Schlagwort: Stefan Bonner

Generation Keramik

Außer mit Interviews und PR-Auftritten, in denen die beiden Autoren des Sachbuchs „Generation Doof — Wie blöd sind wir eigentlich?“ (derzeit Platz 1 der Spiegel-Taschenbuch-Bestsellerliste) unablässlich andere und — bemerkenswert freimütig — auch sich selbst für doof verkaufen, bewirbt der Lübbe-Verlag seinen Bestseller auch mit ein paar hauseigenen „Kolumnen“ auf der Lübbe-Website, in denen die beiden Autoren sich und andere für doof verkauften, als sie noch nicht wussten, dass das Buch erfolgreich genug werden würde, um’s auch in Interviews, Interviews und PR-Auftritten tun zu können.

Na, jedenfalls schreiben die beiden in ihrer dritten Kolumne „Gläsern im Netz oder Der durchsichtige Doofe“, dass „viele aus der Generation Doof (…) ihren Mangel an Gehirn als gläserne Bürger im Internet“ zeigen würden, indem sie bereit seien, ihre „persönlichen Daten der Weltöffentlichkeit preiszugeben“. Und sie sind darin ziemlich entschieden.

Angst davor, ein Bürger aus Glas zu sein, hat offenbar kaum einer von uns virtuellen Selbstdarstellern. Kein Wunder, bei so wenig Innenleben. Wer interessiert sich schon ernsthaft dafür wie wir heißen, wo wir wohnen und welche ansteckenden Krankheiten und sexuellen Vorlieben wir haben – etwa Firmen, bei denen wir uns bewerben, unsere Versicherungsgesellschaft, unsere zukünftigen Liebhaber, anständige Betrüger von nebenan oder gar James Bond? Hirngespinste von gestern, sagt sich die Generation Doof und fühlt sich mit großer Gleichgültigkeit wie in Watte gepolstert.

Die „Kolumne“ endet mit einem Bekenntnis:

Da wir beide auch zur Generation Doof gehören und uns alles egal ist: Frau Weiss heißt Anne mit Vornamen, Herr Bonner Stefan. Wir sind beide Mitte dreißig, überwiegend hetero, teilweise trinkfest, haben an Aschermittwoch zuletzt in die Keramik geguckt, lieben Pasta mit Pesto, haben zurzeit 0,0 Euro auf dem Konto und unsere Lieblingstiere sind Thunfische in Dosen.

Unser Tipp: Wer sich so gläsern fühlt und gibt, sollte sich vielleicht nicht allzuweit weit aus einem Fenster lehnen. Denn Frau Weiss heißt nicht Weiss mit Nachnamen, Herr Bonner nicht Bonner. Das sind nur Pseudonyme.* Und woher wissen wir das? Man mag es gar nicht glauben: aus dem Internet.

*) Angeblich wurden die Pseudonyme gewählt, weil die Autoren eigentlich „Lektoren in einem großen deutschen Publikumsverlag“ (so der große deutsche Publikumsverlag Lübbe über Weiss und Bonner) sind und andere verlagseigene Autoren sich ungern von Lektoren betreuen ließen, die selber Bücher schreiben. So jedenfalls schildert es auf Nachfrage die Co-Autorin. Und eine gute Nachricht hat sie auch: Der ungeprüft übernommene und unwidersprochen weiterverbreitete doofe Fehler in ihrer „Generation Doof“ wird aus den kommenden Auflagen getilgt.

Generation Kerner

Unlängst telefonierte ich mit dem Bestsellerautor Stefan Bonner.

Bestseller-Autor war Bonner da noch nicht; es war bloß kurz zuvor ein Buch erschienen, das er zusammen seiner Kollegin Anne Weiss geschrieben hatte.

Doch nachdem Bild.de am vergangenen Freitag das Buch „Generation Doof“ u.a. mit der darin enthaltenen Falschbehauptung anpries, dass sich ein „Wer wird Millionär?“-Kandidat auf die Frage nach dem Vornamen von George W. Bush für die Antwort „Edmund“ entschieden habe, hatte ich Autor Bonner plötzlich am Apparat. (Ein Anruf bei der Pressestelle des „Generation Doof“-Verlags Lübbe wurde zu meiner Überraschung direkt zu den Autoren durchgestellt, die, so steht’s in ihren Kurzbiografien bei luebbe.de, „Lektoren in einem großen deutschen Publikumsverlag“ seien).

Wo ich Bonner schon mal dran hatte, nutzte ich die Gelegenheit, ihn auch auf die „Bush“-Ente hinzuweisen, die er und Weiss offenbar ungeprüft aus dem Internet rüberkopiert hatten. Bonner gab sich verblüfft — und erwiderte sinngemäß, das sei ja dann wohl der beste Beweis für die Generation Doof, haha…

Das war, wie gesagt, am vergangenen Freitag. Und am vergangenen Dienstag erschien bei „Spiegel Online“ ein Interview mit Weiss und Bonner, das dem Erfolg des Buchs (derzeit Platz 6 der Spiegel-Bestsellerliste) nicht geschadet haben dürfte. „Spiegel Online“ stellt darin aber auch die gar nicht doofe Frage:

Sie halten sich selbst für Mitglieder der „Generation Doof“. Wie haben Sie es dann geschafft, an Lektorenjobs in einem großen deutschen Publikumsverlag zu kommen?

Autorin Weiss antwortet:

(…) man braucht auf jeden Fall ein bisschen Talent, seine gelegentliche Dummheit gut zu kaschieren. Außerdem ist es gut, die Recherchemöglichkeiten zu kennen, also zu wissen, wo man eine fehlende Information schnell findet.

Und ihr Kollege Bonner ergänzt:

Dann ist noch eine gewisse Kritik- und Lernfähigkeit nötig. (…)

Soviel zur Theorie. Doch am selben Abend saßen Weiss und Bonner bei Kerner.

Und als Kerner schließlich (Video ab ca. 10’51“) anhob, ausführlich, begeistert und sichtlich unbeleckt die „Wie heißt George W. Bush“-Anekdote nachzuerzählen (auf deren Falschheit ich die „Doof“-Autoren doch noch persönlich hingewiesen hatte), da saßen Weiss und Bonner da, nickten — und hielten lächelnd ihre Klappe.

Manchmal glaube ich: Woran unsere Gesellschaft krankt, ist nicht Dummheit, sondern die Schlauheit, andere für dumm zu verkaufen.

[Nachtrag: Überschrift geklaut bei Torsten Kleinz.]