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„Spiegel“-Leser wissen mehr — es tritt bloß vieles davon nicht ein

Wenn ich mich recht erinnere, steht unten im neuen „Spiegel“-Haus an einer Wand das alte Motto von Rudolf Augstein: „Sagen, was ist.“ Kann mal jemand nachsehen, ob die Buchstaben inzwischen abgeknibbelt wurden und dort als Leitmotiv des Nachrichtenmagazins stattdessen zu lesen ist: „Sagen, was eventuell sein könnte, falls nichts anderes dazwischenkommt“?

Gestern wurden endlich die Namen der Mitglieder des neuen Bundeskabinetts bekannt gegeben. Das ist vor allem insofern erfreulich, als damit Monate der Spekulation in den Medien enden, wer welchen Posten kriegen wird. Wobei es das Wort „Spekulation“ im Fall des „Spiegel“ nicht trifft. Er hat seine Mutmaßungen gerne als Tatsachen formuliert. Erst vor zwei Wochen zum Beispiel schrieb er kurz, unmissverständlich und, wie wir heute wissen, falsch:

Wolfgang Schäuble bleibt Finanzminister, Thomas de Maizière Verteidigungsminister.

Solche Sätze werden später nicht ausdrücklich im Heft korrigiert. Vermutlich, um nicht unnötig Zweifel an der Prognosefähigkeit der Redaktion zu säen und im Publikum nicht die Frage zu wecken, ob im Haus qualifizierende Worte wie „vielleicht“, „womöglich“ und „nach heutigem Stand“, Modalverben oder gar der Konjunktiv unbekannt sind. Und vermutlich auch, weil man neben all den als Tatsachen verkauften Prognosen, die man nachträglich zurücknehmen müsste, kaum noch Platz für neue Fehlprognosen Nachrichten hätte.

Der Text vor zwei Wochen ging weiter:

Peter Altmaier würde das Umweltressort zähneknirschend auch dann behalten, wenn die Zuständigkeit für die Energiewende komplett an einen Superminister Gabriel geht.

Weil Kristina Schröder und Ilse Aigner ausscheiden, darf Johanna Wanka (Bildung) als gesetzt gelten. Das gilt natürlich auch für Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, wenngleich die sich noch sträubt, das Gesundheitsressort zu übernehmen.

Interessantes „noch“ — als wisse der „Spiegel“-Redakteur im Gegensatz zu der Ministerin schon, dass das Sträuben natürlich am Ende fruchtlos bleiben werde.

Vergleichsweise übersichtlich ist die Lage in der CSU. Seehofer hat drei Ministerien verlangt und bekommen. Die Ressorts Innen, Verkehr und Landwirtschaft werden auf Hans-Peter Friedrich, Peter Ramsauer und Aufsteiger Alexander Dobrindt verteilt.

Tjaha, vergleichsweise übersichtlich und trotz des unmissverständlichen Indikativs „werden“ dann gleich mehrfach falsch, wie wir heute wissen.

Am 14. Oktober hatte der „Spiegel“ als ebenso unumstößliche Tatsache formuliert:

Innenminister Hans-Peter Friedrich zum Beispiel ist gesetzt, das gilt auch für Verteidigungsminister Thomas de Maizière.

Da das schon nicht stimmte, zweifle ich nun auch an einer weiteren Tatsache, die der „Spiegel“ im selben Text behauptete:

Erst die Inhalte, dann das Personal? Dieser Satz wird zwar in diesen Tagen oft gesagt, er ist aber — wie bei jeder Koalitionsverhandlung — falsch.

Ja, komisch. Dabei ist die aktuelle Erklärungsstrategie der Medien für die diversen (für sie) überraschenden Personalien, dass da in letzter Minute noch Entscheidungen getroffen wurden.

Über Ursula von der Leyen, die jetzt, nach der Bekanntgabe, dass sie Verteidigungsministerin wird, von „Spiegel Online“ als ewige Gewinnerin gewürdigt wird, erschien am 11. November ein Stück im „Spiegel“ mit der Überschrift: „Frau ohne Trümpfe“. Das ist angeblich eine Formulierung, die die „Feinde“ von der Leyens, wer auch immer das sein mag, „gar nicht so leise zischeln“, wie auch immer sich das anhören mag. Der Artikel behandelte scheinbar besorgt die Frage: „(…) was, wenn Merkel ihr einfach keinen Posten anbieten kann, der den unaufhaltsamen Aufstieg der ehrgeizigen Politikertochter fortsetzen würde?“

Das Außenamt könne sie nicht kriegen, weil es an die SPD gehe; das Gesundheitsressort wolle sie nicht: „So macht in der Berliner Regierung die Idee die Runde, von der Leyen könnte notfalls als EU-Kommissarin nach Brüssel wechseln.“ Eine andere Möglichkeit fiel den „Spiegel“-Experten nicht ein.

Aber warum konnte von der Leyen nicht Außenministerin werden? Weil die SPD unbedingt dieses Amt haben wollte. Was für Menschen, die schon zwei Wochen zuvor den „Spiegel“ gelesen hatten, ein bisschen überraschend kam. Damals beschrieb das Blatt das scheinbare Problem, dass aus dem angeblich früher prestigeträchtigsten Ministerposten ein Job geworden sei, vor dem sich alle drücken: „Das Auswärtige Amt liegt auf dem Grabbeltisch der Koalitionsverhandlungen. Es ist zur Ramschware verkommen.“

Die beiden Politiker, die „am besten für das Amt des Außenministers gerüstet wären“, erklärte der „Spiegel“, „wollen es nicht haben“: Wolfgang Schäuble und Frank-Walter Steinmeier. Ach. Nicht?

Der „Spiegel“ damals weiter:

Rettung verheißt allein eine Frau: Ursula von der Leyen ist das einzige prominente Kabinettsmitglied, dem Ambitionen auf das Außenministerium nachgesagt werden. Auch für sie wäre das Ministerium nur eine Zwischenstation. Die CDU-Politikerin will sich international profilieren, um ihre Chancen zu erhöhen, dereinst die Kanzlerin zu beerben.

Ah. Nun. Dann muss jetzt wohl das Verteidigungsministerium für die Ministerin nur eine Zwischenstation sein, um sich international zu profilieren, um „dereinst“ die Kanzlerin zu beerben. Irgendwas an der Geschichte wird schon stimmen, und überhaupt kann man es ja nicht dem „Spiegel“ vorwerfen, wenn die Politiker sich nicht an das halten, was er ihnen vor-geschrieben hat.

Wer wegen Blome den „Spiegel“ abbestellt, bekommt ihn umsonst

Gut einhundert Leser haben ihr „Spiegel“-Abo ausdrücklich wegen des Transfers von „Bild“-Mann Nikolaus Blome zum Nachrichtenmagazin gekündigt, die meisten davon langjährige Abonnenten. Der „Spiegel“ hat den meisten von ihnen angeboten, das Heft drei Monate lang kostenlos weiter zu beziehen, damit sie sich überzeugen können, dass sich mit Blome als neuem Mitglied der Chefredaktion und Leiter des Hauptstadtbüros nichts an der journalistischen Haltung des Blattes ändern werde.

Einhundert Abbestellungen sind nach Angaben des „Spiegel“ keine große Zahl: Kontroverse Titelgeschichten würden des öfteren größere Wellen auslösen, und im Vergleich mit den Kündigungen nach der Umstellung auf die neue deutsche Rechtschreibung sei die Zahl „verschwindend gering“.

Andererseits sind das natürlich Faktoren, die für die Leser des „Spiegel“ unmittelbar erkennbar oder sogar unübersehbar sind, während sie die Kontroverse um die Personalie des „Bild“-Mannes nicht unbedingt wahrgenommen haben müssen. Das macht die Zahl von einhundert Kündigungen, bei denen Blome explizit als Grund genannt wurde, dann doch relativ eindrucksvoll.

Dass Verlage versuchen, kündigungswillige Abonnenten mit sogenannten „Halterangeboten“ zu überreden, dem Medium doch noch länger treu zu bleiben, ist nicht ungewöhnlich und offenbar in allen Verlagen übliche Praxis. Sofern die Kunden Gründe mitteilen, versucht der Kundenservice, auf diese Gründe individuell einzugehen und ein passendes Angebot zu machen. Neue Abonnenten zu gewinnen, wäre im Zweifel deutlich teurer.

Diejenigen „Spiegel“-Leser, die sich auf das Angebot einlassen, dreizehn Ausgaben kostenlos geliefert zu bekommen, müssen dann allerdings ausdrücklich erneut kündigen. Sonst werden sie automatisch wieder zahlende Abonnenten — dann eines Nachrichtenmagazins, das maßgeblich von einem herausragenden Vertreter des „Bild“-Verständnisses von Journalismus verantwortet wird.

Wie die Banditen von Union und SPD die „Spiegel“-Leute ausplündern wollen

Der „Spiegel“ hat in dieser Woche also das gleiche Motiv auf dem Titel wie der „Focus“. Das ist peinlich — nicht für den „Focus“ — aber wenn die beiden deutschen Zeitschriften, die sich als Nachrichtenmagazine verstehen, denselben Gedanken haben, dann muss es wohl stimmen: Die Bundeskanzlerin und der Vorsitzende der SPD sind Banditen, die uns, notdürftig maskiert, ausrauben wollen.

