Schlagwort: Politically Incorrect

Häkelmütze im Pegida-Land

Von Ulrich Wolf

Ulrich Wolf arbeitet seit 2000 bei der „Sächsischen Zeitung“ in Dresden. Nach elf Jahren in der Wirtschaftsredaktion wechselte er als Spezialist für Hintergründe und komplexe Reportagen in das Ressort Gesellschaft/Seite 3. Dieser Text von ihm ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Medienethik und Kommunikation in Kirche und Gesellschaft, „Communicatio Socialis“, erschienen.

Sie wusste um meine Fußball-Leidenschaft, und es war nur eine Geste. Kurz vor der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr schenkte eine Nachbarin mir eine schwarz-rot-goldene, von ihr gehäkelte Mütze. „Als Sonnenschutz beim Public Viewing für dein spärlich behaartes Haupt“, sagte sie. Ich fand das nett, habe das Ding dann aber doch nicht getragen und mir stattdessen eine Deutschland-Fahne um die Schultern gehängt. Die Mütze landete in der „Freizeitkiste“ im Keller. Bis zum Herbst.

Am 27. Oktober berichte ich erstmals über eine Demonstration der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, die als „Pegida“ berühmt werden sollten. Gut tausend Menschen ziehen da um die Dresdner Frauenkirche, üppig ausgestattet mit Nationalflaggen. Hooligans sind darunter, jede Menge Leute aus der Dresdner Gastronomie- und Rotlichtszene, ein paar stadtbekannte Nazis, dauernörgelnde Rentner und einige Gesichter von der Patriotischen Plattform der sächsischen AfD. Sie pöbeln, sie nennen mich „linksversifft“. Einige rufen nur: „Lügenpresse!“

Eine Woche später kommt die Häkelmütze ins Spiel. Sie wirkt wie eine Tarnkappe. Es gibt keinen Ärger mehr, wenn ich einen Block zücke, um mir Notizen zu machen oder mit dem Smartphone fotografiere. Ich kann meine Recherchen vor Ort Montag für Montag mit denen im Internet abgleichen. Die Kontaktversuche zum Pegida-Gründer Lutz Bachmann aber laufen ins Leere. Er reagiert nur einmal, per Telefon, Ende November: „Sind Sie Herr Wolf?“ – „Ja.“ – „Unterlassen Sie es, mich und meine Familie zu belästigen!“ – „Ich habe niemanden belästigt, ich habe nur versucht, Sie zu erreichen.“ – „Es wird kein persönliches Gespräch geben. Nehmen Sie das zur Kenntnis.“ Ich schicke ihm Fragen, er stellt sie auf die „Facebook“-Seite von Pegida. Und kommentiert: „Werter Herr Wolf, seriöser Journalismus sieht anders aus! Was hat meine Vergangenheit mit Pegida zu tun? Ich bin nur ein ganz kleines Zahnrad in einem Getriebe, welches Sie mit Ihren medialen Methoden der Diffamierung und Diskreditierung nicht zerstören werden.“

Einen Tag nach der siebten Pegida-Demonstration am 2. Dezember erscheint das Porträt „Pegida persönlich“ über Lutz Bachmann. Es zeichnet einen Mann, der wirtschaftlich wenig bis gar nichts auf die Reihe bekam. Der während seiner Zeit im Rotlicht-Milieu die Welt der grapschenden Autohändler, Immobilienmakler, Versicherungsvertreter und Anlageberater kennenlernte. Es ist das Porträt eines Mannes, der unbedingt dazugehören will: weniger zum Bildungsbürgertum als viel- mehr zur Schickeria. Politische Ignoranz kompensiert er mit Bauernschläue sowie der Fähigkeit, Menschen zu begeistern mit Parolen, die an die Refrains deutscher Schlager erinnern.

Der Artikel schlägt Wellen. „Zeit“, „Stern“, „Spiegel“, „Focus“ – alle rufen an. Die Zahl der Journalisten bei der Pegida-Demo eine Woche später schnellt empor, die der Mitläufer auch. Bachmann schafft es in die „New York Times“, Pegida in die „Tagesschau“. Das mediale Bashing wirkt in der Bewegung identitätsstiftend, denn der Großteil der Journalisten reduziert Pegida auf eine tumbe rechtsradikale Masse. Viele wollen nicht wahrhaben, dass sich ein außerparlamentarischer Protest von rechts entwickelt, der in der fremd-fremdelnden Bürgerschaft Dresdens auf fruchtbaren Boden fällt.

Am Morgen des 22. Dezembers erscheint die zweite große Geschichte: „Pegida – wie alles begann“. Am Abend dieses Tages habe ich wieder meine Häkelmütze auf und stehe unter 20 000 Pegidisten auf dem Theaterplatz. Bachmann verliest ein Ranking der Lügenpresse. Die „Sächsische Zeitung“ landet nach „Spiegel“ und „NDR-Panorama“ auf Rang drei. Ich bin der einzige, dessen Namen er ausruft. Die Zeitung wird mit Leserbriefen überschwemmt, bis Mitte Januar sollten es fast 4000 Briefe und Mails werden. Im Online-Auftritt schalten wir unter Artikeln, in deren Überschriften Pegida auftaucht, die Kommentarfunktion ab. Die Flut der dort eingehenden Meinungen hätte rund um die Uhr moderiert und kontrolliert werden müssen, dafür fehlt das Personal. Abonnenten, die in einem zutiefst beleidigenden Ton mit der Kündigung drohen, schreibt der Chefredakteur zurück: „Dann kündigen Sie doch.“

