Schlagwort: Peter Heinlein

Turi Frutti bei Bild.de

Vielleicht sind Sie auch über den Artikel von Peter Heinlein gestolpert, den Medienexperten der „Bild“-Zeitung, der heute in seiner Bild.de-Kolumne meldet:

Nackte Haut sorgt für Klick-Rekord im Internetangebot der Süddeutschen Zeitung gemacht. Als der Medienbeobachter Peter Turi in seinem Blog darauf hinwies, dass die SZ in einer Klickgalerie zeige, wie unterschiedlich ausgezogen sich die Titeldamen der internatonalen Ausgaben des Playboy präsentieren, war die dazu veröffentlichte Internetadresse prompt der meistgeklickte Link des Tages.

Und für den Fall, dass Sie sich nicht nur gefragt haben: „Liest das denn keiner nochmal, bevor das veröffentlicht wird?“ (nein), sondern auch: „Hä?“, will ich gerne versuchen zu erklären, was Peter Heinlein damit sagen wollte — oder genauer: Was er hätte sagen sollen, wenn er es denn verstanden hätte.

Am 31. März 2007 veröffentlichte sueddeutsche.de eine klickgeile Bilderstrecke mit „Playboy“-Titelbildern.

Nicht einmal eineinhalb Jahre später, genauer: am vergangenen Freitag, wurde sie von der Medienlinkliste turi2.de entdeckt, die auf sie mit dem Satz verwies:

Nackte Fakten, knallhart recherchiert — so muss Qualitätsjournalismus im Netz aussehen: Die „Süddeutsche“ zeigt in einer Nannen-Preis-verdächtigen Klickgalerie, wie unterschiedlich ausgezogen sich die Titelgirls des „Playboy“ weltweit präsentieren.

Der Link war an diesem Tag nach Angaben von turi2 der meistgeklickte auf turi2.de. Das entspricht erfahrungsgemäß ungefähr einer niedrigen dreistelligen Zahl. Die PageImpressions von sueddeutsche.de explodierten also in der Folge um schätzungsweise 0,03 Promille.

Ja, das ist die ganze Geschichte. Und wenn Sie in ihr einen „Klickrekord im Internet-Angebot der Süddeutschen Zeitung“ vermissen, liegt das nicht an mir.

[Disclosure: Bild.de ist „Premium-Werbepartner“ von turi2.de]

Nachtrag: Bild.de hat die Rekord-Meldung gelöscht.

Der Heinlein

Peter Heinlein ist möglicherweise der traurigste Medienjournalist der Welt. Er ist schon ziemlich was rumgekommen, hat für „Die Welt“, den „Spiegel“, die „Welt am Sonntag“, „Max“, das „Handelsblatt“, die „Bunte“ gearbeitet. Aktuell schreibt er eine Medien-Kolumne namens „Der Heinlein“, die mittwochs in der Hamburger Ausgabe von „Bild“ erscheint.

Es ist, aufgrund der vielfältigen Beteiligungen des Verlages, schon nicht leicht, Medienjournalist bei anderen Springer-Blättern zu sein. Bei „Bild“ ist es die Hölle.

Es sei denn, man macht das gerne: aus geschäftlichen Interessen der Zeitung und persönlichen Interessen des Chefredakteurs Texte formen, die unbefangen betrachtet wie „Journalismus“ aussehen.

Die „Zeit“ zum Beispiel steht auf der Liste der meistgehassten Zeitungen von „Bild“ sicher unten den Top Two. Und so schrieb Der Heinlein am 11. Oktober:

Was ist denn bei der „Zeit“ los? Elf Wochen lang hat das Wochenblatt bei seiner Auflage nicht mehr die halbe Million erreicht. Die letzte abgerechnete Ausgabe 36 lag sogar nur bei 477 000 Exemplaren. Auch die Abo-Auflage sank unter die 300 000er-Marke.

Das klingt dramatisch. Und man müsste es eine dreiste Lüge nennen, wenn es nicht stimmen würde: Die Auflage der „Zeit“ hatte tatsächlich elf Wochen lang nicht mehr die halbe Million erreicht. Und die Abo-Auflage war tatsächlich unter die 300.000er-Marke gefallen.

Was Der Heinlein verschweigt: Das Erreichen der halben Million ist für die „Zeit“ nicht die Regel, sondern ein Grund zum Feiern. In den vergangenen zehn Jahren gelang es ihr nur 13-mal. Davon sechsmal in diesem Jahr. Was eigentlich dafür spricht, dass die Auflagenkrise eher nicht so groß ist. Von den ersten 36 „Zeit“-Ausgaben dieses Jahres haben sich nur fünf schlechter verkauft als im Vorjahr. Der Schnitt lag in diesem Zeitraum bei 483.537 Exemplaren, eine Steigerung von 13.093 gegenüber dem Vorjahr. Die Abo-Auflage sank, wie fast immer, im Sommer, lag aber bei jeder einzelnen Ausgabe um mehr als 10.000 Exemplare über der des Vorjahrs.

Ich lese Den Heinlein viel zu selten (deshalb auch die Verspätung in dieser Sache). Seine Kolumne müsste Pflichtlektüre für jeden angehenden Medienjournalisten sein. Als Beispiel dafür, wie ihr Beruf missbraucht werden kann.