(Der neue „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner hat auf Twitter sogar stolz noch einen weiteren Cover-Entwurf gezeigt, auf dem Angela Merkel und Sigmar Gabriel „uns“ mit vorgehaltener Waffe „ausplündern wollen“.)

Also: Wem soll da was weggenommen werden?

Der Kern der „Spiegel“-Geschichte ist, wenn ich es richtig verstehe, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Fachleute schon mal etwas durchrechnen lässt, was unter dem Codewort „Nord-Ost-Verschiebung“ läuft. Das Modell sieht vor, die sogenannte Reichensteuer für Einkommen ab 250.000 Euro bei Ledigen von 45 Prozent auf 46, 47 oder 48 Prozent zu erhöhen, dafür aber die Einkommensteuertarife so zu verschieben, dass die jeweiligen Sätze erst bei höheren Einkommen greifen.

Die Reichsten zahlen ein bisschen mehr, dafür wird der Effekt der „kalten Progression“ gemindert. Das heißt: Merkels und Gabriels Bankräuber-Forderung „Geld her!“ vom Cover richtet sich gar nicht gegen den durchschnittlichen Bürger oder Leser, sondern eher an den, sagen wir, „Spiegel“-Ressortleiter. Das räumt sogar die „Spiegel“-Geschichte ein:

der überwiegende Teil der Bürger [würde] sogar weniger Steuern zahlen.

Der „Spiegel“ geht entsprechend davon aus, dass der „uns“ ausplündernde Staat durch die Steuerreform weniger Steuern einnimmt und rechnet nun viele Zeilen lang vor, wie dieses Minus ausgeglichen werden könnte. Zum Beispiel durch einen „moderaten Anstieg“ des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent. Mit anderen Worten: Nicht nur der „Spiegel“-Ressortleiter, sondern auch der gewöhnliche „Spiegel“-Redakteur wäre im Visier der Beutezüge von Merkel und Gabriel.

Weil aber auch die Erlöse daraus nicht reichen, haben sich „die“ Politiker auf Bundes- und Landesebene angeblich „längst“ eine weitere Einnahmequelle „ausgesucht“: die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Der „Spiegel“ schreibt:

Nun fordert die SPD, den Abgabesatz auf Zinsen und Kursgewine auf 32 Prozent zu erhöhen.

Das ist ein interessantes „Nun“. Es ist nicht, wie man beim flüchtigen „Spiegel“-Lesen denken könnte, ein überraschendes „Nun“ des maskierten Banditen Sigmar Gabriel. Die Forderung nach einer Erhöhung der Abgeltungssteuer findet sich schon im Wahlprogramm der SPD.

Bis hierhin ist deutlich mehr als die Hälfte der „Spiegel“-Geschichte vorbei, und wir sind immer noch bei einem plusminus Null bei den Einnahmen — mit einer stärkeren Belastung der Bestverdiener zugunsten der Mittelverdiener.

Nun muss also der Raubzug von Union und SPD beginnen, und er kommt — als Konjunktiv. Der „Spiegel“ rechnet Möglichkeiten vor, wie die Bundesländer an mehr Geld kommen „könnten“. Ein Szenario: „Der Solidaritätszuschlag könnte in den normalen Einkommensteuertarif integriert werden.“ Das würde, so der „Spiegel“, „die Bürger nichts kosten“. Na sowas.

Eine zweites Szenario, laut „Spiegel“: Die vielen Ausnahmen der Mehrwertsteuer abschaffen, „ein bürokratisches Monstrum“, wie der „Spiegel“ selbst schreibt. „Wechselt ein Maulesel den Besitzer, werden nicht einmal halb so hohe Abgaben fällig wie beim Kauf eines Hausesels.“ Eine Reform wäre also ein echter Schlag für die Maulesel-Import-Export-Branche.

Weil das aber auch nur ein paar Milliarden brächte, werden CDU/CSU und SPD wohl einfach die Mehrwertsteuer erhöhen, schreibt der „Spiegel“. Quelle: Das „prophezeien bereits einige“. Na dann.

Später schockiert das Blatt die Leser, die ihm aus schwer nachvollziehbaren Gründen bis hierhin gefolgt sind, mit der Information, dass die beiden größeren Parteien die Leistungen für Demenzkranke verbessern und die Altersversorgung langjährig Versicherter aufbessern wollen. Es stellt sich die Frage, ob das Skandalöse dieser — im Wahlkampf angekündigten — Pläne wirklich durch Politiker als maskierte Räuber angemessen drastisch dargestellt wurde oder nicht mindestens eine Parallele zu Mördern oder Amokläufern hätte gezogen werden sollen.

Der „Spiegel“ behauptet:

Es ist ein trauriger Rekord: Noch bevor sich die neuen Koalitionäre zum ersten Mal getroffen haben, ist der Ruf des Bündnisses bereits lädiert, und die Bürger rechnen schon mal nach, wie viel sie das Wahlergebnis kosten könnte.

Ich vermute, die Autoren glauben das wirklich — tatsächlich gab es ja zwischen allen Bürgern auf dem Flur des Ressorts eine verblüffende Übereinstimmung in dieser Frage.

Vor zwei Wochen hat der „Spiegel“ in einer besinnunsglosen Tirade denjenigen, die es wagen, nicht wählen zu gehen und sich womöglich dafür nicht einmal schämen, vorgeworfen, die Demokratie zu gefährden. Der „Spiegel“ hingegen gefährdet nicht die Demokratie — dieser Satz gilt völlig unabhängig davon, was der „Spiegel“ gerade macht, und sei es, Politiker noch vor dem ersten Sondierungstreffen einer möglichen Koalition schon einmal als Wahlbetrüger und Räuber darzustellen.

Die Versprechungen prominenter Unionspolitiker, unter keinen Umständen die Steuern zu erhöhen, hat der „Spiegel“ jetzt schon einmal sicherheitshalber in Stein meißeln lassen. Ach nee, das war die „Bild“-Zeitung. Man kommt so leicht durcheinander dieser Tage.

Die Schwulen bringen uns allen den Tod: Die Lust des „Spiegel“ an der Apokalypse durch Aids


Ausriss „Spiegel“ 47/1987

Wenn Hans Halter im „Spiegel“ über Aids schrieb, konnte man die Frustration fast mit Händen greifen: dass die Sprache keine angemessenen Wörter hergibt, den bevorstehenden Horror zu beschreiben, und er auf so läppische Begriffe und Konzepte wie „Apokalypse“ oder „Holocaust“ zurückgreifen muss.

Im November 1987 etwa veröffentlichte er im „Spiegel“ einen Artikel, der mit dem Weltuntergang begann und sich dann langsam steigerte. Er zitierte eingangs die Offenbarung von Johannes:

Und ich sah ein fahles Pferd; und der darauf saß, des Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach.

Und endete so:

Wenn der Aids-Erreger wie ein Schnupfen- oder Grippevirus ohne Hautkontakt von Mensch zu Mensch gelangen könnte, wäre es mit uns allen über kurz oder lang vorbei. Nur auf ganz fernen Inseln oder in den Weiten Sibiriens könnten ein paar einsame Menschen überleben. Die Steinzeit käme zurück. Worst case?

Mutter Erde wird sich freuen.

Kein Konjunktiv.

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Hans Halter und die „Spiegel“-Berichterstattung über Aids in den achtziger und neunziger Jahren, sie hätten einen Platz in den Wörterbüchern verdient: unter Panikmache, als schwer je zu übertreffende Referenzgröße. WIR WERDEN ALLE STERBEN, rief das „Nachrichtenmagazin“ der Nation zu, und das nicht nur so als vage Idee, die klassisch mit in der Luft rudernden Armen vorgetragen wird. Halter malte sich und uns im „Spiegel“ ganz konkret das von Schwulen verursachte bevorstehende Ende der Menschheit aus.

Die Aids-Berichterstattung jener Jahre gehört wie die jahrelange Kampagne gegen Flüchtlinge (samt gefälschtem Titelfoto) zu den besonders dunklen Flecken in der Geschichte des „Spiegel“. Diese Vergangenheit holt das Magazin jetzt wieder ein, weil es morgen für seine inzwischen angeblich vorbildliche Berichterstattung über schwules Leben mit der „Kompassnadel“ des Schwulen Netzwerkes NRW ausgezeichnet werden soll.

Ausgerechnet.

Die Deutsche Aids-Hilfe hat bereits vor einem halben Jahr „mit Entsetzen“ auf die Entscheidung reagiert und sich mit deutlichen Worten von der Auszeichnung distanziert: Sie sei ein „Schlag ins Gesicht“ für die „Aids-Veteranen“. Die „unsägliche Berichterstattung des ‚Spiegel‘ zu Zeiten des Höhepunktes der Aids-Krise“ habe den Grundstein für die Stigmatisierung der Menschen mit HIV gelegt. „Betroffene haben bis heute unter den Folgen dieser Skandalisierung zu leiden.“

Nun eskaliert die Sache weiter. Der Sexualwissenschaftler und schwule Aktivist Martin Dannecker, der die „Kompassnadel“ im vergangenen Jahr erhielt, will sie nicht, wie sonst üblich, an den neuen Preisträger überreichen. Er nennt die damaligen Berichte des „Spiegel“ zum Thema Aids „außerordentlich fragwürdig“ und „eine regelrechte antihomosexuelle Kampagne“.