Nahezu ohnmächtig müssen wir mit ansehen, wie viele Menschen für Fakten und Argumente nicht mehr zugänglich sind. Sie haben ja „Facebook“, den größten Stammtisch im Land. Dort tauschen sie ihre Wahrheiten ungestört aus. Das soziale Netzwerk ersetzt bei Pegida fehlende Organisations- und Kommunikationsstrukturen. Rund 160.000 Menschen mögen diese „Facebook“-Seite, rund 500 000-mal ist dort bislang kommentiert worden. Die Seite lässt das Ausmaß an Hass erahnen, das in den Köpfen der Nutzer steckt. Dabei scheuen sich immer weniger Menschen, unter Klarnamen ihre Ressentiments kundzutun: „Hauptsache, der Dreck verschwindet von unseren Straßen. Wie, ist mir mittlerweile egal.“ – „Können wir nicht mal einen Lkw voll mit solchen Fach-Sexkräften im Regierungsviertel abladen?“ „Ich würde dem die Eier so zerschmettern, dass er nie wieder eine Frau anschaut.“ „Schmeißt die Arschlöcher raus aus Deutschland!“ Offenbar gilt nun: Durfte in der DDR kaum jemand sagen, was er denkt, so darf seit Pegida jeder alles sagen, ohne dabei zu denken.

Muss die demokratische öffentlichkeit diesen Radikalismus aushalten? Natürlich muss sie das. Aber Aushalten hat ja nichts mit Nichtstun zu tun. Wenn es etwas Positives an Pegida gibt, dann zumindest das: Die westdeutsche Wohlfühl-Demokratie hat in Sachsen ausgedient. Hier muss man kämpfen um den Grundkonsens, auch Mainstream genannt.

Sicher, Pegidas „Facebook“-Welt samt seiner radikal-rhetorischen Inhalte ist eher als verlängerter Kneipentresen nach 20 Uhr zu betrachten, denn als Plattform ernsten politischen Dialogs. Doch Pegida ist auch nach seiner Spaltung im Januar sowie tendenziell rückläufiger Teilnehmerzahlen nicht tot. Im Gegenteil. Das gesellschaftliche Klima wird weiter vergiftet durch Demokratiegegner, die ernster zu nehmen sind als Bachmann und sein Partyszenen-Team. Es geht um jene, die als Neue Rechte fungieren. Ihre Mitglieder sind die Stichwortgeber für Pegida, aus ihren Federn stammen die im Ton gemäßigten Forderungen und Thesen von Pegida, auf ihren Internet-Plattformen formulieren sie eine zielgruppenorientierte Dauerberieselung. Das sind ihre medialen Waffen:

  • Die „Politically Incorrect (PI) News“ sind das Leitmedium. Einer der führenden Köpfe ist der Ex-CDU-Politiker René Stadtkewitz, der mehrfach bei Pegida in Dresden geredet hat. über ihn lief der Kontakt zum niederländischen Rechtsaußen-Politiker Geert Wilders, der auf einer Kundgebung im April vor 15.000 Menschen sprach. Als „mutigsten Journalisten Deutschlands“ bezeichnet „PI-News“ den Heilbronner Karl-Michael Merkle (Pseudonym: Michael Mannheimer). Für ihn wird „Sachsen das Epizentrum eines politischen Rucks, auf den wir Deutsche lange haben warten müssen“.
  • Der Kopp-Verlag in Rottenburg am Neckar vereint rechte Esoterik mit Verschwörungstheorien. Dort schreibt der frühere Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Udo Ulfkotte. Dessen Buch „Gekaufte Journalisten“ ist so etwas wie die Bibel der Lügenpresse-Fans. Ulfkotte trat ebenfalls bei Pegida in Dresden auf.
  • Die rechtspopulistische Zeitschrift „Compact“ von Jürgen Elsässer verfügt über gute Kontakte zu russischen Nationalisten. Die staatlich-russische Video-Nachrichtenagentur „Ruptly“ überträgt Pegida-Demos regelmäßig live. Russische Fahnen sind auf Pegida-Protesten allgegenwärtig, die angebliche Kriegstreiberei gegen Russland ist eines der wichtigsten Themen.
  • Das Magazin „Sezession“ von Götz Kubitscheck ist das intellektuelle Vorzeigeblatt. Der Mann redete bei Pegida unmittelbar nach dem Auftritt von Wilders. Er betreibt im Süden von Sachsen-Anhalt ein Institut für Staatspolitik (IfS). Dieses gehört zum Umfeld der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, der Bachmann ausführliche Interviews gewährt. Zum Dunstkreis des IfS zählt die „Blaue Narzisse“ des Vereins Journalismus und Jugendkultur. Vorsitzender Felix Menzel studierte Kommunikationswissenschaft in Halle, sein Credo lautet: „Wir brauchen Niemanden. Das deutsche Volk kann gesundschrumpfen.“
  • Das Internetportal „Blu-News“ betreibt ein gleichnamiger Verein in München, geführt vom ehemaligen bayerischen Landesvorsitzenden der Partei Die Freiheit, Christian Jung. „Blu-News“ interviewt Pegida-Organisatoren, darunter auch deren Kandidatin für die Dresdner Oberbürgermeis- terwahlen im Juni, die ehemalige AfD-Frau Tatjana Festerling. Der Vorsitzende der Freiheits-Partei, der frühere CSU-Pressesprecher Michael Stürzenberger, ist regelmäßig Gast bei Pegida und betreut mehrere Ableger in Süddeutschland.
  • Hinter dem Blog „Journalistenwatch“ steht der Berliner Verein für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit. Der ehemalige „taz“-Journalist Thomas Böhm betreibt das Portal von Jena aus. Die von ihm angegebene Adresse ist identisch mit der des Landesverbands der Freiheits-Partei in Thüringen. Zum Auftritt von Wilders bei Pegida stellt Böhm fest: „Nach dem Motto ‚Wer schreit, hat Recht‘ pöbeln die linken Journalisten ungehindert herum.“
  • Beliebt bei Pegidisten ist zudem die rechtskonservative Wochenzeitung „Weltwoche“ aus der Schweiz. Ihr Verleger Roger Köppel war von 2004 bis 2006 Chefredakteur der „Welt“. Zu seinen Autoren zählt unter anderem Henryk M. Broder. Für die „Weltwoche“ schrieb Pegidas OB-Kandidatin Festerling eine Eloge über Hooligans. Indirekt lernte sie dadurch Ignaz Bearth kennen, den Gründer der Rechtsaußen-Partei Direktdemokratische Partei Schweiz. Auch Bearth spricht bei Pegida in Dresden.

