Ein Sommerabend in Köln.
Mit diesem unscheinbaren Satz beginnt die Beschreibung einer großen, schicksalshaften Begegnung. Thomas Lückerath, Chefredakteur des Branchendienstes DWDL, hat den ZDF-Moderator Jan Böhmermann getroffen. Es war nicht ihr erstes Mal. Es gab eine ungerade Zahl von Bruschettas. Und das Tiramisu ging aufs Haus.
Sie sprechen scheinbar über Fernsehen, Radio, Spotify und „die Sicherstellung von unabhängiger Berichterstattung in einem Medienmarkt mit begrenzten Frequenzen und brachliegender medialer Infrastruktur“. Aber in Wahrheit geht es um mehr. Was da passiert, an diesem Sommerabend in Köln-Ehrenfeld, geht viel, viel tiefer.
Thomas Lückerath lässt uns Anteil nehmen an der Magie dieses Abends. Er schämt sich der Gefühle und der kaltwerdenden Nudeln nicht. Er hat einen kleinen, großen Schicksals-Roman verfasst, „reich an Zwischentönen“.
Ich hab ihn bloß um die unnötigen Interviewpassagen und einen überflüssigen Flirt mit der Kellnerin gekürzt. Stellen Sie sich die folgenden Passagen bitte mit dezenter Klaviermusik und vorgetragen von William Cohn vor.
1. Akt. Einmal Cola, einmal light.
Ein Sommerabend in Köln. Fünf Jahre nach unserem ersten Gespräch – damals noch lange vor „Roche & Böhmermann“, geschweige denn „Neo Magazine Royale“ – sitzen Jan Böhmermann und ich wieder auf einen Plausch zusammen. Damals war es nachmittags ein Eis in der Kölner Innenstadt. Diesmal ein Abendessen bei einem Italiener in Köln-Ehrenfeld.
Wir bestellen eine große Flasche Wasser sowie einmal Cola (Jan), einmal Cola Light (ich). Jan wusste schon aufm Weg ins Restaurant was er nimmt: Spaghetti Bolognese. Ich nehme Salat mit Krabben. „Und Bruschettas vorweg. Das können wir uns teilen“, schlägt Jan vor. Die glückliche, drollige Kellnerin holt unsere Getränke.
„Ich dreh das mal so. Das macht mich nervös. Das Mikrofon ist ja auf der anderen Seite. Nachher verstehst du gar nicht, was ich hier sage“ Jan dreht das auf dem Tisch liegende iPhone, mit dem ich aufnehme, näher zu sich.
2. Akt: Drei Bruschetta für zwei.
Die Bruschettas kommen. „Ja, hier. Einfach in die Mitte“, sagt Jan. Drei Scheiben für zwei Personen. Sehr clever. Nervenkitzel für Benimm-Fanatiker: Wer krallt sich jetzt das dritte Bruschetta? Jan redet weiter, jeder greift sich erst einmal ein Bruschetta und eine Serviette.
„Greif zu“, biete ich an. Jan guckte so sehnsüchtig auf das einsame, letzte Bruschetta auf dem Teller in der Mitte. „Du hast es Dir heute sicher verdient.“ „Nö, gar nicht“, sagt Jan. „Ich bin heute erst aus’m Urlaub zurück gekommen. Aber danke!“ Das kleine Ding ist ratzfatz verputzt.
3. Akt: Jan schluckt.
Unser Essen kommt.
Jan dreht seine Nudeln, ich picke die Krabben aus meinem Salat. Das Gespräch wird langsamer. Wir machen trotzdem, was man nicht tut: Reden mit vollem Mund weiter. Hört ja keiner. Ist ja für ein schriftliches Interview.
Der Satz bleibt erst einmal lange stehen. Wir essen. Bei unserem allerersten Gespräch vor fünf Jahren war die Karriere bei ZDFneo bzw. ZDF noch nicht absehbar. Jan war gerade einer der gelegentlichen Sidekicks von Harald Schmidt. Ich frage, wie er seine letzten fünf Jahre umschreiben würde. Als Achterbahn-Fahrt? Jan überlegt, kaut, schluckt und antwortet.
Mein Salat war ja ohnehin kalt, aber Jans Nudeln müssten es bald auch sein. Beim Interview essen ist auch schwierig.
4. Akt: Penis geht immer.
Wir sind fertig. Unsere Teller werden abgeräumt.
Unsere Kellnerin kommt plötzlich mit einer Portion Tiramisu aufs Haus an unseren Tisch. Eine Portion und zwei Löffel. „Wir sind ja in Köln, da kann man das ja so machen“, sagt sie. Was für ein Spruch. Aber das Tiramisu schmeckt – und geht auf’s Haus.
Unsere Kellnerin kam kurz darauf dann noch auf das versprochene Autogramm zurück. Es waren plötzlich sogar zwei – einmal für sie selbst und noch eins für einen Kollegen, der sich nicht traute selbst zu fragen. Jan signiert zweimal auf dem Kellnerblock. Bei dem Autogramm für den Kollegen malt er einen Penis daneben. Mir rutscht ein „Aaaahja“ heraus. Jan sagt: „Penis geht immer“.