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Man muss es gelesen haben, mit welcher Lust Hans Halter seine „Spiegel“-Berichte über die todbringenden Schwulen parfümierte, wie den vom November 1987:

Der große Blonde ist unvergessen. Dreieinhalb Jahre nach seinem frühen Tod erinnern sich die Stewardessen der „Air Canada“ noch immer voller Wehmut des schönen Kollegen Gaetan Dugas. Er trug die Hemden eng, die Haare lockig. Sein Charme hat jede Crew betört.

Hundertfach hat Gaetan die Welt umrundet, ein Jet-setter aus Beruf und Neigung. Seide kaufte er in Hongkong, das dunkle Tuch bei Harrod’s in London. Gern machte er in der Karibik Station, in San Francisco und Paris. Wenn die fröhliche, swingende „gay community“ ein Fest steigen ließ, war der Franko-Kanadier mit dem sanften Quebec-Akzent dabei. Irgendwo, vermutlich in Paris, hat er sich mit dem Virus infiziert, schon Mitte der siebziger Jahre.

Dem mobilen Junggesellen blieb fast ein Jahrzehnt, um den Todeskeim weiterzugeben. Er starb, 32 Jahre alt, am 30. März 1984 an Bord eines Flugzeugs auf dem Weg zur amerikanischen Westküste. Neben ihm saß sein allerletzter Liebhaber, ein junger Dressman aus Vancouver.

Klingt fast zu schaurig-schön, um wahr zu sein. Ist auch nicht wahr. Dugas starb (31 Jahre alt) im Kreis seiner Familie in Quebec.

Weiter im „Spiegel“:

Gaetan Dugas hat vielen Menschen den Tod gebracht. In medizinischen Fachblättern wurde er noch zu Lebzeiten als der „Aids-Patient Nummer Null“ vorgestellt — als die erste identifizierte Ansteckungsquelle der neuen Seuche. Nummer Null hatte, Jahr für Jahr, rund 250 Intimpartner. Von den ersten 248 US-amerikanischen Homosexuellen, die Aids zum Opfer fielen, haben sich nachweislich 40 bei Dugas oder einem seiner Sexualpartner angesteckt.

Vereinzelte Fälle von Aids-Infektion hat es in den USA wohl schon früher gegeben. So wurde anhand von tiefgefrorenen Blutproben kürzlich festgestellt, daß der 1969 in St. Louis gestorbene, damals 15jährige Robert R. mit HIV-Viren infiziert war. Aber zu einer Epidemie hat sich Aids erst entwickeln können, als Leute wie Gaetan Dugas die Szene betraten.

Bis zu seinem Tod hoch über den Wolken blieb der Todgeweihte ein attraktiver Mann, begehrt als erster Preis. „Ich werde Sex niemals aufgeben“, hat Gaetan Dugas seinen Ärzten erklärt, „denn irgend jemand hat schließlich auch mich angesteckt.“

Dugas‘ Rolle bei der Ausbreitung von Aids war nicht so groß, wie sie damals geschildert wurde. „Aids-Patient Nummer Null“ war er nie; er war in dem Netz sexueller Kontakte, das Wissenschaftler ermittelten, bloß „Patient O“ — der Buchstabe O, nicht die Zahl 0.

Aber Dugas war — nicht nur im „Spiegel“ — der Inbegriff des Teufels: des todbringenden, auf Sex fixierten, hemmungslosen, skrupellosen Schwulen.

Schöne Männer, „den Männern zugetan“, und ihr zügelloser Lebensstil waren schuld daran, dass die „Ausrottung ganzer Nationen“ droht, wie Halter aufgeregt notierte. Die Seuche „wird die Bevölkerungsexplosion beenden und auf allen Kontinenten demographische, ökonomische und kulturelle Umwälzungen bewirken, für die es in der Geschichte kein Beispiel gibt“, zitierte er die schlimmsten Prognosen im eindrucksvollen Indikativ.

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Hoffnung? Gibt es nicht. Es gibt sie nicht. Es gibt keine Hoffnung. Lasst sie alle fahren.

Der riesengroße Zellklumpen Mensch wird mit seinen winzig kleinen Feinden auf keine Weise fertig. Aids ist eine Krankheit zum Tode.

Über die Zahl der HIV-Infizierten gibt es nur Spekulationen. Allein in der Bundesrepublik sind es mindestens 100000. Tendenz: stetig steigend. Ganz vorsichtig geschätzt kommen in Deutschland jeden Tag 100 neue HIV-Infizierte hinzu.

Sie alle werden — bei hundert Prozent Krankheitspenetranz und hundert Prozent Mortalität — weit vor der Zeit sterben.

Die Zahlen, die Halter als Fakten ausgab, waren grandios übertrieben. Im Jahr 2011, also 24 Jahre, nachdem er diese Worte in den „Spiegel“ schreiben durfte, schätzte das Robert-Koch-Institut, dass insgesamt in Deutschland 100.000 Menschen mit HIV infiziert wurden.

Aber Halters Endzeitfantasien kannten keine Grenzen:

Die Pest, der „schwarze Tod“, ließ jeden zweiten überleben. Von Pocken oder Cholera, Tuberkulose und Syphilis sind in den alten Zeiten die meisten Kranken ganz von allein genesen. Wer heutzutage einen Herzinfarkt erleidet oder an Krebs erkrankt, der muß nicht sterben. Nur Aids läßt niemand eine Chance: Bei wem die Krankheit ausbricht, der ist des Todes.

Gegen das „Acquired Immune Deficiency Syndrome“, den erworbenen Mangel an körpereigener Abwehrkraft, gibt es kein Heilmittel. Eine Früherkennung ist nicht möglich, der Verlauf schmerzhaft, das Ende voller Qualen. An Aids sterben junge und schöne Menschen, ein jeder vor seiner Zeit.

Man kann sich ausmalen, was für eine Wirkung solche Texte auf die Betroffenen hatten in jener Zeit.

Die größten Apokalyptiker zitiert Halter als die einzigen Realisten. Einen Münchner Infektionsepidemiologen lässt er sagen:

„Den deutschen Risikogruppen droht der Holocaust.“

Später zitiert er ihn nicht nur mit dem Satz:

„Wenn in den nächsten Jahren kein wissenschaftlicher Durchbruch erzielt wird, werden zur Jahrtausendwende weite Teile von Afrika, und möglicherweise auch von Mittel und Südamerika, weitgehend entvölkert sein.“

Er fügt in der Mitte des Zitats, bezogen auf den möglichen wissenschaftlichen Durchbruch sicherheitshalber auch noch hinzu: „– und dafür gibt es keinen seriösen Hinweis –„.

Und damit auch kein Leser auf die Idee kommt, dass dieser Professor womöglich übertreiben könnte, leitet Halter das Zitat ein mit dem Satz: „Professor Frösner spricht öffentlich aus, was seine Kollegen nur heimlich tuscheln“.

Und fasst sicherheitshalber noch einmal zusammen:

Genozid, Holocaust, die Apokalypse … der Weg in die Aids-Katastrophe ist vorgezeichnet, zumindest für die Dritte Welt.

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Man kann, mit sehr viel Wohlwollen, diese Hysterie mit der Verzweiflung und Empörung des „Spiegel“-Redakteurs erklären, dass niemand etwas gegen die Gefahr tut. Es stimmt ja auch: Wenn die Verantwortlichen auf die Warnungen gehört hätten, wären nicht weit über Tausend Menschen allein in Deutschland über Blutkonserven mit HIV infiziert worden.

Dennoch ist es schwer, in der Aids-Berichterstattung des „Spiegel“ dieser Zeit einen Ausdruck von Verantwortung zu sehen — und nicht von rasender Verantwortungslosigkeit. Dazu trägt die offenkundige Lust bei, mit der Halter die grausamen Mechanismen aufs Gruseligste ausmalt:

Aids scheint immer noch ganz weit weg. Detlef der positive Strichjunge, interessiert nicht. Er steht am Bahnhof, weil er kein Zuhause hat; er nimmt Geld für den ungeschützten Analverkehr weil er ohne Lehrstelle ist, aber schließlich von irgendwas leben muß, er ist Hetero und bringt pro Jahr ein Dutzend Homos um, vorsichtig gerechnet. Niemand hindert ihn daran, keiner gibt ihm eine Alternative für seine letzten Jahre.

Würden wir dem sterbenskranken Jungen eine Kalaschnikow mit 30 Schuß in den Arm legen? Würden wir ihm sagen: „Detlef, du hast jetzt die Lizenz zu töten. Bitte sieh zu, daß du nur jüngere Männer triffst“?

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Schon im ersten Text des „Spiegel“ über die Seuche, die damals noch nicht „Aids“ hieß, fand das Nachrichtenmagazin es eine gute Idee, jemanden zu zitieren, der den Schwulen selbst die Schuld an ihrem Verderben gab:

„Vielleicht ist das die Lustseuche des 20. Jahrhunderts, nur nicht so harmlos“, mutmaßt der Berliner Professor Franz Fehrenbach, ein Bakteriologe. Einen moralischen Merksatz fügt er gleich noch an: „Für die Homosexuellen hat der Herr immer eine Peitsche bereit.“ (…)

Die nächsten Erkrankungen erwarten Experten in den Ballungsräumen der Homosexualität: Athen, Rom, London und Berlin.

Dort hat sich die Hiobsbotschaft von drüben schon herumgesprochen. „Manchen Freunden“, sagt ein Berliner Professor, „sitzt der Schrecken schon in allen Gliedern, in allen.“

Jaha, auch in der Apokalypse hat man beim „Spiegel“ noch Muße für ein lustiges Penis-Wortspiel.

