Schlagwort: VG Wort

„Auf rechtswidrige Zuwendungen hat niemand Anspruch, auch ein Verlag nicht.“

Die Verwertungsgesellschaft VG Wort überweist traditionell einen Teil der Tantiemen aus Urheberrechtsansprüchen, die sie einnimmt, pauschal an die Verleger. Der Urheberrechtler Martin Vogel hat dagegen geklagt – vor dem Landgericht und Oberlandesgericht München überwiegend mit Erfolg. Während sein Verfahren nun beim Bundesgerichtshof anhängig ist, verhandelt der Europäische Gerichtshof ein anderes Verfahren, in dem es ebenfalls um die Frage der Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen geht. Die VG Wort hat nun erstmals die Auszahlung an Verlage weitgehend gestoppt und fordert die „politischen Entscheidungsträger“ auf, die angeblich „unsichere Rechtslage“ zu beseitigen. Hier antwortet darauf nun Martin Vogel.

Ein Gastbeitrag von Martin Vogel

I.
Presseerklärung der VG Wort zur Ausschüttung 2015

Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort haben am 20. März 2015 eine Presseinformation ins Netz gestellt. Darin geben sie ihre einstimmig gefassten Beschlüsse über die Ausschüttung 2015 bekannt. Die VG Wort wird danach in diesem Jahr nicht mehr uneingeschränkt nach dem geltenden Verteilungsplan ausschütten. Dazu wird erklärt, die Rechtslage sei weiterhin unsicher. Der Bundesgerichtshof habe das Verfahren in der Sache Martin Vogel ./. VG Wort (Az. I ZR 198/13), das die Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen zum Gegenstand hat, im Hinblick auf die bevorstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache Reprobel ./. Hewlett Packard (Az. C-572/13) ausgesetzt. Bei den Autoren bleibt es zwar wie in den Vorjahren bei Zahlungen unter Rückforderungsvorbehalt, bei den Verlegern wird die Ausschüttung jedoch gestoppt. Über die Ausschüttung an Verlage soll erst nach dem Urteil des EuGH entschieden werden. Abweichend davon können Verlage jedoch Ausschüttungen nach den Regeln des Verteilungsplans erhalten, wenn sie sich zur Rückzahlung binnen 30 Tagen verpflichten, „falls die Entscheidungen des EuGH oder des BGH dies erforderlich machen und die VG WORT die Verlage zur Rückerstattung aufgefordert hat“.

Zu diesem Beschluss haben Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort eine 9-Punkte-Erklärung abgegeben, die nicht unwidersprochen bleiben kann. Denn die VG Wort verschleiert bewusst die Sach- und Rechtslage – gemeinsam mit den Berufsverbänden und den Gewerkschaften der Autoren, die im Verwaltungsrat die Hälfte der Mitglieder stellen.

II.
Die VG Wort verletzt ihre Treuhänderpflichten

Aufgabe einer Verwertungsgesellschaft (VG) ist die treuhänderische Wahrnehmung von Rechten. Als Treuhänderin darf eine VG, wie das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1997 und wiederholt auch der Bundesgerichtshof unmissverständlich ausgeführt haben, nur an diejenigen ausschütten, die bei ihr Rechte zur Wahrnehmung gegenüber Nutzern eingebracht haben. Das ist im deutschen Recht selbstverständlich – und so bestimmt es nunmehr auch die Verwertungsgesellschaften-Richtlinie der Europäischen Union vom 26. Februar 2014.

Daran hält sich die VG Wort aber bei ihrer Verteilungspraxis nicht. Seit Jahren schüttet sie bis zur Hälfte der Erträge aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen (zu denen vor allem die Ansprüche auf die Gerätevergütung gehören) pauschal an Verleger aus, obwohl diese bei ihr keine gesetzlichen Vergütungsansprüche einbringen. Nach dem Geschäftsbericht 2013 betrug allein der Ertrag aus der Gerätevergütung ca. 50 Millionen Euro. Seit dem Jahr 2002 hat die VG Wort so an Verleger über 300 Millionen Euro ohne Rechtsgrundlage ausgeschüttet.

Das Aufkommen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen steht nach der Rechtslage allein den Urhebern zu. Dies gilt schon deshalb, weil nur sie der VG Wort solche Rechte übertragen.

Verleger bringen bei der VG Wort keine gesetzlichen Vergütungsansprüche ein. Das geht bereits aus den Verteilungsplänen der VG Wort selbst hervor. Von Urhebern wird selbstverständlich (und mit Recht) verlangt, durch Meldung für jedes einzelne Werk die wahrzunehmenden Rechte an die VG Wort zu übertragen. Jeder Autor, der seine Rechte von der VG Wort wahrnehmen lässt, kennt die lästige Prozedur dieser Einzelmeldungen. Verleger genießen dagegen eine Sonderbehandlung. Von ihnen werden keine Einzelmeldungen verlangt, in denen sie bezogen auf konkrete Werke Rechte an die VG Wort übertragen würden.

Verleger müssen nicht einmal der Form nach behaupten, dass sie Inhaber von gesetzlichen Vergütungsansprüchen für bestimmte Werke seien. Die VG Wort beteiligt die Verleger aus (schlechter) Tradition einfach so und ganz pauschal an den Wahrnehmungserlösen. An Verleger kann natürlich nicht nach eingebrachten Rechten verteilt werden. Bei der VG Wort kümmert sich aber auch niemand darum, dass kein Verlag bei ihr konkrete gesetzliche Vergütungsansprüche eingebracht hat. Es wird nach ganz anderen Gesichtspunkten verteilt – Gesichtspunkten, die mit der Einbringung von Rechten rein gar nichts zu tun haben, wie dem Eintrag verlegter Bücher im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VlB). Das ist offensichtlich rechtswidrig: Bei der Verteilung des Aufkommens aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen kommt es nicht darauf an, wer Bücher verlegt hat, sondern wer der VG Wort Rechte an verlegten Werken übertragen hat. Nur durch die Übertragung von Rechten und deren Wahrnehmung gegenüber Nutzern werden die Erträge überhaupt erst ermöglicht.

III.
Ausflüchte der VG Wort

Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort (einschließlich der Vertreter der Autoren in deren Verwaltungsrat) kennen natürlich diese Sach- und Rechtslage. Sie wissen, dass die VG Wort schon deshalb keine Erträge aus der Wahrnehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche an Verleger ausschütten darf, weil Verleger keine gesetzlichen Vergütungsansprüche bei ihr einbringen. Deshalb greifen sie zu offensichtlichen Ausflüchten:

Gern beruft sich die VG Wort (wie in Nr. 5 der Erklärung) auf den „Solidargedanken zwischen Autoren und Verlagen“. Es kann offenbleiben, wie dies in den Ohren eines Autors klingen muss, dem bewusst wird, dass bis zur Hälfte der ihm zustehenden Erlöse ohne Rechtsgrund an seinen Verlag ausgeschüttet wird.

Die Berufung auf die Satzung scheint zunächst substantieller zu sein. Auf den Inhalt der Satzung kommt es allerdings schon deshalb nicht an, weil die VG Wort nicht nur über 10.000 Verlage, sondern auch über 570.000 Urheber vertritt, von denen nur ca. 450 bei ihr Mitglied sind. Mit allen anderen schließt die VG Wort nur Verträge über die treuhänderische Wahrnehmung ihrer Rechte ab. Weder die Urheber, die mit der VG Wort einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen haben, noch – erst recht – die Urheber, die ihre Rechte der VG Wort als Treuhänderin nur durch Einzelmeldungen ohne den Abschluss eines Wahrnehmungsvertrages anvertraut haben, dürfen durch die Satzung zugunsten Dritter (wie die Verleger) enteignet werden (für die Mitglieder gilt im Übrigen nichts anderes). Dies folgt als Selbstverständlichkeit aus dem Treuhandgrundsatz und ist im Übrigen schon längst höchstrichterlich ausgesprochen.

In der Satzung steht zudem gar nicht, was die Erklärung von Vorstand und Verwaltungsrat (unter Nr. 1) suggerieren will, nämlich dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche der Urheber von der VG Wort satzungsgemäß als „gemeinsame Rechte“ von Urhebern und Verlegern ausgeübt werden sollen. In der Satzung vom 24. Mai 2014 steht vielmehr, ganz im Einklang mit der Rechtslage:

§ 2 Abs. 1

Zweck des Vereins ist es, die ihm vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Nutzungsrechte, Ansprüche und sonstigen Befugnisse seiner Mitglieder, Wahrnehmungs- und Bezugsberechtigten treuhänderisch wahrzunehmen.

§ 3 Wahrnehmungsberechtigte, Berufsgruppen und Mitglieder

1. Wer nachweislich [!] Inhaber von Urheberrechten und Nutzungsrechten an Sprachwerken ist, kann der VG WORT die Wahrnehmung der von ihr jeweils satzungsgemäß wahrzunehmenden Rechte anvertrauen. (…)

Die VG Wort beruft sich verständlicherweise nicht auf diese klaren Aussagen der Satzung, sondern nur auf deren Präambel. Dort heißt es:

Die dieser Gesellschaft zu übertragenden Rechte werden als gemeinsame Rechte der Berechtigten verwaltet und die Einnahmen nach einem festzulegenden Verfahren verteilt (Verteilungsplan).

Dieser Satz bestätigt nur, dass die VG Wort die ihr treuhänderisch übertragenen Rechte für diejenigen verwaltet, die diese Rechte eingebracht haben. Diese Rechte können in der Praxis einer Verwertungsgesellschaft auch nur „als gemeinsame Rechte der Berechtigten“ wahrgenommen werden, weil die Verwertungsgesellschaft mit Nutzern fast durchweg nur Pauschalverträge über die Nutzung ihres Werkrepertoires im Ganzen abschließt.

Es ist dreist, wie die Erklärung von Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort die Präambel der Satzung umdeuten will, um zu rechtfertigen, dass die VG Wort Wahrnehmungserlöse, die allein den Urhebern zustehen, weitgehend für die Verleger zweckentfremdet.

Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort haben guten Grund, sich in ihrer Erklärung nicht auch auf § 9 Ziff. 3 der Satzung zu berufen. Dieser lautet:

Den Verlagen steht ein ihrer verlegerischen Leistung entsprechender Anteil am Ertrag der VG WORT zu.

Diese Vorschrift wurde zu Beginn der Auseinandersetzung über die Verlegerbeteiligung in die Satzung eingefügt, um die Gemüter zu beruhigen. Aber sie hilft nicht weiter. Denn die Satzung hat sich nach Gesetz und Recht zu richten und nicht umgekehrt.

Wenn der Verleger der VG Wort keine Rechte übertragen hat, kann er auch nichts bekommen. Das wissen auch Vorstand und Verwaltungsrat, denen mehrere hochkarätige Urheberrechtsprofessoren angehören, nur zu gut. Das weiß nicht zuletzt auch die staatliche Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften bei dem Deutschen Patent- und Markenamt. Aus diesem Grund hätte diese nicht nur die rechtswidrige Verteilungspraxis der VG Wort als solche, sondern auch § 9 Ziff. 3 der Satzung schon längst beanstanden müssen.

Ebenso unverblümt wie rechtswidrig besagt § 9 Ziff. 3 der Satzung, dass an Verleger ein „ihrer verlegerischen Leistung entsprechender Anteil am Ertrag“ ausgeschüttet werden solle, obwohl diese keine Rechte eingebracht haben. Verleger haben mit dem Treuhandverhältnis der VG Wort und der Autoren nichts zu tun. Worin besteht denn die Leistung, für die Verleger einen Anteil am Ertrag erhalten sollen, obwohl dieser nur aus der Wahrnehmung der Rechte erzielt worden ist, die allein die Urheber der VG Wort übertragen haben?

