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Google bekommt Vorzugsbehandlung von Axel Springer

Der Axel-Springer-Konzern diskriminiert kleinere Suchmaschinen und Aggregatoren. Das Unternehmen hat heute verkündet, Google die Erlaubnis gegeben zu haben, Ausschnitte aus den Inhalten sämtlicher Internetangebote des Unternehmens kostenlos in den Suchergebnissen anzuzeigen. Diese sogenannte „Gratis-Lizenz“ betrifft aber, wie mir der Verlag auf Anfrage mitteilte, ausschließlich Google. Andere, kleinere Anbieter müssen nach wie vor eine in der Regel kostenpflichtige Lizenz erwerben, wenn sie kurze „Snippets“ mit Textausschnitten anzeigen wollen, oder riskieren eine juristische Auseinandersetzung mit Springer oder der von Springer dominierten Verwertungsgesellschaft VG Media.

Anderen Anbietern erteile Springer keine kostenlose Lizenz, weil sie „keine marktbeherrschende Stellung haben“, erklärte eine Verlagssprecherin. „Aufgrund des geringen Marktanteils anderer sind wir nicht gezwungen, auch dort so vorzugehen.“

Ursprünglich hatten eine Reihe von Verlagen der Leistungsschutzrecht-Allianz für die Anzeige der „Snippets“ von Google Geld gefordert. Google reagierte darauf mit der Ankündigung, in den Ergebnislisten von solchen Angeboten nur noch die Überschrift zu zeigen, was auch nach dem neuen Presse-Leistungsschutzrecht unzweifelhaft kostenlos zulässig ist. Die meisten Verlage ruderten daraufhin zurück und erklärten, vorerst auf ihren vermeintlichen Anspruch auf Bezahlung zu verzichten.

Nur Springer gab für einen Teil seiner Online-Angebote zunächst keine solche Verzichtserklärung ab. In der Folge brach die Zahl der Zugriffe auf diese Seiten nach Angaben von Springer über die Google-Suche um 40 Prozent ein. Auf Dauer hätte das jährliche Umsatzeinbußen in Millionhöhe pro Marke bedeutet.

Nun darf Google diese kostenlose Leistung, die für die Springer-Angebote extrem wertvoll ist, wieder erbringen. Springer verzichtet also darauf, Geld von einem Unternehmen dafür zu verlangen, dass es ihm einen wesentlichen Teil seines Umsatzes beschert.

Der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner kommentierte das in einer Telefonkonferenz, die aus seinem Paralleluniversum übertragen wurde, mit den Worten:

„Das ist vielleicht der erfolgreichste Misserfolg, den wir je hatten. So traurig es ist, aber wir wissen jetzt sehr präzise, wie massiv die Folgen der Diskriminierung sind, wie sich die Marktmacht von Google tatsächlich auswirkt und wie Google jeden bestraft, der ein Recht wahrnimmt, das der Deutsche Bundestag ihm eingeräumt hat.

Der Deutsche Bundestag hat den Verlagen tatsächlich das Recht eingeräumt, für kleinere Textausschnitte von Suchmaschinen Geld zu verlangen. Es hat nach allgemeiner Rechtsauffassung Suchmaschinen aber nicht dazu verpflichtet, diese Textausschnitte auch anzuzeigen, wenn sie kostenpflichtig sind.

Dadurch dass Springer und andere Verlage ausschließlich Google eine Gratis-Lizenz erteilt haben, werden andere Suchmaschinen und Aggregatoren benachteiligt. Sie müssten aufgrund dieser Diskriminierung entweder Geld an die Verlage zahlen oder, anders als Google, darauf verzichten, das Angebot deutscher Verleger-Medien ohne Einschränkungen in ihren Suchergebnissen anzuzeigen. Der Axel-Springer-Konzern trägt somit seinen Teil dazu bei, die Marktmacht von Google, die er beklagt, weiter zu vergrößern.