Viele Schilderungen Halters lassen sich als Ausdruck übler Schwulenfeindlichkeit lesen; sie müssen auf die Öffentlichkeit damals auch so gewirkt haben.

Sie trugen Überschriften wie „Ich bin en Tunt, bin kernjesund“ (und berichteten lustigerweise über die Aktivitäten von „Homosexuelle[n] und Lesben“). Sie gaben der Logik der „Lustseuche“, die womöglich eine gerechte Strafe für sündiges Leben ist, breiten Raum:

Dieser Tod kommt nie als Freund. Immer drängt er sich auf obszöne Weise zwischen die Lust und das Leben. Den, der die Liebe besonders geliebt (oder doch Eros und die Handreichungen dazu), nimmt Aids in seine Arme. Deshalb sterben an der Seuche vor allem die homosexuellen Männer. 4690 Aids-Kranke sind in den USA gezählt, 2074 von ihnen schon gestorben.

Wenn erst Kinder an Aids sterben werden, Frischoperierte, Unfallopfer, Krankenhauspatienten ohne jedes Stigma also, spätestens dann wird der Gedanke nicht mehr tragen, der jetzt noch für Ruhe sorgt. Es ist christliches Gedankengut, Leiden, Schmerz und Tod seien die gerechte Strafe für ein liederliches Leben, das angemessene Opfer für all das, was der Kranke mit der Welt und mit sich selbst angestellt hat. Kurzum: Wen Aids heimsucht, der habe es verdient.

Die alttestamentliche Vorstellung von der Krankheit als Strafe Gottes ist so faszinierend, daß ihr auch einige Opfer erliegen. Schon wird unter Homos diskutiert, ob Aids nicht doch ein Zeichen des göttlichen Zorns sei, weil durch die „schwulen Lebensumstände die natürliche Ordnung ins Wanken geraten ist“. Das Stichwort heißt Sittenverfall, genauer: „Promiskuität“. Dort, wo der schnelle Wechsel von Mann zu Mann seine Heimstatt hat, im Klo, steht an der Wand schon die Bitte um Barmherzigkeit: „Domine, cum veneris iudicare, noli me condemnare“ — Herr, wenn du kommst zu richten, verdamme mich nicht.

Dabei prangerte Halter durchaus an, dass die Politik nur deshalb nicht (in seinem Sinne) handele, weil die Seuche nur Menschen betreffe, die der breiten Öffentlichkeit eher egal sind:

Mal angenommen, Aids hätte zuerst die Pfadfinder und die Pfeifenraucher (und nicht Homos, Fixer und Prostituierte) heimgesucht, das Virus griffe Herz und Leber an und sein Vehikel sei der Geldschein — wer zweifelt daran, daß die Seuche nach den Regeln der Infektionsprophylaxe bekämpft würde?

Aber Halter schrieb auch:

Wenn, wie die Wissenschaftler einhellig sagen, Promiskuität wirklich das Vehikel der Seuche Aids ist und die Krankheit sich über kurz oder lang auch unter der heterosexuellen Mehrheit ihre Opfer suchen sollte, dann wird es bald keine homosexuelle Subkultur mehr geben. Keine Bars und Badestuben mehr, keine Klappen, Backrooms und Sauna-Liegewiesen.

Hat kein Verantwortlicher damals in der „Spiegel“-Redaktion das Gefühl gehabt, dass diese Ausrottungsfantasien, die Halter wieder und wieder formulierte, etwas zutiefst Beunruhigendes haben? Ist ihm niemand in den Arm gefallen?

Es war die Zeit, wohlgemerkt, in der es Politiker wie Peter Gauweiler gab, die den Eindruck machten, dass ihnen diese Krankheit durchaus nicht ganz ungelegen kam, als Munition, um gegen die „homosexuelle Subkultur“ vorgehen zu können. „Keine Bars und Badestuben mehr, keine Klappen, Backrooms und Sauna-Liegewiesen“, das war nicht nur bloß die Wirkung der Krankheit, sondern auch ein politisches Programm.

Gauweiler war Halters Verbündeter. Seine Gegner: Die Leute, die Aids durch Aufklärung und Safer Sex bekämpfen wollten. Für Rita Süßmuth hatten seine Artikel nur Häme und Verachtung übrig:

Und Frau Süssmuths Kondome? Die Ministerin behauptet keß, „Kondome sind sicher“, sie seien „die einzige Lebensversicherung gegen Aids“. O heilige Einfalt! Als die Kondom-Kampagne zu Beginn dieses Jahres mit großem Trara losging, konnte man noch hoffen, das sei nur ein Feuerwerk, um die Bürger für das Thema Aids zu interessieren. Weit gefehlt. Der dünne Gummi gilt seinen Fürsprechern ganz im Ernst als verläßlicher, stabiler Schutz. In Wirklichkeit, das weiß nicht nur die „Medical Tribune“, „schützen Kondome miserabel“.

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Der „Spiegel“ war stolz auf seinen Beitrag zur Aids-Hysterie. 1985 nahm er eine Serie über „die großen Seuchen“ ins Heft, nannte sie „Sterben, bevor der Morgen graut“, und schrieb in der Hausmitteilung:

Allein in der Bundesrepublik sind mindestens 100 000 Menschen jetzt schon mit Aids infiziert, weltweit sind es Millionen, und dabei fängt es gerade erst an. Die Infizierten, sagen die Ärzte, seien Tote auf Urlaub. (…)

„Eine Epidemie, die erst beginnt“ lautete die Überschrift des ersten SPIEGEL-Titels über Aids (23/1983).

Er eröffnete die allgemeine Diskussion über die tödliche Abwehrschwäche — und trug dem SPIEGEL massive Kritik von prominenten Homosexuellen („Schwulenhatz“) und einigen Professoren („Panikmache“) ein. Die glaubten damals fest daran, daß die Gefahr nicht vom Virus, sondern von der Berichterstattung über ihn ausgehe.

Eine infame Formulierung, denn natürlich ging die Gefahr von beidem aus. Aber der „Spiegel“ setzte noch einen drunter:

Mancher, der damals schon für sich Konsequenzen zog, entging der tödlichen Infektion. Einige haben sich inzwischen dafür bedankt. Sie leben, anderen graut vor dem Morgen.

Der erwähnte erste Titel, auf den der „Spiegel“ so stolz war, begann mit einem Zitat aus Camus‘ „Pest“ und fragte dann:

Droht eine Pest? Wird Aids wie ein apokalyptischer Reiter auf schwarzem Roß über die Menschheit kommen? Ist eine moderne Seuche in Sicht, die sich zu Tod, Hunger und Krieg gesellen wird, wie einst im Mittelalter?

Oder werden nur die homosexuellen Männer daran glauben müssen? Vielleicht (wie es Bakteriologe Fehrenbach formuliert) weil „der Herr für die Homosexuellen immer eine Peitsche bereit hat“?

Ja, vielleicht? Wenn man dieses Zitat nur oft genug wiederholt?

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1987 sagte Halter voraus: „Zur Jahrtausendwende wird jedwede Untergangsstimmung Konjunktur haben, diese ganz besonders.“

Rückblickend lesen sich die Texte manchmal, weniger wohlwollend interpretiert, als wollte der „Spiegel“ unbedingt sichergehen, bei diesem prognostizierten und selbst herbeigeschriebenem Untergangstrend uneinholbar in Führung zu liegen. Vielleicht waren die „Spiegel“-Leute auch besoffen davon, wie krass geil wirkungsvoll diese Seuche ist — eine Seuche, die quasi ihre Seuche war, über die der „Spiegel“, wie er nicht müde wurde zu betonen, angeblich als erstes in deutscher Sprache berichtet hat, noch vor den Fachmedien.

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Zum fünfzigsten „Spiegel“-Jubiläum 1997 ließ das Nachrichtenmagazin Halter noch einmal all das über Aids schreiben, was er vorher schon geschrieben hatte. Zum dritten Mal durfte er seinen Lieblingssatz zum Besten geben: „HIV trägt nicht die Trompete vor sich her.“

Noch einmal wurde Gaetan Dugas dämonisiert.

Noch einmal durfte er den Infizierten jede Hoffnung nehmen:

Hoffnung gibt es nicht. Nur der Tod heilt Aids. Erst stirbt der Mensch, dann sterben auch die Viren in ihm.

Nocheinmal durfte er seine „Hellsichtigkeit“ in der Berichterstattung rühmen.

Noch einmal durfte er gegen die Promiskuität der Homosexuellen, gegen „Darkrooms, Orte des anonymen Sex und der Infektion“, wettern und gegen Kondome als Mittel im Kampf gegen Aids. Noch einmal warb er für „Untersuchungszwang, Meldepflicht und, als Ultima ratio, Quarantäne“ als Mittel der Seuchenbekämpfung.

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Die Berichterstattung des „Spiegel“ über Aids in den achtziger und neunziger Jahren war durchaus vielstimmig und bestand nicht nur aus Hysterie und frivolen Ausrottungsfantasien. Aber wenig davon wird eine ähnliche Wirkung gehabt haben wie Halters apokalyptische Texte.

Die Deutsche Aids-Hilfe urteilte Anfang dieses Jahres:

Der „SPIEGEL“ befeuerte damit die Forderungen nach einer repressiven Aids-Politik, die ganz in der Manier einer „Bundesseuchenpolizei“ auf die Ausschaltung von möglichen Infektionsquellen gerichtet war. Dadurch wurden übelste Ressentiments gegen schwule Männer befördert.
 
