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„Stern“-Umfrage zeigt: Mittelgroße Zahl von Deutschen findet irgendwas mit Lügenpresse

Vielleicht liegt es an mir. Man könnte ja die Meldung, die in dieser Woche groß die Runde machte, wonach 44 Prozent der Deutschen den „Lügenpresse“-Vorwurf für berechtigt halten, einfach als groben Hinweis nehmen, dass es vermutlich eine stattliche Zahl ist, und ob es nun in Wahrheit ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger sind und was genau diese 44 oder 34 oder 54 Prozent eigentlich finden – Gott, es ist halt nur eine Forsa-Umfrage.

Andererseits müsste es doch möglich sein, eindeutig zu berichten. Der „Stern“ müsste es doch schaffen, die Ergebnisse einer von ihm selbst in Auftrag gegebenen Umfrage so darzustellen, dass man weiß, was die Leute gefragt wurden und was sie geantwortet haben. Das kann doch nicht zuviel verlangt sein?

Was steckt also genau hinter der „Stern“-Behauptung, 44 Prozent der Deutschen teilten den „Lügenpresse“-Vorwurf von Pegida? Laut Grafik lautete die den Befragten vorgelegte Aussage: „Die von oben gesteuerten Medien verbreiten nur geschönte und unzutreffende Meldungen“. Im Artikel heißt es, die 44 Prozent hätten mehr oder weniger der Aussage zugestimmt, dass „die Medien in Deutschland ‚von ganz oben gesteuert‘ würden und deshalb ‚geschönte und unzutreffende Meldungen‘ verbreiteten“.

Ist das wirklich dasselbe? Natürlich verbreiten die von oben gesteuerten Medien nur geschönte Meldungen. Aber ist damit gesagt, dass „die Medien“ von oben gesteuert sind?

Der Mathematik-Professor Gerd Bosbach meint, dass die da zusammengefassten Aussagen schon so unsinnig sind, dass „vernünftige Menschen spätestens an der Stelle aus der Befragung aussteigen und sagen, wenn ihr so einen Quatsch fragt, kriegt ihr von mir auch keine Antworten“.

Fragt man beim „Stern“ nach, wie genau die Aussage formuliert war, stellt sich heraus, dass der Wortlaut noch etwas anders war:

„Unsere Medien werden von ganz oben gesteuert und verbreiten nur geschönte und unzutreffende Meldungen.“

Das ist immer noch eine Kombination von mehreren Aussagen, aber, gut, wer dem zustimmt, will wohl sagen, dass „unsere Medien“ insgesamt oder im Allgemeinen „von ganz oben gesteuert“ sind. Aber warum steht das dann nicht wörtlich im Text? Warum riskiert man, dass nicht nur ich über solche Widersprüche stolpere?

Merkwürdig ist auch, dass es laut der Grafik zwar möglich war, den Statements ganz oder eher zuzustimmen; bei der Ablehnung gab es aber keine Abstufung. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass das keineswegs so war. Der „Stern“ hat in der grafischen Darstellung nur die Werte für „eher nicht“ und „überhaupt nicht“ zusammengezogen, „da für uns vor allem die Zustimmung von Interesse war“.

Über der „Stern“-Grafik steht die Frage: „Stimmen Sie diesen Positionen der ‚Pegida‘-Demonstranten zu?“ Wenn Sie jetzt annehmen, dass das die Frage war, die auch Forsa gestellt hat, irren Sie. Laut „Stern“ wurden die Leute zuerst allgemein zu den Pegida-Demos befragt. Die einzelnen Aussagen wurden dann aber vorgestellt als Sätze, die man hin und wieder in Zusammenhang mit Flüchtlingen höre, die nach Deutschland kommen. Es wurde nicht darauf hingewiesen, dass es sich „ausschließlich um Aussagen aus dem Pegida-Kontext handelt, da wir hier die Haltung der Leute zu den Positionen – und nicht zu der Organisation ergründen wollten“. Interessant: Auch beim „Stern“ sieht man also, dass es einen Unterschied machen kann, ob man eine Aussage als „Pegida-Aussage“ deklariert – ignoriert das aber dann bei der Präsentation der Ergebnisse.