Richtig ist, dass ohne Verleger viele Werke nicht gedruckt würden. Verleger sind aber keine Wohltäter der Autoren. Für ihre Leistungen werden sie auf dem Buchmarkt bezahlt. Verleger sind auch nicht die einzigen, ohne deren Leistungen die Werke der Urheber nicht entstehen oder vertrieben werden könnten. Buchhändler und Bibliotheken können für Autoren ebenso unentbehrlich sein. Niemand ist aber bisher auf den Gedanken gekommen, dass Buchhändler und Bibliotheken deshalb an den Wahrnehmungserlösen der VG Wort zu beteiligen wären.

Die Rechtslage ist alles andere als unsicher

Die Rechtslage ist danach keineswegs unsicher, wie die Erklärung behauptet. Sie ist einfach und klar: Wer der VG Wort keine Rechte eingebracht hat, kann auch keinen Anteil an den Erlösen erhalten, die die VG Wort nur durch die Wahrnehmung konkreter Rechte gegenüber Nutzern erzielen konnte. Schon die Verteilungspläne belegen, dass die Verleger der VG Wort keine Rechte übertragen. Verleger haben mit der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche nichts zu tun. Sie stehen dabei als Dritte außerhalb des Treuhandverhältnisses der VG Wort mit den Urhebern. Mit dem gleichen Recht wie an Verleger könnte die VG Wort auch Buchhändler an den Ausschüttungen der Erträge aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen (wie der einträglichen Gerätevergütung) beteiligen.

Die Rechtslage ist auch aus anderen Gründen völlig klar: Verleger bringen, wie dargelegt, bei der VG Wort schon der Form nach keine gesetzlichen Vergütungsansprüche ein. Sie dürfen schon deshalb keinen Anteil an den Erlösen der VG Wort aus der Wahrnehmung solcher Rechte erhalten. Danach kommt es von vornherein nicht darauf an, ob Verleger überhaupt gesetzliche Vergütungsansprüche erwerben könnten, um sie bei der VG Wort einzubringen. Die Erklärung von Vorstand und Verwaltungsrat lenkt (Nr. 6) von dieser einfachen Sach- und Rechtslage ab, wenn dort behauptet wird, die Ausschüttungsentscheidung beruhe „ausschließlich auf der unsicheren Rechtslage, die ihre Ursache in nicht hinreichend klaren gesetzlichen Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene“ habe.

Selbst wenn Verleger bei der VG Wort gesetzliche Vergütungsansprüche einbringen würden (was sie nicht tun), könnten sie dies nur als Treuhänder der Urheber. Denn der EuGH hat schon im Urteil „Luksan/van der Let“ vom 9. Februar 2012 (Az. C-277/10, dort Randnummern 96 ff., 106, 108) entschieden, dass Vergütungsansprüche des Urhebers auf einen „gerechten Ausgleich“ für vom Gesetz zugelassene Privatkopien seines Werkes (wie in Deutschland der gesetzliche Vergütungsanspruch auf die Gerätevergütung) unverzichtbar sind und der Urheber „unbedingt“ die Zahlung des „gerechten Ausgleichs“ erhalten muss.

Diese Rechtsprechung hat der EuGH durch sein Urteil „Austro-Mechana/Amazon“ vom 11. Juli 2013 (Az. C-521/11, dort Randnummern 46 ff.) bestätigt.

Im deutschen Urheberrechtsgesetz sieht § 63a UrhG vor, dass der Urheber auf gesetzliche Vergütungsansprüche nicht im Voraus verzichten kann. Er kann sie nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten oder zusammen mit der Einräumung des Verlagsrechts an einen Verleger, „wenn dieser sie durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt, die Rechte von Verlegern und Urhebern gemeinsam wahrnimmt“.

Bei unvoreingenommenem Lesen der Vorschrift war schon nach dem deutschen Urheberrecht klar, dass ein Verleger gesetzliche Vergütungsansprüche nur als Treuhänder des Urhebers erwerben und bei der VG Wort einbringen kann. Die Erklärung von Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort (Nr. 7) will der Vorschrift dagegen entnehmen, dass ihre Neuregelung im Jahr 2008 „das ausschließliche Ziel verfolgte, die Beteiligung der Verlage an den Einnahmen der VG WORT sicherzustellen“. Nichts davon kann dem unmissverständlichen Wortlaut und Sinn des § 63a UrhG entnommen werden. Es ist deshalb nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (auch des Bundesverfassungsgerichts) unerheblich, ob der nicht vom Gesetzgeber, sondern von Beamten verfassten Begründung des Gesetzentwurfs etwas anderes entnommen werden könnte. Was Ministerialbeamte unter dem Druck einer Lobby in die Begründung eines Gesetzentwurfs hineingeschrieben haben, kann den Gesetzgeber nicht binden. Maßgeblich ist der objektive Sinn und Zweck des Gesetzes.

Entgegen der Erklärung von Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort (Nr. 7) gab es deshalb schon im deutschen Urheberrechtsgesetz niemals eine Regelung, auf deren „Verlässlichkeit“ VG Wort und Verlage bei der Frage der Verlegerbeteiligung hätten vertrauen dürfen. Hinzu kommt der Vorrang des Unionsrechts: Das deutsche Urheberrecht muss im Einklang mit dem Unionsrecht ausgelegt werden. Nach den Urteilen des EuGH „Luksan/van der Let“ und „Austro-Mechana/Amazon“ ist die „Auslegung“ des § 63a UrhG durch die VG Wort schlicht unvertretbar.

Appell der VG Wort an den „europäischen oder den nationalen Gesetzgeber“

Im Licht der Sach- und Rechtslage lohnt sich eine nähere Betrachtung von Nr. 8 und 9 der Erklärung von Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort. Diese lauten:

8. Selbstverständlich wird die VG WORT verbindliche Gerichtsentscheidungen beachten. Sollte sich jedoch aufgrund von Entscheidungen des EuGH oder des BGH herausstellen, dass eine Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der VG Wort nach geltendem Recht nicht möglich ist, sind der europäische oder der nationale Gesetzgeber (erneut) gefordert, unverzüglich Abhilfe zu schaffen.

9. Anderenfalls würde aus formalen Gründen und gegen den gemeinsamen Willen der Beteiligten ein funktionierendes System zerstört, welches in Deutschland, Europa und weltweit seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird. Das hätte für Autoren und Verlage unabsehbare, teilweise existentielle Nachteile zur Folge.

Das sind große Worte. Was bedeuten sie im Klartext?

  • Die zahlreichen Entscheidungen höchster Gerichte, des EuGH, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der Verteilungspraxis der VG Wort schon jetzt zweifelsfrei ergibt, waren für diese Verwertungsgesellschaft noch „nicht verbindlich“. Es müssen noch weitere Gerichtsurteile ergehen, wie sie jetzt im Verfahren des EuGH Reprobel ./. Hewlett Packard (Az. C-572/13) und des BGH Martin Vogel ./. VG Wort (Az. I ZR 198/13) zu erwarten sind, damit sich die VG Wort endlich an die Rechtslage hält.
  • Die VG Wort ist Treuhänderin von über 570.000 Urhebern. Sie sieht die Gefahr, dass ihr weiterhin höchste Gerichte bescheinigen, dass sie Wahrnehmungserlöse, die den Urhebern zustehen, bis zur Hälfte zu Unrecht für Verleger abgezweigt hat. In dieser Notsituation hat diese Verwertungsgesellschaft nur einen Wunsch: Alle irgendwie zuständigen Gesetzgeber sollen eingreifen, damit sie, die Treuhänderin der Urheber, die Urheber auch weiterhin um wesentliche Teile der Erträge aus ihren Werken bringen kann. Woher wissen Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort, dass ein solcher Erhalt des bisherigen Systems dem „gemeinsamen Willen der Beteiligten“, also auch der Autoren, entsprechen würde?
  • Die Verteilungspraxis der VG Wort ist rechtswidrig, ein grober Verstoß gegen ihre Treuhänderpflichten. Wenn dies durch weitere Gerichtsurteile endlich auch für eine breitere Öffentlichkeit und vor allem für die benachteiligten Urheber offensichtlich wird, dann sind es nach Auffassung von Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort nur „formale Gründe“, aus denen sich die Untragbarkeit der bisherigen Praxis ergibt.
  • Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort meinen, „ein funktionierendes System“ werde zerstört, „welches in Deutschland, Europa [?] und weltweit [?] seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird“, wenn die Urheber das erhalten, was ihnen nach Recht und Gesetz zusteht. Aus der Sicht der Verleger hat die systematische Enteignung der Autoren über viele Jahre hinweg erfolgreich funktioniert. Wie sieht dies aber aus der Sicht der Autoren aus?
  • Vorstand und Verwaltungsrat der VG Wort meinen, es würde „für Autoren und Verlage unabsehbare, teilweise existentielle Nachteile zur Folge“ haben, wenn die Autoren von der VG Wort die Ausschüttungen voll erhalten, die ihnen zustehen. Auf rechtswidrige Zuwendungen hat niemand Anspruch, auch ein Verlag nicht. Sicher ist jedenfalls, dass viele Autoren trotz des von der VG Wort beschworenen „Solidargedankens zwischen Autoren und Verlagen“ in kümmerlichsten Verhältnissen leben und die Beträge, die ihre Treuhänderin ihnen systematisch vorenthalten hat, dringend benötigt hätten.

Das bisherige System der VG Wort war für die Verlage sehr erfolgreich. Für die Urheber gilt das nicht. VG Wort und Verleger hatten deshalb „gute“ Gründe, die langjährige Verteilungspraxis soweit irgend möglich zu verschleiern.

Die VG Wort enteignet Urheber, vernebelt die klare Rechtslage und spielt auf Zeit

Der Streit um die VG Wort betrifft Hunderttausende Urheber, aber das Thema ist abschreckend komplex. Es geht um die Frage, ob die Verwertungsgesellschaft pauschal einfach einen Teil der Tantiemen aus Urheberrechten, die sie einnimmt, an die Verleger überweisen darf. Ein Gericht hat das im Oktober bereits in zweiter Instanz in einem konkreten Fall für unzulässig erklärt. Es stellt damit die langjährige Praxis nicht nur der VG Wort, sondern auch der VG Bild-Kunst und der GEMA in Frage.

In den vergangenen Wochen haben der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie die VG Bild-Kunst und die Initiative Urheberrecht, für die der frühere Vorstand der VG Bild-Kunst, Gerhard Pfennig, als Sprecher tätig ist, zu dem Verfahren Stellung genommen. Auch die VG Wort selbst hat ihre erneute juristische Niederlage kommentiert, in Form von „wichtigen Fragen und Antworten“, in denen sich auch der bezeichnend pampige Satz findet: „Die VG WORT hat diesen Rechtsstreit nicht begonnen“ — das hat sie in der Tat nicht; sie hat halt nur, wie es aussieht, das Recht gebrochen. Die Verwertungsgesellschaft nimmt es dem Kläger, dem Urheberrechtler Martin Vogel, übel, dass er — bislang erfolgreich — sein Recht eingeklagt hat, dass Geld, das ihm zusteht, nicht an irgendwelche Verleger weitergeleitet wird.

Ende der kommenden Woche befasst sich eine außerordentliche Mitgliederversammlung der VG Wort mit dem Rechtsstreit und den notwendigen Konsequenzen daraus. Vogel tritt im Folgenden der Rechtsauffassung der VG Wort und damit auch der VG Bild-Kunst und der GEMA entgegen. Es ist auch ein Versuch, die Materie (halbwegs) verständlich aufzubereiten.

