Schlagwort: Unister

Plump klickt gut

Es wäre beunruhigend, wenn sie das, was sie bei news.de fabrizieren, tatsächlich für Nachrichten halten. Oder sogar für „mehr als Nachrichten“, wie es im Logo steht. Zum Beispiel das hier: „Einmal Oralsex für Angela Merkel“. Das steht da so, in der Überschrift. Und drüber steht, in der Dachzeile: „Blowjob-Festspiele“. Es geht also, Sie ahnen es sofort: um die Bayreuther Festspiele und um Frank Castorfs Inszenierung vor ein paar Wochen, bei der es zu Oralsex auf der Bühne gekommen sein soll. Was natürlich ein total heftiger Skandal ist.

Für news.de ist so ein Skandal ein Fest. Und weil da neben Sex auch Merkel drin vorkommt, steht dieser Artikel bei news.de im Ressort „Politik“. Das passt ganz gut. Denn in diesem Ressort entstehen auch Artikel wie diese (Verpixelung von mir):

Das sind nur Beispiele. Sie könnten sich auch genauso gut irgendeinen Scheiß ausdenken; die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ihn auf news.de finden, ist relativ hoch. Die Methode ist immer dieselbe: geile Überschrift, kaum Inhalt. Denn news.de berichtet nicht, news.de schwurbelt, schreit und lügt.

Im Merkel-Artikel steht im Vorspann: „Wie Merkel und das Publikum reagiert haben, erfahren Sie hier.“ Und was erfährt man? Nichts. Weil news.de nichts weiß, jedenfalls nicht darüber, wie Merkel reagiert hat: „Ein Blowjob auf der Bühne dürfte vermutlich nicht ganz nach ihrem Geschmack gewesen sein.“ Oder: „Ob der Kanzlerin dabei die Schamröte ins Gesicht lief? Das ist ungewiss“.

So läuft das ständig. Hätte. Könnte. Dürfte.

Oder man behauptet einfach mal was: „Angela Merkel nimmt eine Eisdusche“ zum Beispiel. Und das bebildert man dann mit einem Foto von Merkel – auch wenn es tatsächlich bloß Oliver Pocher war, der sich, als Merkel verkleidet, bewässerte.

Im Leitbild von news.de heißt es, die Redakteure und Reporter würden „nach dem Grundsatz seriöser, unabhängiger Berichterstattung“ arbeiten und „Informationen aus Politik, Wirtschaft, Finanzen, Gesellschaft, Sport, Gesundheit, Medien, Technik und Auto“ liefern. Na, und was für welche!

„Hier berichten die Redakteure nicht nur aus der Berliner Republik, sondern auch über nationale und internationale Wirtschaftsthemen. Sie sind nah dran, wenn Fluten oder Flammen Landstriche verwüsten, spektakuläre Sportereignisse anstehen oder wichtige Urteile gesprochen werden.“

Ich nehme an, mit „nah dran“ ist gemeint, dass die Redakteure besonders nah an den Bildschirm rücken, um die Agenturmeldungen zu lesen, die sie dann eben umwursteln. Wer sich nicht den ganzen Kram reintun, aber einen Eindruck davon bekommen möchte, mit welchen Titten-, Tod- und Trallala-Geschichten sie bei news.de Klicks generieren, kann sich auch die Tweets ansehen:

Erst dachte ich: Wer das jeden Tag befüllen muss, hat kein schönes Leben. Aber das befüllt offenbar niemand, es scheint automatisiert zu sein.

Laut Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) ist die Seite knapp unter den Top 30 der deutschen Nachrichtenseiten. Mit etwas mehr als einer Million Unique User ist news.de zwar weit von den Großen wie bild.de oder spiegel.de entfernt, lässt aber trotzdem Titel wie die „Berliner Zeitung“ oder die „Mopo“ hinter sich. Kein Wunder: Für einen schnellen Klick machen sie bei news.de eben alles.

Sobald in der Reha-Klinik, in der Michael Schumacher liegt, ein Wasserhahn tropft oder sich Uli Hoeneß im Gefängnisbett umdreht, ist ein Artikel bei news.de so gut wie sicher. Die Texte werden ständig republiziert, immer mit einer kleinen unsinnigen Umdrehung oder einem Zitat mehr, womit news.de dann bei Google News ganz weit oben steht und Leser auf die Seite zieht.

Hinter diesem, nun ja: Konzept steht der Internet-Konzern Unister mit Sitz in Leipzig, eine der größten Internet-Firmen Deutschlands. Unister betreibt neben news.de noch boersennews.de, eine Art Wirtschaftsnachrichtenticker, vor allem aber Portale wie partnersuche.de, myimmo.de oder ab-in-den-urlaub.de, mehr als 40 Stück insgesamt. Der Konzern verdient an der Vermittlung, zum Beispiel von Urlaubsreisen, und hat es perfektioniert, Google für seine Zwecke zu nutzen. Wer dort nach Hotels oder Flügen sucht, stößt schnell auf eine Seite von Unister.

Bei Investoren stand der Konzern deshalb hoch im Kurs, auch wenn er schon länger einen eher zwielichtigen Ruf genießt und sich auch die Staatsanwaltschaft für den Laden interessiert. Zuweilen werden außerdem Vorwürfe laut, der Konzern stelle sich gesünder dar, als er tatsächlich sei. Sicher ist bloß: Unister ist ein Konzern, der darauf ausgelegt ist, Geld anzuhäufen und immer weiter zu wachsen. Und news.de, 2008 gegründet, sollte das Feigenblatt sein. Etwas vermeintlich Seriöses im Urlaubsverkäuferimperium.

Früher sollen bei news.de noch Leute auch mal selbst telefoniert und nachgedacht haben. Heute blasen sie Agenturmeldungen mit Nonsens auf und garnieren sie für die angelockten Leser mit Bilderstrecken, Links und Umfragen. Und mit Werbung:

news_de_werbung

(Haben Sie in dem Screenshot den Bericht gefunden? Kleiner Tipp: Hinter den Autos! Und den Hochhäusern! Und der Facebook-Werbung!)

Naja, und gestern sind dann die Sicherungen komplett durchgeknallt: news.de empört sich über „die aktuelle“, die „Leser-Dummfang“ betreibe. Das Friseur-Blättchen hat diese Woche einen wie immer raunenden Titel gebracht, eine Null-Info-Geschichte über angebliche Trennungs-Gerüchte bei Corinna und Michael Schumacher, irgendwo aus Facebook abgeschrieben. Tatsächlich plump und dumm. Doch dass ausgerechnet news.de diese Masche kritisiert, ist, als würde sich ein Exhibitionist beklagen, dass am FKK-Strand alle nackt sind.

Kurz gesagt: Die Welt wäre um einigen Wortmüll (und viel nervige Werbung) ärmer, wenn diese Seite aus dem Netz verschwände. Das wäre natürlich schlecht für die Mitarbeiter. Zumal ich hoffte dachte, dass die nur da arbeiten, weil der Markt für Leute, die was mit Medien machen, gerade so mies ist. Eine Redakteurin gibt da auch so einen Hinweis. Im Impressum schreibt sie, wieso sie bei news.de ist:

„Weil ich in den Osten wollte und news.de die spannendste Option war, meine Miete zu bezahlen.“

Ein anderer Redakteur schreibt, er sei jung und brauche das Geld. Eigentlich aber finden sie es ganz geil, da zu arbeiten. Chefredakteur Jan Grundmann schreibt, er sei bei news.de, um die, Obacht: „Medienzukunft“ mitzugestalten. Andere wollen „Erfahrungen“ sammeln, an ihrer „Schreibe“ feilen oder die „journalistischen Kenntnisse“ ausbauen. Ich weiß bloß gerade nicht, bei welchem Arbeitgeber news.de als gute Referenz gelten könnte. Außer vielleicht bei Focus Online.