In der Summe entfalten „PI-News“, „Blu-News“, „Compact“ und Co. eine beträchtliche Wirkung. Als ich im März darüber berichte, dass Bachmanns Hitler-Bild im Netz manipuliert worden sein könnte, schaffe ich es als „Quasi-Kronzeuge“ der Neu-Rechten auf die erste Seite der PI-News. Bachmann lädt mich zu einem Hintergrundgespräch ein, bei den autonomen Linken aber gerate ich in einen Shitstorm. Meine Quellen bei „Dresden nazifrei“ versiegen. Auch meine Häkelmütze werde ich los: Als ich nach dem Wilders-Auftritt in eine Gruppe von Gegendemonstranten gerate, reißt sie mir ein Vermummter mit den Worten „Du Nazi-Schwein“ vom Kopf.

Ob links- oder rechtsextreme Nischen-Publizistik im Internet: Sie bedroht den auf seriösem Journalismus basierenden Diskurs. Das zeigen zahlreiche Leserreaktionen. Hier ein repräsentatives Beispiel: „Seit Längerem bemerke ich, dass Ihr Blatt Tatsachen verfälscht oder verändert oder beeinflusst. […] Ihren unterschwelligen Ton gegen Pegida nehme ich zum Anlass, mein Abonnement zu kündigen. Ich hoffe, dass Ihre Rezipienten Ihnen in Scharen davon laufen.“ Der Verfasser dieses Leserbriefes ist auch auf „Facebook“ unterwegs. Dort mag er Gruppen wie „Der Lügenpresse den Kampf ansagen“, „Töchter und Söhne Germaniens“ oder „Merkel stressen“. Sachsens evangelischer Landesbischof Jochen Bohl konstatiert: „Es hat sich eine gefährliche Mischung aus geschürten Ängsten, persönlichem Scheitern und des Verdrusses an demokratischen Prozeduren zusammengebraut, die uns nicht ruhig lassen darf.“

Doch der Großteil ruht. Ein öffentlicher Aufschrei gegen Pegida ist im Osten kaum zu hören. Die westdeutschen Leitmedien haben sich zurückgezogen. Im Hintergrund aber arbeiten Pegidas Stichwortgeber zusammen. So treffen sich „Sezession“-Chef Kubitscheck und „Compact“-Macher Elsässer Mitte April mit 150 Gleichgesinnten in Dresden. Beide sehen in Pegida eine „echte Volksbewegung“, deren Aufgabe es sei, „Systemkritik in jedweder Form zu artikulieren“. Pegida-Anhänger sollten Initiativen gründen. „Ob Bürgerbündnisse gegen die Einrichtung von Asylheimen, ob Stammtische oder Debattierklubs: Man muss die Vernetzung fördern und den Impuls dahinter zum Thema machen. Er lautet: Die Lage der Nation ist bedrohlich.“ Zwei Tage nach dem Treffen gibt Pegida seine Zukunftsstrategie bekannt. Demnach werde man „als Bürgerbewegung zu allererst auf kommunaler Ebene Missstände benennen“. Das Pegida-Netzwerk solle „durch eine zentralere Betreuung“ gestärkt werden. Perspektivisch sei eine parlamentarische Arbeit auf kommunaler Ebene ab 2016 angedacht. Der letzte Satz des Papiers lautet: „Pegida ist gekommen, um zu bleiben.“

Mit freundlicher Genehmigung von „Communicatio Socialis“. Die aktuelle Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift für Medienethik hat das Thema „Glaubwürdigkeit & Vertrauen – Journalismus zwischen Ressourcenkrise und entfesseltem Publikum“.

Udo Ulfkottes Recht auf Sex nach dem Tod im Islam

„Alptraum Zuwanderung“ heißt das neue Buch von Udo Ulfkotte. Es trägt den Untertitel „Lügen, Wortbruch, Volksverdummung“, und mit sowas kennt sich der frühere FAZ-Journalist aus.

Ende April meldete er Ungeheuerliches:

Im schönen Ägypten setzen Muslime angeblich gerade ihr Recht auf Geschlechtsverkehr mit Toten per Gesetz durch. (…)

Innerhalb von sechs Stunden nach dem Tod einer Frau dürfen Männer mit ihr Geschlechtsverkehr haben. So will es angeblich das islamische Recht, behauptete schon im Mai 2011 der marokkanische Scharia-Gelehrte Zamzami Abdul Bari. Und so soll es künftig in Ägypten offizielles Recht sein.