 

  • Ein Gastbeitrag von Martin Vogel

In Presseerklärungen und Interviews versuchen die Verantwortlichen der VG Wort und des Börsenvereins (des Interessenverbands der Verleger), die Sach- und Rechtslage, von der die Verteilungspraxis der VG Wort und auch von VG Bild-Kunst und GEMA auszugehen haben, möglichst zu vernebeln. Dabei geht es ihnen vermutlich nicht zuletzt darum, Zeit zu gewinnen, damit die Nachforderungsansprüche der Urheber gegen diese Verwertungsgesellschaften und die Haftungsansprüche gegen die Verantwortlichen möglichst verjähren. Für die Vorstände und die Verwaltungsräte dieser Gesellschaften geht es dabei auch persönlich um den Vorwurf der Veruntreuung und um mögliche Schadensersatzforderungen.

Welcher Autor kennt schon die Hintergründe?

Vielen berufsmäßigen Autoren, vor allem auch Journalisten und Autoren literarischer Werke, erscheint der jährliche Scheck der VG Wort als ein Himmelsgeschenk. Oft genug bringt er Geld, das dringend benötigt wird, um irgendwie weiter über die Runden zu kommen. Vorausgegangen ist das mühselige Ausfüllen der Formulare, mit denen ein Wortautor jeden einzelnen Beitrag bei der VG Wort zu melden hat. Kaum ein Autor weiß, woher die Einnahmen der VG Wort stammen und wie der Anteil eines Autors an den Ausschüttungen ermittelt wird. Die VG Wort tut in der laufenden öffentlichen Diskussion wohlweislich nichts, um die weit über 400.000 Autoren, die sie als Treuhänderin vertritt, einfach und nachvollziehbar über ihr Verteilungsverfahren aufzuklären. Der Scheck oder eine Überweisung mit einer pauschalen Bemerkung zum Grund der Zahlung (etwa „Hauptausschüttung HA2012 für N.N.“, „2011 VG Wort Wissenschaft Zeitschriftenbeiträge xxx EUR“) müssen dem Autor genügen. Deshalb weiß auch kaum jemand, dass sein Scheck sehr viel höher ausfallen würde, wenn sich die VG Wort bei der Verteilung an Recht und Gesetz halten würde.

Wohin ist das Geld, das eigentlich den Autoren zusteht, abgeflossen?

Einen Großteil ihrer Einnahmen schüttet die VG Wort Jahr für Jahr pauschal an Verlage aus, ohne deren Berechtigung zu überprüfen oder auch nur überprüfen zu können. Die VG Wort tut so, als wäre die Beteiligung der Verlage an dem Vergütungsaufkommen ein Naturgesetz. Diese pauschale Verlegerbeteiligung ist grob rechtswidrig. Bereits zwei Gerichte, das Landgericht München I (Urteil vom 24.5.2012) und nunmehr auch das Oberlandesgericht München (Urteil vom 17. Oktober 2013), haben dies der VG Wort in einem Musterverfahren mit klaren und harten Worten bescheinigt.

Um welches Geld geht es?

Der größte Teil der Einnahmen der VG Wort stammt aus der sogenannten Gerätevergütung. Hersteller und Händler von Geräten, mit denen Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke, insbesondere von Wortautoren und Komponisten, hergestellt werden können (Kopiergeräte, Brenner, Drucker usw.), haben diese Gerätevergütung zu bezahlen (§§ 54 ff. UrhG.). Dazu kommt die sog. Betreibervergütung, die für den Betrieb von Kopiergeräten, z. B. in Copyshops, öffentlichen Bibliotheken und Bildungseinrichtungen, zu zahlen ist (§ 54c UrhG.). Im Jahr 2012 hat die VG Wort dadurch 65,19 Mio Euro eingenommen. Nach Abzug der Verwaltungskosten steht dieses Vergütungsaufkommen nach eindeutiger Rechtslage zu 100 Prozent den Autoren zu. Verlage haben daran keinerlei Rechte.

Wie ist die Rechtslage?

Nur selten kann ein Jurist sagen: Die Rechtslage ist eindeutig. Hier ist dies aber so. Unter Juristen kann nicht ernsthaft darüber gestritten werden, dass die pauschalen Ausschüttungen der VG Wort an die Verlage geltendem Recht krass widersprechen. Das ist auch der Grund, warum die VG Wort und der Börsenverein (als Interessenverband der Verlage) schon jetzt, vor dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens, laut nach dem Gesetzgeber rufen. Dieser soll dafür sorgen, dass die Geldflüsse der VG Wort auch weiterhin zu einem Großteil zu den Verlagen abgeleitet werden können.

Rechtliche Ausgangslage

Hauptaufgabe der VG Wort ist es, Rechte der Urheber gegenüber Nutzern ihrer Werke wahrzunehmen, aus dieser Rechtewahrnehmung Erlöse zu erzielen und das Vergütungsaufkommen an die Berechtigten auszuschütten. Die VG Wort darf als Treuhänderin nur Personen an den Ausschüttungen beteiligen, die ihr nachweislich Rechte zur Wahrnehmung übertragen haben. Dies ist selbstverständlich und wird zudem vom Bundesgerichtshof immer wieder bestätigt. So steht es auch in der Satzung der VG Wort (§ 2). Nur hält sich die VG Wort nicht daran.

Das Vergütungsaufkommen der VG Wort stammt zum weitaus größten Teil aus der Gerätevergütung. Nach dem Urheberrechtsgesetz erwerben die Wortautoren die Ansprüche auf die Gerätevergütung schon mit der Schaffung ihrer Werke. Da nicht jeder einzelne Urheber seinen Anspruch auf eine Gerätevergütung bezogen auf sein Werk selbst geltend machen kann, schreibt das Gesetz vor, dass alle diese Ansprüche nur durch eine Verwertungsgesellschaft wie die VG Wort wahrgenommen werden dürfen. Das Vergütungsaufkommen ist dann möglichst leistungsgerecht an diejenigen auszuschütten, die ihre Rechte bei der Verwertungsgesellschaft eingebracht haben.

Verleger schaffen keine urheberrechtlich geschützten Werke. Ansprüche auf eine Gerätevergütung für einzelne Werke könnten sie deshalb nur besitzen, wenn sie solche Ansprüche von den Urhebern vertraglich erworben hätten. Aber genau dies schließen das Recht der Europäischen Union und das Urheberrechtsgesetz aus gutem Grund aus. Dies schützt die Urheber davor, die Vergütungsansprüche, die ihnen kraft Gesetzes zustehen, an die wirtschaftlich weit stärkeren Verleger abtreten zu müssen.

Recht der Europäischen Union

Nach dem Recht der Europäischen Union kann es ein Mitgliedstaat zulassen, dass Privatkopien geschützter Werke ohne Genehmigung der Urheber gefertigt werden. Eine solche Regelung beeinträchtigt die Urheber in ihren Rechten am Werk. Deshalb muss ein Mitgliedstaat, der eine Privatkopieausnahme einführt, den Urhebern dafür einen „gerechten Ausgleich“ sichern. In Deutschland wird dieser gerechte Ausgleich durch die Geräteabgabe gewährleistet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in zwei Urteilen, dem Luksan-Urteil vom 9.2.2012 und dem Austro-Mechana-Urteil vom 11.7.2013, klar ausgesprochen, dass der Urheber (im damaligen Fall der Hauptregisseur eines Films) „unbedingt“ die Zahlung des Ausgleichs für eine Privatkopieausnahme erhalten müsse. Der EuGH hat deshalb ausdrücklich entschieden, dass der Anspruch des Urhebers auf den gerechten Ausgleich unverzichtbar ist. Dies gilt natürlich auch für die Wortautoren. Deshalb kann sich kein Verleger diesen Anspruch abtreten lassen, wenn es ihm dabei darum geht, den Anteil des Autors an der Gerätevergütung ganz oder teilweise in die eigene Tasche zu stecken.

In einem „Börsenblatt“-Interview vom 13.11.2013 hat der Geschäftsführer der VG Wort, Robert Staats, „erhebliche Zweifel“ daran geäußert, ob die Luksan-Entscheidung des EuGH auf die Konstellation bei der VG Wort übertragen werden könne. Die juristische Fachliteratur teilt diese Bedenken, für die Staats keine hinreichende Begründung nennt, durchweg nicht. Es ist ein bemerkenswertes Beispiel interessengeleiteter Argumentation, dass Staats seine angeblichen Bedenken wiederholt, obwohl der EuGH die Grundsätze seines Luksan-Urteils in der Entscheidung Austro-Mechana ausdrücklich und ganz allgemein für den „gerechten Ausgleich“ (das heißt auf Deutschland bezogen für die Verteilung der Gerätevergütung) bestätigt hat. Dieses erneute Urteil des EuGH wird von der VG Wort und anderen interessierten Kreisen vollständig mit Schweigen übergangen. Die VG Wort weiß nur zu gut, warum sie es, soweit irgend möglich, in der Öffentlichkeit vermeidet, die Rechtsprechung des EuGH, die ihren Standpunkt eindeutig widerlegt, auch nur entfernt anzusprechen.

Soweit das Urteil des OLG München aus der Austro-Mechana-Entscheidung herleitet, dass es generell zulässig sei, Vergütungsansprüche des Urhebers an einen Verleger abzutreten, interpretiert es die Entscheidung erkennbar unzutreffend. Denn der EuGH lässt unmissverständlich eine Abtretung nur zu, wenn der gerechte Ausgleich dem Urheber dadurch zumindest mittelbar zugute kommt. Das ist nicht der Fall, wenn der Verleger die Vergütung aus der Geräteabgabe auch nur teilweise fremdnützig, also für den eigenen Geldbeutel, erhält. Deshalb ist nach Unionsrecht eine Abtretung an den Verleger nur zulässig, wenn dieser die Zahlungen der Verwertungsgesellschaft als Treuhänder für den Urheber in Empfang nimmt. Das kann auch der VG Wort, der VG Bild-Kunst und dem Börsenverein nicht entgangen sein. Trotzdem führen sie zusammen mit den in ihren Aufsichtsgremien und in der „Initiative Urheberrecht“ vertretenen Gewerkschaften DJV (Deutschen Journalistenverband) und ver.di weiterhin die Urheber als ihre Treugeber hinters Licht. Und die staatliche Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts sieht bei diesem Treiben einfach weg.

Deutsches Urheberrecht

Das deutsche Urheberrecht darf nur in Übereinstimmung mit dem vorrangigen Recht der Europäischen Union ausgelegt werden. In § 63a des Urheberrechtsgesetzes ist zudem klar geregelt, dass der Urheber auf einen gesetzlichen Vergütungsanspruch (wie seinen Anspruch auf die Gerätevergütung) nicht verzichten kann. Er kann diesen Anspruch zwar an einen Verleger abtreten, aber nur zu dem Zweck, dass dieser den Anspruch bei einer Verwertungsgesellschaft wie der VG Wort einbringt. Da die Gerätevergütung aber nach zwingendem Unionsrecht allein dem Urheber zufließen muss, ist eine solche Abtretung, wie oben ausgeführt, allenfalls dann möglich, wenn der Verlag als Treuhänder des Urhebers handelt. Derartige Abtretungen an einen Verlag hat es bisher praktisch nie gegeben; etwas anderes behauptet auch die VG Wort nicht. In jedem Fall wäre der Verlag in einem solchen Fall aber verpflichtet, die gesamte Ausschüttung als Treuhänder an den Urheber weiterzuleiten.

