Schlagwort: Willi Winkler

Denn sieh, das Schlechte liegt so nah!

In einem langen, girlandenreichen Artikel empört sich Willi Winkler heute in der „Süddeutschen Zeitung“ darüber, dass der Spiegel-Verlag online „altnazistische Rechtfertigungsliteratur“ verkaufe. Es geht um das Buch „Denn der Hass stirbt…“, die Memoiren von Léon Degrelle, dem Gründer der faschistischen Rexisten Belgiens, SS-Standartenführer und unverbesserlichen Nationalsozialisten.

Und, Tatsache:

Winkler schreibt und schäumt, verweist auf „Spiegel“-Artikel, die Degrelle und sein Umfeld unmissverständlich charakterisieren, und fragt: „Wie kommt es nur, dass der ‚Spiegel‘-Leser mehr weiß als der Verlag des Magazins“, der den Shop anbietet?

Gute Frage. Apropos:

Na sowas. Davon steht gar nichts in der „Süddeutschen“.

„Spiegel Online“ zickt entsprechend zurück und verweist darauf, dass man — wie die Konkurrenz — mit dem Großbuchhändler Libri kooperiere und dessen Sortiment einfach in den eigenen Shop übernehme. Dass darunter auch Bücher seien, die man eigentlich nicht anbieten wolle, sei „leider nicht zu umgehen“.

Nicht? Es wäre ganz leicht zu umgehen. Man müsste bloß aufhörern, auf irgendwelche Inhalte, die nicht die eigenen sind und über die man keine Kontrolle hat, das eigene Logo zu kleben, um kurzfristig noch den letzten Cent abzugreifen — egal, was das langfristig für den Wert eben dieses Logos bedeutet.

Nachtrag, der Vollständigkeit halber: Dasselbe Buch gibt’s natürlich auch im FAZ.net-Buchshop.

Nachtrag, 14. Mai. Die „Süddeutsche“ meldet heute „In eigener Sache“:

Die Süddeutsche Zeitung hat auf ihrer Medien-Seite am Mittwoch unter der Überschrift „Klick ins Schnäppchen-Reich“ darüber berichtet, dass der Spiegel-Verlag mit dem Buchhandels-Grossisten Libri kooperiert und deshalb über die Homepage www.spiegel.de auch Bücher von „Nazi-Helden“ erhältlich sind. So seien dort unter anderem Léon Degrelles Denn der Hass stirbt… oder Schriften von Hans-Ulrich Rudel oder Hanna Reitsch zu kaufen. Unerwähnt blieb in dem Artikel, dass das Geschäftsmodell des Spiegel-Shops auch in anderen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen üblich ist, unter anderem im Süddeutschen Verlag. So sind die Bücher Degrelles, Rudels oder Reitschs auch im Internet-Shop der SZ oder über einen Link dorthin auf der Homepage der Süddeutschen Zeitung (www.sueddeutsche.de) erhältlich, ebenso wie in Buchhandlungen oder im Versandhandel. Die Redaktion bedauert, dass der Hinweis auf den SZ-Shop in der Berichterstattung fehlte.

Nachtrag, 15. Mai. Den Original-Artikel von Willi Winkler hat sueddeutsche.de ohne Erklärung gelöscht. Auf den Unterseiten ihres Jugendmagazins „jetzt“ hat die „Süddeutsche Zeitung“ ihn dagegen — unkorrigiert, natürlich — belassen. Das sind echte Internet-Profis, die da arbeiten. (via Ralf Schwartz)