Für Ulfkotte kam das nicht überraschend. Er habe das schon beim Sturz des Diktators Husni Mubarak vorhergesagt, schreibt er. Und nun sagt er voraus: „Die abscheuliche Entwicklung wird nicht vor unseren Grenzen stoppen“.

Verantwortlich sei das „von unseren Medien hochgejubelte Gesindel der Muslimbruderschaft“, schreibt Ulfkotte weiter und stellt fest: „Unsere politisch korrekten Medien schauen brav weg.“ Über das geplante Gesetz, das das „Recht der Männer auf Sex mit toten Frauen“ verankert, hätten in den letzten Tagen arabische und britische Medien sowie russische Agenturen berichtet — „nur die deutschen Qualitätsjournalisten schwiegen dazu“.

Das gehört zum Mythos, der Leute wie Ulfkotte in der islam- und ausländerfeindlichen Szene so groß macht: Dass sie sagen, was die klassischen Medien sich nicht zu sagen trauen.

Selbst wenn es nicht stimmt. (mehr …)

Factually Incorrect (6)

Das Schöne an dieser BILDblog-Geschichte ist, dass sie nebenbei auch wieder das erfolgreiche ausländerfeindliche Blog „Politically Incorrect“ bloßstellt — und in knappster Form zeigt, wie dessen Desinformation funktioniert.

Denn die Aussage, die sie Cem Özdemir zuschreiben, ist nicht nur falsch. Sie ist auch Unsinn, weil ein türkischstämmiger Bundeskanzler ebenso wenig seinen Amtseid „auf den Koran“ ablegen wird wie bisherige deutschstämmige Bundeskanzler „auf die Bibel“. Aber sie genügt, um (mindestens fahrlässig unterstützt durch „Bild“) Hunderte Kommentatoren und Leser in ihrem Glauben zu bestärken, dass es mit Deutschland zuende geht.

So einfach funktioniert „Politically Incorrect“: Lügen + Ahnungslosigkeit = Hass.

Henryk M. Broders Recherchophobie (271)

Weil sich der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), dafür ausgesprochen hat, die islamfeindliche Internetseite „Politically Incorrect“ vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, hat der Publizist und „Spiegel“-Autor Henryk M. Broder ihm einen Brief geschrieben. Er fragte ihn,

(…) ob sie den verfassungsschutz auch darum gebeten haben, websites wie z.b. „muslimmarkt.de“ (http://www.muslim-markt.de/) zu beobachten, weil dort antisemitische propaganda betrieben wird.

Es entwickelte sich ein von beiden Seiten eher unentspannt wirkender E-Mail-Wechsel, den Broder auf der Internetseite „Die Achse des Guten“ veröffentlicht hat. Edathy teilte Broder schließlich mit,

(…) dass meines Wissens die Internetseite http://www.muslim-markt.de vom Verfassungsschutz ausgewertet wird.

Er fügte als Post Scriptum, wie als Beleg, ausgerechnet einen Auszug aus dem Wikipedia-Eintrag zu „Muslim-Markt“ hinzu, was Broder zu einer ironischen Replik veranlasste:

ich bin zutiefst beruhigt, dass der vorsitzende des innenausschusses des bundestages sich über die aktivitäten des verfassungsschutzes aus wikipedia informiert.

Jahaha, was für ein Depp, der Edathy.

Ich bin mir nur nicht sicher, ob in dem E-Mail-Wechsel, den Broder stolz präsentiert, wirklich der Politiker vorgeführt wird — oder nicht die Recherchophobie Broders.

Broder lässt offen, ob „Muslim-Markt“ nun vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Womöglich hat er’s nicht rausgefunden, und wer will schon einem Innenausschuss-Vorsitzenden glauben, der die Wikipedia zitiert. Allerdings behauptet der Wikipedia-Eintrag nicht nur, dass muslim-markt.de vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sondern gibt auch eine gute Quelle an, auf die man sogar glatt ohne Wikipedia hätte kommen können: den Verfassungsschutzbericht.

Die aktuelle Ausgabe für das Jahr 2007 ist seit einigen Wochen öffentlich und als pdf kostenlos für jedermann einzusehen. Hätte Broder kurz nachgesehen, hätte er auf Seite 207 zwei Absätze über „Muslim-Markt“ gefunden.

Aber was hätte er dann Edathy fragen sollen und worüber sich ärgern?

Terrorwerbung auf „PI“ (2)

Auch „Spiegel Online“ berichtet heute darüber, dass sich das islamfeindliche Blog „Politically Incorrect“ (PI) als Werbeplattform für die „Jewish Task Force“ (JTF) zur Verfügung stellt. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sagte laut „Spiegel Online“, bei „PI“ finde man „Islamophobie extremster Sorte“; es würden gezielt „antidemokratische Stimmungen“ bedient. Er regte eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz an.

Die JTF wird, wie berichtet, von dem verurteilten Bombenleger Victor Vancier alias Chaim Ben Pesach geleitet und stammt aus dem Umfeld terroristischer Organisationen. „Politically Incorrect“ hat sich Vancier auch als Plattform für eine in jeder Hinsicht irreführende Stellungnahme zur Verfügung gestellt.

„Spiegel Online“ berichtet, dass die JTF nach Angaben von „PI“-Gründer Stefan Herre (der allem Anschein nach immer noch für das inzwischen anonym betriebene Blog verantwortlich ist) rechtliche Schritte gegen mich prüft. Aber Stefan Herre glaubt auch, sein Werbekunde Victor Vancier sei vom „Unrechtsregime Sowjetunion jahrelang ins Gefängnis“ gesperrt worden. Tatsächlich ist Vancier wegen seiner Bombenangriffe in den USA zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Weitere Nachhilfe über den Hintergrund von Victor Vancier:

Kurz verlinkt (18)

Philip Jenkins in der „Welt am Sonntag“: „Wie man Muslime islamisiert“.