Zu den Ausflüchten der VG Wort

Die VG Wort und der Börsenverein versuchen, die rechtswidrige Begünstigung der Verlage zu bemänteln. Sie verweisen auf die Satzung der VG Wort und darauf, dass die Verteilungspläne von der Mitgliederversammlung beschlossen würden. Das sind jedoch offensichtliche Schutzbehauptungen. Ein Verein wie die VG Wort muss sich bei seiner Satzung und den Beschlüssen seiner Gremien an zwingendes Recht halten. Das sollte gerade im Fall der VG Wort für jeden unmittelbar einleuchtend sein: Die VG Wort ist Treuhänderin von weit über 400.000 Autoren. Nur etwa 350 davon sind bei ihr Mitglied. Die Ansprüche aller Mitglieder und Nichtmitglieder auf eine leistungsgerechte Ausschüttung der erwirtschafteten Beträge dürfen nicht einfach durch Beschluss einer geringen Zahl von Vereinsmitgliedern beschnitten werden, damit einem Teil der Mitglieder (nämlich den Verlagen) ohne rechtliche Grundlage Vorteile zugeschanzt werden können. Abgesehen davon hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt, dass sich die Verteilung der Verwertungsgesellschaften nicht nach den Bestimmungen der Vereinssatzungen zu richten hat, sondern nach dem Wahrnehmungsvertrag. Verteilungsquoten in der Satzung sind deshalb unbeachtlich. Dennoch berufen sich die betroffenen VG Wort und VG Bild-Kunst weiterhin dreist auf ihre Satzungen, wenn sie ihren Berechtigten weis machen, dass die bestehende Rechtslage zu einem nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwand führt.

Tradition

Die rechtswidrige Praxis der VG Wort, die Verlage auf Kosten der allein berechtigten Urheber pauschal an der Gerätevergütung zu beteiligen, hat eine langjährige, traurige Tradition. Rechtmäßig kann sie dadurch nicht werden.

Solidarprinzip

Einmütig erklären VG Wort und Börsenverein, dass Grundgedanke der pauschalen Regelung von Anfang an das Solidarprinzip gewesen sei. Viele Autoren werden sich bei diesen Worten die Augen reiben. Sie erfahren erst jetzt allmählich, wie „solidarisch“ sie über viele Jahre gegenüber den Verlagen gewesen sind, und dass diese „Solidarität“ dazu geführt hat, dass sie als wissenschaftliche Autoren nur 50 Prozent und als nicht-wissenschaftliche Autoren nur 70 Prozent des ihnen eigentlich zustehenden Ausschüttungsbetrags erhalten haben.

Vielen Autoren wird der Verweis auf das Solidarprinzip auch aus anderen Gründen schrill in den Ohren klingen. Die Mehrheit der Autoren macht, gerade im Wissenschaftsbereich, ganz andere Erfahrungen. Was soll ein wissenschaftlicher Autor von der Solidarität seines Verlags halten, wenn er diesem alle wichtigen Rechte abtreten musste und oft genug, statt ein Honorar zu erhalten, für die Drucklegung zahlen musste? Wie es um die Solidarität der Verlage steht, zeigt sich gerade auch in diesen Wochen: Die großen Verlage beginnen damit, sich von der VG Wort abzusetzen. Dies zeigen die Bestrebungen, das Leistungsschutzrecht der Presseverleger nicht durch die VG Wort wahrnehmen zu lassen.

Verwaltungsaufwand

Die VG Wort meint, es werde ihr ein ungeheurer Verwaltungsaufwand zugemutet, wenn sie nur an diejenigen ausschütten dürfte, die bei ihr Rechte eingebracht haben. Sie wäre dann gezwungen, die einzelnen Verträge zwischen Urhebern und Verlagen heranzuziehen und zu überprüfen. Dieser Verwaltungsaufwand sei nicht zu leisten und würde die Erträge weitgehend verschlingen.

Das Gegenteil ist richtig. Bei Beachtung der einfachen Sach- und Rechtslage ist der notwendige Verwaltungsaufwand der VG Wort erheblich geringer als bisher. Nach zwingendem Unionsrecht und deutschem Recht können nur Urheber Inhaber von Ansprüchen aus der Gerätevergütung sein. Diese Ansprüche sind unverzichtbar. Verlage können sie nicht zu eigenem Vorteil erwerben. Die VG Wort darf daher von vornherein nur an die Urheber ausschütten. In Betracht käme allenfalls, dass ein Verlag als Treuhänder für einen Urheber auftritt. Dann könnte die VG Wort den Anteil des Urhebers an den Verlag ausschütten, dies aber nur zu dem Zweck der Weiterleitung an den Urheber. Dass Verlage der VG Wort gegenüber auch nur erklären, Treuhänder von Autoren zu sein, behauptet die VG Wort selbst nicht.

Richtig ist nur, dass es der VG Wort nach ihrer bisherigen Verwaltungspraxis absolut unmöglich ist darzulegen, warum sie überhaupt an Verlage ausschüttet, obwohl diese nicht einmal behaupten müssen, Vergütungsansprüche bei der VG Wort eingebracht zu haben und dementsprechend auch keine Unterlagen dazu einreichen (dazu noch später).

Ausschüttung auf Leistungen der Verlage

Die VG Wort und der Börsenverein meinen, ohne den Beitrag der Verlage zur Veröffentlichung der Werke der Urheber hätten diese keine Einnahmen aus der Gerätevergütung erzielen können. Wegen dieser Leistung hätten es die Verlage verdient, an der Gerätevergütung beteiligt zu werden.

Verlage sind keine Wohltätigkeitsunternehmen. Die Erlöse aus dem Vertrieb der Werke der Urheber sind das Entgelt für die Leistungen der Verlage und der Grund, warum sie überhaupt tätig werden. Eine Beteiligung an der Gerätevergütung ist dagegen ausgeschlossen, weil diese nach dem klaren Unionsrecht und deutschem Recht allein den Urhebern zusteht. In den Topf, der für die Urheber mit der Gerätevergütung gefüllt wird, dürfen die Verleger nicht hineingreifen.

Einen Anspruch auf eine Gerätevergütung haben neben den Wortautoren auch andere Urheber wie Komponisten und Filmregisseure. Werden Tonträger mit geschützter Musik oder ein Film hergestellt, haben die Tonträger- und Filmproduzenten ein eigenes Leistungsschutzrecht. Nur auf diese eigenen Leistungsschutzrechte dürfen die Produzenten Ausschüttungen aus der Gerätevergütung erhalten. Der Urheberanteil an der Gerätevergütung ist dagegen nach zwingendem Recht ihrem Zugriff entzogen. Noch weniger dürfen Verleger, die nicht einmal ein eigenes Leistungsschutzrecht für ihre Druckwerke besitzen, sich aus dem Anteil an der Gerätevergütung bedienen, der allein den Wortautoren zufließen muss.

Bisherige Gerichtsentscheidungen

In dem Musterverfahren über die Verteilungspraxis der VG Wort haben die Gerichte bisher nicht eingehender auf das Unionsrecht abgestellt. Das war möglich, weil schon andere, ganz einfache Rechtsgrundsätze ihre Entscheidung begründen konnten, dass die pauschale Beteiligung der Verleger an den Ausschüttungen der VG Wort willkürlich und damit rechtswidrig ist. Verleger können, wie schon gesagt, keinesfalls Ansprüche auf eine Gerätevergütung erwerben. Aber selbst unterstellt, solche Abtretungen könnten wirksam sein, könnten sich die Verleger nur höchst selten darauf berufen. Das hat einen einfachen Grund bereits darin, dass Abtretungen an Verleger meist ins Leere gingen, weil die Autoren diese Ansprüche schon zuvor in ihren Wahrnehmungsverträgen an die VG Wort abgetreten haben. Nun tun die Verwertungsgesellschaften so, als hätte es diesen Grundsatz für sie nie gegeben. Spätestens das Urhebervertragsgesetz von 2002 hätte bei ihnen letzte Zweifel am bestehenden Abtretungsrecht beseitigen müssen. Denn der damals in Kraft getretene § 63a UrhG ließ zum Schutz des Urhebers eine Abtretung von Vergütungsansprüchen nur noch an eine Verwertungsgesellschaft zu.

Im Verhältnis der wissenschaftlichen Autoren zu den Verlagen sind Abtretungen der gesetzlichen Vergütungsansprüche ohnehin absolut unüblich. Dies schon deshalb, weil es häufig gar keinen schriftlichen Verlagsvertrag gibt. Das weiß auch die VG Wort. Denn die Verlage hatten gar kein Interesse, in schriftliche Verlagsverträge Abtretungsklauseln aufzunehmen, weil das für ihre Beteiligung durch die VG Wort völlig unnötig war. Warum hätten sie die Autoren darauf hinweisen sollen, dass die Verlage die Hälfte der VG Wort-Ausschüttungen einfach so einkassieren?

Verleger müssen gegenüber der VG Wort nicht einmal behaupten, Inhaber wahrzunehmender Rechte zu sein

Wie wenig sich die VG Wort bei ihrer Verteilungspraxis um die Rechtslage kümmert, zeigt ein Blick in ihre Verteilungspläne. Jeder Urheber, der seine Werke bei der VG Wort meldet, hat seine Erfahrungen mit dem mühsamen Ausfüllen der Meldeformulare. Mit diesen Einzelmeldungen belegt der Autor, welche urheberrechtlich geschützten Beiträge er verfasst hat und welche entsprechenden Rechte er damit der VG Wort zur treuhänderischen Wahrnehmung überträgt. Verlage könnten solche Einzelmeldungen im Rahmen ihres Unternehmens sehr viel einfacher erstellen. Von ihnen werden aber Einzelmeldungen nach den Vorschriften der Verteilungspläne gar nicht verlangt.

Dies bedeutet: Verleger müssen der VG Wort gegenüber nicht einmal durch Einzelmeldungen behaupten, dass sie bezogen auf bestimmte Werke von den Autoren Vergütungsansprüche erworben haben. Die VG Wort schüttet an Verleger einfach so aus, blind und pauschal. Entgegen ihren Treuhänderpflichten orientiert sie sich bei den Einzelausschüttungen an Verleger nicht daran, ob und welche Rechte bei ihr eingebracht worden sein sollen. Maßgebend sind für sie vielmehr nach der Rechtslage sachfremde Kriterien wie z. B. bei Fachbüchern deren Aufnahme in das Verzeichnis lieferbarer Bücher.

Würde eine rechtmäßige Verteilungspraxis letztlich doch zum Schaden der Autoren ausschlagen?

Die VG Wort ist durch ihre rechtswidrige Verteilungspraxis in eine schwierige Lage gekommen. Sie hat zu Unrecht große Teile des Vergütungsaufkommens pauschal an Verleger ausgeschüttet. Haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen wegen möglicher Veruntreuungen sind nicht ausgeschlossen. Es ist nachvollziehbar, dass die dafür Verantwortlichen äußerst unruhig geworden sind. Die Urheber sollten sich aber von dieser Unruhe nicht anstecken lassen.

Die Behauptung der VG Wort und von Pfennig auf der Website der VG Bild-Kunst, der vom OLG München gerade zu Gunsten des Klägers entschiedene Prozess könne dazu führen, dass ein Großteil der Urheber in Zukunft schlechter als bisher gestellt werde, ist eine grobe Irreführung. Das gegenwärtige Verteilungssystem dient nicht dem Schutz der Autoren, wie VG Wort und VG Bild-Kunst behaupten. Es führt vielmehr zur teilweisen (bis zu hälftigen) Enteignung der Urheber, denen nach dem Unionsrecht zwingend der volle Ertrag des gesetzlichen Anspruchs auf die Gerätevergütung zufließen muss.

