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Was im WDR-Duden unter „Transparenz“ steht

Das Wort „Transparenz“ stand 1915 erstmals im Duden. Jetzt, knapp 100 Jahre später, ist es zum Modewort geworden, auch in den Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. ARD und ZDF versprechen seit einiger Zeit, transparenter zu arbeiten, laut Duden also: nachvollziehbarer bzw. durchschaubarer, auch weil das von außen so eingefordert wird. Und vereinzelt geschieht das nun auch: Die Sender öffnen sich langsam. Beim WDR allerdings haben sie einen eigenen Duden.

Titelgraphik "Die schönsten Bauernhöfe Deutschlands" (ARD)

Vor zwei Jahren produzierte der Sender drei Ranking-Shows, die im Ersten ausgestrahlt wurden. Der WDR kürte „Die schönsten Bauernhöfe/Städte/Schlösser Deutschlands“, präsentiert in je zwei Folgen mit insgesamt 30 Plätzen pro Ranking. Das Ergebnis beruht auf repräsentativen Umfragen, die vom Düsseldorfer Institut innofact erstellt wurden, im Auftrag des WDR.

Nachdem unlängst aufgeflogen ist, dass das ZDF und Sender der ARD, darunter auch der WDR, bei Ranking-Shows manipuliert haben, schrieb der Kollege Stefan Niggemeier hier darüber, dass er in Köln nachgefragt hat, ob er die Ergebnisse jener Studien einsehen könne. Statt: „Klar, warum nicht“, antwortete ihm der WDR, dass es sich bei allen drei Studien um „redaktionsinternes Material“ handle. Anders ausgedrückt: um Geheimakten, die der WDR bis heute nicht rausrücken will.

Das ist vor allem nach den Vorgängen beim ZDF interessant: Dort kam im Sommer tröpfchenweise heraus, dass Redakteure eine repräsentative Studie manipuliert hatten, um eine Sendung mit dem Titel „Deutschlands Beste!“ möglichst gefällig zu gestalten. Als ich damals das ZDF fragte, ob ich die Studie einsehen dürfe, verweigerte der Sender das – wenig später war klar, weshalb.

Wenn also nun der WDR Studien unter Verschluss hält, mit denen er gefällige Sendungen über Bauernhöfe oder Schlösser gestaltet hat – muss man da nicht, nach allem, misstrauisch werden? Die ARD-Sender haben immer betont, sie hätten lediglich bei Online-Umfragen manipuliert, nicht bei repräsentativen Studien. Aber gerade dann, wenn die Studien solide sind, stellt sich doch die Frage, welchen Grund es gibt, sie nicht komplett zu veröffentlichen? Zumal der WDR seit dem Ranking-Geschummel auch die Ergebnisse seiner Online-Umfragen publiziert, selbst wenn es nur klägliche neun Stimmen für die Nenkersdorfer Mühle gab.

Abstimmungsergebnis "Die beliebtesten Mühlen in NRW" (WDR)

Ich habe deshalb also auch noch mal beim WDR nachgefragt. Als Antwort bekam ich am 14. August 2014 dies:

Der WDR hat zu dem Thema „Ranking-Sendungen“ alle relevanten Informationen transparent gemacht und veröffentlicht (siehe auch http://www1.wdr.de/unternehmen/fernsehen174.html). Da es sich um redaktionsinternes Material handelt, können wir Ihnen leider nicht ermöglichen, die konkreten Ergebnisse einzusehen. Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Übersetzt heißt das: Allein der WDR entscheidet hier, was relevant ist und publiziert wird, sonst niemand. Das ist jene so genannte Transparenz, die im WDR-Duden steht. Dabei gibt es durchaus noch relevante Fragen, die offen sind. Eine davon ist natürlich, ob auch die Rangfolgen der Studien nachträglich verändert wurden. Nach meinen Recherchen ist das offenbar nicht der Fall, was aber kaum abschließend zu klären ist, ohne die Studien eingesehen zu haben. Doch auch wenn die Rangfolgen korrekt sind: Es gibt weitere Fragen.

Wie wurden zum Beispiel aus den, wie es in der Sendung heißt, 500.000 Bauernhöfen in Deutschland die 30 „schönsten“ gewählt? Wer hat die Vorauswahl getroffen und nach welchen Kriterien? Wie viele Bauernhöfe, Schlösser, Städte wurden den Teilnehmern der Studien wie präsentiert? Mit Fotos? Oder kannten alle aus dem Stand das Gut Hesterberg in Neuruppin-Lichtenberg oder das Schloss St. Emmeram in Regensburg? Was wurden die Teilnehmer gefragt?

Diese Reihe ließe sich noch fortsetzen. Deshalb habe ich dem Sender noch mal geschrieben, am 25. August 2014; als Antwort erhielt ich am 3. September 2014:

Die Rangfolge der jeweiligen Sendung für Das Erste wurde repräsentativ von dem Meinungsforschungsinstitut Institut Innofact in Düsseldorf ermittelt; diese Reihenfolge wurde dem WDR von dem Institut übermittelt und von uns auch so abgebildet.

Schön. Aber bekannt und auch keine Antwort auf meine Fragen. Hab ich also abermals geschrieben, dieses Mal einen konkreten Fragenkatalog:

  • Weshalb veröffentlicht der WDR nicht das exakte Studiendesign zu den drei im Ersten gesendeten Rankings?
  • Wie viele Menschen haben an den Umfragen teilgenommen?
  • Wie viele Menschen haben für die jeweiligen Plätze abgestimmt?
  • Mit welcher Umfrage-Methode wurde jeweils die Rangfolge ermittelt? (Als Beispiel: Wie wurden aus, wie in der Sendung genannt: „500.000 Bauernhöfen“ in Deutschland die 30 besten ausgewählt? Wer traf wie die Vorauswahl? Wie wurde den Teilnehmern der Umfrage diese Vorauswahl präsentiert? Welche Fragen wurden Ihnen gestellt? Usw.)

Ich schrieb das am 11. September 2014; am 29. September 2014 kam dann das:

Der WDR hat die Abweichungen, die es bei den von ihm verantworteten Ranking-Sendungen gegeben hat, umfangreich, detailliert und transparent öffentlich gemacht. Bei den von Ihnen angesprochenen Sendungen hat es diese Abweichungen nicht gegeben. Daher sehen wir keinen Anlass, über das Gesagte hinaus detailliert darauf einzugehen.

Bums, aus! Die Studien, die Sendungen – all das dürfen die Zuschauer mit dem Rundfunkbeitrag finanzieren. Das Ergebnis wird ihnen dann präsentiert, ohne es genauer zu erklären. Muss reichen. Und natürlich könnte man sich damit nun zufrieden geben. Muss man aber nicht, wenn die Antworten auf simple Anfragen so abwiegelnd ausfallen. Deshalb schreibe ich jetzt mal an den WDR-Rundfunkrat, das Aufsichtsgremium des Senders; vielleicht kann man da ja erklären, was unter „Transparenz“ im WDR-Duden steht. Und weshalb es ein Problem ist, einfach diese Studien zu veröffentlichen, die Grundlage dreier Sendungen sind und mit deren Ergebnis heute beispielsweise Bauernhöfe werben.

Offenlegung: Ich bin fester freier Mitarbeiter der ARD.