Ich habe eigentlich gar keine Zeit, das jetzt aufzuschreiben, fürchte aber, dass mein Mund vorher nicht wieder zuklappt. Die Kollegin Antje Hildebrandt berichtet auf „Welt Online“ über die „Popstars“-Folge von gestern, die soviel (zumeist unberechtigten) Wirbel ausgelöst hat.
Während der Dreharbeiten zu der Casting-Show ist die Mutter einer Kandidatin unerwartet gestorben. Die Kameras sind, anders als eine Schwesterzeitung der „Welt“ behauptet hatte, nicht dabei, als sie diese Nachricht bekommt. Die Sendung zeigt das Mädchen auch hinterher nicht, sondern nur die Hilf- und Fassungslosigkeit der anderen.
Frau Hildebrandt meint, dass das verboten sein müsste.
Was machen die Produzenten einer Casting-Show, wenn die Mutter einer Kandidatin plötzlich stirbt? Pro Sieben baute das persönliche Unglück einer ihrer Kandidaten in die Dramaturgie mit ein. Ein unerträglicher Faux pas, der ein rechtliches Nachspiel haben sollte.
Bevor Frau Hildebrandt sich damit beschäftigt, was da im Fernsehen zu sehen war, erklärt sie uns, was das überhaupt ist, so ein „Tod“:
[Der Tod] ist die Antithese der Show. Er konfrontiert uns mit der Erkenntnis, dass das Leben kein Selbstbedienungsladen ist. Am Ende schnurren alle Sonderangebote auf zwei Optionen zusammen: On oder Off. Sein oder Nichtsein.
(Nehmen Sie sich eine Minute, um über dieses Bild nachzudenken.)
Sie meint dann, dass ProSieben die Trauer der anderen Mädchen auf gar keinen Fall hätte zeigen dürfen: „Das gebietet schon der Respekt vor den Gefühlen der Familie von Victoria.“ Darüber kann man natürlich streiten. Ich hätte es wesentlich zynischer gefunden, auf diese paar Minuten Kitsch zu verzichten, die ein Abschied von Victoria waren, und unmittelbar zur Tagesordnung zurück zu kehren.
Dann zitiert Hildebrandt die wohlfeilen Kritiker, die sich (vermutlich ohne die Sendung gesehen zu haben) vorab empörten, und nennt es eine „Ironie des Schicksals“, dass „ausgerechnet die Kritik an der Sendung zur PR“ wurde:
Any motion is promotion.
Das ist eine anscheinend selbst erfundene Redensart, die die Kollegin so sehr mag, dass sie sie nun schon zum dritten Mal in eine ihrer Fernsehkritiken eingebaut hat (zuvor über „Wetten dass“ und die Dschungelshow).
Über die Pressemitteilung, mit der ProSieben der Falschmeldung der „Bild“-Zeitung widerspricht, schreibt Hildebrandt schließlich:
Das Dementi ist die makabere Schlusspointe einer Geschichte, von der man nur hoffen kann, dass sie ein Nachspiel vor Gericht haben wird.
Vielleicht kann ProSieben ja den Tod verklagen.