Ebenso ist unerfindlich, warum die Schlagkraft der Urheber bei der Durchsetzung der Urheberinteressen leiden müsste, wenn die VG Wort korrekt nur an die Urheber ausschüttet. Die Erfahrung zeigt, dass die Verleger (wie andere Verwerter) schon im eigenen Interesse auf eine Stärkung des Urheberrechts dringen, wenn dies auch für sie nützlich ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sie gegenüber dem Gesetzgeber auch tätig werden, wenn das nur im Interesse der Urheber liegt (z. B. beim Urhebervertragsrecht). Selbst dann, wenn die Verleger so weit gehen sollten, die VG Wort zu verlassen, wäre das für die Urheber alles andere als eine Katastrophe: Bereits das Aufkommen aus der Gerätevergütung (2012: 65,19 Mio Euro), das allein den Urhebern zusteht, genügt, um die VG Wort als schlagkräftige Organisation der Urheber zu erhalten. Für die Urheber würde das bedeuten, dass ihre Verwertungsgesellschaft nicht mehr auf ihre Kosten unsinnige Summen ausgibt, um unter Einsatz teurer juristischer Gutachten und unter Ausschöpfung aller Rechtsmittel Prozesse nur zu dem Zweck zu führen, an den Ausschüttungen an Nichtberechtigte wie die Verleger festhalten zu können. Gewonnen hätten die Urheber eine Verwertungsgesellschaft, die nur für ihre Interessen kämpft.

Nachtrag, 25. November. Urban Pappi, geschäftsführender Vorstand der VG Bild-Kunst, antwortet auf Martin Vogels Vorwürfe in den Kommentaren.

Funktionäre, die unverhohlen gegen die Interessen der Urheber agieren

Martin Vogel kämpft seit vielen Jahren gegen die Praxis der Verwertunggesellschaft VG Wort, pauschal einen erheblichen Teil der Tantiemen, die sie einnimmt, nicht an die Urheber der Werke auszuschütten, sondern an Verlage. Die Autoren würden dadurch in rechtswidriger Weise um Geld gebracht, das ihnen zusteht, argumentierte Vogel, der sich mit dem Thema auskennt. Er wurde dafür von allen Seiten angefeindet und diffamiert, nicht zuletzt auch von den Journalistenverbänden DJV und ver.di. Die Auseinandersetzung bekam eine neue Qualität, als Vogel gegen die VG Wort und ihre Verteilungspläne klagte.

Als ein Gericht im Mai 2012 seine Rechtsposition weitgehend bestätigte, stellte die VG Wort das zunächst noch als „Einzelfall“ dar. Inzwischen hat auch die zweite Instanz die Praxis der VG Wort, pauschal Geld an Verlage auszuschütten, für rechtswidrig erklärt — und nun muss auch die VG Wort einräumen, dass der Prozess ihre seit Jahren praktizierte Arbeitsweise fundamental in Frage stellt.

Die VG Wort wird wohl Revision einlegen und vor den Bundesgerichtshof ziehen. Sie fordert aber nun auch den Gesetzgeber auf, die illegalen Ausschüttungen für die Verlage durch eine Gesetzesänderung zu legitimieren.

Das Urteil wirft insbesondere auch Fragen nach der Rolle der Journalistenverbände DJV und Ver.di auf.

Ein Gastkommentar von Martin Vogel.

Soeben hat das Oberlandesgericht München das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München I bestätigt, mit dem die Verteilungspläne der Verwertungsgesellschaft Wort für rechtswidrig erklärt worden sind, weil sie gegen das Willkürverbot verstoßen. In meinem Rechtsstreit ging es um die Verteilung des Aufkommens der VG Wort aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Autoren, die gesetzlich allein dem Urheber zustehen. Das hat der Gesetzgeber 2002 noch einmal unterstrichen, als er in Paragraph 63a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) bestimmt hat, dass Vergütungsansprüche unverzichtbar sind und im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden können.

Obwohl sie Treuhänderin der Autoren ist, hat die VG Wort sich um diese Gesetzesänderung nicht geschert. Sie hat, obwohl sie die jetzt gerichtlich bestätigte Rechtslage kannte, weiter nach ihrer hergebrachten Verteilungspraxis die Hälfte der Vergütungen u.a. für die private Vervielfältigung von Werken (insgesamt rund 60 Millionen Euro jährlich) den Autoren vorenthalten und an die Verleger dieser Werke überwiesen. Dabei müssen die Verleger nicht einmal behaupten, durch Abtretung des Autors Vergütungsansprüche an den von ihnen verlegten Werke erworben zu haben. Das wäre im Übrigen auch nur zu einem sehr geringen Teil der Fall.

Doch auf vermeintliche Abtretungen kommt es gar nicht mehr an. Denn seit Ende 2002 sind auch nach vorrangigem EU-Recht Vergütungsansprüche des Urhebers unverzichtbar und unabtretbar. Denn der Europäische Gerichthof hat entschieden, dass die gesetzlichen Vergütungen „unbedingt“ beim Urheber ankommen müssen. Eine Abtretung derartiger Ansprüche an Verleger scheidet damit definitiv aus.

Trotz der eindeutigen Rechtslage konnte sich der Vorstand der VG Wort, der bestrebt war, alles beim Alten zu belassen, auf die Berufsverbände und die Gewerkschaften der Urheber verlassen. Denn als es darum ging, die Verteilungspläne der Gesetzesänderung von 2002 anzupassen, stimmten die Mitglieder von ver.di und dem Deutschen Journalistenverband — entsprechend angeleitet von ihren Rechtsberatern — einstimmig dafür, nicht entsprechend der geänderten Rechtslage zu verteilen. Die Mitglieder der Verbände der wissenschaftlichen Autoren taten es ihnen gleich. Einmal ging die Abstimmung über die Beibehaltung der alten Verteilungspläne 120:1 aus, ein anderes Mal 80:1 aus. Toll, haben sich der Vorstand der VG Wort und die Berufsverbände der Autoren gesagt.

Alles blieb also wie bisher, das heißt, der Vorstand hat seine Ruhe, die Verleger bekommen ihren Anteil, die Berufsverbände der wissenschaftlichen Autoren wie der Deutsche Hochschulverband erhalten weiterhin erhebliche unberechtigte Zahlungen aus der Kasse der VG Wort und der Deutsche Journalistenverband und ver.di samt ihrer Unterverbände sehen sich in ihrer Bedeutung gestärkt. Zudem wurde unter wortgewaltigem Einsatz des Vorsitzenden des Deutschen Schriftstellerverbandes in ver.di eine Bestimmung in die VG-Wort-Satzung eingefügt, nach der dem Verleger für seine verlegerische Leistung ein entsprechender Anteil am Ertrag der VG Wort zusteht. Grotesk! Als könnten treuhänderisch gebundene Vereine kurzerhand durch Satzungsbeschluss den Berechtigten die Hälfte ihrer Vergütung wegnehmen und an Nichtberechtigte ausschütten. Dabei haben das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof keinen Zweifel daran gelassen, dass nur derjenige etwas erhalten kann, der auch Rechte in die Verwertungsgesellschaft einbringt, und dass sich die Verteilung nicht nach Satzungsbestimmungen richtet, sondern allein nach dem Wahrnehmungsvertrag.

Ende 2007 kam es auf Betreiben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zu einer Änderung des Paragrafen 63a des Urhebergesesetzes. An den vorausgehenden Anhörungen des Justizministeriums nahmen selbstverständlich auch die Vertreter von VG Wort, GEMA und VG Bild-Kunst sowie Repräsentanten von DJV und ver.di teil. Alle waren mit der Gesetzesänderung einverstanden, nach der Urheber — entgegen dem bereits geltenden EU-Recht — wieder eine Abtretung an Verleger vornehmen und damit die Verwertungsgesellschaften weiterhin an Verleger ohne Rechtsnachweis verteilen können sollten. So unterbreitete ver.di in seiner Stellungnahme zur geplanten, 2007 endlich beschlossenen Gesetzesänderung folgenden Vorschlag:

„Verwertungsgesellschaften, in denen Urheber und Verwerter gemeinsam vertreten sind, können beschließen, dass die Verwerter im Hinblick auf ihre Leistung angemessen beteiligt werden.“

Dieser Vorschlag bezieht sich klar auf die Situation in der VG Wort, in die eben die Verleger keine eigenen Rechte, insbesondere keine Leistungsschutzrechte, sondern nur abgeleitete Rechte einbringen.

Es war also Absicht, dass damit alles so bleiben würde wie bisher und die Urheber das verlieren sollten, was ihnen der Gesetzgeber von 2002 gewährt hat und das EU-Recht bekräftigt. Neben ver.di hat auch der DJV hinter den Kulissen für die Beibehaltung des Status quo gearbeitet und mir als Mitglied bei meiner Klage gegen die VG Wort den üblichen Verbandsrechtsschutz versagt, weil dies nicht den Interessen des DJV entspreche.

Nach dem Urteil des OLG München haben die Gewerkschaften und Berufsverbände der Urheber Erklärungsbedarf. Warum haben sie seit 2002 trotz der für ihre Mitglieder positiven Auswirkungen des Paragrafen 63a Urhebergesetz darauf hingearbeitet, gesetzlich zu legitimieren, dass den Urhebern weiterhin nur die Hälfte des auf ihre Werke entfallenden Vergütungsanteils ausgeschüttet wird, diese also massiv geschädigt werden? Immerhin geht es um mindestens 500 Mio Euro, die den Kreativen in GEMA, VG Wort und VG Bild-Kunst seit 2002 durch die rechtswidrigen Verteilungen ihrer Gesellschaften entgangen sind.

Der DJV beklagt, dass die VG Wort bei einem Erfolg der Klage nicht mehr weiterexistieren könne wie bisher. Andere Funktionäre, die die Schädigung der Autoren zu verantworten haben, äußern sich ähnlich. Als hätte sich das Gesetz nach den Statuten der VG Wort zu richten — und nicht umgekehrt!

Am 2.10.2013 hat die Gewerkschaft ver.di eine merkwürdige Pressemitteilung veröffentlicht. Darin heißt es:

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) verwahrt sich gegen falsche Behauptungen, wonach sie „zusammen mit der VG Wort“ und anderen Beteiligten „2007 eine Änderung des Paragrafen 63a Urhebergesetz durchgesetzt“ habe, die das Abtreten von Vergütungsansprüchen an Verlage wieder erlaubte.

Und weiter:

Behauptungen, die diese Tatsachen in ihr Gegenteil verkehren, akzeptieren wir nicht und behalten uns im Wiederholungsfall ausdrücklich vor, auch juristisch gegen entsprechende Falsch-Berichterstattung vorzugehen.

Es ist nicht zum ersten Mal, dass ver.di versucht, durch Klageandrohungen die öffentliche Diskussion ihr unangenehmer Tatsachen und Meinungen im Zusammenhang mit dem Paragraphen 63a zu unterbinden. Offenbar ist dies ihr letztes Mittel, die Öffentlichkeit darüber hinwegzutäuschen, dass es maßgeblich die Verbände der Urheber waren, die dafür verantwortlich zeichnen, dass die Urheber auch weiterhin nur die Hälfte der ihnen kraft Gesetzes zustehenden Vergütung erhalten. Was freilich den Funktionären der Verbände und Gewerkschaften passt, nützt noch lange nicht deren Mitgliedern. Ver.di schürt zur Rechtfertigung ihrer Mitwirkung an der Schädigung der Autoren, die durch die Entscheidung des OLG München offenbar geworden ist, nun Zweifel:

Ob ein letztinstanzlicher Erfolg dieser Klage am Ende „mehr Geld für die Autoren“ bedeute, wie in einem Teil der
Berichterstattung prognostiziert, oder doch nur neuen Streit, sei derzeit völlig offen.

heißt es in ihrer Pressemitteilung, als könnten die Autoren nicht eins und eins zusammenzählen und als käme es auf die Einhaltung des Treuhandgrundsatzes gar nicht an.