Schließlich ist auch die Formulierung der anderen Aussagen, zu denen die Befragten Stellung nehmen sollten, grenzwertig (mal angenommen, sie waren so formuliert, wie der „Stern“ behauptet, was man ja, wie gesehen, nicht voraussetzen kann). Der „Stern“ beruhigt seine Leser, dass bis auf den „Lügenpresse“-Vorwurf es kaum nennenswerte Zustimmung zu den Pegida-Positionen gebe. Aber ist das angesichts der Art, wie sie formuliert sind, wirklich ein Wunder? „Thomas de Maizière soll der Teufel holen“? „Die Flüchtlinge sollen sich untereinander bekämpfen und totschlagen. Dann haben wir Ruhe vor dem Pack“? „Dieses Rattenpack bringt nur Unruhe, Gewalt, Ignoranz und Krankheiten in unser Land. Deutsche müssen deshalb für ihr Land kämpfen“?

Und warum haben Forsa und der „Stern“ dann nicht auch die Frage nach den Medien in ähnlichem Stil formuliert und mindestens nach der „linksversifften Lügenpresse“ gefragt?

Wie gesagt: Mag sein, dass es an mir liegt und ich das zu genau nehme. Aber warum veröffentlicht der „Stern“, wenn er sich schon die redaktionelle Nachbearbeitung und Umformulierung von Umfragendaten vorbehält, nicht die einzelnen Ergebnisse im Detail im Netz? Womöglich, weil es dann nicht mehr so einfach ist, sie redaktionell nachzubearbeiten?

Was soll denn helfen gegen das Misstrauen, das Journalisten zur Zeit in Deutschland entgegenschlägt, wenn nicht Genauigkeit und Transparenz?

Bei „Bild am Sonntag“ ist Veronica Ferres halt nicht dabei

Werfen wir doch mal kurz einen nüchternen Blick auf Veronica Ferres. Laut Wikipedia hat die Schauspielerin aus Solingen, seit ihrem Auftritt in „Schtonk“ im Jahr 1992, in rund 70 Filmen oder Serien mitgespielt, voriges Jahr allein in drei Kino- und drei Fernsehfilmen. Und sie hat für ihr Tun etliche Preise und Ehrungen eingesteckt. Ein Satz, auf den sich also wohl alle einigen können, ist: Veronica Ferres ist eine bekannte, gut gebuchte deutsche Schauspielerin.

So. Und jetzt mal angenommen, Sie kämen auf die total ausgefallene Idee, eine repräsentative Umfrage in Auftrag zu geben, die ermitteln soll, wer die, verrückt: „100 beliebtesten deutschen Schauspieler“ sind. Quizfrage: Müsste man dann die Teilnehmer dieser Umfrage nicht wenigstens fragen, wie sie diese bekannte, vielleicht sogar beliebte Schauspielerin namens Ferres finden?

Die Antwort lautet: Nö. Jedenfalls wenn man bei „Bild am Sonntag“ arbeitet.

"Bild am Sonntag" 11.01.2015

Auf insgesamt fünf Seiten erschien dort am vergangenen Wochenende ein großes Ranking der beliebtesten deutschen Schauspieler, Männer und Frauen gemischt. Unter den Frauen taucht da natürlich Iris Berben auf. Und Hannelore Elsner. Und Katja Riemann. Die man ja alle kennt. Und dann sind da noch Schauspielerinnen, für die man nicht gleich ein Gesicht im Kopf hat. Oder wissen Sie sofort, wer Rosalie Thomass ist? Oder Emilia Schüle. Nicht? Bei „BamS“ sind sie aber im Ranking dabei, was ja auch okay ist. Nur an die Ferres hat eben niemand gedacht.

Aber vielleicht ist es ja auch so, dass Veronica Ferres nur sehr präsent ist, viel macht, dass sie aber gar keiner mag, man sie also auch gleich aus so einem Ranking rauslassen kann. Schauen wir mal nach. Eine gute Quelle dafür ist das Blabla-Blatt „Frau im Spiegel“, das so jährlich wie möglich repräsentativ rumfragt, welche Schauspieler beliebt sind.

