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Dank „Tagesschaum“: Moderations-Trauma von Küppersbusch geheilt!

Jetzt ist der Raum, der den Sommer über im Fernsehen das Büro von Friedrich Küppersbusch spielte, wieder das Büro von Friedrich Küppersbusch. Die Sendetechnik und die nackte Glühlampe sind raus; ein Poster mit allen Abspann-„Krallen“ aus der Sendung erinnert an die „Tagesschaum“-Zeit. Und das Karma wird ja noch lange in den Räumen bleiben, sagt Küppersbusch.

Ich war als Autor Teil des Teams — und habe zum Abschied ein langes Gespräch mit dem 52-jährigen Moderator, Journalisten und Produzenten geführt: über das Medium Fernsehen, das gerade in Volkseigentum übergeht; Haltung als ein solide aufgepumptes Rettungs-Schlauchboot für ARD und ZDF; Alternativen zum Tagestalk und dem Fluch der „ZAK“-Interviews als Boxbude.


Fotos: WDR

Herr Küppersbusch — oder: Chef, wie ich jetzt vier Monate lang sagen durfte.

Auch gerne noch viele Jahre mehr!

Was ich da jetzt in der „Tagesschaum“-Redaktion erlebt habe: Wird so Fernsehen gemacht? Ich habe den Verdacht, dass das völlig untypisch war.

Ich fürchte ja. Da saßen viele Gewerke zusammen, die normalerweise getrennt sitzen. Wer Textinhalte macht, Bewegtbild, Online — das sind sonst alles verschiedene Abteilungen oder sogar externe Dienstleister. Und inhaltlich — da gibt es durchaus unter den beiden hier Anwesenden auch Leidtragende — war es ja eine Konferenz in Permanenz. Ich persönlich habe es so erlebt, dass die genuinen Ideen da entstehen, indem man sich gegenseitig befeuert oder das Rampensau-Gen gekitzelt wird und man sagt: Jetzt hau ich noch einen raus! Normalerweise sind das doch sehr hierarchisierte Ideenfindungsprozesse. Da sitzt dann ein Redaktionsleiter, der entscheidet etwas, und die verschiedenen Rudergaleerendecks müssen das dann ins Wasser peitschen. Insofern war unsere Produktion tatsächlich sehr untypisch.

Auch die Freiheit, dass alles möglich war und es keine feste Struktur gab. Wir hatten manchmal nachmittags um vier noch keine Vorstellung, wie die Sendung aussehen wird.

Sonst sagt man: Wir haben hier 45 Minuten, es gibt folgende Dramaturgie, wir wollen diese Quote und jene Zielgruppe ansprechen. Wir haben aber gesagt: Wir würden gerne null Formatzwang haben. Und große Meinungsfreiheit. Unser Angebot hieß: Lieber WDR, wir versprechen, das wir uns nach 38 Ausgaben selbst umbringen, es gibt keine Probleme mit der Entsorgung, aber vorher hauen wir auf die Kacke.

Vermutlich kann man sowas Sendern sonst nicht verkaufen.

Ja. Ich bin durch Zufall vor Jahren auf Keith Olbermann und seine Sendung „Countdown“ auf MSNBC aufmerksam gemacht worden und auf seine Nachfolgerin Rachel Maddow. Das fand ich ganz prima, und bin dann vier Jahre hausieren gegangen, mit dem Generalbass: Jeden Tag steht in der Zeitung „Wir talken uns zu Tode“ — was wäre denn, wenn wir sagen: Lass sie quatschen, was machen wir denn stattdessen an gesellschaftlichem oder politischem Diskurs? Damit bin ich überall vor die Wand gelaufen, hab’s dann irgendwann aufgegeben. Aber dann gab es immer wieder Leute im WDR, die sich eine Wiederaufnahme von „ZAK“ von mir wünschten. Ich habe denen wahrheitsgemäß gesagt: Ich kann sowas wie „ZAK“ heute nicht mehr machen, das wäre unfassbar altmodisch. Ich finde es toll, wenn ihr es macht, aber gebt es den jungen Leuten. (Das ist der Fehler, der damals bei „ZAK“ gemacht wurde: Man hätte, statt es einzustellen, es der nächsten Generation geben müssen.) Jedenfalls habe ich den WDR-Leuten nun im Nebensatz gesagt: „Und im übrigen interessiere ich mich für ganz andere Sachen“ — und so habe ich das „Tagesschaum“-Konzept fast aus Versehen durch die Tür gekriegt.