In diesem Kontext lohnt ein Blick auf die Website der „Initiative Urheberrecht“, in der sich die meisten Urheberverbände zusammengeschlossen haben und die jährlich einen beträchtlichen Betrag von der VG Bild-Kunst erhält. Ein Teil der Funktionäre der in der Initiative zusammengeschlossenen Verbände wird sich nun in ihrer Eigenschaft als frühere Vorstände oder Verwaltungsratsmitglieder der einschlägigen Verwertungsgesellschaften für die unrechtmäßige Verteilung verantworten müssen.

Dort agiert der frühere Vorstand der VG Bild-Kunst als Sprecher und fordert im Namen der angeschlossenen Verbände, dass die Urheber von ihrer Kunst leben können müssen (wie das bei solchen freischaffenden Urhebern gehen soll, deren Werke nicht nachgefragt werden, verrät er nicht). Was freilich ist von solchen Funktionären zu halten, die eine derart großspurige Forderung erheben, aber den Urhebern bereits jetzt das vorenthalten, was ihnen von Gesetzes wegen zusteht, ja die sogar jetzt unverhohlen gegen die Interessen und mit dem Geld ihrer Wahrnehmungsberechtigten vom Gesetzgeber fordern, ihre bisherigen Veruntreuungen zu legitimieren?

Die VG Wort gibt 8 aufs Wort. Aufs Geld und aufs Recht vielleicht nicht so.

Erinnern Sie sich an die merkwürdige Kampagne, die die VG Wort vor einigen Wochen zum Urheberrecht gestartet hat, über die sie keine Auskunft geben wollte? Es stellt sich heraus: Das lag an mir.

· · ·

Anfang Juni bin ich nach München gefahren, zur Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten der VG Wort. Einmal im Jahr stellen sich die Verantwortlichen bei dieser Veranstaltung mit sichtlichem Widerwillen den Leuten, für die sie theoretisch arbeiten.

Ich bin dorthin gefahren, um auf diesem Wege zu versuchen, doch noch Antworten zu bekommen.

Und tatsächlich. Robert Staats, geschäftsführender Vorstand der Verwertungsgesellschaft, beantwortete meine Fragen. Die Kampagne „Wir geben 8 aufs Wort“ habe bisher „knapp unter 40.000 Euro“ gekostet, sagte er. Das seien „keine besonders hohen Kosten“. Die Kampagne sei „sehr erfolgreich“, habe „erhebliche Klickzahlen“: „über 10.000 — das sind doch viele Aufrufe!“

(Zum Vergleich: Dieses Blog hatte im gleichen Zeitraum 335.228 Seitenaufrufe. Das Video mit dem Beitrag des nicht völlig unprominenten Kolumnisten Harald Martenstein zur Kampagne, das vor fünf Wochen veröffentlicht wurde, ist seitdem 2-mal täglich angesehen worden.)

Konzipiert wurde die Aktion mit dem Titel „Wir geben 8“ nach Staats Worten von einer Arbeitsgruppe der VG Wort, die paritätisch mit Urheber- und Verlegervertreter besetzt gewesen sei. Die Initiative dazu sei vom Verwaltungsrat ausgegangen.

Bleibt die Frage, warum diese Informationen so geheim waren, dass ich eigens nach München reisen musste, um sie zu bekommen. Staats Antwort:

Es war vielleicht ein bisschen die Form der Frage, mit Verlaub, die uns etwas hat zurückhaltend sein lassen.

Wenn Sie sich selbst ein Bild davon machen wollen, wie unziemlich ich meine Anfrage formuliert hatte, können Sie sie hier im Wortlaut nachlesen. Meinen Wortwechsel mit Herrn Staats auf der Versammlung können Sie hier nachlesen.

· · ·

Dass die VG Wort schon auf eine so läppische Anfrage wie meine durch Totstellen reagiert, sagt viel aus über die allgemeine Kommunikationsunfähigkeit und -unwilligkeit dieses Vereins. Die Versammlung Anfang Juni im Künstlerhaus am Lenbachplatz war in dieser Hinsicht eine eindrucksvolle Veranstaltung.

Die VG Wort ist so etwas wie die Gema für Texte. Sie kassiert zum Beispiel von Copy-Shop-Betreibern, Festplattenherstellern und Bibliotheken Pauschalen und verteilt diese als Tantiemen an Urheber und Verlage, deren Werke vervielfältigt oder verbreitet werden. Knapp 170.000 Schriftsteller, Journalisten und Wissenschaftler profitieren davon; gut einhundert „Wahrnehmungsberechtigte“ waren gekommen.

Entscheiden konnten sie nichts, aber Fragen stellen an die Verantwortlichen. Die erste war so naheliegend wie abwegig: Könnte man vielleicht diese schlechte Laune abstellen? „Ihr macht uns wirklich nicht glücklich“, rief eine extrovertierte Frau mittleren Alters den Griesgramen auf dem Podium zu. „Es kommt von euch nichts Herzliches, Verbindliches, Warmes.“ Die Angesprochenen reagierten mit Lächelversuchen, die die Frau so kommentierte: „Jetzt wird ein bisschen geschmunzelt, das ist aber bloß Unsicherheit.“

Das war richtig, aber nicht hilfreich.

· · ·

Die VG Wort ist 1958 von Verlegern und Journalisten gegründet worden und versucht gerade, im 21. Jahrhundert anzukommen. Seit kurzem verschickt sie zur Ausschüttung der Tantiemen nicht mehr Schecks in sechsstelliger Zahl mit der Post durch das Land, sondern hat ein modernes Verfahren entdeckt, das sich „Banküberweisung“ nennt. Weiters gab der Vorstand bekannt, dass die VG Wort Anfang des Jahres eine „Arbeitsgruppe Zukunft“ ins Leben gerufen habe.

Die Zukunft scheint, verglichen mit der Vergangenheit, generell nicht der beste Freund der VG Wort zu sein. Dabei ist das Modell, das ihr zugrunde liegt, eigentlich gerade in digitalen Zeiten attraktiv: Als „eine Art ‚Kulturflatrate'“ bezeichnet sie selbst das Modell, dass Kopien von Werken für private Zwecke erlaubt sind und durch Pauschalen abgegolten werden.

Doch diese Pauschalen müssen mit jedem Industriezweig, mit jedem potentiellen Ort der Vervielfältigung verhandelt werden. Der Geschäftsbericht, den Geschäftsführer Robert Staats vortrug, war im Kern eine Aufzählung von teils jahrelang anhängigen juristischen Verfahren, endlosen Verhandlungen und kaum einem Anlass für Optimismus.

· · ·

Der größte Schlechte-Laune-Generator aber ist ein Prozess, der das Vorgehen der VG Wort grundsätzlich in Frage stellt. Martin Vogel, ein Patentrichter und Experte der komplexen Materie, wirft dem Verein vor, das Geld der Urheber zu veruntreuen, indem er pauschal eine Hälfte der Vergütungen den Verlegern gibt. In erster Instanz bekam er recht. Die VG Wort ist in Berufung gegangen.

Wegen des unsicheren Ausgangs hat die VG Wort die Ausschüttung der Tantiemen erst einmal wieder verschoben, was nicht zur guten Stimmung der Empfänger beiträgt, die auf ihre jährlichen Schecks — oder neuerdings gar Überweisungseingänge — warten müssen und überwiegend Vogel als Bösewicht in dem Drama ausgemacht haben, obwohl der sich als Kämpfer für die Sache der Urheber versteht.

Vogel war erstaunt, dass sie ihn überhaupt in den Saal gelassen hatten, und nutzte die Gelegenheit zu ein paar provozierenden Fragen. Zum Beispiel der, wieviel Geld die VG Wort bisher für Gutachten ausgegeben hat, die ihre Position in dem Prozess stützen sollen. Es ist Geld, das die Ausschüttungen mindert, und zwar möglicherweise um einen deutlich sechsstelligen Betrag.

Vogel meint, dass die VG Wort Geld nimmt, das eigentlich den Urhebern zusteht, um damit eine rechtliche Position zu stützen, die den Interessen der Urheber schadet. Selbst wenn man diese Meinung nicht teilt, könnte man die Frage nach den Kosten für die Gutachten für legitim halten. (Insbesondere auch, weil Vogel seinerseits den Rechtsstreit ganz allein, ohne solchen Etat und ohne Rückgriff auf eingekaufte Expertise bestreitet.)

Die Herren von der VG Wort hielten sie nicht für legitim. Sie redeten sich in Rage. Sie meinten, Vogel als Kläger in diesem Prozess hätte nun wirklich kein Recht, diese Frage zu stellen. (Als ich die Frage dann hilfsweise wiederholte, schien das aber auch nicht zu helfen.)

Nein, die VG Wort sah keine Veranlassung, Rechenschaft abzulegen. Lutz Franke, der Vorsitzende des Verwaltungsrates, kündigte aber düster an: „Hinterher werden wir abrechnen, und dann werden Sie sehen, wieviel Geld Ihnen verloren gegangen ist.“

(Verloren gegangen, so die Insinuation, durch die Boshaftigkeit eines einzelnen Querulanten. Nicht dadurch, dass ein Fachmann und Betroffener den legitimen Weg gegangen ist, auf sein Recht zu pochen, und damit offengelegt hat, wie erstaunlich wackelig die verlegerfreundliche Rechtsgrundlage der VG Wort ist.)

Als ein Kollege und Delegierter der Wahrnehmungsberechtigten versuchte, die Gemüter zu beruhigen, aber sagte, dass auch er die Geheimniskrämerei nicht verstehe, musste er sich vom VG-Wort-Mann abkanzeln lassen: „Sie sind hinter den Diskussionsstand zurückgefallen.“

Was für ein sympathischer, kommunikativer Verein.

· · ·

Das Oberlandesgericht München will sein Urteil über die Klage von Martin Vogel gegen die VG Wort am 25. Juli verkünden.

Mehr über die Hintergründe des Prozesses habe ich im vergangenen Jahr fürs „Medium Magazin“ aufgeschrieben.

VG Wortlos: Das Schweigen der Treuhänder

Die VG Wort verweigert jede Auskunft über die Hintergründe ihrer fragwürdigen Kampagne zum Urheberrecht. Sie sagt nicht, was sie gekostet hat. Sie sagt nicht, wie sie finanziert wurde. Sie will nicht einmal sagen, von welchem VG-Wort-Gremium sie beschlossen wurde.

Immerhin das weiß ich nun, nach siebenmaligem Nachfragen und drei Wochen Wartezeit: dass ich keine Antworten bekomme. Selbst die Frage, ob die VG Wort zu diesem Thema keine Auskunft gibt, wollte mir Pressesprecherin Angelika Schindel zunächst nicht beantworten. Gestern Abend nun schrieb sie mir immerhin:

Wir haben Ihren Blog zur Kenntnis genommen und sehen keine Veranlassung, weitere Auskünfte zu geben.

Ursprünglich hatte sich die VG Wort zu der Äußerung hinreißen lassen, die Aktion „Wir geben 8 (auf das Urheberrecht)“ sei „in den Gremien der VG WORT ausführlich beraten und beschlossen“. Schon die schlichte Nachfrage, um welche Gremien es sich konkret handele, ließ den Verein verstummen.

Das lässt mich befürchten, dass die VG Wort einen guten schlechten Grund hat, etwas zu verheimlichen. Mindestens beweist es ein Selbstverständnis, das mich erstaunt und empört.

Die Verwertungsgesellschaft nimmt eigentlich treuhänderisch für mehrere Hunderttausend Urheber wie mich Verwertungsrechte wahr. Es ist nicht ihr Geld, das sie verwaltet, sondern unser Geld.