(…) Gewiss, ein erheblicher Teil der Bevölkerung Europas stammt aus traditionell muslimischen Gesellschaften. Wahrscheinlich sind es etwa 24 Millionen insgesamt, 4,6 Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung also. Wie viele sich religiös oder ethnisch in erster Linie als Muslime verstehen, wissen wir aber nicht. In jeder Gesellschaft stehen den Menschen viele Identitäten zur Wahl. Klasse, Kultur, Nationalität, Region, Rasse, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Generationszugehörigkeit können dabei wichtiger sein als Religion. Nur weil sich viele Deutsche als Christen beschreiben, heißt das nicht, dass ihre religiöse Identität alle anderen Identitäten übertrumpfte. Das Gleiche gilt für Muslime. (…)

Um von ihren sozialen und politischen Ansichten erst gar nicht zu reden: Europas Muslime stehen für eine Vielfalt religiöser Praxis. Ihnen allen das eine starre Etikett „Islam“ zu verpassen, fördert ein Gefühl supranationaler religiöser Identität, was dem Ziel der Assimilierung zuwiderläuft und zudem den religiösen Führern in diesen Gemeinschaften zu neuen Weihen verhilft. Könnten muslimische Fundamentalisten es zu ihrem eigenen Vorteil besser eingerichtet haben?

[via MeOnly]

Terrorwerbung auf „Politically Incorrect“

Das ist eine interessante Werbung, die neuerdings links oben auf den Seiten des großen deutschen islamfeindlichen Blogs „Politically Incorrect“ (PI) steht:

Ein Klick führt auf die Seiten der „Jewish Task Force“ (JTF). Die Gruppierung kämpft aktuell unter dem Titel „Jews Against Obama“ gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten („Help Us Defeat The Black Muslim Nazi Presidential Candidate Barack Hussein Obama!“). In Obama sieht sie eine „Fünfte Kolonne“, die Amerikas und Israels Verteidigungswillen unterminieren will.

Obama ist nach der Überzeugung der JTF in Wahrheit Moslem — genau wie der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aus der Werbung auf „PI“. Und der Islam ist für die JTF ein „verabscheuungswürdiger und rassistischer Todeskult“.

Was die JTF damit meint, wenn sie in ihrer Werbung auf „PI“ schreibt, es gebe „nur eine Lösung“, ahnt man, wenn man ihr Sieben-Punkte-Programm zur Rettung Amerikas liest, in dem sie unter anderem die sofortige Zerstörung muslimischer Atomkraftwerke durch das amerikanische oder israelische Militär und den unmittelbaren Rückzug aus den Vereinten Nationen und aller direkt oder indirekt mit ihr verbundenen Organisationen sowie ein Verbot aller UN-Aktivitäten auf amerikanischem Boden fordert.

Aber die JTF belässt es nicht bei Forderungen. „Es ist wertlos, den Ansichten der JTF zuzustimmen, ohne ihnen Handlungen folgen zu lassen“, heißt es auf der Seite unter der Überschrift „Become an army of one“.

Victor Vancier, Sprecher der JTF, ist 1987 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er an einer Serie terroristischer Bombenanschläge in New York beteiligt war. Die JTF folgt den Lehren von Rabbi Meir Kahane und will einen jüdischen Gottesstaat Großisrael (weit über die heutigen Grenzen Israels hinaus) frei von Nichtgläubigen errichten, auch mit Gewalt. Rabbi Meir Kahanes Partei Kach war 1986 als rassistische Partei von der Knesset ausgeschlossen worden. Nach einem Massaker an 29 Palästinensern durch einen Kahanisten wurde die Organisation in Israel insgesamt verboten. Kahane wurde 1990 in New York erschossen.

Sowohl die amerikanische Regierung als auch die Europäische Union führen Kach und die Schwesterorganisation Kahane Chai auf ihren Listen von terroristischen Organisationen (pdf). Und auf Kahane beruft sich ausdrücklich die „Jewish Task Force“. Und das von Stefan Herre begründete und mutmaßlich immer noch betriebene deutsche Weblog „Politically Incorrect“ stellt dieser rassistischen Gruppe aus dem Umfeld einer Terrororganisation einen Werbeplatz zur Verfügung.

Wie „Bild“ Ausländerfeindlichkeit fördert

Das Gute an Blogs wie „Politically Incorrect“ ist, dass sie Prozesse, die früher weitgehend im Privaten stattfanden, an Stammtischen und in Diskussionen am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis, mit einem Mal sichtbar machen. Nun kann man gelegentlich zusehen, wie die latente, oft subtile Fremdenfeindlichkeit der „Bild“-Zeitung Wirkung zeigt. Wie sie neuen Treibstoff für alte Ressentiments liefert, Irrglauben mit Missverständnissen und Viertelwahrheiten erhärtet.

Da ist der Prozess gegen einen ausländischen Mann, der zum wiederholten Mal ohne (deutschen) Führerschein gefahren ist und zuletzt einen Motorradfahrer übersah und tödlich verletzte (siehe BILDblog). Der Fall an sich ist schrecklich und empörend genug: Dass da jemand ist, der sich nachhaltig nicht davon abhalten lässt, mit dem Auto zu fahren, obwohl er das nicht darf. Und doch ist das Unglück offenbar auch schlicht ein Unglück: Der Fahrer ist anscheinend nicht zu schnell gefahren, sondern mit 6 km/h abgebogen. Auf Prozessdeutsch ist vom „Augenblicksversagen“ die Rede. Der Motorradfahrer, der ihm entgegenkam, war ein bisschen zu schnell unterwegs — vielleicht hätte er den Unfall vermeiden können, wenn er sich an Tempo 50 gehalten hätte, man weiß es nicht. Das Gericht folgte in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten.

