabteilung bei Beiersdorf, dem Konzern hinter „Nivea“, Fragen stellen, die wiederum im vermeintlich redaktionellen Teil auf brigitte.de veröffentlicht wurden.

Der Presserat sieht in der „Nivea“-Geschichte in „Brigitte Woman“ keine Schleichwerbung; Redaktion und Werbung seien klar getrennt:

Wir sind der Meinung, dass es sich bei der Veröffentlichung um eine zulässige Markenstory handelt. Im Zuge des 100-jährigen Jubiläums von Nivea stellt die Redaktion dar, wie weit die Marke verbreitet ist. Dadurch wird die Internationalität der Marke dokumentiert. Unter diesem Gesichtspunkt konnten auch Bilder des Herstellers verwendet werden. (…) Gerade bei einer Marke wie Nivea ist es durchaus publizistisch zu begründen, wenn in einem redaktionellen Beitrag die weltweite Verbreitung aufgezeigt und dokumentiert wird.

Der Presserat hat nicht nur keine Rüge gegen „Brigitte Woman“ ausgesprochen. Er befand die Beschwerde als so „offensichtlich unbegründet“, dass er sie schon bei der Vorprüfung aussortierte.