Und dieser Verein, der ein Monopol auf diese Aufgabe hat, sieht „keine Veranlassung“, einfache Fragen der Menschen, deren Rechte er vertreten muss, über den Umgang mit diesem Geld zu beantworten?

(Wird fortgesetzt.)

Die VG Wort gibt 8, bräuchte aber was auf die 12

Die VG Wort will mir nicht sagen, ob eine ärgerliche Kampagne, in der sie die Debatte um die Zukunft des Urheberrechts auf unterstem Niveau festzementiert, womöglich von mir mitbezahlt ist.

Die VG Wort ist so etwas wie die Gema für Texte und eigentlich eine gute Idee. Als Verwertungsgesellschaft sammelt sie unter anderem die Urheberrechtsabgaben ein, die pauschal zum Beispiel beim Kauf von Kopiergeräten, DVD-Rohlingen und USB-Sticks erhoben werden, und schüttet sie an die Autoren aus. Auf diese Weise erhalten die Urheber einen Ausgleich dafür, dass Konsumenten ihre Werke für private Zwecke vervielfältigen dürfen.

Vor drei Wochen nun hat die VG Wort eine neue „Kommunikationsplattform“ gestartet, mit der sie sich „verstärkt für die Rechte der Autoren und Verlage einsetzen“ will. Unter wir-geben-8.net hat sie „8 Positionen zum Urheberrecht“ veröffentlicht und lässt mehrere Prominente erklären: „Wir geben 8 aufs Wort.“

Es handelt sich um eine Art Remake der organisierten Aufschreie
„Mein Kopf gehört mir“ und „Wir sind die Urheber“ aus dem vergangenen Jahr und dokumentiert in ähnlicher Weise den Willen, komplexen Problemen durch Pauschalurteile und Platitüden zu begegnen.

Eckart von Hirschhausen witzelt:

Ich will weiter im Land der Dichter und Denker leben, nicht in einem Land der Markierer und Einfüger.“

Nele Neuhaus steuert unter anderem einen Satz bei, der doof, aber wenigstens nicht originell ist:

„Was nichts kostet, ist nichts Wert.“

Den Vogel aber schießt Denis „Blackface“ Scheck ab, der beim Gehen in die Kamera spricht:

„Der Pirat, schrieb Cicero, ist ein Feind aller Menschen: communis hostis omnium. Heute, 2000 Jahre später, gibt es neue Piraten, die sich an den Urheberrechten von Autoren vergreifen. Dagegen sollten wir uns alle wehren. Gegen alte Feinde helfen altbewährte Mittel.“

Das ist das vollständige Zitat von Scheck.

Was möchte der ARD-Moderator uns mit diesen Worten sagen? Worin bestehen die „altbewährten Mittel“ und wie „helfen“ sie, um das Urheberrecht zu schützen?

Man weiß, was Cicero meinte: Piraten sind keine normalen Feinde. Sie stehen außerhalb der Gemeinschaft der Menschen. Sie sind die Terroristen seiner Zeit. Die üblichen Regeln beim Umgang mit Kriegsgegnern gelten nicht. Im Kampf gegen sie ist jedes Mittel recht.

Wenn man also gutwillig unterstellt, dass Denis Scheck einen Beitrag zur Urheberrechtsdebatte leisten wollte, dann ist dies sein Beitrag zur Urheberrechtsdebatte: Der Kampf gegen Schwarzkopierer soll ohne Rücksicht auf Verluste geführt werden.

Ich habe bei der VG Wort nachgefragt, ob das auch ihre Position ist, dass im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen jedes Mittel recht ist, und inwiefern das „hilft“.

Nach kaum mehr als zehn Tagen rang sich Pressesprecherin Angelika Schindel zu einer Antwort durch:

Sowohl Inhalt als auch Form der Kampagne „Wir geben 8 aufs Wort“ wurden in den Gremien der VG WORT ausführlich beraten und beschlossen.
 
Autoren und Verleger äußern sich mit ihren persönlichen Botschaften zum Thema „Urheberrecht“ auf der Plattform. Die VG WORT kommentiert diese Stellungnahmen nicht, sondern freut sich über alle Autoren und Verlage, die sich im Rahmen dieser Aktion für das Urheberrecht einsetzen.

Ich übersetze das mal frei mit: Solange sich die Prominenten irgendwie „für“ das Urheberrecht aussprechen (was immer das bedeuten mag), ist der VG Wort jeder Unsinn recht.

Dirk von Gehlen schreibt über Schecks Beitrag:

Er hat die Anschlussfähigkeit eines Brunftschreis in einem artfremden Gehege. Hier will jemand ein Revier markieren, ohne zu bemerken, dass diese Markierung alle Grenzen überschreitet. Selbst wenn die Aussage — weniger gewitzt — einfach nur gelautet hätte „Urheberrecht find ich gut“ (von dem Format sind andere Beiträge auf der Seite), krankt sie aber noch an einem zweiten Problem: Sie ist keine Antwort auf die Herausforderung. Denn natürlich ist das Urheberrecht wichtig, darüber streitet in Wahrheit niemand. Die Auseinandersetzung muss im Sinne einer offenen Gesellschaft über die Frage geführt werden, welche Durchsetzungsmaßnahmen die Gesellschaft für angemessen hält — und wie man die Akzeptanz des Urheberrechts steigert. Und hier wird das ganze Dilemma der 8-geben-Kampagne (übrigens auch eine Website für Kleintierpflege) offensichtlich: Die Wortmeldungen auf der Seite legen nahe, der Herausforderung der digitalen Kopie sei allein und zuvorderst durch moralische Kampagnen zu begegnen.

Die VG-Wort-Kampagne ist deshalb ärgerlich, und für mich ganz besonders, weil ich einer der „mehr als 400.000 Autoren“ bin, deren Rechte und Ansprüche die VG Wort verwaltet und in deren Namen sie scheinbar spricht. Meine Frage, welche VG-Wort-Gremien konkret die Kampagne „beraten und beschlossen“ haben, hat die Pressesprecherin bislang nicht beantworten wollen.

Immerhin bekam ich von ihr eine Art Antwort auf die Frage, warum die VG Wort sich überhaupt berufen fühlt, politische Kampagnen zu fahren — in ihrer Satzung fand ich keinen Hinweis darauf, dass das ihre Aufgabe ist. Frau Schindel verweist mich auf das „Handbuch des Urheberrechts, Loewenheim, 2. Auflage, S. 789 ff.“, wonach zu den „selbstverständlichen Aufgaben von Verwertungsgesellschaften auch die Verfolgung gemeinsamer Ziele der von uns vertretenen Berufsgruppen“ gehöre. Die VG Wort nehme deshalb „regelmäßig Stellung zu laufenden Gesetzgebungsverfahren oder urheberrechtspolitischen Diskussionen“ und sei „insoweit ein wichtiger Ansprechpartner für Ministerien, politische Parteien, Verbände etc.“

Bleibt noch die Frage, wer diese vergurkte Kampagne bezahlt. Ich habe die VG Wort vor drei Wochen gefragt, wieviel die Aktion kostet, aus welchen Mitteln sie finanziert wird und ob sie die Ausschüttungen an die Wahrnehmungsberechtigten (wie mich) mindert. Frau Schindel hat die Frage nicht beantwortet; nicht einmal die Nachfrage, ob sie mir die Fragen nicht beantwortet.

Im Kampf für die Verlage und gegen die Wahrheit

Roland Pimpl, der Hamburg-Korrespondent der Medien- und Marketing-Fachzeitung „Horizont“, hat in der vorigen Ausgabe ein flammendes Plädoyer geschrieben gegen die „Missachtung dessen, was Verlage eigentlich so machen“.

Er staunt, dass Autoren wie „Don Alphonso“, Thomas Knüwer und ich uns angeblich „stets mit Furor an der Verlagswirtschaft abarbeiten“, aber „dann, wenn’s ums Geldverdienen geht, nun doch gerne mal an eines dieser ewiggestrigen Häuser binden“. Er lobt, was die Verlage alles tun und wie sie die Aufmerksamkeit für unsere Texte und unsere Einnahmen erhöhen. Und damit hat er auch nicht grundsätzlich Unrecht, außer dass er so tut, als täten die Verlage das uneigennützig und nicht, weil es ihr Geschäft ist.

Pimpl folgert daraus, dass es richtig und gerecht und notwendig ist, dass die Verlage ein eigenes Leistungsschutzrecht bekommen. Und dass sie auch in Zukunft einen Teil des Geldes bekommen, das zum Beispiel die Hersteller von Kopierern und Betreiber von Copy-Shops dafür zahlen müssen, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte auf ihren Geräten vervielfältigt werden.

Diese pauschalen Vergütungen sammelt die Verwertungsgesellschaft VG Wort ein und schüttet sie an die Urheber aus — gibt aber einen erheblichen Teil (bei der sogenannten „Reprographieabgabe“ 30 Prozent) vorher an die Verlage weiter. Diese Praxis hat das Landgericht München in einem (noch nichts rechtskräftigen) Urteil vor einigen Monaten in Frage gestellt.

Roland Pimpl schreibt nun in seinem Plädoyer für die Verlage, dass es aufgrund ihrer Leistungen, von denen auch der Autor profitiert, „nur recht und billig ist, dass ebenso die Verlage an VG-Wort-Ausschüttungen beteiligt werden“

Denn, nur noch mal zur Erinnerung: Kein Autor, kein Journalist, kein Schreiber muss einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abschließen. Man kann auch auf eigene Faust nach Zweitnutzungen seiner Texte fahnden und Tantiemen eintreiben — dann würde der Verlag erstmal außen vor bleiben. Und, nochmals, man muss auch nicht für einen Verlag schreiben, sondern kann auch seine eigene Website betreiben — und dann alle Inhalte großherzig und netzweltig zum Kopieren freigeben. Viel Spaß mit diesem Geschäftsmodell, liebe Kollegen!

Der Schluss ist natürlich reine Polemik. Aber die Sätze davor zeugen von erschreckender Ahnungslosigkeit.

Man kann als Urheber eben nicht auf eigene Faust die Vergütungen für das Kopieren seiner Texte etwa in Copy-Shops eintreiben. Das ist auch nicht, wie Pimpl auf meine Nachfrage behauptet hat, bloß eine Frage der Praktikabilität, sondern des Gesetzes.

Im Urheberrechtsgesetz heißt es in Paragraph 54h:

Die Ansprüche nach den §§ 54 bis 54c, 54e Abs. 2, §§ 54f und 54g können nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.

Zu den genannten Ansprüchen gehören die Vergütungen für Hersteller und Betreiber von „Speichermedien“ wie Kopierern.

Um es mit der VG Wort selbst zu sagen:

Der Vergütungsanspruch der Urheber für Vervielfältigungen ihrer Werke zum privaten und eigenen Gebrauch ist im UrhG (§§ 54 – 54 h) geregelt.

Der Vergütungsanspruch kann allerdings nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Hier beginnt die Zuständigkeit der VG WORT. Sie legt die Vergütungshöhe fest, stellt Tarife auf und schließt Gesamtverträge mit den Verbänden der Vergütungspflichtigen ab.

Ich kann die mir als Urheber (und nicht dem Verlag) zustehenden Vergütungen also nur bekommen, wenn ich einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abschließe. Dann muss ich aber in Kauf nehmen, dass die VG Wort einen Teil des mir als Urheber (und nicht dem Verlag) zustehenden Geldes an die Verlage weiterreicht.