Das Konzept war: Wir lassen alles weg, was der Küppersbusch nicht mehr will, und gucken, ob da noch was übrig bleibt.

Wir haben Konzepte präsentiert und einen ausführlichen Papierpiloten gemacht. Aber das hat nur bis zu der Stelle geholfen, dass die gesagt haben: „Naja, am Ende werdet ihr ja doch Interviewpartner einladen, und wir können ja immer noch drei von diesen Fünfzehnminütern aneinanderkleben und dann haben wir ein nomales Dreiviertelstundenformat. Dann macht halt mal ’nen Piloten.“ Die Piloten haben dann aber ergeben, dass man es sich tatsächlich ohne Gast vorstellen kann und es eigentlich dann auch mehr Sinn macht, es gefühlt täglich zu produzieren.

Ausgerechnet Interviews wolltest du nicht führen in der Sendung.

Ich hab diese „ZAK“-Interviews irgendwann als Klassenkeile erlebt. Ich versuchte herauszufinden, was interessiert mich an dem Gast, wie steht der zu dem, was ich vorher über ihn gefunden habe, wie sieht er das heute. In der Wahrnehmung im Fernsehen wurde daraus eine Boxbude: Wer haut hier wem einen rein?

Ich habe das gerne gesehen.

Ich hab es als belastend empfunden: Entweder du tust jemandem weh oder du bist schlecht. Das ist ja beides scheiße. Und die Gespräche, wo du jemandem vielleicht auch in seinem wohlverstandenen Sinne zur Kenntlichkeit verhilfst, die rutschen so durch. Wir waren damals, 1990/91, am Anfang einer Epoche, die hieß: Das ist dein Parteiprogramm, das ist deine Parole, aber wer bist du denn? Von daher waren wir vielleicht ein Fieberthermometer im Arsch des Zeitgeistes. Heute gehört es zur Rollenaufgabe des politischen Profis dazu, dass er auf alle Human-Touch-Fragen eine Geschichte hat. Das ist vollkommen müßig geworden.

Aber das macht doch noch nicht die Auseinandersetzung Mann gegen Mann müßig. Man könnte sich doch trotzdem im Fernsehen jemandem gegenübersetzen und mit ihm über Politik reden, wie es Sandra Maischberger auf n-tv gemacht hat.

Wir haben das ja produziert. Das hat auch total Spaß gemacht. Bei Sandra Maischberger gab es auch nicht die Rezeption: „Da stinkt’s richtig nach Testosteron im Studio, da gibt’s jetzt Boxbude“. Von daher war das nochmal ein gültiger Versuch. Der fing übrigens so an, dass die Sender sagten: Naja, One-on-one, eine Dreiviertelstunde und nichts, kein Einspieler, kein Fernsehballett, keine Digitricks, und dann noch diese Maischberger — das will ja keiner sehen. Als wir nach sieben Jahren aufgehört haben, bin ich auf meine kleine Senderreise gegangen bin und dachte: So, jetzt haben wir’s bewiesen. Aber dann sagten die: Naja, One-on-One, Dreiviertelstunde und kein Einspieler, kein Fernsehballett und dann noch ohne Maischberger — das will doch keiner sehen. Da bin ich einmal sehr eindrucksvoll im Kreis gegangen als Produzent. Das ist ja auch eine Fußnote der Fernsehgeschichte, dass das wunderbar funktioniert hat, aber auf der Höhe der die Nation erschütternden Debatte über die zu vielen Talkshows niemand gesagt hat: Lass uns verdammtnochmal ein One-on-One machen.

Ich sag das ununterbrochen!

Ich auch.

Das heißt, du glaubst an ein Gesprächsformat, aber du willst es nicht mehr selber machen?

Ja.

Mein Eindruck während der Zeit hier war auch, dass es gar keine Vorgabe gab: Lass uns mal gucken, was die Leute sehen wollen, was funktioniert, womit man Quote macht. Ich hatte das Gefühl — ich hoffe, es ist nicht geschäftsschädigend, das zu sagen — wir machen hier das, was uns Spaß macht, für uns Sinn ergibt, und Punkt.