Nachtrag, 9. November. Christoph Keese, Außenminister bei Springer und der wichtigste Vater des Leistungsschutzrechtes, erwidert in seinem Blog:

(…) Die VG Media kann den kleineren Suchmaschinen gar keine Gratislizenzen einräumen, denn sie ist gesetzlich dazu verpflichtet, den genehmigten Tarif durchzusetzen. Nach dem Tarif — aber nur nach ihm! — muss sie alle Marktteilnehmer gleich behandeln. Es besteht Kontrahierungspflicht.

Die Gratislizenz an Google wurde jedoch gegen den Willen der VG Media und der Verlage erteilt — wegen des missbräuchlichen Drucks des Marktbeherrschers. Sie ist das Ergebnis einer Nötigung.

Kleinere Suchmaschinen sind aber keine Marktbeherrscher. Folglich können sie Verlage und VG Media nicht nötigen. Ohne Nötigung aber darf die VG Media nur auf Basis des staatlich genehmigten Tarifs gleichbehandeln. Mithin ist eine Gratislizenz an die kleineren Suchmaschinen nicht möglich. (…)

Verlage empört: Jetzt will Google nicht mal mehr ihr Recht verletzen!

Lassen wir uns die Sache mit dem Leistungsschutzrecht sicherheitshalber von den Leuten erklären, die sich damit auskennen müssen, weil sie es sich ausgedacht haben: die Presseverleger. Im Januar 2013 veröffentlichten die Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, BDZV und VDZ, eine gemeinsame Broschüre mit 17 Fragen und Antworten zu dem von ihnen geforderten Leistungsschutzrecht.

Unter Punkt 7 heißt es darin:

Es ist wichtig, die Position der Verlage im Detail zu verstehen: Sie sind für freie Links, auch Überschriften können frei verwendet werden. Doch das Kopieren von Textauszügen oder ganzer Beiträge sollte nicht ohne vorheriges Nachfragen beim Verlag möglich sein. Es ist nur fair, dass etwa Aggregatoren eine Lizenz brauchen, um ihre auf fremden Inhalten basierenden Geschäftsmodelle zu realisieren. Das Leistungsschutzrecht trägt dazu bei, dieses Prinzip durchzusetzen: Wer nutzen will, muss vorher fragen.

Unter Punkt 10 steht:

Wenn […] Suchmaschinen und Aggregatoren wünschen, Auszüge aus Artikeln oder ganze Texte anzuzeigen, müssen sie den Verlag in Zukunft vorher fragen. […] Wenn zwei Partner nicht zueinanderfinden, entstehen Chancen für Konkurrenten.

Wer nutzen will, muss vorher fragen. Ob das im konkreten Fall sinnvoll ist, darüber kann man streiten, aber die Logik war nachvollziehbar.

Genau genommen ist die Forderung einer Reihe von Verlage unter der Führung von Axel Springer, die sich in der VG Media zusammengeschlossen haben, aber natürlich eine andere: Wer nutzen will, muss zahlen.

Das wäre die Antwort, die ein Unternehmen wie Google bekäme, wenn es fragte. Google will aber nicht zahlen. Und hat deshalb — bei seiner Websuche — auch nicht gefragt. Die VG Media hat Google daraufhin verklagt.

So weit, so konsequent.

Aber konsequent ist auch die Reaktion von Google: Der Konzern hat heute bekannt gegeben, von kommender Woche an von den Suchergebnissen der VG-Media-Verlage nur noch das anzuzeigen, wofür keine Genehmigung notwendig ist: die Überschrift und der Link.

Der Schritt von Google ist womöglich rechtlich notwendig, ganz sicher aber geschickt. Das Unternehmen listet die Angebote der Leistungsschutz-Allianz nicht aus, was angesichts der marktbeherrschenden Stellung womöglich heikel wäre. Aber es zeigt nur das an, was unbestritten nicht gegen das Leistungsschutzrecht verstößt.

Die Verlage hätten so mit dem von ihnen heftig herbeilobbyierten Gesetz erreicht, dass ihre Seiten in den Suchergebnissen weniger attraktiv erscheinen und mutmaßlich weniger geklickt werden. Glückwünsche bitte direkt an Christoph Keese, Mr. Leistungsschutzrecht bei Axel Springer.