Der Deutschen AIDS-Hilfe will sich nicht erschließen, warum der „SPIEGEL“ ausgerechnet mit dem Akzeptanzpreis eines Schwulenverbandes ausgezeichnet werden soll, zumal eine Entschuldigung oder ein Bedauern der Verantwortlichen bis heute aussteht. Vielmehr wird die Intention des Preises ad absurdum geführt.

Markus Verbeet, der stellvertretende Deutschlandchef des „Spiegel“, der den Preis morgen (von wem auch immer) entgegennehmen wird, sagte in einem Interview auf die Frage, ob der „Spiegel“ diesen Teil der Berichterstattung heute bereut?

Dazu werde ich Stellung nehmen, wenn der Preis in Köln übergeben wird. Dem will ich nicht in einem Interview vorgreifen, bitte haben Sie dafür Verständnis. Seien Sie versichert: Wenn wir Ressentiments verbreitet haben, dann ist das zu kritisieren — und ich werde es kritisieren.

Es wäre an der Zeit.

[Offenlegung: Ich habe von Oktober 2011 bis Mai 2013 für den „Spiegel“ gearbeitet.]

Nachtrag, 6. Juli, 16 Uhr. Marcel Dams ist in seiner Laudatio auf den „Spiegel“ auf die Kontroverse eingegangen:

(…) Die Debatte hat auch gezeigt, dass der Schmerz und das Trauma von damals für viele Schwule, HIV-positive und an Aids Erkrankten keine entfernten Begriffe sind, sondern immer noch zur Gegenwart gehören. Ich weiß nicht, wie es sich damals angefühlt haben mag, dazu bin ich zu jung. Aber wenn ich die alten Artikel lese, dann macht das was mit mir. Es lässt mich verstehen, warum es für einige unerträglich ist, dass ein Magazin ausgezeichnet wird, das damals mit für Diffamierung und Ausgrenzung verantwortlich war. (…)

Ich finde auch, dass es Zeit für eine längst überfällige Entschuldigung ist. Nicht nur hier und heute, sondern am besten auch am Ort des Geschehens – im Blatt. Auch wenn es nicht Sie und ihre heutigen Kollegen direkt waren, das möchte ich ausdrücklich betonen, die diese Artikel geschrieben haben. Dennoch wäre es ein wichtiges Zeichen der Versöhnung. (…)

Perpetuum Mobile

Am vergangenen Montag, 2. Januar, berichtete „Spiegel Online“ exklusiv:

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE telefonierte Wulff auch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Springer AG, Mathias Döpfner, um diesen zu bitten, bei Diekmann Einfluss zu nehmen. Doch der Konzernchef, in dessen Haus die „Bild“ erscheint, soll ihm in knapper Form beschieden haben, sich nicht in die Belange der Redaktion einmischen zu wollen.

Der Springer-Verlag antwortete zunächst nicht auf eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE, ob es ein Telefonat mit Döpfner gab. Am Nachmittag bestätigte dann der Verlag den Gesprächsversuch Wulffs mit dem Vorstandschef.

Was danach geschah:

dapd, 2. Januar, 16:14:

Wulff intervenierte auch bei Springer-Chef Döpfner wegen Artikel

(…) Wulff habe neben dem Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Kai Diekmann, auch beim Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, interveniert, sagte ein Sprecher des Konzerns am Montag der Nachrichtenagentur dapd.

Er bestätigte damit einen Bericht von „Spiegel Online“. (…)

epd, 2. Januar, 16:16:

„Süddeutsche Zeitung“: Wulff rief auch bei Springer-Chef Döpfner an

München (epd). Bundespräsident Christian Wulff hat nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ auch mit einem Anruf beim Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlages, Mathias Döpfner, versucht, die Berichterstattung der „Bild“-Zeitung über die Finanzierung seines Privathauses zu verhindern. „Es ist korrekt, dass der Bundespräsident auch Mathias Döpfner in dieser Angelegenheit angerufen hat und es ist auch korrekt, dass Herr Döpfner auf die Unabhängigkeit der Redaktion hingewiesen hat“, heiße es in einer schriftlichen Stellungnahme des Verlages, aus der die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Dienstagsausgabe zitiert. (…)

dpa, 2. Januar, 17:39:

Wulff wollte „Bild“-Bericht verhindern – Kritik und Protest

(…) Wie die „Bild“-Zeitung am Montag bestätigte, versuchte Wulff persönlich, die erste Veröffentlichung von Recherchen zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern. Bei „Bild“- Chefredakteur Kai Diekmann habe er mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Redakteur gedroht. Auch bei Springer-Chef Mathias Döpfner intervenierte Wulff erfolglos. Das bestätigte der Verlag. (…)

dpa, 3. Januar, 15:37:

Der öffentliche Druck auf Wulff wird stärker

Berlin (dpa) – Wegen eines umstrittenen Kredits und seines Umgangs mit den Medien gerät Bundespräsident Christian Wulff immer mehr unter Druck. Ein Rückblick:

12. Dezember 2011: Bundespräsident Wulff besucht die Golfregion und versucht, „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um die Veröffentlichung von Recherchen zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern. Bei Springer-Chef Mathias Döpfner ruft er ebenfalls an – und laut einem Bericht auch bei Springer-Mehrheitsaktionärin Friede Springer. (…)

epd, 4. Januar, 8:47:

(…) Seitdem nach dem Jahreswechsel öffentlich wurde, dass der Bundespräsident „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann sowie Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner angerufen hatte, um Berichterstattung über den Kredit zu verhindern, verschärfte sich der öffentliche Druck auf Wulff noch einmal deutlich. (…)

dpa, 4. Januar, 18:56:

Bundespräsident Christian Wulff hat ARD und ZDF am Mittwoch ein Interview gegeben. (…)

Ulrich Deppendorf: „Jetzt kommen wir mal zu den Kritikpunkten, die Ihnen vorgeworfen werden. Sie sind in den letzten Tagen besonders in die Kritik geraten wegen der Anrufe bei dem Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Kai Diekmann, und bei dem Vorstandsvorsitzenden des Springer-Konzerns, Herrn Döpfner. Ihnen wird Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit vorgeworfen. Sie sollen auf dem Band beide Herren bedroht haben. Sie sprechen von Krieg führen, vom endgültigen Bruch. (…)“

epd, 5. Januar, 8:57:

(…) Seitdem nach dem Jahreswechsel Wulffs Anrufe bei Diekmann sowie Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner bekanntgeworden waren, hatte sich der öffentliche Druck auf den Präsidenten noch einmal deutlich erhöht. (…)

dpa, 6. Januar, 15:20

„Bild“ contra Wulff – ein Rückblick

Berlin (dpa) – Es war ein Bericht der „Bild“-Zeitung, der Bundespräsident Christian Wulff Mitte Dezember in Erklärungsnot brachte. Jetzt streiten beide über einen ominösen Telefonanruf. Ein Rückblick:

12. Dezember 2011: Bundespräsident Wulff besucht die Golfregion und versucht, „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um die Veröffentlichung von Recherchen zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern. Bei Springer-Chef Mathias Döpfner ruft er ebenso an. (…)

Reuters, 7. Januar, 17:58:

Spiegel – Wulff soll auch Springer-Chef Döpfner gedroht haben

Berlin, 07. Jan (Reuters) – Bundespräsident Christian Wulff soll einem Medienbericht zufolge neben dem „Bild“-Chefredakteur auch Springer-Verlagschef Mathias Döpfner mit scharfen Worten gedroht haben, um die Veröffentlichung eines Berichts über seine Kreditaffäre zu verhindern. (…)

dapd, 7. Januar, 18:08:

Spiegel: Wulff soll auch Springer-Chef Döpfner gedroht haben

Berlin (dapd). Bundespräsident Christian Wulff soll auch Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gedroht haben. (…)

dpa, 7. Januar, 18:34:

„Spiegel“: Wulff soll auch Döpfner gedroht haben

Berlin (dpa) – In der Affäre um einen Anruf von Bundespräsident Christian Wulff beim Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Kai Diekmann, kommen weitere Details ans Licht. Nach Informationen des Nachrichten-Magazins „Der Spiegel“ soll Wulff dem Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, mit ähnlichen Worten gedroht haben wie dem „Bild“-Chef. Eine Stellungnahme des Präsidialamtes war am Samstagabend zunächst nicht zu erhalten, ebenso wenig vom Springer-Verlag. (…)

dpa, 7. Januar, 19:22

Springer bestätigt Bericht über Wulff-Drohung bei Döpfner

Berlin (dpa) – Der Springer-Verlag hat einen Medienbericht bestätigt, demzufolge Bundespräsident Christian Wulff in der Kreditaffäre auch Verlagschef Mathias Döpfner gedroht haben soll. „Wir können die Darstellung des „Spiegels“ bestätigen, wollen das aber nicht weiter kommentieren“, sagte der für die „Bild“-Zeitung zuständige Sprecher Tobias Fröhlich am Samstagabend auf Anfrage. (…)

dapd, 7. Januar, 19:36:

Wulff soll auch Springer-Chef Döpfner gedroht haben
(Neu: Bestätigung Verlagssprecher) (…)

„Spiegel Online“, aktuell:

Vorsprung durch Technik

Keine Sorge, ich habe nicht vor, mich jetzt regelmäßig auch noch an der Fachwerbung der Medien abzuarbeiten. Ich hatte heute morgen nur lachen müssen, als ich auf turi2 diese nicht nur in dieser Woche ungewollt komische Werbung des „Spiegel“ sah:

(Bitte beachten Sie auch den symbolischen Tiefenabstand zwischen dem „SPIEGEL“-Logo und der „DER REST“-Tapete.)