Da ist dieser inzwischen in Granit gemeißelte Helmut-Thoma-Satz „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, den man ja selbst als Metapher zerpflücken kann. Ein anderer, wie ich finde, auch nicht unredlicher Weg ist: Würde ich das denn selber gucken? Hinzu kommt, dass es im Moment so viele Lernchancen gibt, durch den Übergang des Fernsehens in Volkseigentum. Das passiert durch das Internet und dadurch, dass eine sendefähige Kamera heute noch 200 Euro kostet. Was die auf YouTube machen ist radikal subjektiv. Deswegen fließt viel Publikum zu YouTube und zu Bewegtbildangeboten im Internet, weil da Authentizität wahrgenommen wird — ob die da tatsächlich ist oder im Internet am Ende einfach das funktioniert, was niemanden ärgert und gute Werbebuchungen bringt, wo Mädchen ihre Schminkproduktebemusterung auspacken und empörende Aufrufzahlen haben… Aber das war Teil des „Tagesschaum“-Experiments: herauszufinden, wo landen wir damit.

Aber das funktioniert mutmaßlich auch nur unter dem Label „Experiment“. Dass das für die Nische sein würde und nicht das Programm, das den Jahresmarktanteil des WDR-Fernsehens in die Höhe treibt, war klar, oder?

Doch, da können wir uns einen schlanken Fuß machen. Ein redlicher Vergleich ist ja der, ob es dir ab und zu gelingt, mehr Zuschauer zu haben als das Vorprogramm – das ist gelungen. Ein zweiter ist, dass das, was vorher auf dem Sendeplatz lief, schwächer war als wir. Das Ding hat einen halben „Tatort“ gekostet und dafür haben wir 38-mal diesen Marktanteil höher gemacht. Da würde ich als Senderentscheider sagen: Das hab ich nicht ganz falsch gemacht. Zum Schluss hatten wir 5,8 %, damit stellt man normalerweise den Vizekanzler.

Das klingt jetzt nach der Argumentation, mit der sich der WDR das im Nachhinein schönredet. Oder du dem WDR das schönredest.

Es gibt eine Geschichte, mit der ich mein Selbstbewusstsein illustrieren kann. Als in den siebziger Jahren die Korrespondenten wie Hanns Joachim Friedrichs aus den USA zurückkamen, sagten sie: Dieser Nachrichtenbeamte, der da steif vom Blatt irgendwelche dpa-Sachen vorliest, das geht gar nicht mehr. Dann hat man tatsächlich ein englisches Format genommen, „Newsnight“, und einen amerikanischen Moderationsstil – – und plötzlich gab es im Dritten Programm des WDR eine Sendung, die hieß „Tagesthema“, in der man das mal so ausprobiert hat. Und das war auch sinnvoll, als Vorläufer der „Tagesthemen“, obwohl es fürs WDR-Fernsehen damals eigentlich keinen Sinn gemacht hat.

Das heißt, das ist schon die Zukunft, was wir hier gemacht haben.

Absolut.

Also, auch ernsthaft: Es ist mehr als eine Spielerei, bei der du durch glückliche Umstände in einem Freiraum etwas ausprobieren kannst?

In Amerika gibt es ausdrücklich „liberale“ oder „republikanische“ Meinungssender und -sendungen. Wir verorten uns in meinem Verständnis nicht zwischen links und rechts, sondern es geht um den Unterschied Haltung / keine Haltung. Und ich glaube, in der Haltung liegt eindeutig das solide aufgepumpte Schlauchboot, in das eines Tages auch die Öffentlich-Rechtlichen hüpfen müssen. Diese ganzen Talkshow-Panels sind doch alle da, damit am Ende der Moderator sagen kann: „Ich gebe Ihnen allen recht.“ Da kommst du haltungsfrei durch.

Der Plan war ja von Anfang an, dass sich die Sendung rechtzeitig zur Wahl selbst einstellt. Gibt es eine Chance, dass sie trotzdem weitergeht?

Der WDR hat während der Serie angeboten, Formatkonzept und Titelrechte zu kaufen. Das heißt zunächst: Wenn die Sendung nochmal stattfindet, findet sie im WDR statt. Umgekehrt haben wir gesagt, wenn ihr es macht, dann mit uns. Das ist Produzentengeschäft. Ansonsten muss Frau Merkel klar sein, der Weg zu mehr „Tagesschaum“ führt nur über Neuwahlen. Ich glaube schon, dass man so ein Format seriell herstellen kann — dann vermutlich mit zweiter ModeratorIn. Aber wir hatten jetzt in der Redaktion auch mein absolutes Dream Team zusammen, weil alle wussten: Wir können dann wieder weg. Einige Kollegen haben sogar ihren Urlaub hier verbracht. Das wäre noch eine Aufgabe, das zu stabilisieren. Aber dem Format traue ich das zu.