Das war aber natürlich nicht das Ziel, und so formuliert die VG Media eine wütende Pressemitteilung mit dem irren Titel: „Google erpresst Rechteinhaber“.

Die VG Media wirft Google vor, diejenigen Verleger zu „diskriminieren“, die von Google für die Anzeige ihrer Inhalte Geld wollen, und zwar dadurch, dass es deren Inhalte nur noch in der kostenlos erlaubten Form anzeigt. Die „Erpressung“ besteht aus VG-Media-Sicht darin, dass Google auf diese Weise „die Zustimmung der Verleger zu einer unentgeltlichen Nutzung der Inhalte erzwingen“ will.

Noch einmal zum Mitdenken: Die Verlage haben sich zuerst darüber beklagt, dass Google ihre Inhalte (angeblich) rechtswidrig nutzt. Nun beklagen sie sich darüber, dass Google ihre Inhalte nicht mehr rechtswidrig nutzt.

Man kann den Irrsinn kaum noch angemessen kommentieren.

Zum Stichwort „Erpressung“ fiele mir jetzt eher eine Gruppe von Verlagen ein, die andere Unternehmen dazu zwingen will, ihre Inhalte (zu deren Vorteil) anzuzeigen und ihnen dafür auch noch Geld zu geben.

Der harmlosen Logik „Wer nutzen will, muss vorher fragen“ aus der PR-Broschüre der Verlage steht in Wirklichkeit die Forderung gegenüber: „Google muss nutzen und zahlen.“

Nun ist es aber so, dass das neue Leistungsschutzrecht gar keinen Vergütungsanspruch festlegt, sondern nur einen Unterlassungsanspruch. Es stellt fest, dass der Presseverleger „das ausschließliche Recht“ hat, „das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“. Er kann dieses Recht aber übertragen.

Das Unternehmen Google hat den VG-Media-Verlagen heute de facto erklärt, dass sie ihr Recht gern behalten können.

Wer nutzen will, muss vorher fragen. Wer nicht fragen will, nutzt nicht.

Leistungsschutz­recht wirkt: Mehrere Suchmaschinen zeigen Verlagsseiten nicht mehr an

Wer die Internetsuche von web.de, GMX oder T-Online nutzt, bekommt keine Ergebnisse mehr von „Bild“, „Welt“, „Hannoversche Allgemeine“, „Berliner Zeitung“ und zahlreichen weiteren Online-Angeboten von Zeitungen angezeigt. Die drei Portale haben jene Verlage, die in der VG Media organisiert sind, um Ansprüche aus dem neuen Presse-Leistungsschutzrecht geltend zu machen, ausgelistet.


Betroffen sind unter anderem folgende Seiten:

  • haz.de
  • welt.de
  • bild.de
  • abendblatt.de
  • mopo.de
  • morgenpost.de
  • ksta.de
  • express.de
  • derwesten.de
  • rp-online.de
  • merkur-online.de
  • tz.de
  • waz-online.de
  • goettinger-tageblatt.de
  • op-marburg.de
  • ln-online.de
  • lvz-online.de
  • dnn-online.de
  • shz.de
  • augsburger-allgemeine.de
  • oz-online.de
  • bunte.de
  • berliner-zeitung.de

Inhalte anderer Verlage, die nicht Geld für die Anzeige kurzer Ausschnitte ihrer Inhalte in Suchmaschinen oder Aggregatoren verlangen, werden nach wie vor angezeigt. Nach Angaben des Unternehmens 1&1, zu dem GMX und web.de gehören, wurden alle digitalen verlegerischen Angebote, die die VG Media als Wahrnehmungsberechtigte ausweist, zum 1. August 2014 bis auf weiteres ausgelistet. Anfang Juli hatte die VG Media bekannt gegeben, unter anderem 1&1 auf „Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Verwertung der Presseleistungsschutzrechte der Verleger“ verklagt zu haben.