Jedenfalls stutzte ich, als die Anzeige umblätterte auf dieses Bild:

Ich fand den Vorsprung von 718.000 Lesern gegenüber 632.000 Lesern jetzt gar nicht so eindrucksvoll angesichts der dramatisch niedrigeren Auflage (und, zugegeben: Relevanz) des „Focus“. In Säulenform hingegen macht das schon was her.

Kein Wunder: Der „Spiegel“-Verlag hat getrickst. Er hat die „Focus“-Säule einfach kleiner dargestellt, als es den Zahlen entspräche — und zwar um immerhin zehn Prozent. (Oder, je nach Perspektive, den eigenen Penis die eigene Säule künstlich verlängert.)

Zum Vergleich die „Spiegel“-Version der Statistik und die korrekte Darstellung:

„Meist gibt es Kaffee und Kuchen“

Heute spielen wir: „Rate das Magazin!“ Die Regeln sind einfach: Ich zeige Ihnen eine Handvoll Stellen aus Zeitschriftenartikeln, und Sie müssen sagen, ob sie aus der „Bunten“ oder aus dem „Spiegel“ sind. Heute dreht sich alles um das Familienleben von Helmut Kohl. Und los:

A.

Drinnen spielen die Musiker der rheinland-pfälzischen Staatsphilharmonie Bach. Durch die Kirchenfenster bricht goldenes Licht. Dann betritt Walter Kohl die Kanzel; er erinnert an den Tod der Mutter, ihr langes Leiden. Er lobt die Arbeit ihrer Stiftung, die Bedeutung des ehrenamtlichen Einsatzes für Hirnverletzte. Seine Stimme klingt kupfern wie die Kirchenglocken.

B.

Die Bedingungen, die ihm seine Söhne für eine Aussöhnung stellen, sind kaum zu erfüllen. Sie verlangen, dass er die neue Frau an seiner Seite in die Schranken weist, aber das ist eine Forderung, der er nur um den Preis einer Trennung nachkommen könnte. Seine Frau wiederum ist empört über die ständigen Anfeindungen durch die Söhne, die sie nie als zweite Lebensgefährtin akzeptieren konnten. Sie erwartet, dass ihr Mann im Familienstreit auch öffentlich für sie Position bezieht und den Angriffen entgegentritt. Es ist eine völlig verfahrene Situation.

C.

Vor drei Wochen sah es kurzzeitig so aus, als ob zumindest eine vorsichtige Annäherung gelingen könnte. Erst kam Sohn Peter in Oggersheim vorbei, dann meldete sich Walter am Telefon. Jahre hatten die beiden nicht mehr miteinander gesprochen.

„Hallo Papa, hier ist Walter“, waren die ersten Worte nach der Zeit der Stille. Es sei eine spontane Geste gewesen, so berichtete der Sohn später, er habe in seinem Arbeitszimmer gesessen und auf das Bild seines Vaters gesehen. Man habe länger miteinander geredet. Der Vater sei „allein zu Hause“ gewesen, er habe sich über den Anruf aufrichtig gefreut.

D.

Aus dem Umfeld des Altkanzlers hieß es später immer, [Kohl und Maike Richter] seien sich erst nach dem Selbstmord nähergekommen. Aber auch die Söhne kennen natürlich die Gerüchte, dass die Affäre vor dem Tod der Mutter begonnen habe. 1994 hatte Maike Richter im Kanzleramt als Referentin angefangen. Mitarbeiter erinnern sich, dass die junge Frau schon bald erstaunlich oft in der Reise-Entourage des Kanzlers auftauchte.

E.

Auf einem Foto, das kurz nach der offiziellen Einführung als Lebensgefährtin die Runde machte, trug sie einen Hosenanzug aus dem Kleiderschrank der verstorbenen Ehefrau Hannelore.

F.

Es gibt viele Geschichten, wie Maike Richter sich des Hofstaats entledigte. Es sind sehr hässliche dabei. In einer Geschichte ist davon die Rede, dass der verlässliche Ecki Seeber, der den Kanzler fünf Millionen Kilometer durchs Land kutschierte, eines Tages die Schlüssel zu Haus und Wagen abgeben musste, einfach so, als wäre er ein ganz normaler Bediensteter gewesen.

Es ist schwer zu sagen, was an solchen Geschichten stimmt und was nicht, aber es fällt auf, dass sie immer von Leuten erzählt werden, die bis heute nicht verwinden konnten, dass sie keinen Zugang mehr zu dem Mann haben, der so lange Zentrum ihres Lebens war.

Natürlich sei es für viele schmerzhaft, dass sie nicht mehr vorgelassen würden, sagt ein guter Bekannter der Kohls, aber irgendwann komme ein Punkt, wo eine Ehefrau ihren Platz behaupten müsse, wenn sie nicht untergehen wolle. Aus einem vertrauten Umgang erwachsen Ansprüche. Wenn Seeber den Altkanzler zu einer Ausfahrt abholte, musste Maike Richter wie selbstverständlich auf dem Rücksitz Platz nehmen. Am Ende habe sie sogar mit den dienstbaren Geistern darum ringen müssen, wer dem Kanzler den Nachtmantel herauslegen dürfe, berichtet der Bekannte.

G.

Bis heute sorgt sie rund um die Uhr für ihren Mann, unterstützt von Ordensschwestern, die diskret bei der Krankenpflege helfen. Kohl selber hat später gesagt, er verdanke seiner zweiten Frau das Leben. Aber nun führt auch kein Weg mehr an ihr vorbei. Wenn sie im Haus ist, und das ist meist der Fall, geht sie ans Telefon. Briefe und Anfragen wandern zunächst über Maike Richters Schreibtisch, im Berliner Büro sitzt jetzt eine Bekannte aus gemeinsamen Bonner Tagen.

H.

Der Altkanzler hat nach wie vor regelmäßig Besuch, so ist es nicht. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer war neulich für eine Stunde da, auch Jürgen Rüttgers und Stefan Mappus haben sich in den vergangenen Monaten beim Altkanzler eingestellt. Meist gibt es Kaffee und Kuchen, wenn es später wird auch deftige Hausmannskost, wie Kohl sie immer geliebt hat, dazu ein Glas Wein für den Hausherrn.

 
Und hier die richtige Lösung:

 
Nun wäre es falsch, den Eindruck zu erwecken, der „Spiegel“ würde sich in seiner aktuellen Titelgeschichte „Die Familie Kohl — Ein deutsches Drama“ (aus der sämtliche Zitate oben stammen) auf einer Länge von fast 34.000 Zeichen nur damit befassen, wer dem Altkanzler den Nachtmantel rauslegt und was für Leute ihn „diskret“ pflegen. Der Artikel erzählt auch nach, was schon in der ARD-Dokumentation „Liebe an der Macht“ vor eineinhalb Jahren zu sehen war, die der WDR vorvergangenen Dienstag noch einmal wiederholt hat, bringt noch einmal einen teils wortgleichen Remix von Jan Fleischauers Besprechung der neuen Hannelore-Kohl-Biographie im „Spiegel“ vor vier Wochen, rekapituliert, was überall sonst in den vergangenen Monaten über das zerrüttete Verhältnis des Altkanzlers zu seinen Söhnen zu lesen war, und versucht sich als Aphoristiker: „Die Politik ist ein gefräßiges Tier, es verschlingt die Zeit eines Menschen, der sein Glück in ihr sucht.“

Vieles davon könnte man natürlich als trivial bezeichnen, muss es aber nicht tun, weil der „Spiegel“ das selbst übernimmt, wenn er schreibt:

Die Privatfehde mit den eigenen Kindern setzt [Helmut Kohls] Lebenswerk jetzt einer Trivialisierung aus, gegen die er nicht mehr anreden oder anschreiben kann.

Ob der Wortteil „Privat-“ vor „-fehde“ an dieser Stelle ironisch oder gar selbstironisch gemeint ist, kann ich nicht sagen. Schon im Vorspann aber schreibt der „Spiegel“:

Das Bild des Staatsmanns Helmut Kohl droht vom privaten Drama überlagert zu werden.

Man muss sich das Wort „drohen“ hier in dem Sinne vorstellen, dass ein Jugendlicher auf einer morschen Brücke wild auf- und abspringt und dabei ruft: „Die droht einzustürzen!“

Das zumindest unterschwellig noch vorhandene Unwohlsein des „Spiegels“, wenn er wieder einmal zur „Bunten“ wird, kann man auch hier wieder aus den Wichtigkeitsbeteuerungsübertreibungen ablesen:

So einem Familiendrama hat die Republik noch nicht beigewohnt. Es ist ein zu Herzen gehender Stoff, der in diesen Wochen öffentlich aufgeführt wird, geeignet für einen großen Film, nur dass sich dieses Drama nicht auf der Leinwand entfaltet, sondern in einer der prominentesten Familien des Landes. Es geht um unerfüllte Liebe, das Versagen als Vater, die ganz normale Schludrigkeit und Schuftigkeit in einer Ehe, die am Ende in die Katastrophe münden. Diese Tragödie spielt im wirklichen Leben, wo normalerweise die Vorhänge fest verschlossen sind, und trotzdem können alle zusehen, als säßen sie im Kino.