Dem Hamburg-Korrespondenten der Medien- und Marketing-Fachzeitung „Horizont“ scheint das nicht bekannt zu sein. Auch auf meinen Einspruch hin wiederholte er in verschiedenen, aber gleichermaßen falschen Variationen:

Sie als Autor müssen keinen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abschließen, sondern Sie können Ihre laut Gesetz Ihnen als Urheber zustehenden Vergütungen auch alleine eintreiben. Das heißt: Bei allen Copyshops kontrollieren, wer Ihre Texte kopiert und Ihre Ansprüche geltend machen. (…) Mir ist schon klar, dass das kaum praktikabel ist, weil die Transaktionskosten für jeden einzelnen Autor höher sind als die zu erwartende Vergütung. Für eine saubere Diskussion ist es aber wichtig festzuhalten: Es ist (de jure) möglich – aber eben ineffizient. (…)

Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob es „gerecht“ ist, dass die Verlage einen Teil der Einnahmen abbekommen, wenn Autoren freiwillig (!) die VG Wort mit der Wahrnehmung ihrer Rechte betrauen. (…)

Unabhängig davon, wie man zum Leistungsschutzrecht und zur Verlagsbeteiligung an den Ausschüttungen der VG Wort steht, ist Pimpls Argumentation sachlich falsch.

Nun hätte ich mich daran vermutlich nicht so abgearbeitet, wenn der Axel-Springer-Oberlobbyist Christoph Keese, der in seiner Freizeit für seinen Arbeitgeber bloggt, diesen Artikel nicht stolz zweitveröffentlicht hätte. Weil Pimpls „pointierter Text“ nach seiner Meinung „illustriert, was Verlage tun und welchen Beitrag in der Wertschöpfungskette sie erbringen“.

Keese hatte schon im März dieses Jahres zunächst falsch behauptet: „Geräte- und Kopierabgaben fließen nur den Autoren zu, nicht den Verlagen.“

Und nun veröffentlicht er diesen Text mit diesem zentralen sachlichen Fehler. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hat Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer „Public Affairs“ der Axel-Springer-AG, keine Ahnung, wie die VG Wort funktioniert. Oder er schreckt nicht davor zurück, die Unwahrheit zu verbreiten, wenn sie der Sache seines Verlages und der Verlage insgesamt dient.

Einer gegen die VG Wort: Martin Vogel und die zweifelhaften Ansprüche der Verlage

Medium Magazin

Es ist ein ungleicher Kampf. Auf der einen Seite die deutschen Verlage, die großen Journalistenverbände und -gewerkschaften, die Verwertungsgesellschaften sowie womöglich sogar zigtausend Journalisten, die in diesem Sommer keinen Scheck von der VG Wort bekamen. Und auf der anderen Seite Martin Vogel, 65 Jahre alt, Urheberrechtsexperte und Patentrichter in München.

Die einen warnen davor, das bestehende System der Verwertungsgesellschaften zu gefährden, verweisen auf Tradition und Gewohnheit und darauf, dass doch alle irgendwie ganz gut damit fahren, so wie es ist. Und der andere sagt: So wie es ist, widerspricht es aber dem Gesetz.

Es geht um das Geld, das die VG Wort von Kopiergeräteherstellern und Copy-Shops einsammelt, um die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werken zu vergüten: die Reprographieabgabe. Diese Einnahmen schüttet sie nämlich nicht nur an die Urheber aus, sondern beteiligt daran mit 30 bis 50 Prozent auch die Verlage. Die Verlage haben die VG Wort mit begründet; die Gemeinsamkeit sollte sie auch stark machen.

Doch sie haben nach Ansicht von Vogel gar keinen Anspruch, der eine Beteiligung rechtfertigen würde. Das Geld, zig Millionen Euro jährlich, stünde allein den Urhebern zu.

Die Materie ist kompliziert, und es macht die Sache nicht leichter, dass viele Beteiligte schon seit vielen Jahren an dem Streit beteiligt sind. Die juristischen Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen verschiedener Interessen werden überlagert von persönlichen Verletzungen. Vogel ist in der Rolle eines einsamen Querulanten — oder wird, je nach Standpunkt, in sie gedrängt. Aber er gehört zu den renommiertesten deutschen Urheberrechtlern, und seine Positionen und Interpretationen sind keineswegs die exotischen Minderheitenmeinungen, als die seine Gegner sie darstellen.

Es ist ein bisschen anstrengend, mit ihm zu reden. Fast jede Frage, die auf die Gegenwart zielt, beantwortet er mit einem Exkurs in die Vergangenheit. Für ihn ist es so etwas wie seine Lebensaufgabe geworden. „Ich habe einen Großteil meiner Freizeit in diese Arbeit gesteckt, um für die rechtliche Besserstellung der Urheber zu kämpfen.“

Er hat für die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin am sogenannten „Stärkungsgesetz“ mitgewirkt, mit dem die rot-grüne Koalition 2002 die Position der Kreativen gegenüber den Verwertern verbessern wollte. In einem neuen Paragraph 63a wurde darin festgehalten, dass Urheber auf ihre Ansprüche aus der Reprographie-Vergütung nicht verzichten und sie nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten können. Damit konnten Verlage sich diese Rechte nicht mehr von den Autoren übertragen lassen und bei der VG Wort geltend machen. Als Folge wurde in einem Kompromiss — ebenfalls erst nach Druck von Martin Vogel — beschlossen, den Verlegeranteil an den Ausschüttungen zögernd und schrittweise zu reduzieren.

Doch die Verlagsvertreter erreichten es, dass der Paragraph 63a revidiert wurde. In einer Neufassung, die 2008 in Kraft trat, wurde ausdrücklich erlaubt, dass Urheber ihre Verwertungsrechte an Verleger abtreten können, wenn diese wiederum sie in die VG Wort einbringen. Dadurch sollte die langjährige Praxis der VG Wort, die Verlage nach vorgegebenen Pauschalanteilen an den Erlösen zu beteiligen, wieder legitimiert werden.

Martin Vogel kritisiert die Neufassung als Schwächung der Position der Urheber — meint aber, dass diese Neufassung es der VG Wort trotzdem nicht erlaubt, einfach zu ihrer alten Praxis zurückzukehren. Viele Urheber hätten einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort geschlossen, was die spätere Abtretung ihrer Vergütungsansprüche an einen Verlag ausschließe. Deshalb könne die VG Wort nicht einen Teil der Zahlungen, die den Autoren zustehen, einfach an die Verlage weiterreichen.

Nach mehreren Versuchen, eine außergerichtliche Regelung zu finden, klagte er. Der DJV, bei dem er Mitglied ist, lehnte es ab, ihm Rechtsschutz zu gewähren, aber Vogel fand einen Weg, den Streitwert und damit seine Kosten gering zu halten: Er klagte nur wegen acht Artikeln, die er selbst verfasst hatte, gegen die VG Wort. Im Mai gab ihm Landgericht München I in erster Instanz recht.

Die VG Wort scheint das Urteil völlig unerwartet getroffen zu haben — „obwohl ihr die Klage seit Dezember vorlag“, wie Vogel sagt. Die Entscheidung stellt ihre Praxis — obwohl es sich nicht um einen Musterprozess handelt — fundamental in Frage. Die VG Wort kündigte daraufhin an, bis nach einer genauen Prüfung zunächst gar kein Geld auszuschütten, was den Nebeneffekt hatte, dass Martin Vogel nun für viele Autoren nicht derjenige war, der für ihre Rechte stritt, sondern derjenige, der Schuld war, dass sie erst einmal kein Geld bekamen.

Interessensvertreter wie Gerhard Pfennig, bis Ende 2011 Vorsitzender der VG Bild-Kunst, versuchten, Stimmung gegen Vogel zu machen: „Dass die von vielen nicht beamteten, sondern freiberuflichen Urhebern dringend benötigten Zahlungen der VG Wort und der VG Bild-Kunst jetzt erst einmal auf längere Zeit ausbleiben werden, muss einen Patentrichter, für den die Zahlungen bestenfalls die Weihnachtsgans finanzieren, nicht weiter stören, sofern es nur der Wahrheitsfindung dient“, schrieb Pfennig im Mai in einem Leserbrief an die „Süddeutsche Zeitung“. Er versuchte darin, Vogels Kampf gegen die Verteilungspraxis der VG Wort als einen persönlichen Rachefeldzug darzustellen, weil ihm der „gewünschte Aufstieg in die Verwaltungsgremien versagt blieb“.

Auch Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes schürten öffentlich die Wut auf Vogel. Michael Hirschler, Referent für Freie Journalisten, nannte das Urteil eine „Katastrophe für die freien Journalisten“ und spielte deren angenommene chronische Geldknappheit gegen das vermutete Auskommen des Patentrichters Vogel aus. „Wohlbestallter Richter kippt die Autorenzahlungen der VG Wort“, polterte Hirschler in einem DJV-Blogeintrag, nannte Vogel „mutmaßlich wohlversorgt“ und schimpfte, er dürfe „wohl weniger finanzielle Sorgen haben“ als die Urheber, die er um ihr Geld bringe — „und spielt zugleich den Unschuldigen“.

Es ist erstaunlich, in welchem Maß die Gewerkschaften für die Interessen der Verleger zu kämpfen scheinen. DJV-Justiziar Benno H. Pöppelmann aber bestreitet das und sagt, der Verband kämpfe bloß für den Erhalt der VG Wort in der jetzigen Form. „Es geht uns dabei um die Interessen der Autoren. Wenn dieses Urteil rechtskräftig wird, könnte die VG Wort so nicht weiter existieren.“ Bis ein Ersatz etabliert sei, könnte es Jahre dauern „und die ganze Ausschüttung zum Stillstand kommen.“

Zunächst läuft sie wieder. Ende August hat die VG Wort schließlich doch das Geld an Urheber (und Verlage) ausgezahlt — unter Vorbehalt und „unter Hinweis auf mögliche Rückforderungen“, falls die Entscheidung des Gerichtes Bestand hat. Tatsächlich kann es sein, dass in diesem Fall nicht nur die Verlage, sondern auch die Autoren Geld zurückzahlen müssen. Dann nämlich, wenn sie die ihnen eigentlich zustehenden Wahrnehmungsrechte schon an die Verlage abgetreten haben — was aber nach Meinung Vogels auch gegen geltendes Recht verstoßen kann.

Das Urteil, das Martin Vogel erstritten hat, kann also dafür sorgen, dass einige Urheber nicht mehr Geld von der VG Wort bekommen, sondern gar keins. Auch dafür wird er von Gewerkschaftsvertretern verantwortlich gemacht, dabei wäre das eine Folge der Neufassung des Paragraphen 63a, an der sie mitgearbeitet haben. „Ich bin der Sündenbock dafür, dass die diesen Mist gemacht haben und ich das aufgedeckt habe“, sagt Vogel.

Von „zivil- und urheberrechtlichem Formalismus“ spricht ver.di-Justiziar Wolfgang Schimmel. Martin Vogel sagt: „Die VG Wort muss ihre Strukturen dem Gesetz anpassen, nicht umgekehrt.“

Bestätigt sieht Vogel seine Position auch durch das sogenannte „Luksan“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach die Zahlungen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen originär dem Urheber zustehen. Die Praxis der VG Wort, die Verleger daran pauschal zu beteiligen, wäre nach Vogels Ansicht demnach auch nach europäischem Urheberrecht unzulässig.

Gegenwind bekommen die Verwertungsgesellschaften auch aus Brüssel: Die EU-Kommission hat einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der von ihnen viel größere Transparenz fordert.

Die VG Wort hat gegen das Münchner Urteil Berufung eingelegt. Für „zigtausend Euro“ habe sie dafür Gutachten eingeholt, sagt Vogel — Geld, das wiederum eigentlich den Urhebern zustehe. „Warum sollten die Urheber das mitfinanzieren“, fragt er, „wenn es doch nach der Lukas-Entscheidung und nach nationalem Urheberrecht allein um die vermeintlichen Rechte der Verleger geht.“