Du hast gesagt: „Zweite ModeratorIn“, das heißt, Du würdest dich an dem Platz wieder sehen, gegebenenfalls?

Wie gesagt: Das spielt in diesen Bereich Größenwahn. Es ist eine dreiteilige Dienstleistung: Du gibst die Nachricht, den Hintergrund und eine Einschätzung oder Haltung. 20 Uhr Nachricht, 22:15 Uhr der Hintergrund, und dann fehlt etwas. Die haben sich im Moment entschieden, nach „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ — Tagestalk zu machen.

Nur war das gar nicht meine Frage. Sondern: Wird es jetzt wieder 16 Jahre dauern, bis du dich vor eine Kamera setzt?

Also. Es gab damals beim WDR immer einen mählich steigenden Druck, dass sie „ZAK“ nicht mehr wollten. Die Sendung machte viel Ärger. Dann hieß es: Macht eine Unterhaltungssendung draus, „Privatfernsehen“, geht auf den Samstagabend, da haben wir nämlich gerade ein Problem. Ich war jung und verwegen, und wir haben gesagt: Das machen wir. Das klappte halbgut, und ein paar WDR-Hirsche appellierten an meine Solidarität, es trotzdem durchzuziehen. Ich dachte, die würden dann umgekehrt auch solidarisch sein. Aber später, als ich es gebraucht hätte, sagten sie: Ja, wir fanden den auch immer schon scheiße. Da gab es nicht die Situation, wo du deinem verdienten Linksaußen sagst: Komm, Elfer verschossen, schieß den nächsten. Dann machst Du den rein und alle bleiben Freunde. — Jetzt waren WDR-seitig neue Leute da, ich schoss diesen Elfer, drin isser. Fertig.

Soll heißen: Du kannst nach der „Tagesschaum“-Erfahrung entspannt entscheiden, ob du in einem halben Jahr mit irgendwas auf Sendung gehst oder die nächsten 16 wieder nicht.

Genau so.

Das „Privatfernsehen“-Trauma ist weg.

Geheilt entlassen.

Woran würdest du den Erfolg der Sendung messen?

Es hat funktioniert! Dass ich im Bauch denke: Das haben wir gut gemacht. Dann in der Tat daran, dass die Quote besser war als vorher auf dem Sendeplatz. Und daran, dass es Leute gibt, die auch nach Wochen die ersten Folgen im Netz angucken. Die Aufrufe auf YouTube summieren sich zusammen mit WDR.de, ARD.de, Spiegel.de auf eine Million inzwischen. Das ist immer noch nicht soviel, als hätte ich einfach Schminktipps gegeben. Aber dieses Fach ist angelernt.

In meinem Bekanntenkreis haben viele Leute am Anfang mit der Sendung gefremdelt, aber gesagt, sie haben das Format irgendwann kapiert, sind in den Rhythmus der Sendung gekommen. Mein Bild vom Fernsehen ist, dass das eigentlich nur umgekehrt geht: Man macht das, wo die Leute den Rhythmus schon kennen.

Das ist die Schwierigkeit bei der Formatentwicklung, dass die Sender immer sagen: Ach, habt ihr nicht mal was Neues. Und wenn du was Neues hast, sagen sie: „Das können wir nicht machen. Da werden die Leute doch fremdeln. Habt ihr nicht was Neues, was was Altes ist?“

Hast du das Gefühl, dass das vielleicht eine Tür auch aufgestoßen hat, dass Sender sagen: Wir probieren mal Dinge, die man vorher noch nicht kannte, und die die bestehenden Regeln brechen?

Ja, es gibt vorsichtige Bauvoranfragen. Ein Teil des Erfolges von „Tagesschaum“ besteht aus vielen Kommentaren bei Youtube und Mails und Briefen aus der sehr zwiespältigen Kategorie: „Ich guck ja eigentlich gar kein Fernsehen“ oder: „Jetzt weiß ich endlich mal, wofür ich meine Gebühren bezahle.“ Wenn du Fernsehen machst für Leute, die kein Fernsehen gucken, dann ist das verdienstvoll im Sinne der Idee der Rundfunkgebühr. Es müssen alle bezahlen und einige, die sonst sagen: „Wir müssen immer für unsere grenzdebilen Nachbarn den Musikantenstadl bezahlen“, freuen sich jetzt. Insofern ist die Frage, ob andere Sender jetzt auch sagen: Wir müssen mal was machen für Leute, die kein Fernsehen gucken. Da wär ich mal gespannt.

Wie ist denn dein Verhältnis zu dem Medium?

