(Alles zur Vorgeschichte der Auseinandersetzung zwischen DFB-Präsident Theo Zwanziger und dem freien Journalisten Jens Weinreich hier im Blog und bei Weinreich selbst; eine gute Zusammenfassung bietet der „Direkte Freistoß“.)
Am Montag dieser Woche habe ich Harald Stenger, dem Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes, eine E-Mail mit Fragen zu der erstaunlichen Presseerklärung seines Verbandes geschickt, in der er Weinreich angriff. Heute hat mir DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch geantwortet. Ich veröffentliche seine Antworten, wie vom DFB gewünscht, ungekürzt. (Alle Links von mir.)
Herr Niersbach schreibt von einer grundlosen Diffamierung „in – mehr oder weniger anonymen – Internetblogs“. Können Sie mir ein Blog nennen, das Niersbach damit meint?
Koch: Natürlich soll damit nicht gesagt werden, dass Jens Weinreich anonym bloggen würde. Vielmehr ist damit abstrakt gemeint, dass in Internetblogs zahllose User und vielfach unter Pseudonymen sich an Debatten beteiligen, deren Verfasser nicht mehr direkt, sondern nur noch durch Teilnahme an der Blogdiskussion ansprechbar sind.
Sie schreiben, Weinreich habe „über seinen Anwalt am 11. November 2008 dem DFB eine Erklärung zukommen lassen“. Handelt es sich bei dieser Erklärung um das von Jens Weinreich in seinem Blog veröffentlichte Schreiben vom 14. November 2008?
Koch: Nein, es handelt sich nicht um eine Erklärung vom 14. November, sondern um eine Erklärung vom 12. November. Wir haben dies auch in unserem Schreiben zur gemeinsamen Presseerklärung von VDS und DFB [gemeint ist DJV] richtig gestellt (siehe auch nächste Antwort).
Sie schreiben, Weinreich habe am 6. November in einem Blogeintrag klargestellt, dass er den Begriff „Demagoge“ nicht im Sinne von „Volksverhetzer“ gemeint habe. Warum hat Herr Dr. Schertz dann noch vier Tage später, am 10. November, von Weinreich genau diese Klarstellung gefordert?
Koch: Der DFB war bemüht, die Auseinandersetzung in einer beide Seiten zufriedenstellenden Weise zu beenden. Das sollte aus Sicht des DFB aber nicht durch ergänzende oder klarstellende Blogeinträge, sondern durch ein persönliches Schreiben von Herrn Weinreich erfolgen. In der Sache selbst, die zwischenzeitlich leider fast vollständig in den Hintergrund gestellt wird, geht es nämlich weiterhin darum, dass Dr. Zwanziger mit der Bezeichnung „unglaublicher Demagoge“ persönlich verunglimpft worden ist. Als Dr. Theo Zwanziger von mir kurz vor Einreichen der auf Unterlassung und Widerruf abzielenden Klageschrift davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass Herr Weinreich erstmals am 12. November (also nicht am 11. November, wie irrtümlich in unserer Pressemitteilung angegeben) uns gegenüber schriftlich erklärt hatte, eine andere Deutung des Begriffs „unglaublicher Demagoge“ für sich in Anspruch zu nehmen und somit durch ein Schreiben seines Anwalts zum Ausdruck brachte, dass er Dr. Theo Zwanziger nicht in die Nähe nationalsozialistischer Propaganda rücken will, war aus Sicht des DFB der Kern des Streits erledigt und unser Anwalt wurde beauftragt, alles Weitere auf dieser Ebene abzuwickeln. Zuvor hatte Herr Weinreich diese Erklärung lediglich in seinem Internet-Blog abgegeben, was für uns allerdings nicht ausreichend war..
Sie schreiben, Weinreich habe diese Klarstellung am 6. November „nach dem Verfassen der Klageschrift“ veröffentlicht. Sie stellen Weinreichs Klarstellung als eine Reaktion auf die Androhung einer Klage dar. Wie kann Weinreich schon am 6. November auf eine Drohung vom 10. November reagieren?