1&1-Sprecher Jörg Fries-Lammert begründet die Auslistung auf Nachfrage so:

Die VG Media macht für die von ihr vertretenen Presseverleger Ansprüche nach dem sog. Leistungsschutzrecht geltend. Im Kern geht es unter anderem darum, ab welcher Textlänge und von wem Presseverleger eine Vergütung für die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen verlangen können. Wir sind überzeugt, dass diese Forderungen unbegründet sind. Lediglich vorsorglich haben wir uns entschlossen, hiervon betroffene Angebote auszulisten. Nutzereffekte waren bisher nicht feststellbar.

Der Schritt der Suchmaschinen ist konsequent: Schließlich untersagt das neue Leistungsschutzrecht, das die Verlage unter Führung des Axel-Springer-Verlages und seines Strategen Christoph Keese erkämpft haben, die ungenehmigte Anzeige von Ausschnitten ihrer Inhalte. Ob die sogenannten „Snippets“ in den Ergebnissen von Suchmaschinen davon betroffen sind, ist umstritten — die in der VG Media organisierten Verlage meinen Ja.

Insofern können sie sich also freuen, dass ihre Inhalte nicht mehr von GMX, web.de und T-Online genutzt werden und kein Nutzer dieser Angebote mehr zu ihren Seiten geführt wird.

Die Bedeutung dieser drei Angebote ist nicht groß; der Rückgang des Traffics dürfte für die betroffenen Seiten nur minimal sein. Andere Suchmaschinen wie Yahoo und Bing scheinen die Verlage der Leistungsschutzallianz bislang nicht ausgelistet zu haben.

Dadurch dass GMX, web.de und T-Online anders als Google nicht den Markt dominieren, haben die Verlage keine Handhabe, gegen die Auslistung vorzugehen. Im Fall von Google würden sie einen solchen Schritt als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung interpretieren und versuchen, dagegen juristisch vorzugehen. Die Suchmaschine von Google soll die Verlags-Inhalte, die sie nicht anzeigen darf, anzeigen müssen — und dafür zahlen.

GMX, web.de und T-Online weisen ihre Nutzer nicht darauf hin, dass ihnen bestimmte Seiten bei der Suche nicht mehr angezeigt werden. Es scheint bislang auch niemandem groß aufgefallen zu sein, was den Verlagen, die ihre wertvollen und nun durch ein eigenes Leistungsschutzrecht geschützten Inhalte für unverzichtbar für eine Suchmaschine halten, zu denken geben könnte.

Nachtrag, 15.45 Uhr. Jetzt habe ich auch eine Antwort der Telekom zur Auslistung der Verlagsseiten auf t-online.de bekommen:

Die VG Media und die Deutsche Telekom haben sich in der letzten Zeit über die Lizenzierung der Leistungsschutzrechte von denjenigen Presseverlegern ausgetauscht, die von der VG Media vertreten werden. Man konnte sich allerdings nicht einigen. Die Deutsche Telekom hat sich daher — bis auf Weiteres — entschlossen, ab Ende Juli 2014 die entsprechenden Suchergebnisse auf ihren Portalen so darstellen zu lassen, dass sie eindeutig nicht unter das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse der von der VG Media vertretenen Presseverlage fallen.

Schweigen fürs Leistungsschutzrecht

Nachtrag, 14:40 Uhr. Okay, keine Glanzleistung, dieser Eintrag. Zwei wichtige Korrekturen unten.

Im Juni haben zwölf Verlage und die von ihnen gestützte Verwertungsgesellschaft VG Media Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen Google eingelegt. Sie werfen dem Suchmaschinen-Unternehmen vor, im Zusammenhang mit dem neuen Presse-Leistungsschutzrecht seine Vormachtstellung am Markt zu missbrauchen.

Das Bundeskartellamt hat diese Beschwerde, wie die „Frankfurter Allgemeine“ berichtete und die Agenturen dpa, epd und Reuters meldeten, zurückgewiesen.

Über die Beschwerde berichtete die „Welt“, deren Verlag Axel Springer zu den Beschwerdeführern zählt, im Juni:

Über die abschlägige Antwort des Kartellamtes berichtete die „Welt“: nicht.

