(„Bild“, 14. November 2009)
Es hat natürlich eine gewisse Konsequenz, das dazuzuschreiben, dass die Paparazzi-Fotos von der Fotografierten „freigegeben“ wurden, bei einer Zeitung, für die Selbstverständlichkeiten keine Selbstverständlichkeit sind. Und wahrscheinlich sind sie bei „Bild“ am Donnerstagabend mit einem seltenen, wohligen Gefühl ins Bett gegangen, endlich mal das Richtige getan zu haben, und trotzdem nicht darauf verzichten zu müssen, die Trauer einer Frau in großen Bildern ausstellen zu können.
Ich wär aber trotzdem gern dabei gewesen, bei dem Gespräch, in dem Teresa Enke die Fotos von ihr „freigab“, und stelle mir das ungefähr so vor:
Ding Dong, wir sind’s, „Bild“ Hannover. Hallo Frau Enke, können wir kurz reinkommen? Nee, danke, wir haben schon was getrunken. Ja, Frau Enke, hamSe ja sicher gemerkt, dass wir Sie heute den ganzen Tag verfolgt haben, vorm Haus, auf dem Weg zum Auto, auf dem Friedhof, mit Ihrer süßen Tochter — die ist aber auch wirklich ein Schatz. Ja, das haben wir natürlich alles fotografiert. Doch, auch auf dem Friedhof, haben Sie vielleicht gar nicht mitgekriegt, mit so einem Tele, von hinter dieser kleinen Baumgruppe! Na, wir wollten da ja auch nicht mehr stören als nötig. Jedenfalls, sehen Sie mal, das hier sind die Fotos, die wir gemacht haben, also unsere kleine Vorauswahl. Und, naja, das soll ja nicht so aussehen, als würden wir die gegen Ihren Willen veröffentlichen, ist ja auch eine schwere Zeit für Sie. Vielleicht können Sie einfach welche raussuchen, die Ihnen gefallen, die okay wären? Das hier, aus dem parkenden Auto, wo der Rückspiegel so eine malerische Unschärfe macht, und Sie ganz in Schwarz in der Ferne, das hat doch was. Ach, eine Handvoll würde schon reichen, muss gar nicht viel sein, das hier, wo Sie allein mit einem Regenschirm am Grab Ihrer Tochter Lara stehen, das können wir zum Beispiel ganz groß ziehen, das wär schon schön. Also, Frau Enke, überlegenSe sich’s. Und Beileid nochmal!