Die fest verschlossenen Vorhänge müsste mir mal jemand zeigen, aber gut. Der „Spiegel“-Artikel endet so:

So lange Helmut Kohl noch am Leben ist, geht es nur um verletzte Gefühle, nach seinem Tod wird der Kampf um das Vermächtnis beginnen.

Der materielle Nachlass ist eher bescheiden. (…) Wirklich bedeutend ist das intellektuelle Erbe, die Notizen, Tagebücher, Briefe und Protokolle, die im Keller seines Hauses in Oggersheim liegen. Wer über dieses Material verfügt, der hat auch die Deutungsmacht über die Jahre im Amt und damit das Vermächtnis des Mannes, der wie nur wenige Nachkriegsdeutschland geprägt hat. Wenn es so weit ist, berührt der Streit nicht mehr nur die Geschichte der Familie Kohl, sondern auch endgültig die der Republik.

Wirklich? Wer die Notizen erbt, aus denen der Altkanzler selbst eine bislang schon zweieinhalbtausend Seiten umfassende Autobiographie gemacht hat, bekommt damit die „Deutungsmacht“ über Kohls Zeit als Bundeskanzler und kann die Gechichte [sic] der Bundesrepublik (um)schreiben? Das scheint mir eine steile These. Oder, natürlich, schon die prophylaktische Legitimation der nächsten „Spiegel“-Titelgeschichte über Nachtmäntel und Hausmannskost.

DSK: „Spiegel“ beklagt Vorverurteilung

Ullrich Fichtner und Mathieu von Rohr schreiben im neuen „Spiegel“ über die neuen Entwicklungen im Fall Dominique Strauss-Kahn:

Der Mann, der wochenlang zum Sexverbrecher gemacht wurde, ohne dass er schuldig gesprochen war, erschien am Freitag schon fast wieder rehabilitiert. (…)

Die Frage ist nun, was für die Öffentlichkeit schwerer wiegt: die unappetitlichen Details aus dem Leben des potentiellen Präsidentschaftskandidaten oder die Euphorie über die wiedergefundene Unschuld und das schlechte Gewissen über die massive Vorverurteilung.

Zum Sexverbrecher gemacht ohne Schuldspruch? Massiv vorverurteilt? Wer macht denn sowas?

Ullrich Fichtner und Dirk Kurbjuweit, „Spiegel“, 23. Mai 2011:

Strauss-Kahn ist nur der vorerst letzte in einer langen Kette gleichgestrickter Brüder, die an ihrer herausragenden gesellschaftlichen Stellung irre wurden, die alles Maß verloren und die machttrunken glaubten, die ungeschriebenen und auch die geschriebenen Gesetze gälten nicht für sie.

Dies trifft auf Strauss-Kahn ganz unabhängig davon zu, ob ihm im Sofitel-Fall die Schuld nachgewiesen und er als Vergewaltiger wirklich verurteilt wird. Man muss diesen Angeklagten, der am Ende mutmaßlich zum Verbrecher wurde, aber bis zu einem Urteil natürlich als unschuldig zu gelten hat, trennen von dem Mann, der mit dem fragwürdigen Ruhm eines Schürzenjägers durch die Welt lief, eines geilen Bocks, dem Frauen immer wieder vorwarfen, sie bis an den Rand der Nötigung und darüber hinaus zu bedrängen, ohne damit weiter anzuecken, ohne aufzufliegen. (…)

Der letzte Halbsatz seiner Rücktrittserklärung an den IWF lautet, „ich möchte nun vor allem – vor allem – all meine Kraft, all meine Zeit, alle meine Energie dem Ziel widmen, meine Unschuld zu beweisen“. Es ist nur ein Gefühl, aber beim Lesen der Erklärung, die nicht sehr lang ist, stellt sich der Eindruck ein, dass sie nicht so klingt wie die eines Mannes, der zu Unrecht einer ungeheuerlichen Straftat angeklagt ist und seine Ehre wiederherstellen will.

Von einem „schlechten Gewissen“ des Nachrichtenmagazins kann natürlich keine Rede sein. Ich finde es nach wie vor erstaunlich, wie viele Leute meinen, es gäbe zuviel Selbstbezüglichkeit in der deutschen Medienwelt, wo sie doch in Wahrheit — gerade in den großen, renommierten Blättern — mit soviel Selbstblindheit geschlagen ist.

Übrigens hatte derselbe „Spiegel“, der in dieser Woche über ein „Comeback Strauss-Kahns“ spekuliert, vor sechs Wochen noch behauptet:

Dominique Strauss-Kahn (…) war zu diesem Zeitpunkt längst erledigt. Die Bilder von ihm in Handschellen und die anderen, die ihn unrasiert, hilflos vor der Haftrichterin zeigten, löschten ihn aus als Figur der Macht, sie disqualizierten [sic] ihn für jedes denkbare Amt (…).

Wann ist aus Journalismus eigentlich der Versuch geworden, die Zukunft vorherzusagen, und die Praxis, die eigene Wahrsagerei als Tatsache auszugeben?

Spiegel. Sex. Power. Bullshit.

Und damit herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe unseres Journalisten-Seminars „Lernen von den Profis“. Als Gastreferenten für das heutige Modul „Lockendrehen auf Glatze XXVI“ konnten wir die „Spiegel“-Redakteure Ullrich Fichtner und Dirk Kurbjuweit gewinnen.

Stellen wir uns vor: Katastrophe in einem großen Nachrichtenmagazin. Kurz vor Redaktionsschluss ist die Titelgeschichte weggebrochen. Es bleibt nur eine halbe Stunde, um aus dem Nichts zehneinhalb Seiten zu füllen. Als Ersatztitelthema erwürfelt wird: der Absturz des Dominique Strauss-Kahn.

Und los! Die Zeit läuft.

1. Beginnen Sie mit Fakten. Irgendwelchen wahllosen Fakten. Das macht den Eindruck akribischer Recherche.

Rikers Island liegt im East River direkt in den Flugschneisen des New Yorker Airports La Guardia, die Tage auf der Gefängnisinsel beginnen und enden im Lärm sehr nahen Flugverkehrs, um 5 Uhr gehen die Lichter an in den Zellen und Baracken von 14 000 Häftlingen (…).

2. Verlieren Sie sich in Details. Die Menschen werden beeindruckt sein und staunen, woher Sie das alles wissen, selbst wenn die Antwort darauf ebenso banal ist wie der Inhalt.

Strauss-Kahns Frühstück bestand aus einer Minibox Cornflakes, Milch, zwei Scheiben Toast, Obst, Kaffee oder Tee. Mittags gab es auf Rikers Island Gemüsechili mit Reis und Bohnen, zum Abendessen um 17 Uhr wurden Truthahnburger mit Kartoffelstampf gebracht. Um 23 Uhr ging in der Anlage, wie an allen Tagen, das Licht aus, aber nicht in Strauss-Kahns 3,40 mal 4 Meter großer Einzelzelle (…).

3. Ergooglen Sie ein paar Details, die den Eindruck erwecken, Sie kennten die Gegend wie Ihre Westentasche.

Immerhin entstieg dieser Häftling der First Class eines Air-France-Flugzeugs, einer Luxussuite des Sofitel Manhattan an der 44. Straße, wo im Nachbarhaus der verrückte Koch des „db Bistro Moderne“ schwarze Trüffeln über Hamburger hobelt, die mit Entenstopfleber gefüllt sind.

4. Machen Sie deutlich, dass dies hier nicht irgendein Titelthema ist, ein Ersatz-Titelthema gar, sondern die größte Geschichte, die je aufgeschrieben wurde. Lassen Sie die Apokalypse im Vergleich wie einen lächerlichen Kurzschluss wirken.

Die Bilder von [Dominique Strauss-Kahn] in Handschellen und die anderen, die ihn unrasiert, hilflos vor der Haftrichterin zeigten, löschten ihn aus als Figur der Macht, sie disqualizierten [sic] ihn für jedes denkbare Amt, es waren Bilder, die Frankreich ins Herz trafen und Schockwellen in die ganze Welt sandten.

5. Blasen Sie einzelne Sätze auf wie ihre ganze Geschichte. Leihen Sie sich zur Not von einer Kollegin oder Matussek einen Fön.

Kein Thema der vergangenen Woche – nicht die Kernschmelze von Fukushima, nicht die Toten in Syrien, nicht Obamas neue Nahost-Rede, noch nicht einmal der Beginn der Schlussplädoyers im Kachelmann-Prozess, bei dem es auch um den Vorwurf der Vergewaltigung geht und die möglichen Irrwege eines Prominenten, um einen weiteren Mann, der den Versuchungen eines Doppellebens nicht widerstehen konnte – hätte größere Wucht entfalten können.

6. Zählen Sie: „Eins, zwei, auffällig zahlreich“.

Er dreht sich um die Rätsel der menschlichen Psyche, darum, was Ruhm und Einfluss mit den Ruhm- und Einflussreichen machen, die sich gerade auffällig zahlreich in bestürzenden Verfahren wiederfinden. Im März wurde Israels ehemaliger Staatspräsident Mosche Katsav wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und sexueller Nötigung von Untergebenen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt (…).

In Italien steht Premierminister Silvio Berlusconi Ende Mai in Mailand vor Gericht, um sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, er habe Sex mit einer Minderjährigen gehabt.