Das Ergebnis: 2011 war Ferres dort auf einem engen dritten Platz, weil sie ihn sich mit Christine Neubauer teilen musste. 2012 auch. 2013 war Ferres mal kurz auf Rang acht, allein. 2014 auf Platz 5, wieder mit Neubauer. Und wenn man dann noch weiß, dass Veronica Ferres Platz drei bei einer Style-Umfrage von TNS Infratest (2011) erreicht hat und 2007 zur beliebtesten Schauspielerin Ostdeutschlands gewählt wurde, muss man wohl auch diesen Satz abnicken: Veronica Ferres ist eine bekannte und offenbar beliebte deutsche Schauspielerin.

Nur bei „BamS“ ist sie niemandem eingefallen.

Aus einer Liste von über 2000 deutschen Schauspielerinnen und Schauspielern hat zunächst eine Jury aus zehn Redakteuren der BILD am SONNTAG nach Beliebtheit 100 Stars per Abstimmung gewählt.

So steht das im Text zur Umfrage. Und sagen wir mal so: Aha. „Nach Beliebtheit“ also. Die „BamS“-Redakteure haben folglich wohl mal ganz subjektiv und ohne irgendwelchen Kriterien-Firlefanz mit dem Finger auf Leute getippt, die sie gerade so ganz cool finden.

Nur die Ferres ist dabei niemandem eingefallen.

Nach den Redakteuren befragte dann, laut „BamS“, das Umfrageinstitut YouGov „bundesweit insgesamt 2093 Personen ab 18 Jahren“, ob sie „diese 100 Stars kennen und, falls ja, wie sie diese bewerten: Die Möglichkeiten reichten dabei von ’sehr beliebt‘ über ‚beliebt‘ bis zu ’nicht beliebt‘ und ‚überhaupt nicht beliebt‘.“ Rausgekommen ist dabei unter anderem, dass, laut „BamS“, Mario Adorf der beliebteste Schauspieler ist. Und die beliebteste Schauspielerin ist Jasmin Tabatabai, die sich voll freut über diese Ehre (und Werbung bei 1,2 Millionen „BamS“-Lesern), und die das, sagt sie, „kaum fassen“ kann, was auch kein Wunder ist. Bei „Frau im Spiegel“ kam Tabatabai in den vergangenen Jahren nicht mal unter die ersten Fünf.

Ich habe bei „BamS“-Chefredakteurin Marion Horn nachgefragt, weshalb Veronica Ferres nicht dabei ist. Und wer in der zehnköpfigen Jury saß. Und was es heißt, dass dort „nach Beliebtheit“ abgestimmt wurde. Nach knapp einem Tag ließ Horn per Mail einen Springer-Klassiker mitteilen:

Wir kommentieren die redaktionelle Berichterstattung nicht, in dem Artikel ist das Vorgehen ja beschrieben.

Sagen wir mal so: Aha. Das ist Marion Horns Strategie. Eine suspekte Studie machen, sie als repräsentativ verkaufen und Nachfragen einfach abblocken. Aber da ist ja noch diese eine Antwort, die alles erklärt, die Antwort auf die Frage, die „BamS“-Chefin Horn via twitter gestellt bekam, offenbar von einem Ferres-Fan: Wieso Veronica Ferres nicht in der Liste auftaucht? Auftritt Horn:

Jawoll! Ist halt nicht dabei. Oder anders gesagt: Klappe jetzt! Ist ja wohl auch eine Unverschämtheit, dass man eine Umfrage hinterfragt, die eine Boulevardzeitungs-Redaktion für repräsentativ hält. Es hat sicher seine Gründe, dass auch Matthias Schweighöfer nicht in der Umfrage auftaucht, weil der doch voriges Jahr bloß einen der erfolgreichsten Kinofilme („Vaterfreuden“) gemacht hat. Ist halt nicht dabei! Oder Elyas M’Barek. Der hat doch nur in einem Film mitgespielt („Fack ju Göhte“), den 2014 fast sieben Millionen Menschen in deutschen Kinos gesehen haben. Bekannt? Beliebt? Ist halt nicht dabei!