Man kann das empörend wenig finden, selbst wenn es im Rahmen des Üblichen liegen sollte, und dass die Angehörigen des Opfers außer sich sind vor Trauer, Wut und Zorn über dieses Urteil, verstehe ich gut. Man kann sich auch als Boulevardzeitung ganz auf ihre Seite stellen und das Urteil skandalisieren. Aber darum geht es nicht.

Es geht darum, dass sich die „Bild“-Zeitung in ihrer Berichterstattung mit keinem der Details, die mit dem Unfall zu tun haben, beschäftigt. Stattdessen beschäftigt sich „Bild“-Redakteur Damian Imöhl ausführlich mit der Nationalität des Fahrers. Er erwähnt nicht nebenbei, dass der Fahrer aus dem Irak kommt. Er stellt es demonstrativ an den Anfang seiner Artikel zum Thema. An den Anfang jedes seiner bisher drei Artikel zum Thema. Die Art, wie „Bild“ beschreibt, dass der Autofahrer kein Asyl, aber von den Behörden eine „Duldung“ bekommen habe, skandalisiert schon diese Form der formalen Aussetzung einer Abschiebung an sich. Im Grunde, suggeriert „Bild“, lebt der Fahrer illegal bei uns.

Er ist für „Bild“ ein durch und durch schlechter Mensch, was stimmen mag, aber das Schlechtsein ist in „Bild“ kaum trennbar mit seiner Nationalität verbunden. (Und ähnlich wie „Bild“ kürzlich titelte: „Tod durch BVG-Streik“, könnte die Überschrift diesmal lauten: „Tod durch Asylrecht“.)

Und dann ist da das Gericht. „Bild“ sieht in Bewährungsstrafen grundsätzlich keine Strafen; eine Verurteilung auf Bewährung ist wie ein Freispruch. In diesem Fall schreibt „Bild“, der Richter habe den Fahrer „laufen lassen“. Weil die „Bild“-Zeitung ihren Lesern sämtliche Hinweise für die sachlichen Erwägungen, die hinter diesem Urteil stehen, vorenthält und fälschlicherweise noch behauptet, der Fahrer sei „gerast“, ist es ein Leichtes für die Leser, als Erklärung für das unerklärliche Urteil das zu nehmen, worüber „Bild“ ausführlich schreibt: die Nationalität des Fahrers.

Von dort ist es ein kleiner Schritt zu dem Gedanken: Unser Land ist voller illegaler Ausländer, die unsere Kinder totfahren, und die Gerichte kuschen vor ihnen, soweit ist es schon gekommen.

Das steht nicht explizit in diesen „Bild“-Zeitungs-Artikeln, aber durch ihr geschicktes Weglassen, Verdrehen und Hinzufügen kann sich der mutmaßlich erhebliche Teil der Bevölkerung, der diesen Gedanken nicht für völlig abwegig hält, in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt sehen.

In welchem Maße das tatsächlich geschieht, ausgelöst von der „Bild“-Version der Ereignisse und unter ausdrücklichem Bezug sie, lässt sich zum Beispiel an den Kommentaren auf Shortnews ablesen. Oder, in der drastischsten Form, auf „Politically Incorrect“. Das Fazit der anonymen Autoren aus dem „Bild“-Artikel steht dort gleich im ersten Satz:

Die Ungleichbehandlung von Menschen vor deutschen Gerichten nach ihrer Herkunft nimmt immer dreistere Formen an.

Entsprechend durch die vermeintlichen Fakten angespornt, toben sich in Hunderten Kommentaren dann in großer Zahl die sich nicht für Rassisten haltenden Rassisten aus:

Als Moslem hat man halt die Lizenz zum töten. (…)

Ich verstehe und akzeptiere die Entscheidung jeden Bürgers der sich entscheidet selbst für Gerechtigkeit zu sorgen. (…)

Wäre ich die Mutter/der Vater des Opfers, bedürfte es keiner Gerichtsverhandlung.

Über deutsche Schicksen, die auf die „Liebesschwüre“ nur geduldeter Moslems reinfallen, verliere ich hier lieber kein Wort…würde gegen die Regeln des Anstands verstoßen. (…)

Und: wenn ich schon den Namen Hassan, Mohamed, Hussein und wie sie alle heißen höre, dann bekomme ich eine Hasskappe! (…)

Schade das der Täter auf dem Foto nicht zu erkennen ist. (…)

Bürgerwehren bilden!
Femegerichte abhalten und solche dreckigen Kanacken wenn sie von RichterIn “Almuth Gut-Gnädig” laufengelassen werden ihnen durch eine bewaffnete Bürgermiliz die angemessene Strafe zukommen lassen (…)

Gibt es Bilder des Richters?
Ich möchte die Fresse eines solchen „Richters „sehen.

Solche Abschaum-Belohner……. wo werden die groß?
Direkt von der Gosse in den Gerichtssaal?
Diese Fresse sollte jeden Laternenpfahl zieren! So richten deuschlands Richter. (…)

Ist doch klar, dass man ihn sofort laufen ließ. Er mußte doch dringend zu seiner deutschen Schlampe, weil die wohl noch nicht schwanger ist.