Über die Beschwerde berichtete das „Hamburger Abendblatt“, dessen Verlag Funke zu den Beschwerdeführern zählt, im Juni:

Über die abschlägige Antwort des Kartellamtes berichtete das „Hamburger Abendblatt“: nicht.

Über die Beschwerde berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“, dessen Verlag DuMont Schauberg zu den Beschwerdeführern zählt, im Juni:

Über die abschlägige Antwort des Kartellamtes berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“: nicht*.

Über die Beschwerde berichtete die „Hannoversche Allgemeine“, deren Verlag Madsack zu den Beschwerdeführern zählt, im Juni:

Über die abschlägige Antwort des Kartellamtes berichtete die „Hannoversche Allgemeine“: nicht*.

„Wir Verlage“, sagt Thomas Düffert, Chef der Madsack-Mediengruppe, „sind ein Garant der Meinungsbildung und damit für die Demokratie in Deutschland.“ Solche Sätze dienen offenkundig nur dazu, Forderungen an andere zu bekräftigen. Sie sind keine Verpflichtung für die eigene tägliche Arbeit.

*) Korrektur, 14:15 Uhr. Die „Hannoversche Allgemeine“ hat zwar nicht online, aber am Samstag in ihrer Print-Ausgabe berichtet. Und auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat zwar online keine Meldung gebracht, aber in der Zeitung.

 
Aus dem Archiv:

Mutmaßungen über Google: Kartellamt lässt Madsack und VG Media blöd aussehen

FAZ.net berichtet, dass das Bundeskartellamt eine Beschwerde deutscher Zeitungsverlage gegen Google in Sachen Leistungsschutzrecht scharf zurückgewiesen gewiesen habe. In einem Brief der Behörde heiße es: „Die Anknüpfungspunkte für ein eventuell kartellrechtsrelevantes Verhalten von Google beruhen teilweise nur auf Mutmaßungen. Das eigentliche Beschwerdeziel bleibt unklar.“ Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagte: „Erforderlich für die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens ist stets ein hinreichender Anfangsverdacht. Die Beschwerde der VG Media konnte diesen nicht begründen.“ Die Vorwürfe der VG Media knüpften nicht an ein konkretes Verhalten von Google an.

Das erinnert mich daran, dass ich hier seit Wochen einen fertigen Eintrag zum Thema ungebloggt herumliegen habe. Es ist die Fortsetzung dieses Eintrags, in dem ich der VG Media vorgeworfen hatte, den Bundestag in eben dieser Sache zu desinformieren.

Das passt heute ganz gut:

Die Madsack-Mediengruppe macht Google öffentlich unhaltbare Vorwürfe, möchte Nachfragen dazu aber nicht beantworten.

Thomas Düffert, der Vorsitzende der Geschäftsführung, hatte im Juni begründet, warum sich sein Verlag („Hannoversche Allgemeine Zeitung“, „Leipziger Volkszeitung“, „Lübecker Nachrichten“) zusammen mit elf anderen und der Verwertungsgesellschaft VG Media beim Bundeskartellamt über den Suchmaschinenkonzern beschwert habe:

„Madsack hat im vergangenen Jahr von Google eine schriftliche Aufforderung erhalten, auf die Durchsetzung unseres soeben durch den deutschen Gesetzgeber gewährten Presseleistungsschutzrechtes ganz zu verzichten und zu erklären, keine Vergütungsansprüche gegen Google geltend zu machen. Andernfalls würde Google, als deutschland- und weltweit größter Betreiber von Suchmaschinen, unsere digitalen verlegerischen Angebote auslisten. Für uns ist diese Drohung eindeutig ein Marktmissbrauch, denn bei einem Fast-Monopolisten wie Google ausgelistet zu werden und damit nicht mehr sichtbar zu sein, hat weitreichende Folgen.

Ich habe der Madsack-Pressestelle dann folgende Fragen gestellt:

Können Sie mir sagen, wann und in welcher Form Google Madsack damit gedroht hat, die Angebote aus seiner Suchmaschine auszulisten?