Koch: Die juristische Auseinandersetzung zwischen Dr. Zwanziger und Herrn Weinreich lief bekanntlich bereits seit vielen Wochen und war nicht abgeschlossen. Nachdem das Amtsgericht und das Kammergericht Berlin Herrn Dr. Zwanziger einstweiligen Rechtsschutz verweigert hatten, war – wie bei solchen Verfahren üblich – durch Herrn Dr. Zwanziger und den DFB zu entscheiden, ob ein Hauptsacheverfahren durchgeführt werden soll oder nicht. Dies war Herrn Weinreich bestens bekannt und wir haben am Morgen des 6. November entschieden, vor Einreichen der Klage über die Anwälte nochmals Herrn Weinreich eine letzte Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Herr Weinreich hat in seinen Blog am 6. November um 11.53 Uhr, also nach unserer Entscheidung am Morgen, die Klage einzureichen, eine Erklärung gestellt, die wir als Basis für eine außergerichtliche Einigung gesehen haben. Dies wurde dann in einem Schreiben seines Anwalts vom 12. November erstmals uns gegenüber schriftlich zum Ausdruck gebracht.
Sie schreiben, Weinreich habe sich der Rufschädigung schuldig gemacht und zitieren Herrn Dr. Koch mit den Worten, Weinreich habe Herrn Zwanziger indirekt als Volksverhetzer bezeichnet. Ist Ihnen bekannt, dass zwei Berliner Gerichte Weinreichs Äußerung für zulässig erklärt haben und der Deutung von Herrn Dr. Koch widersprochen haben?
Koch: Die beiden Berliner Gerichte haben einstweiligen Rechtsschutz verweigert und keine Entscheidung in der Sache selbst, d.h. in der Hauptsache getroffen. Dies wäre erst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung juristisch zu klären gewesen.
Sie zitieren Herrn Dr. Koch mit den Worten, Weinreich habe „nun erstmals in angemessener Form gegenüber Theo Zwanziger versichert, diese Deutung [des Wortes ‚Demagoge‘ als ‚Volksverhetzer‘] sei nicht von ihm beabsichtigt gewesen“. Warum waren die früheren öffentlichen Erklärungen von Weinreich, zum Beispiel am 22. Oktober in seinem Blog nicht ausreichend? Damals schrieb Weinreich über diese Deutung: „Ich weiß nicht, wie man darauf kommt, so etwas zu behaupten. Dass ich dem kolossal widerspreche, wiederhole ich gern noch einmal.“
Koch: Blogeinträge mögen für die Internetcommunity ausreichende Erklärungen sei. Für den DFB stellen sie keine zufriedenstellende Reaktion auf missverständliche, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens attackierende und verunglimpfende Äußerungen dar. Deshalb waren die Blog-Einträge von Herrn Weinreich am 22. Oktober und 6. November für uns nicht ausreichend.
Soweit die Antworten des DFB.
Mir ist bewusst, dass kaum ein Außenstehender mehr dieses Gewirr von Terminen und Erklärungen durchschauen und auch nur annähernd rekonstruieren kann, was Wahrheit und was Lüge ist. Und dass sich die Diskussion längst wegentwickelt hat von diesen Detailfragen, die mir noch am Montag relevant schienen.
Aber als ein Indiz dafür, wie heillos sich der DFB bei seinem Versuch, Weinreich zu diffamieren, in seinen eigenen Halb- und Unwahrheiten verstrickt hat, kann man die Widersprüche festhalten, was Blogs angeht: Wenn jemand in einem Blog etwas äußert, das Herr Zwanziger als ehrenrühig ansieht, handelt es sich also um eine öffentliche Stellungnahme, gegen die man mit aller Härte vorgehen muss. Wenn jemand in einem Blog mögliche Missverständnisse ausräumt, handelt es sich aber um nicht ernst zu nehmendes Zeug, das jenseits einer „Internetcommunity“ niemand zur Kenntnis nimmt?
(Der DFB hat mich zwar darum gebeten, seine Antworten komplett zu veröffentlichen. Ich habe aber davon abgesehen, hier auch die Änderungen eines teils deutlich abweichenden Entwurfes zu dokumentieren, die in dem Word-Dokument mit den Antworten noch sichtbar waren. Ich hoffe, der DFB ist mir nicht böse.)
Nachtrag, 19:15 Uhr. Auf sueddeutsche.de kann man Theo Zwanziger über viele Zeilen bei der Selbstdemontage zusehen.