7. Keine Angst vor abgegriffenen, schnell wechselnden und schiefen Metaphern!

Das Karussell der zugehörigen Fragen, Satzfetzen und Vermutungen kreist in irrem Tempo, seit Strauss-Kahn vor zehn Tagen im Terminal 1 des John-F.-Kennedy-Flughafens abgeführt wurde, aus dem Flugzeug heraus festgenommen, in dem schon die Vorbereitungen für den Abflug im Gange waren. Der Zirkus der Gerüchte, der Zitate und wilden Theorien füllt jetzt die globale Manege (…)

8. Schauen Sie, ob auf Twitter nicht irgendjemand irgendwas zum Thema gesagt hat.

(…) vielleicht hat „PrincessiAm_920“ in der Nacht zum Mittwoch den harten Kern der Affäre bislang am griffigsten zusammengetwittert: „Money. Sex. Power. Respect.“ ((„PrincessiAm_920“, die auch in dieser Woche auf Twitter wieder Furore macht mit ihrer bestürzend-markanten Formulierung: „I want pizza“.))

9. Finden Sie irgendeine vage Parallele zu früher, besser: ganz früher.

Strauss-Kahns Absturz aus den Höhen der Weltpolitik in eine Einzelzelle ist das harte Material, aus dem auch schon die griechischen Tragödien gemacht waren.

10. Machen Sie sich nichts draus, wenn Sie auf die Schnelle keine passenden wissenschaftlichen Erkenntnisse finden. Zitieren Sie einfach irgendwas aus irgendeinem Film, den Sie kennen.

Es geht um Sex, um Sex und Macht, um die Quellen herrischer Männlichkeit, um die geheimnisvollen Muster von Attraktivität, die, trotz aller Forschung, immer im Ungefähren und Dunkeln liegen werden. Wer eine Krücke sucht, wird am ehesten noch in der Kunst fündig, die ein paar gute Formeln zur Aufhellung bereithält. Im Film „Scarface“ sagt Al Pacino als Tony Montana: „In diesem Land“, gemeint ist natürlich Amerika, „musst du zuerst Geld machen. Wenn du das Geld dann hast, bekommst du die Macht. Und wenn du die Macht hast, kriegst du die Frauen.“ Ist das die Formel? Die Lösung des Rätsels Strauss-Kahn?

11. Formulieren Sie auch Gedanken, die spontan einleuchten, mit erschöpfender Redundanz.

Es ist eine Welt, in der man leichter dem Wahn verfallen kann, im eigenen Spiegelbild einen Übermenschen zu erkennen. Spitzenpolitiker vom Schlage Strauss-Kahns leben unter ähnlichen Bedingungen wie Musikstars oder Schauspieler. Sie sind Beobachtete, und alles, was sie sagen oder tun, wird von den Medien gierig aufgesaugt und ausgestellt. So werden sie zu Darstellern ihres eigenen Lebens, Kameras sind immer dabei, die alles aufzeichnen, jede Regung festhalten,so als hätte alles eine besondere Bedeutung. Immerfort wird das Ego genährt. Limousinen fahren vor, Leibwächter springen herbei, Gassen werden geschlagen: Wo der Mächtige ist, ist der Mittelpunkt.

12. Wo es ein Wort tut, tun es auch vier. Oder acht.

Diese sind die direkten, sofort erreichbaren Untertanen, die Referenten, Pressesprecher, Sekretärinnen, Praktikantinnen. Sie müssen folgen, müssen zur Verfügung stehen, loyal sein, gehorsam, immer auf Empfang.

13. Kommen Sie von Höcksken auf Stöcksken. Eine Vergewaltigung hat zwar mit einem Seitensprung nichts zu tun, aber beides hängt irgendwie mit Sex zusammen, und wenn es Mächtige tun, auch mit Macht, und wenn man „Sex und Macht“ aufs Cover schreibt, lassen sich leicht wieder mehrere Absätze füllen.

Dass Macht und Libido ungut Hand in Hand gehen können, ist jedenfalls keine französische Erfindung, sondern ein universelles Phänomen. Vergangene Woche, als Strauss-Kahn gerade in Rikers Island eingefahren war, sah sich Kaliforniens Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger dazu gezwungen, ein mit einer Hausangestellten – außerehelich, versteht sich – gezeugtes Kind bekannt zu machen.

14. Stören Sie sich – wenn es der Länge dient – nicht an lästigen logischen Widersprüchen wie dem, dass Sie gerade noch die einzigartige Größe des Themas Strauss-Kahn beschrieben haben.

Die Nachricht über den „Sperminator“ schlug in den USA so laut ein wie die Affäre um diesen alten Europäer mit dem komplizierten Namen (…).

15. Neues Thema, neue Gelegenheit, mit irgendwelchen Fakten zu beeindrucken. Machen Sie sich von dem Gedanken frei, dass sie zu irgendwas führen müssen.

(…) Schwarzenegger ließ es sich schon seit Januar, seit er aus dem Amt ausgeschieden war, auf diversen Ausflügen gutgehen. Regisseur James Cameron begleitete er auf Flusstouren nach Brasilien, er vergnügte sich beim Skifahren in Val d’Isère. Ganz das alte Alphatier.

16. Gehen Sie beim freien Themen-Assoziieren vom nun erreichten Punkt in der Geschichte aus, nicht vom Ausgangspunkt, und erfreuen sich der erzählerischen Möglichkeiten.

Das „oral office“ des Präsidenten Bill Clinton ist Legende wie die Affären des weitverzweigten Kennedy-Clans mit dem allzeit bereiten John F. vorneweg. Dieser Tage zieht der katholische Republikaner Newt Gingrich als bibelfester Konservativer über die Dörfer, um sich als möglicher Präsidentschaftsbewerber vorzustellen, und niemand scheint sich daran zu stören, dass auch er schon in dritter Ehe verheiratet ist und seine aktuelle Gattin nur deshalb erobern konnte, weil sie für ihn fortlaufend das heilige Sakrament der Ehe brach.

17. Wenn Ihnen die Lust ausgeht, die Welt oder die Geschichte nach weiteren irgendwie passenden Fällen abzuklappern, schreiben Sie zumindest auf, dass Sie es könnten.

So ließe sich die Welt abklappern nach lokalen und regionalen Gepflogenheiten im Umgang mit Sex und Macht, und wer die Geschichte studiert, kann sich für den Rest seines Lebens Gedanken machen über die moralische Integrität früherer amerikanischer Präsidenten und deutscher Bundeskanzler, über die Gastfreundschaft chinesischer Firmen, die ihren Geschäftspartnern gern Mädchen aufs Hotelzimmer schicken, über die Affären englischer Premierminister und nicaraguanischer Präsidenten und natürlich über die Bunga-Bunga-Partys des Superbuffo Silvio Berlusconi und seiner Gäste aus Tschechien und sonst woher.

18. Geben Sie den Lesern das Gefühl, sich trotz der überwältigenden Textmenge auf das Wesentliche beschränkt zu haben, indem sie erwähnen, welche Assoziationsketten Sie (aus Zeitmangel) nicht bis zum Ende verfolgen konnten:

Macht ist in der menschlichen Gesellschaft ein ganz relatives Ding. In fast jeder Beziehung, und selbst wenn sie nur zwei Menschen betrifft, bilden sich Hierarchien, und der eine hat folglich Macht über den anderen.

19. Vermeiden Sie den Eindruck, geschwafelt zu haben, indem Sie kurz vor Schluss noch ein paar Informationsstreusel über ihren Text bröseln:

Das Paar Strauss-Kahn-Sinclair verfügt über eine Sechszimmerwohnung im 16. Arrondissement von Paris und unterhält ein 240-Quadratmeter-Appartement an der Place des Vosges. Es gibt eine 380-Quadratmeter-Villa in Washington und eine Residenz in Marrakesch, deren Küche allein 160 000 Euro gekostet haben soll.

20. Versuchen Sie sich als Psychologe und Exeget, auch wenn Sie nur ein Gefühlshaber sind.

Der letzte Halbsatz seiner Rücktrittserklärung an den IWF lautet, „ich möchte nun vor allem – vor allem – all meine Kraft, all meine Zeit, alle meine Energie dem Ziel widmen, meine Unschuld zu beweisen“. Es ist nur ein Gefühl, aber beim Lesen der Erklärung, die nicht sehr lang ist, stellt sich der Eindruck ein, dass sie nicht so klingt wie die eines Mannes, der zu Unrecht einer ungeheuerlichen Straftat angeklagt ist und seine Ehre wiederherstellen will.

Geschafft: 37.500 Anschläge (hier steht natürlich nur ein Bruchteil davon). Ein „Spiegel“-Not-Aufmacher in dreißig Minuten. Es gibt Leute, die können nicht einmal so schnell tippen.

(Sicherheits-Hinweis: Ich weiß nichts darüber, unter welchen Bedingungen der hier behandelte Artikel „Des Menschen Wolf“ aus dem aktuellen „Spiegel“ wirklich entstanden ist. Womöglich ist er die stark gekürzte Version eines doppelt so langen Essays, an dem die Autoren viele Tage und Nächte gearbeitet haben. Ich möchte mir das nicht vorstellen.)

Ein bisschen Spiegel

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, alle Artikel rauszusuchen, die der „Spiegel“ 1983 über den Eurovision Song Contest veröffentlicht hat, der in jenem Jahr in München stattfand, nachdem Nicole den ersten Sieg für Deutschland errungen hatte. Dies ist die vollständige Berichterstattung: