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Grüner wird’s nicht: „Frontal 21“ sagt es durch die Blume

Ich möchte wetten, dass in den Redaktionsräumen von „Frontal 21“ beim ZDF in jedem Büro der Spruch „Vordergrund macht Bild gesund“ eingerahmt an der Wand hängt. Und ich möchte weiter wetten, dass die Kamerateams von „Frontal 21“ zum Dreh eigene Grünpflanzen mitbringen, nur für den Fall, dass vor Ort keine vorhanden sind.

Ich hab das jetzt nicht weiter recherchiert. Ich bin nur gestern beim Zappen zufällig in den „Frontal 21“-Bericht über die Zumutung der Schufa-Auskunft geraten, dessen Schlüsselszenen ich im Folgenden dokumentieren möchte:















 

Nachtrag, 24. Juli. Es stellt sich heraus: Der „Frontal 21“-Beitrag war nur die Kurzform einer halbstündigen „ZDFzoom“-Sendung zum Thema. Oder anders gesagt:












Screenshots: ZDF

Warum der Manipulations-Skandal beim ZDF nur halb überraschend ist


Illustration: Dennis Horn

Wenn Oliver Fuchs, der Unterhaltungschef des ZDF, die Sache mit dem ADAC ein bisschen verfolgt hat, fängt er vielleicht schon mal an, private Dinge aus seinem Büro in Kartons zu packen. Denn wer auch immer da konkret die Entscheidung getroffen hat, die Umfrage-Ergebnisse bei der Wahl von „Deutschlands Besten“ zu manipulieren — die Verantwortung dafür liegt mindestens bei ihm.

Ich hätte jetzt einerseits nicht gedacht, dass in der Redaktion einer solchen Sendung tatsächlich plump von Hand die Ergebnisse verändert werden. Dass da Leute sitzen, die Sachen sagen wie: Komm, die Hannelore Kraft sitzt bei uns auf dem Sofa, lass uns die doch vor die von der Leyen schieben, ist doch viel netter. Und: Beckenbauer auf der 31? Das tut ihm doch weh. Das ist doch nicht schön. In die Top-Ten muss der mindestens. Und: Dass der RTL-Kloeppel vor unserem Kleber gelandet ist, muss doch keiner wissen, hier, zack, Platztausch.

Andererseits ist es, gerade wenn man die Shows gesehen hat, sowas von gar keine Überraschung, dass die Leute, die diese Sendungen gemacht haben, auf den Gedanken gekommen sind, das Ergebnis zu schönen.

Es war eine unglaubliche Lobhudelei, und das lag keineswegs nur an Moderator Johannes B. Kerner. Es gab an ungefähr keiner Stelle den Versuch, die „bedeutenden Menschen“ angemessen zu würdigen, sondern nur blinde blöde Verklärung. Tatsächlich ist es angesichts der Verklärung von Franz Beckenbauer zur „Lichtgestalt des deutschen Fußballs“ ein Wunder, dass er von der Redaktion nur auf Platz 9 (von 31) hochmanipuliert wurde und nicht gleich auf Platz 2 hinter dem vermutlich unvermeidlichen Helmut Schmidt.

Die Sendung war durchdrungen vom Willen zur Schönfärberei. Hinzu kam dann mindestens Dilettantismus — wenn es stimmt, wie das ZDF jetzt behauptet, dass der Redaktion erst im Laufe des Verfahrens auffiel, dass es schwer ist, eine repräsentative Umfrage in irgendeiner sinnvollen Form mit den Ergebnissen einer Abstimmung per Internet und Postkarte (!) zu kombinieren.

Wenn man das Verfahren eh schon klammheimlich ändert, warum nicht dann noch die Ergebnisse so anpassen, dass sie den Anwesenden gut gefallen und ihnen noch mehr schmeicheln, als es die Worthülsen Kerners und der Redaktion ohnehin tun?

In der Pressemitteilung des ZDF ist immer die Rede davon, dass es „die Redaktion“ war, die die diversen Entscheidungen getroffen und die Listen gefälscht habe. Ob damit die Verantwortlichen im Sender oder in der Produktionsfirma gemeint sind, bleibt offen. Das schöne Schlimme an der ganzen Sache ist: Es bleibt irgendwie in jedem Fall im Haus. Die Produktionsfirma Riverside Entertainment gehört indirekt je zur Hälfte dem ZDF und dem NDR. (Besitzer sind zu 49 Prozent die ZDF-Tochter ZDF Enterprises und zu 51 Prozent Studio Hamburg Productions, eine Tochter der Studio Hamburg GmbH, eine Tochter der NDR Media GmbH, eine Tochter des NDR.)

Und dann bleibt festzuhalten, dass das ZDF die Öffentlichkeit wiederholt falsch über die Umstände des Votings informiert hat. Die Darstellung in der Pressemitteilung widerspricht der vorherigen Pressemitteilung, die wiederum der vorherigen widersprach — und das sind nur die Varianten nach den ersten Zweifeln an dem Voting. Im Mai hatte das ZDF behauptet, dass das Publikum auf der Grundlage einer von Forsa repräsentativ ermittelten Auswahl von je 100 Männern und Frauen online abstimmen könne. Tatsächlich hatte der Sender zu diesem Zeitpunkt längst eine zweite Forsa-Umfrage durchführen lassen, von der aber öffentlich noch nicht die Rede war. In der ersten Sendung sprach Kerner von einer Kombination von Forsa-Umfrage und Internet-Abstimmung; am Anfang der zweiten Sendung ließ er das Internet weg. Am Wochenende nach der Sendung sagte das ZDF, das Ranking sei allein durch zwei Forsa-Umfragen zustande gekommen. Am vergangenen Dienstag sagte Unterhaltungschef Oliver Fuchs, es seien „Ergebnisse des Zuschauer-Votings mit den Ergebnissen der Forsa-Umfrage vermischt“ worden. Nun ist von den Zuschauer-Votings keine Rede mehr, sondern nur noch von einer gezielten Manipulation der Forsa-Zahlen.

Auch dieses Kommunikationswirrwarr erinnert an den ADAC-Skandal. Den Gedanken, dass das alles nur an irgendeinem kleinen Redakteur lag, der nun womöglich „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ fürchten muss, halte ich für abwegig.

ZDF räumt ein: Bei „Deutschlands Beste“ wurde gezielt manipuliert

Es ist alles noch viel schlimmer.

Es gab nicht nur irgendwelche methodischen Probleme bei den Prominenten-Sortier-Shows „Deutschlands Beste“, die das ZDF vorige Woche gezeigt hat, nicht nur ein Kommunikationschaos und Pannen. Es gab laut ZDF gezielte Manipulationen. Diejenigen Prominenten, die zu Gast in den Sendungen waren, wurden demnach künstlich auf bessere Positionen gesetzt, als es den Umfrageergebnissen entsprach.

Franz Beckenbauer wurde von der Redaktion nicht nur zur „Lichtgestalt des deutschen Fußballs“ verklärt, sondern von Platz 31 auf Platz 9 verschoben. ZDF-Nachrichtenmann Claus Kleber (in der Sendung) kletterte von Platz 39 auf Platz 28, dafür wurde der RTL-Nachrichtenmann Peter Kloeppel (nicht in der Sendung) entsprechend nach unten durchgereicht.

Ursula von der Leyen musste ihren eigentlich vierten Platz räumen für Hannelore Kraft, die zu Gast in der Sendung war und eigentlich Fünfte war. Michael „Bully“ Herbig kletterte von 42 auf 36. Die Gäste hätten von alldem nichts erfahren.

ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler sagte in einer Pressemitteilung:

„Die Veränderungen am Ergebnis der Forsa-Umfragen sind ein grober Verstoß gegen die Programmrichtlinien des ZDF. Das ist nicht zu rechtfertigen und schadet der Glaubwürdigkeit des ZDF. Daher werden auch arbeitsrechtliche Konsequenzen geprüft. Wir werden dem Fernsehrat außerdem spezifische Regeln für Voting-Shows vorlegen. Ein zentraler Bestandteil wird die Transparenz der Ergebnisse und der Befragungsmethode sein. Ich entschuldige mich bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern, bei allen, die an den Abstimmungen teilgenommen haben, wie auch bei den betroffenen Prominenten.“

Claus Kleber twittert:

Männer:

Name Forsa ZDF
Helmut Schmidt 1 1
Hans-Dietrich Genscher 2 2
Richard von Weizsäcker 3 3
Günther Jauch (Gast) 4 4
Joachim Gauck 5 5
Wolfgang Schäuble 6 11
Helmut Kohl 7 7
Papst Benedikt XVI 8 8
Michael Schumacher 9 10
Frank-Walter Steinmeier 10 6
Hape Kerkeling 11 12
Günter Grass 12 13
Mario Adorf 13 14
Sebastian Vettel 14 15
Jogi Löw 15 16
Uwe Seeler 16 17
Armin Müller-Stahl 17 18
Ulrich Wickert 18 19
Thomas Gottschalk 19 20
Peter Maffay 20 21
Dirk Nowitzki 21 22
Gerhard Schröder 22 23
Frank Elstner 23 24
Thomas Südhof 24 25
Hellmuth Karasek 25 26
Gregor Gysi 26 27
Peter Kloeppel 27 39
Jürgen Klopp 28 29
Sigmar Gabriel 29 30
Herbert Grönemeyer 30 31
Franz Beckenbauer (Gast) 31 9
Manuel Neuer 32 32
Sepp Maier 33 33
Götz George 34 34
Christoph Waltz 35 35
Jan Hofer 36 42
Joschka Fischer 37 37
David Garrett 38 38
Claus Kleber (Gast) 39 28
James Last 40 40
Oliver Welke 41 41
Michael „Bully“ Herbig (Gast) 42 36
Reinhard Mey 43 43
Jan Josef Liefers 44 44
Peer Steinbrück 45 45
Philipp Lahm 46 46
Roland Emmerich 47 47
Siegfried Lenz 48 48
Hubert Burda 49 49
Horst Seehofer 50 50

Frauen:

Name Forsa ZDF
Angela Merkel 1 1
Steffi Graf 2 2
Magdalena Neuner 3 3
Ursula von der Leyen 4 6
Hannelore Kraft (Gast) 5 4
Silvia Neid 6 7
Barbara Schöneberger 7 8
Senta Berger 8 9
Hildegard Hamm-Brücher 9 10
Helene Fischer 10 5
Rita Süssmuth 11 11
Iris Berben 12 12
Nena 13 13
Margot Käßmann 14 14
Maria Höfl-Riesch 15 15
Rosi Mittermaier (Gast) 16 16
Marietta Slomka 17 17
Anke Engelke 18 18
Nadine Angerer 19 19
Friede Springer 20 20
Maria Furtwängler 21 21
Anne Will 22 22
Christiane Nüsslein-Volhard 23 23
Anne-Sophie Mutter 24 24
Katarina Witt (Gast) 25 25
Andrea Henkel 26 26
Elke Heidenreich 27 27
Birgit Prinz 28 28
Andrea Berg 29 29
Ruth-Maria Kubitschek (Gast) 30 30
Dagmar Berghoff 31 31
Maybrit Illner 32 32
Ina Müller 33 33
Hannelore Elsner 34 34
Renate Künast 35 35
Claudia Roth 36 36
Sandra Maischberger 37 37
Caren Miosga 38 38
Cornelia Funke 39 39
Kati Wilhelm 40 40
Uschi Glas 41 41
Anni Friesinger-Postma 42 42
Heide Simonis 43 43
Annette Frier 44 44
Katrin Müller-Hohenstein 45 45
Sahra Wagenknecht 46 46
Claudia Pechstein 47 47
Martina Hill 48 48
Franziska van Almsick 49 49
Jutta Speidel 50 50

Was für das ZDF die Nachricht des Tages war


Matthias (links), Norbert (rechts).

Für die Leute vom ZDF gibt es nichts wichtigeres als die Quote. Und so war es für sie vermutlich selbstverständlich, die „heute“-Sendung um 19 Uhr am Mittwoch mit dieser Nachricht zu beginnen:

Matthias Fornoff: Guten Abend liebe Zuschauer, herzlich Willkommen. Am Tag nach dem Wunder von Belo Horizonte spielt König Fußball natürlich auch bei uns eine wichtige Rolle, Norbert.

Norbert König: Ja.

Fornoff: Und — es war ja auch ein Quotenrekord.

König: Ja. Also, nie in der Geschichte des deutschen Fernsehens, muss man einfach mal so sagen, haben mehr Menschen vor dem Bildschirm gesessen und dieselbe Sendung gesehen als gestern Abend. 32,57 Millionen haben Gänsehaut bekommen. Und wir auch, beim 7:1-Spektakel gegen Brasilien.

Muss man einfach mal so sagen. Wofür sonst hat man schließlich eine Nachrichtensendung, wenn man andere nicht gleich am Anfang, noch vor jeder anderen Meldung, an den eigenen Erektionen Erfolgen teilhaben lassen kann.

[via @tagesschauder]

Nachrichten-Wahnsinn pur: Das „heute-journal“, der Nahostkrieg und das WM-Drama

Es zwingt niemand das ZDF, sein „heute-journal“ in die Halbzeitpause eines WM-Spiels zu quetschen. Es könnte es vorher schon ausstrahlen, um 21 Uhr zum Beispiel. Es könnte es auch einfach ausfallen lassen. Aber das ZDF will das „heute-journal“ an solchen Tagen nicht ausfallen lassen oder vorher in der üblichen Länge zeigen. Es will es in die Halbzeitpause quetschen, um auf diese Weise den Zuschauerschnitt der Sendung in die Höhe zu treiben.

Man kann, wenn man sich Quoten dieser Mini-Ausgaben des „heute-journals“ ansieht, eindrucksvolle Durchschnittswerte bilden, und das ZDF macht das auch und sagt dann: „Der Erfolg gibt uns Recht.“ Die Weltmeisterschaft biete die Möglichkeit, „das ‚heute-journal‘ besonders ins Schaufenster zu stellen, wovon die Sendung profitiert, sobald sie nach der WM zur Regelsendezeit zurückkehrt“, sagt das ZDF.