Im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht hat Google im Sommer 2013 angekündigt, Angebote, die keine entsprechende Einverständniserklärung abgeben, aus „Google News“ herauszunehmen, nicht aber aus der Suchmaschine. Bezieht sich die Aussage von Herrn Düffert darauf? Oder gab es weitere „Drohungen“ von Google?

Hat „Google News“ nach Ansicht von Madsack eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Nachrichtenaggregatoren?

Die Pressesprecherin sagte mir zu, sich „schnellstmöglich“ zu melden, tat das dann aber gar nicht mehr. Auf Nachfrage erklärte sie, sie hätte meine Anfrage an die VG Media weitergegeben. Auf erneute Nachfrage sagte sie, Madsack werde sich nicht dazu äußern.

Einer der großen Regionalzeitungsverlage, „ein Garant der Meinungsbildung und damit für die Demokratie in Deutschland“ (O-Ton Düffert) behauptet lautstark, von Google quasi erpresst worden zu sein, möchte aber nicht sagen, wann und in welcher Form das geschah.

Es könnte natürlich damit zu tun haben, dass Google, wie gesagt, gar nicht mit einer solchen Auslistung aus der Suche gedroht habe, sondern es bei dem Vorgang im Sommer 2013 ausschließlich um den Nachrichtenaggregator „Google News“ ging.

Aber tatsächlich, immerhin, bekam ich dann doch noch eine Antwort von der VG Media, jener Organisation, die für Madsack, Springer und mehrere weitere Verlage versucht, aus dem neuen Leistungsschutzrecht Erlöse zu erzielen. Die VG Media hatte im Juli Bundestagsabgeordnete und Vertreter mehrerer Bundesministerien zu einer Informationsveranstaltung eingeladen und dabei ebenfalls behauptet, dass Google den Verlagen im vergangenen Jahr mit einer Auslistung aus der Suche gedroht habe. Auf meine Bitte um eine Erklärung antwortete die VG Media nach nur zwei Nachfragen:

Das Leistungsschutzrecht spricht von Suchmaschinen und anderen kommerziellen Diensten, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten. Im Gesetzestext ist der zentrale Satz so formuliert: „Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.“ Deswegen ist keineswegs nur Google News betroffen, sondern auch Google Search, Google Bilder und jede andere Form von Suche und Aggregation, die mehr umfasst, als einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.

Das mag sein. Die Einverständniserklärung, die Google im vergangenen Jahr forderte und die die VG Media für einen Missbrauch der Marktmacht Googles hält, bezog sich allerdings ausschließlich auf „Google News“.

Die VG Media weiter:

Außer Google weiß niemand, mit welchen Mechanismen die verschiedenen Google-Dienste miteinander verknüpft sind. Die VG Media hat deutliche Hinweise darauf, dass die Auslistung aus Google-News auch Auswirkungen auf die Auffindbarkeit in der Suchmaschine hat. Google verschweigt die Auswirkungen, die die angedrohte Auslistung von „Google News“ auf die anderen Google-Dienste hat, insbesondere auch auf die allgemeine Google-Suche.

Ich hatte im Juli, als ich die Antwort bekam, auch schon den Verdacht, dass es sich bei den „deutlichen Hinweisen“ um bloße Mutmaßungen handelt. Und selbst wenn nicht, hätte das nichts mit dem Vorwurf zu tun, den die VG Media und Verlage wie Madsack gegen Google erhoben haben, nämlich mit einer Auslistung aus der Suche zu drohen.

Irgendwie bin ich nicht überrascht über die Klatsche des Kartellamts für diesen Verein.

Nachtrag, 18:50 Uhr. Die VG Media bezeichnet die Meldung von FAZ.net sprachlich originell als „sachlich unzureichende Darstellung und Bewertung“ des Sachverhaltes.

iRights.info dokumentiert das Schreiben des Kartellamtes im Original und kommentiert es.

 

Lügen fürs Leistungsschutzrecht (7)

Die Verwertungsgesellschaft VG Media hat heute Mittag Bundestagsabgeordnete eingeladen, um sie über das neue Leistungsschutzrecht und die Auseinandersetzung mit Google zu informieren. Wobei es das Wort „informieren“ vielleicht nicht ganz trifft. Die Desinformation beginnt schon auf der Einladung. Dort heißt es:

Kurz vor Inkrafttreten des Leistungsschutzrechts der Presseverleger am 1. August 2013 hat Google alle Verlage dazu aufgefordert, auf die Durchsetzung ihres neuen Rechts zu verzichten und schriftlich zu erklären, keine Vergütungsansprüche geltend zu machen. Andernfalls werde Google die digitalen Angebote der Presseverleger „auslisten“ und bei ihrer Suche nicht mehr anzeigen. Google ist marktbeherrschend auf dem Markt für das Angebot und die Nachfrage von digitalen Suchdienstleistungen in Deutschland. Die VG Media hält die Androhung der Auslistung deshalb für marktmissbräuchlich.

Das stimmt nicht. Google hat den Verlegern nicht damit gedroht, ihre Angebote nicht mehr in seinen Suchergebnissen anzuzeigen. Google hat damals nur angekündigt, ohne eine entsprechende Einwilligung der Verleger deren Inhalte nicht mehr bei „Google News“ anzuzeigen.

Das ist ein gravierender Unterschied. „Google News“ ist für das Auffinden von Inhalten von ungleich kleinerer Bedeutung. Und es ist mehr als fraglich, ob Google auf dem Markt der Nachrichtenaggregatoren mit „Google News“ überhaupt marktbeherrschend ist.

Schon in den wenigen Sätzen der Einladung stellt die VG Media den aktuellen Konflikt falsch dar. Es spricht nichts dafür, dass sie die Bundestagsabgeordneten beim Lunch dann korrekt informieren wird.

Ich nehme nicht an, dass die Verwechslung von Google-Suche und „Google News“ ein Versehen ist. Die Darstellung, dass der Suchmaschinenkonzern im vergangenen Jahr die Verlage quasi dazu erpresst habe, ihr Einverständnis zur Anzeige von Ausschnitten ihrer Angebote zu geben, indem er drohte, dass sie sonst nicht mehr in der Google-Suche, ist zwar falsch, aber als Propaganda sehr überzeugend.

Die Falschdarstellung zieht sich durch die gesamte Kommunikation der deutschen Presseverlage, die gerade dafür kämpfen, dass Google und andere Suchmaschinenanbieter und Aggregatoren ihnen für die Anzeige von kurzen Textausschnitten Geld zahlt. Sie findet sich zum Beispiel auch in den Worten von Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert, mit denen der erklärte, warum sein Verlag und elf weitere kartellrechtlich gegen Google vorgehen:

„Madsack hat im vergangenen Jahr von Google eine schriftliche Aufforderung erhalten, auf die Durchsetzung unseres soeben durch den deutschen Gesetzgeber gewährten Presseleistungsschutzrechtes ganz zu verzichten und zu erklären, keine Vergütungsansprüche gegen Google geltend zu machen. Andernfalls würde Google, als deutschland- und weltweit größter Betreiber von Suchmaschinen, unsere digitalen verlegerischen Angebote auslisten. Für uns ist diese Drohung eindeutig ein Marktmissbrauch, denn bei einem Fast-Monopolisten wie Google ausgelistet zu werden und damit nicht mehr sichtbar zu sein, hat weitreichende Folgen.“

Nein. Die schriftliche Aufforderung, die Madsack (und alle anderen) im vergangenen Sommer von Google bekommen hat, bezog sich ausschließlich auf „Google News“. Man konnte das auch schlecht missverstehen. Der Absender war das „Google News Team“. Im Text war zehnmal von „Google News“ die Rede. Die entscheidende Stelle lautete:

Wir sind nach eingehender Prüfung davon überzeugt, dass unser Dienst GoogleNews mit dem Leistungsschutzrecht im Einklang steht. Dennoch möchten wir vor dem Hintergrund der Diskussion sichergehen, dass Sie weiterhin mit der Aufnahme der Inhalte Ihrer Website in Google News einverstanden sind. Wir führen deshalb am 21. Juni für unsere Verlagspartner eine neue Bestätigungserklärung ein. Diese gibt Verlagen und Webpublishern in Deutschland eine zusätzliche Möglichkeit, zu entscheiden, ob ihre Inhalte in Google News angezeigt werden sollen oder nicht. (…)

Wenn Sie bis zum 1. August keine Bestätigungserklärung bei uns hinterlegen, werden Ihre Inhalte ab diesem Datum nicht mehr in Google News angezeigt.

(Hervorhebung von mir.)

Auch zwei spätere Erinnerungsmails ließen keinen Zweifel daran, dass es bei dieser Einwilligungserklärung ausschließlich um „Google News“ ging.

Natürlich stellt auch Christoph Keese, Außenminister bei Axel Springer und der oberste Lobbyist für das Presse-Leistungsschutzrecht in Deutschland, das in einem aktuellen Beitrag zum Thema falsch dar.

Google ist — anders als die in der VG Media organisierten Verlage — der Meinung, dass seine normale Suche nicht vom Leistungsschutzrecht betroffen ist. Deshalb bezog es seine Bestätigungserklärung im vergangenen Sommer ausschließlich auf „Google News“, das längere Ausschnitte aus den Verlagsinhalten anzeigt und es, anders als die normale Google-Suche, ermöglicht, durch die Aggregation von Überschriften und Artikelanläufen einen eigenen kleinen Überblick über das Nachrichtengeschehen zu bekommen. „Die politische Debatte zum Leistungsschutzrecht drehte sich immer um Dienste mit klarem Bezug zu Nachrichten wie eben Google News“, sagt ein Unternehmenssprecher.

Ob diese Interpretation stimmt, darüber kann man streiten und darüber werden Gerichte entscheiden. Tatsache aber ist, dass sich die von Google geforderte Erklärung im Sommer 2013 und die damit verbundene „Androhung einer Auslistung“ ausschließlich auf „Google News“ bezog. Die Darstellung der Verlage ist falsch.

Die VG Media hat auf Fragen von mir dazu bisher nicht geantwortet.

Mit dem aktuellen Vorgehen gegen Google und andere Anbieter sowie der zweifelhaften Lobbyarbeit beim deutschen Bundestag versuchen mehrere Verlage, Geld von Suchmaschinenanbietern und Aggregatoren zu bekommen. Die Strategie im Fall von Google ist betörend paradox: Google soll gleichzeitig verboten und dazu gezwungen werden, Verlagsinhalte in seinen Suchergebnissen anzuzeigen. Das Leistungsschutzrecht, wie Keese und seine Gefolgsleute es interpretieren, untersagt die ungenehmigte Anzeige von kurzen Textausschnitten und Suchergebnissen. Weil Google aber so marktbeherrschend ist, dass jemand, der hier nicht gelistet ist, im Netz fast unsichtbar wird, dürfe es andererseits die Inhalte, die es mangels einer Genehmigung nicht anzeigen darf, nicht einfach nicht anzeigen, weil das einen Missbrauch seiner Macht darstelle. Der Ausweg aus diesem logischen Dilemma (und, so hoffen die Verleger anscheinend, aus ihren existenziellen Nöten): Google darf die Ausschnitte anzeigen, muss aber dafür zahlen.

Noch einmal zum Mitdenken und Staunen: Auf Druck der Verlage hat der Bundestag im vergangenen Jahr ein Leistungsschutzrecht beschlossen, das (unter anderem) Google eine bestimmte Verwendung der Verlagsinhalte ohne Genehmigung untersagt. Wenn Google dann entsprechend sagt: Gebt uns eine Genehmigung oder wird verwenden eure Verlagsinhalte nicht mehr so, ist das für die Verlage nicht die normale Konsequenz aus dem Gesetz, sondern ein erpresserischer Akt. Applaus!

(In der VG Media sind nicht alle großen deutschen Presseverlage organisiert. An der Leistungsschutzrechts-Allianz beteiligen sich zum Beispiel nicht „Spiegel Online“, FAZ.net, stern.de, sueddeutsche.de und Focus Online.)