(Kleine, repräsentative Auswahl)

Vermutlich würden viele der Deutschen, die dort und anderswo gegen Ausländer hetzten und verschiedene mögliche Reaktionen bis hin zur Lynchjustiz abwägen, auch ohne die „Bild“-Zeitung Material finden, mit dem sie glauben, ihre Ausländerfeindlichkeit legitimieren zu können. Aber dieser konkrete Fall taugte dazu nur dadurch, dass die „Bild“-Zeitung aus der Geschichte eine Ausländergeschichte gemacht und entscheidende Tatsachen verschwiegen oder verdreht hat — und fahrlässig das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat beschädigt.

Es spricht leider nichts dafür, dass „Bild“ das versehentlich tut.

Gehirnfasten mit Henryk M. Broder

Er muss sich kein Freisemester nehmen, der Henryk M. Broder, wenn er für „Spiegel Online“ wieder einmal einen langen Text über die angeblich fortschreitende Islamisierung Westeuropas verfasst. Ungefähr alles, was er zu dem Thema zu sagen hat, hat er schon viele Male gesagt, auch auf „Spiegel Online“. Es ist ein fröhliches Copy & Paste, und dagegen wäre nicht einmal etwas zu sagen, wenn nicht einige dieser recycelten Textbausteine entweder falsch oder zumindest unbelegt wären. Oft sind die einzigen Quellen, die sich für die Informationen finden lassen, fanatische und notorisch unwahre Seiten wie „Politically Incorrect“. Oder Broder selbst. Oder „Politically Incorrect“, das Broder zitiert. An manchen Stellen wird der vielfache Zirkelschluss so überzeugend, dass ich wetten würde, dass Broder selbst am Ende die Dinge glauben würde, die er selbst erfunden hätte.

Heute schreibt Broder also:

Derweil gab die BBC in ihrer Internet-„Section on Islam“ eine Neuerung bekannt: Wann immer der Name des Propheten erwähnt werde, solle sogleich der Zusatz folgen: „Peace be upon him“, der Friede sei mit ihm. Das, erklärte ein Sprecher der BBC, sei man einer „fairen und ausgewogenen“ Darstellung des Islam schuldig.

Vor nicht einmal acht Wochen formulierte er an gleicher Stelle:

Wesentlich weiter geht die BBC in ihrer Internet-„Section on Islam“. Wird der Name des Propheten erwähnt, folgt sofort der Zusatz: „Peace be upon him“, der Friede sei mit ihm. Das sei man einer fairen und ausgewogenen Darstellung des Islam schuldig.

Damals fügte er noch hinzu:

Einen aufregenden Praxistest dürfte die Sprachregelung bestehen, wenn die BBC über einen Selbstmordanschlag gläubiger Muslime berichtet, deren letzte Worte ihrem barmherzigen Gott Allah und seinem Propheten, Peace be upon him, galten.

Anders als Broders Text behauptet, stammt diese Praxis nicht aus dem Jahr 2007, sondern gilt mindestens seit März 2006. Vor allem aber wird es zu Broders „Praxistest“ nicht kommen, denn die Sprachregelung bezieht sich ausschließlich auf die BBC-Seiten, auf denen die islamische Religion sich, ihre Praktiken und ihren Glauben erklärt und vorstellt. Auf Nachrichten bezieht sie sich nicht. Die BBC schreibt unmissverständlich:

We decided that a less biased and more consistently fair approach would be to write about each faith from the point of view of that faith — so that our explanatory pages were in essence, a particular religion explaining itself to the reader. From that position it made sense to use pbuh [peace be upon him] on pages explaining Islam.

Ein weiterer Fall aus Broders Zwischenablage:

Etwas weiter südlich, in Zürich, wurden die Polizisten aufgefordert, sich mit der islamischen Kultur vertraut zu machen, indem sie im Ramadan freiwillig einen Tag lang auf Essen und Trinken verzichten.

Oder wie er vor zwei Monaten schrieb:

Auch die Polizisten der Stadt Zürich sind aufgefordert worden, sich mit der islamischen Kultur vertraut zu machen, indem sie im Monat Ramadan freiwillig einen Tag lang fasten. Das Interesse an diesem Vorschlag soll aber angesichts des kulinarischen Angebots in Zürich gering gewesen sein.

Wurden die Polizisten wirklich „aufgefordert“, einen Tag zu fasten? Richtig ist: Die Polizeichefin hatte ihre Leute zu einem gemeinsamen Fastenbrechen mit Muslimen eingeladen. Der „Tagesanzeiger“ berichtete:

Auf dem Programm stehen eine Ansprache der Polizeiseelsorgerin, die Erfahrungen eines muslimischen Polizisten, der Ruf des Muezzins sowie ein gemeinsames Abendgebet samt Abendessen mit Sufi-Musik.

«Der Anlass gibt die Möglichkeit, sich mit ansässigen Musliminnen und Muslimen zu unterhalten und über ihren Alltag mehr zu erfahren», schreibt Maurer.

Das klingt für mich sehr unskandalös, und wenn es so war, ist Broders Witz, dass „angesichts des kulinarischen Angebots in Zürich“ niemand gekommen sei, besonders dumm. Es ist ein Festmahl, das im Ramadan nach Sonnenuntergang aufgefahren wird!

Ich würde auch gerne eine vertrauenswürdige Quelle für diese Aussage Broders finden:

Zugleich [vor dem 11. September 2007] wurden die Brüsseler Polizisten angewiesen, während des Fastenmonats Ramadan nicht in der Öffentlichkeit zu rauchen oder zu essen, um die religiösen Gefühle der Muslime nicht zu verletzen.