Meine eigene Mediennutzung ist komplett ins Internet abgewandert, sowohl was journalistische Inhalte angeht, als auch Bewegtbild. Deshalb finde ich, dass „Tagesschaum“ – von der Länge bis zum Stil — da auch anknüpft.

Aber du lebst noch vom Fernsehen. Und der Plan ist auch, das noch ein paar Jahre zu machen.

Laut Rentenbescheid muss ich noch 15 Jahre. Ich wünsche mir, das Team in der Produktionsfirma hier durch „Tagesschaum“ zu inspirieren. Allein weil ich auch mit meinem Job nicht fremdeln möchte.

Das heißt, diese Sendung hat auch eine strategische Funktion für die Firma, mit dem, was man in drei oder fünf Jahren machen will.

Ich musste mich ja überreden, als Geschäftsführer ein halbes Jahr auszufallen. Und mir eine schicke Ausrede ausdenken, warum das total gut für die Firma ist.

War unser Anspruch aber nicht auch eine riesige Anmaßung? Mit einer Handvoll Leute und viel weniger Ressourcen eine tagesaktuelle Berichterstattung zu machen, die lustiger, origineller und auch noch klüger sein soll als die der anderen?

Ja, zumal es auch noch funktioniert hat. Ich würde sagen, dass wir schon kompetente Kollegen hatten, die sehr genau wissen, was sie tun und sich das nicht zusammengoogeln mussten.

Klar, aber am Ende des Prozesses steht ja noch dieser Mann, der das alles wieder rausstreicht, auf links zieht und noch einen Knoten reinmacht.

Der ist mir nie begegnet. Aber ich weiß ja, dass ich jedes Thema so lange recherchieren kann, bis es sich in einem absoluten Fiasko von Sowohl-als-Auch auflöst. So entsteht keine Haltung. Ich weiß aber, dass ich eine Haltung habe. Du hast eigentlich als Anchor nur zwei Möglichkeiten: Du machst es aus der Perspektive der Regierenden oder der Regierten. Entweder du verdolmetscht das, was in der Machtkaste passiert und erklärst es so, das die Leute es kapieren können. Das ist legitim. Oder du sagst: Wer bin ich eigentlich, was macht das mit mir, das erzähl ich euch mal. Von daher ist es eine Anmaßung, dass ich glaube, dass das, was es mit mir oder mit uns macht, nun von besonderem Interesse für die Fernsehzuschauer da draußen sei.

Können wir den Leuten nachträglich noch einen Beipackzettel mitgeben? Wo wir den Leuten erklären, wie was gemeint war? Deine Selbstverpflichtung zur originellen Formulierung steht ja manchmal der Vermittlung der Botschaft im Wege.

Bei „ZAK“ musste ich diese ganzen saukomplizierten Texte auswendig können. Das war jetzt viel besser, dadurch dass ich den Prompter hatte.

Waren die Texte dadurch nicht noch komplizierter?

Nur deine. Wenn es ansonsten so war, muss ich jetzt die nächsten 16 Jahre dran arbeiten. Wir hatten einen Beitrag, wo wir über die Insolvenz von „Praktiker“ geredet haben, der endete damit, dass ich sagte: Wenn es die Manager so verholzen, dann gebt den Betrieb doch der Belegschaft, denn die sind die einzigen, die wirklich wissen, wie der Laden geht. Das fand ich eine ganz luzide Botschaft. Die YouTube-Kommentare aber waren: Wie könnt ihr denn die Mitarbeiter von „Praktiker“ so verarschen.

Wobei man an der Stelle auch vor dem Lesen von YouTube-Kommentaren warnen muss.

Absolut. Aber deine Frage war, ob ich eigentlich noch mitkriege, wie das wirkt, was ich mir da verschraube. Und da staune ich immer noch. Dass ich eindeutige Aussagen formuliere, und das so missverstanden wird. Da staune ich.

Wie lebst du ohne „Tagesschaum“ deinen fatalen Hang zum Kalauer aus?

Ich selbst lehne das ab, gewisse Autoren haben mich dahin getrieben. Die Familie hat Hornhäute auf den Trommelfellen. Ich habe aber auch mal für Dieter Hallervorden geschrieben. Didi rief dann aber gern mal am nächsten Tag an und sagte: „Dat war ja lustig, hab ick ooch genommen, aber dann seh ich, den hamSe vor zwei Wochen schon in der ‚taz‘ gemacht. Den kann ich also nicht bezahlen.“