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Conchita Wurst punktete bei den Zuschauern in ganz Europa


Foto: EBU

Conchita Wurst, die Siegerin des Eurovision Song Contest 2014, ist bei den Zuschauern in ganz Europa gut angekommen. Spanien und Estland ist das einzige Land, in dem sie es bei den Anrufern nicht unter die ersten fünf Plätze schaffte.

Es waren die Jurys, deren Urteil die Hälfte des jeweiligen Länder-Votums ausmacht, bei denen der Beitrag weniger gut ankam. Die deutschen Juroren zum Beispiel setzten Österreich nur auf Platz 11 — bei den Anrufern aus Deutschland lag Conchita Wurst auf Platz 1. Die Jurys aus Armenien, Aserbaidschan und Weißrussland hatten gar nichts für den österreichischen Beitrag übrig — die Zuschauer hingegen hatten auch dort mit der bärtigen Frauenfigur keine Probleme und stimmten in großer Zahl für ihren Auftritt.

Anders als man es vielleicht erwarten konnte, gab es keine große Kluft zwischen den Menschen in West- und Ost-Europa, was die Bereitschaft anging, für die Drag-Queen zu stimmen. Wenn man in ihrem Sieg ein Votum für Toleranz sehen will, war es ein Votum, das von west- und osteuropäischen Menschen ausging. Einen markanten Unterschied zwischen Ost und West gab es nur beim Abstimmungsverhalten der Juroren; da wäre dann aber Deutschland auf osteuropäischer Seite.

Dies sind die Plätze, die Österreich in den jeweiligen Ländern errang (samt Umrechnung in ESC-Punkte), aufgeschlüsselt nach Jury- und Zuschauervotum:

Platzierung Punkte
Land Juryvotum Televoting Juryvotum Televoting
Albanien 6. 5
Armenia 24. 2. 0 10
Aserbaidschan 24. 3. 0 8
Belgien 3. 3. 8 8
Dänemark 2. 3. 10 8
Deutschland 11. 1. 0 12
Estland 8. 8. 3 3
Finnland 1. 1. 12 12
Frankreich 4. 2. 7 10
Georgien 2. 10
Griechenland 1. 2. 12 10
Island 2. 3. 10 8
Irland 1. 3. 12 8
Israel 1. 2. 12 10
Italien 3. 2. 8 10
Lettland 10. 5. 1 6
Litauen 1. 5. 12 6
Malta 9. 1. 2 12
Mazedonien 14. 5. 0 6
Moldau 4. 4. 7 7
Montenegro 17. 5. 0 6
Niederlande 1. 1. 12 12
Norwegen 4. 2. 7 10
Polen 19. 4. 0 7
Portugal 6. 1. 5 12
Rumänien 7. 2. 4 10
Russland 11. 3. 0 8
San Marino 14. 0
Schweden 1. 1. 12 12
Schweiz 1. 1. 12 12
Slowenien 1. 1. 12 12
Spanien 2. 2. 10 10
Ukraine 3. 5. 8 6
Ungarn 8. 2. 3 10
Vereinigtes Königreich 3. 3. 8 8
Weißrussland 23. 4. 0 7
Summe 214 306

(Quelle.) Bei Albanien und San Marino wurde das Zuschauervotum nicht berücksichtigt, vermutlich wegen zu geringer Teilnehmerzahl. Bei Georgien wurde das Jury-Votum für ungültig erklärt.)

Das Urteil von Jurys und Zuschauern klaffte insgesamt teilweise dramatisch auseinander. So setzten in Großbritannien die Zuschauer Polen auf den ersten Platz, die Juroren auf den letzten. Das Ergebnis: null Punkte vom Vereinigten Königreich für Polen. Die fünf Juroren dort haben es geschafft, das Votum der Mehrheit der Tausenden anrufenden Zuschauer vollständig zu annullieren. Es könnte schwer werden, den Menschen in den kommenden Jahren zu erklären, dass ihr Anruf zählt. Im Zweifel zählt er in diesem System eben: nicht.

Fragen wirft auch das Abstimmungsverhalten der deutschen Jury auf. Alle fünf Juroren setzten im Finale Dänemark auf den ersten Platz. Nun heißt es zwar, dass der dänische Auftritt in der Probe, auf deren Grundlage die Juroren abstimmen, besonders gut gewesen sein soll. Aber nur bei den deutschen Juroren löste er eine solche einmütige Begeisterung aus.

Das Sieger-Votum der deutschen Jury ist europaweit eine Anomalie. Bei den drei anderen Ländern, bei denen die Juroren sich über den Sieger ebenfalls einig waren, deckte sich ihr Urteil immerhin mit dem der Anrufer. Die deutschen Zuschauer aber wählten Dänemark nur auf den zehnten Platz.

Die „Krone“ als Königsmacher

Die österreichische „Kronen-Zeitung“ ist wahrscheinlich die, relativ zur Bevölkerungszahl, größte Zeitung der Welt. Sie wird täglich von über vierzig Prozent der Österreicher gelesen. Und sie ist bekannt dafür, besonders wenig Skrupel zu haben, diese Position für eigene Ziele zu missbrauchen. Der Aufstieg von Jörg Haider ist ohne die „Krone“ und ihre Kampagnen undenkbar.

Vor der Nationalratswahl vor einer Woche gab es eine Art Pakt zwischen SPÖ und „Krone“: Die SPÖ schwenkte mit einem offenen Brief an „Krone“-Herausgeber Hans Dichand auf die Linie der EU-feindlichen Boulevardzeitung ein, sprengte damit die große Koalition und wurde dafür von der „Krone“ im Wahlkampf mit positivsten Schlagzeilen und Berichten beschenkt.

Bei der Wahl erzielte die SPÖ das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte, schaffte es aber, stärkste Partei zu bleiben und ihren Vorsprung vor der — von der „Krone“ systematisch diffamierten — ÖVP deutlich auszubauen. Wie groß ist die Macht der „Krone“ (für die auch der ehemalige RTL-Informationsdirektor Hans Mahr schreibt) also wirklich?

Das Wahlverhalten von Nur-„Krone“-Lesern unterscheidet sich nach einer Umfrage der GfK dramatisch von denen, die nur andere Zeitungen lesen:

(Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen: Sie besagen zwar, dass die „Krone“-Leser ganz überwiegend im Sinne der „Krone“-Berichterstattung wählen. Ob sie das aber tun, weil sie die „Krone“ lesen, oder ob sie die „Krone“ lesen, weil sie bestimmte Parteien bevorzugen, ist damit nicht gesagt. Der Unterschied im Wahlverhalten ist jedenfalls frappierend.)

Mehr über die Macht der „Krone“: