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Rainald Becker verschläft „Berliner Runde“

Irgendwer hat gestern vergessen, rechtzeitig die Batterien von Rainald Becker auszuwechseln, und dann reichte sein Akku bei der „Berliner Runde“ nach der Bremer Bürgerschaftswahl gerade nur noch für eine schwungvolle Begrüßung.

Man schimpft ja gerne über Politiker und das, was sie gerade bei solchen Gelegenheiten an Phrasen von sich geben. Andererseits ist es schon eine beachtliche Leistung, im Angesicht eines langsam wegdämmernden Moderators wachzubleiben, geduldig abzuwarten, bis ihm ein Wort eingefallen ist, und auch noch in der Frage, die er formuliert, genug Sinn zu finden, um so etwas ähnliches wie eine Antwort darauf zu improvisieren.

Den politischen Geschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, verblüffte Rainald Becker mit der Frage, ob er sich angesichts der Tatsache, dass die Grünen in Bremen deutlich besser abschnitten als im Bund, nicht langsam Sorgen machen müsste, dass der Partei die Themen verloren gehen.

Für Matthias Höhn von der Linken reihte Becker mühsam folgende Wörter aneinander:

Herr Höhn. Die Linke im Bremen. Beachtliches Ergebnis. Aber … Was heißt das? Im Westen stabilisiert? Wenn man auf andere Länder guckt, sicherlich nicht.

Je weiter die Sendung fortschritt, desto ermatteter war Becker, bis er mit etwa derselben Leidenschaft und Wachheit, demselben Esprit und Interesse moderierte wie RTL-Superschluff Oliver Geißen. Aber sehen Sie selbst:

Ich will nicht ausschließen, dass das Problem bei mir liegt und nicht bei Rainald Becker. Vielleicht hab ich die „Berliner Runde“ zu lange schon nicht mehr gesehen und bin den Umgang mit solchen Sedativa nicht mehr gewohnt.

Andererseits hätte Becker auch genauso gut kurz in die Runde hätte fragen können: „Tja, Bremen. Auch egal, oder?“, und alle hätten mit den Achseln gezuckt, und nach dreißig Sekunden wären sie was trinken oder arbeiten gegangen und die ARD hätte stattdessen einen schönen Naturfilm gezeigt oder was von Loriot.

Becker, der im kommenden Jahr Chefredakteur der ARD wird, hatte sich zur Vorbereitung der Sendung mutmaßlich die Wörter „Nickeligkeiten“ und „Wahlbeteiligung“ auf einen Zettel geschrieben. Passende Fragen dazu wollte er womöglich spontan aus der Situation und dem Wahlergebnis improvisieren. Aber Becker hatte in Wahrheit keine Fragen an die Leute, die eh nur deshalb mit ihm in einem Studio saßen, weil das so üblich ist nach einer Wahl, sogar bei einer, die CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bösartig aber treffend eine „Kommunalwahl“ nannte.

Gegen Ende dieser halben Stunde fragte Becker nicht sich, aber die Politiker, wie das kommt, dass so wenige Leute wählen gehen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber antwortete, dass man sich immer wieder selbstkritisch hinterfragen müsse, „ob die Art, wie wir reden, wie wir auftreten, wie wir wirken, dazu führt, dass Menschen zuhören. Ob heute viele zugehört haben, wird man ja an der Einschaltquote sehen.“ Becker widersprach: „Einschaltquoten sind da ein ganz schlechter Gradmesser“, und musste lachen.