Schlagwort: Trainer Baade

Haften für eigene Zitate an fremder Stelle?

Der Sportartikelhersteller Jako hat also den Blogger Frank alias Trainer Baade abgemahnt, weil der sich abfällig über die Marke geäußert hat. Der Blogger löschte den Eintrag und unterschrieb eine Unterlassungserklärung. Doch das Unternehmen fand einen Teil seiner „Schmähkritik“ später an anderer Stelle im Netz wieder: auf der Seite eines Newsaggregators namens „Newstin“, der automatisch mit kurzen Anrissen auf ungezählte Internetseiten verlinkt. Damit hat Baade zwar nichts zu tun, aber Jako forderte wegen des Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe in Höhe von über 5000 Euro.

„Spiegel Online“ schreibt über die Aufregung, die darüber entstanden ist:

Ganz besonders ein Satz aus dem Schreiben erregt die Gemüter: Selbst, wenn Baade seinen Artikel „nicht selbst bei ‚Newstin‘ eingestellt hat, so hat er es doch unterlassen, das Internet darauf zu prüfen, dass seine Aussagen nicht anderswo veröffentlicht werden“. Das ist aus Sicht nicht nur eines Bloggers, sondern eines jeden Mediums starker Tobak: Nach dieser Logik würde künftig jeder dafür verantwortlich gemacht, einmal zurückgenommene Aussagen an all den Stellen im Netz zu tilgen, an denen ohne sein Zutun Kopien davon aufgetaucht sind. Oder kürzer: Jeder Abgemahnte müsste künftig auch alle Zitate aus seinem Text aufspüren und zum Verschwinden bringen.

Komisch. Das kommt mir total bekannt vor.

Ich habe hier im Blog mal über einen Mann geschrieben, der sich über längere Zeit im Geschäftsverkehr mit einem Titel geschmückt hatte, der ihm eigentlich nicht zustand. Er erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen mich, ich widersprach, und während der folgenden mündlichen Verhandlung zeichnete sich ab, dass die Richter der Meinung waren, ich hätte das nicht veröffentlichen dürfen. Deshalb schlossen wir einen Vergleich, wonach ich die angegriffenen Äußerungen nicht wiederholen darf und andernfalls eine Strafe zahlen muss, jede Seite ihre Kosten aber selbst trägt.

So weit, so unbefriedigend. (Auf die während der öffentlichen Verhandlung anwesenden Pressevertreter wartete bei ihrer Rückkehr in die Redaktionen schon ein Schreiben des Anwaltes der Gegenseite, dass sie selbstverständlich nicht über den Prozess berichten dürfen, weil sie damit wieder die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten verletzen würden.)

Aber damit war die Sache nicht erledigt.

Wenig später beschwerte sich der Anwalt der Gegenseite, dass mein (bei mir längst gelöschter) Text immer noch zu lesen sei: in einem anonym geführten Blog auf wordpress.com, wo ein mir Unbekannter mehr oder weniger wahllos fremde Texte kopiert hatte. Ich sei, schrieb der Anwalt der Gegenseite, aufgrund der einstweiligen Verfügung und des Vergleichs verpflichtet, alles in meiner Macht stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die untersagte Rechtsverletzung sich nicht wiederholt oder fortdauert. Sprich: Ich müsse dafür sorgen, dass der Eintrag bei wordpress.com und die Hinweise darauf bei Google gelöscht werde.

Mein Anwalt fand das juristisch zwar nicht ganz überzeugend, konnte aber nicht ausschließen, dass die Gegenseite damit vor Gericht durchkommen würde. Möglich sei auch, dass die Gegenseite jemanden damit beauftragen werde, alle Spuren meines Eintrages auf anderen Seiten zu beseitigen, und von mir dann entsprechenden Schadensersatz zu fordern — vielleicht sogar mit Erfolg.

Ich habe also, um das Risiko erheblicher Kosten zu meiden, an wordpress.com geschrieben und den Eintrag löschen lassen, sowie Google aufgefordert, ihn aus den Suchergebnissen zu entfernen. Die Gegenseite fand später noch weitere Spuren meines Textes zum Beispiel bei der Blogsuchmaschine Technorati, weshalb ich auch dort und an einer Reihe anderen Stellen dafür sorgen durfte, dass sie gelöscht werden.

Wie gesagt: Es ist unklar, ob ich dazu wirklich juristisch verpflichtet gewesen wäre. Aber es war nicht unwahrscheinlich, dass ein Gericht so entschieden hätte.

Kai Pahl, der den Fall von Trainer Baade detailliert aufgeschrieben hat, urteilt über die Rechtsauffassung der Anwälte Jakos: „sollte sie sich durchsetzen, wird Bloggen in Deutschland zu einem nicht mehr kalkulierbaren finanziellen Risiko“.

Ich glaube, das ist es längst. Sie können aber gern auch Jens Weinreich dazu fragen.