Auch die stand schon vor zwei Monaten auf „Spiegel Online“:

(…) zugleich hat seine Verwaltung die Polizisten in der Hauptstadt Europas angewiesen, während des Fastenmonats Ramadan nicht in der Öffentlichkeit zu rauchen oder zu essen, um die religiösen Gefühle der Muslime nicht zu verletzen.

Und bei der Suche nach der Quelle findet man vor allem: Broder. Ein Interview im Deutschlandfunk, ein Gespräch mit blauenarzisse.de. Ich habe im Internet nur einen möglichen Urheber der Geschichte gefunden: Christian Ortner, einen Kolumnisten der „Wiener Zeitung“. Er schrieb am 31. August 2007:

Brüssel hat mittlerweile eine so umfangreiche muslimische Wohnbevölkerung, dass etwa biedere flämische Polizisten ohne jeden „Migrationshintergrund“ von ihren Vorgesetzten angehalten werden, während des Ramaddan nicht in der Öffentlichkeit zu essen oder zu rauchen.

Auf Ortners Artikel scheinen sich viele rechte und anti-islamische Seiten zu berufen, die die Geschichte weitererzählen. Aber auch Ortner nennt keine Quelle.

Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht ausschließen, dass sie stimmt. Womöglich tut sie es. Ich finde es aber erstaunlich, dass sich dafür in den Nachrichtenagenturen oder Zeitungsarchiven kein Hinweis finden sollte. Nur Broder erzählt sie so lange, bis sie Tatsache geworden ist. Wie das Märchen von den Banken, die keine Sparschweine mehr ausgeben, um die Gefühle von Moslems nicht zu verletzen.

Nachtrag, 22:00 Uhr. Spurensuche in Sachen Essverbot für Brüsseler Polizisten im Ramadan. Es könnte sein, dass es sich nicht um eine Erfindung handelt, aber dann gilt es offenbar nicht in ganz Brüssel, wie Broder schreibt, sondern nur im Vorort Molenbeek, und stammt nicht aus dem vergangenen Jahr, wie Broder schreibt, sondern von 2005.

Factually Incorrect (5)

Für Hagen Meyer, der an der Axel-Springer-Akademie ausgebildet wurde und gelegentlich für „Bild“ schreibt, ist „Politically Incorrect“ augenscheinlich eine seriöse Quelle für Nachrichten und ihre angemesse Interpretation.

Nach dem vermeintlichen Flüsterskandal bei „Hart aber fair“, nahm sich das islam- und tatsachenfeindliche Blog (das vorgestern nach eigenen Angaben über 28.000 Besucher hatte) einen der Beteiligten vor: den Grünen-Politiker Özcan Mutlu. „PI“ schrieb:

Für sein respektloses Verhalten gegenüber einem Polizisten wurde Mutlu, der Roland Koch bei Plasberg rassistisches Denken unterstellte und durch ständiges Unterbrechen der anderen Gäste störte, 2003 zu 2.000,- Euro Strafe verurteilt.

Wie zum Beweis kopierte „PI“ einen fast vollständigen Artikel aus der „Welt“ ins eigene Blog. Den letzten Absatz ließ der anonyme Islamhasser weg. Er lautete:

Damit ist diese Posse aber noch lange nicht beendet. Mutlu hat Berufung angekündigt. Jetzt geht es vermutlich vor das Landgericht.

Ich ahne, warum „PI“ diesen Teil nicht mitkopiert hat: Mutlu hat in der nächsten Instanz nämlich gewonnen und ist vom Vorwurf der „Herabwürdigung“ freigesprochen worden. Der Richter der Berufungsinstanz erklärte, dem Polizisten sei beim Treffen mit Mutlu offenbar die „erforderliche Nüchternheit“ abhanden gekommen. Ein Teil des Verhalten des Polizistens könne man „beim besten Willen nur als Schikane bezeichnen“. Die „Berliner Morgenpost“ berichtete, inoffiziell werde die Klage als „ausgemachter Blödsinn“ bezeichnet. Der „Tagesspiegel“ schrieb, der Richter habe die Anzeige als „geradezu lächerlich“ bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft zog ihre Revision zurück, der Freispruch wurde rechtskräftig.

All das verschweigt „PI“ seinen Lesern.

Und die „PI“-Leser kommentieren:

#1 monsignore (11. Jan 2008 18:57)

Sofort abschieben!

#5 D Mark (11. Jan 2008 19:02)

Mutlu ist ein drecks Fascho-Nazi

#20 Grabowski (11. Jan 2008 19:11)

Wenn ich schon das schleimige Grinsen von diesem widerlichen, kleinen grünen Türken sehe….

#25 smg_getriebe (11. Jan 2008 19:15)

Dampfstrahler frei! Alles wegspühlen! Oder im Lois Trenker seinen Rucksack umschnallen….

#26 AN (11. Jan 2008 19:16)

HEIMREISE JETZT!

#36 Linkenscheuche (11. Jan 2008 19:19)

Hood, noose, drop

#146 DerAlfred (11. Jan 2008 20:34)

Man sollte diesen Mutlu schächten, so wie sie unsere Rinder ungestraft schächten dürfen!

Dutzende „PI“-Leser haben mir neulich vorgeworfen, das sei unglaublich, dass ich behaupte, in den Kommentaren von „PI“ tobe sich ein „unverholen rassistischer Mob“ aus.

[Mit Dank an BILDblog-Leser Stefan K.!]