Schlagwort: Wolfgang Röhl

Und jährlich grüßt das Murmeltier

Dann war da noch Wolfgang Röhl, der beim „Stern“ für das lautstarke Einrennen offener Türen zuständig ist. Auf stern.de ärgert er sich wieder einmal darüber, dass ARD und ZDF dauernd nur alte Filme wiederholen. Sein Artikel wiederholt (was ungewollt selbstironisch wirkt) sämtliche schon unendlich oft wiederholten Klischees über die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die mit den Milliarden aus dem „Zwangsgebührenpool“ lieber Mitarbeiter und teure Dienstwagen bezahlen als „Inhalte“. Röhl recycelt auch fröhlich Versatzstücke eines eigenen „Stern“-Artikels aus dem Jahr 2001, inklusive des lustigen Wortes „Couch-Kartoffel“, der damals mit den Sätzen begann:

Es lebe die Grundversorgung. Das Erste bombardierte uns im Drei-Nullen-Jahr mit einem Teppich aus vergilbten Tatorten, darunter die schätzungsweise 45. Wiederholung der „Reifeprüfung“. Ansonsten wurde vom ersten Bond bis zum letzten Bronson alles recycelt, was nach der zigsten Abspielung gar nicht erst wieder ins Archiv geschafft worden war.

Aber die Klage über die endlosen Wiederholungen lässt sich natürlich endlos wiederholen, es ist ein Text, den ein recherche- und gedankenscheuer Journalist in nullkommanix produzieren kann und dafür jedesmal wieder Beifall bekommen wird.

Es war nur keine gute Idee, dass Röhl es diesmal nicht bei vagen Mutmaßungen beließ („schätzungsweise 45. Wiederholung“), sondern seinem Text eine lange Liste von konkreten Beispielen für Filmwiederholungen bei ARD und ZDF beifügte:

Die Hitliste des Grauens

Unter den kinematografischen Reservisten, die das öffentlich-rechtliche Bezahlfernsehen immer gern an die Unterhaltungsfront schickt – oft mehrmals im Jahr – besuchen uns besonders diese alten Bekannten alle naselang:

Ich habe mir mal ein paar dieser, höhö, „kinematografischen Reservisten“ rausgepickt, die ARD und ZDF angeblich dauernd zeigen.

  • „Die Vögel“
    läuft seit 2004 jährlich auf Vox, zuletzt an Heiligabend.

  • „Für eine Handvoll Dollar“
    lief 2007, 2005, 2003, 2002, 2001 auf Kabel 1; 1999, 1998 auf Pro Sieben; 1997, 1996 auf Kabel 1; 1995, 1994 auf Pro Sieben; 1993, 1991 auf Sat.1.
  • „Für ein paar Dollar mehr“
    lief 2007, 2005, 2003, 2002, 2001 auf Kabel 1; 1999, 1998 auf Pro Sieben; 1997, 1996 auf Kabel 1; 1995, 1994 auf Pro Sieben; 1993, 1992 auf Sat.1
  • „Hatari“
    lief 2009 auf Das Vierte; 2007, 2006, 2004, 2003, 2002 auf Kabel 1; 2001, 2000 auf Sat.1; 1999 auf Kabel 1; 1997 auf Pro Sieben; 1997, 1996 auf Kabel 1; 1995 auf Pro Sieben; 1994, 1992, 1989 auf Sat.1.

  • „Der Flug des Phoenix“
    lief 2009 zweimal auf Das Vierte; 2008 auf arte; 2006, 2005, 2003 auf Kabel 1; 1998 im ZDF.

  • „Papillon“
    lief tatsächlich in diesem Jahr dreimal (!) auf arte; aber davor: 2008 (zweimal), 2007, 2004, 2003, 2001 auf Kabel 1; 2001 auf Sat.1; 2000 auf Kabel 1, 1999, 1998, 1996, 1995 auf Pro Sieben; 1994, 1992 auf Sat.1.

  • „Die toten Augen von London“
    lief 2008 auf Das Vierte; 2007, 2006, 2002, 2001, 2000, 1998, 1996, 1995, 1994 auf Kabel 1.

  • „Der längste Tag“
    lief 2009 auf Das Vierte; 2009, 2008, 2005, 2004, 2003, 2002, 2001 auf Kabel 1; 1999 im ZDF.

  • „Der Marathon-Mann“
    lief 2008 auf Kabel 1; 2007 auf Sat.1, 2006, 2004, 2002, 2001, 2000, 1999 auf Kabel 1; 1997, 1995 auf Sat.1; 1994 auf Kabel 1; 1993, 1992, 1991 auf Pro Sieben; zuletzt 1989 in der ARD.

  • „Der Klient“
    lief 2009 auf Vox; 2007 mehrmals auf Tele 5; 2006 auf Kabel 1; 2005 auf Pro Sieben; 2004 auf Sat.1; 2004 auf Kabel 1; 2003, 2002, 2001, 2000, 1999, 1998 auf Pro Sieben.

usw. usf.

Ich habe mir nicht jeden Punkt angesehen, aber es ist eine wilde Liste mit einigen richtigen und vielen falschen Beispielen — teilweise erinnert sich Röhl nicht einmal richtig an die Titel der angeblich dauernd laufenden Filme. Sogar, dass das HR-Fernsehen gerade eine Serienrarität wie „Privatdetektiv Frank Kross“ von 1971 ausgegraben und nach Jahrzehnten erstmals wieder ausgestrahlt hat, rührt er in seine besinnungslose Klage über die öffentlich-rechtliche Dauerwiederholerei.

Er irrt auch, wenn er behauptet, dass „kaum ein Streifen – abgesehen vom ‚Tatort‘-Klassiker ‚Reifezeugnis‘ mit Nastassja Kinski – im deutschen Fernsehen so oft abgenudelt“ wurde wie „Telefon“ mit Charles Bronson: Die Ausstrahlung von „Telefon“ im Oktober im ZDF wurde von Fans sehnsüchtig erwartet, weil der Film [Nachtrag: abgesehen von einem Wiederholungsrausch auf Tele 5 zwischen 2006 und 2008] vergleichsweise selten läuft (und schon länger nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen). Und der Ausstrahlung von „Reifezeugnis“ ging eine immerhin vierjährige Sendepause voraus, was einem jetzt auch nicht lang vorkommen muss, aber doch länger als die vollmundige Behauptung, diese Schinken liefen „oft mehrmals im Jahr“.

Röhls Wiederholungstext ist das beste Beispiel für gefühlte Recherche: Er meint zu wissen, was alles dauernd bei ARD und ZDF läuft. Warum sollte er sein Gefühl irgendwo mal überprüfen? Warum sollten seine Beispiele stimmen müssen, wenn er doch weiß, dass seine These stimmt?

Röhl ist übrigens ständiger Gastautor der „Achse des Guten“. Da passt er hin.