Fast fünf Stunden hat das ZDF gestern Abend von der Fußball-WM berichtet. Knapp elf Minuten dauerte das Halbzeit-„heute-journal“. Das war zu lang, um nicht über die Fußball-WM zu berichten.

Die Sendung begann mit einem kurzen Bericht über die neue Eskalation im Nahen Osten, die Raketen-Angriffe auf Israel, die Offensive im Gazastreifen. Das ZDF schaltete zu seinem Korrespondenten Christian Sievers nach Tel Aviv. Er wirkte etwas mitgenommen und sagte: „Das ist Nahost-Wahnsinn pur.“

„Das ist Schockstarre pur“, sagte Andreas Wunn eine Minute später. Wunn ist der Südamerika-Korrespondent des ZDF. Er hat das Fußball-Spiel im Stadion in Belo Horizonte verfolgt und war herausgekommen, um den „heute-journal“-Zuschauern zu berichten, wie die Stimmung dort bei dem Fußballspiel war, das sie gerade gesehen hatten. Außerdem sollte er ein bisschen in die Zukunft schauen.

Und so füllte das ZDF ein Viertel seiner elf Minuten Alibi-Nachrichtenzeit mit diesem Korrespondentengespräch, das sich unmittelbar an die Schalte zu Christian Sievers anschloss:

Christian Sievers: … das heißt, es wird eine dramatische Nacht werden, nicht nur hier in Israel, sondern auch für die Menschen in Gaza, wo es kein Frühwarnsystem gibt und keine Bunker.

Claus Kleber: Dankeschön, Christian Sievers. Und wir haben inzwischen unseren Südamerika-Korrespondenten, der ständig dort ist, Andreas Wunn, an einem Schaltpunkt vor dem Stadion in Belo Horizonte, er ist aus dem Stadion herausgekommen. Andreas, so hatte niemand den Verlauf der ersten Halbzeit erwartet. Wie reagiert darauf Brasilien jetzt im Stadion, was haben Sie da erlebt, und was wird daraus werden in der Nacht von Brasilien nach dem Spiel, wenn es so weitergeht, noch ist es nicht vorbei.

Andreas Wunn: Also, ich komme in der Tat aus dem Stadion hier hinter mir. Das ist der schiere Schock. Die Brasilianer haben das überhaupt nicht erwartet. Die Stimmung war gut in den ersten Minuten, Sprechchöre, 64.000 Brasilianer, das ganze Stadion in Gelb. Und dann ein deutsches Tor nach dem anderen. Das ist Schockstarre pur, das kann man überhaupt nicht beschreiben. Die Sprechchöre haben dann in den Minuten nach der 30. Minute nach dem 5:0 völlig aufgehört. Und jetzt sieht man hinter mir: Es gibt schon viele Brasilianer, die hier das Stadion verlassen.5:0, das ist eine Schmach für die Brasilianer, das hat man sich so nicht vorgestellt. Man ist hier in das Halbfinale gegangen, um zu gewinnen, um ins Finale zu kommen und Weltmeister zu werden. Und wir hören auch von der Copacabana in Rio de Janeiro: Dort weinen die Menschen, dort strömen die Menschen aus dem Fanfest heraus, sie gehen zur U-Bahn und sie haben überhaupt keine Hoffnung mehr, dass Brasilien das noch rumreißt. Also, das ist Schockstarre pur hier in Brasilien.

Kleber: Im Moment Schockstarre. Sie kennnen Brasilien, Sie kennen die Brasilianer, haben auch vor der WM viel über die Stimmung im Land berichtet, die ja nicht ungeteilter Freude auf diese Weltmeisterschaft geschaut hat. Was wird sich da jetzt bahnbrechen? Können wir da überlegen, ohne da jetzt Teufel an die Wand zu malen?

Wunn: Das ist jetzt die große Frage. Das kann man jetzt noch nicht einschätzen. Der Schock ist so groß, dass sich der Schock, galaube ich, noch nicht in Wut ummünzt. Einen Sündenbock haben die Brasilianer auch schon, das ist die kolumbianische Mannschaft, das ist der kolumbianische Spieler, der Neymar aus dem Turneir gefoult hat. Und ich glaube, dass es, wenn es Aggressionen gibt, das erstmal dorthin kanalisieren werden. Ich sehe jetzt noch nciht, dass es hier zu Ausschreitungen heute abend kommt oder in den nächsten Tagen, aber natürlich ist das eine riesige Enttäuschung und nach all den Problemen bei dieser WM, nach all den Protesten, nach den Korruptionsfällen und nach den Problemen bei der Infrastruktur, ist jetzt — wir haben’s erst nach der ersten Halbzeit, aber ich glaube, viele Brasilianer denken, das ist schon so — ist die WM jetzt vorbei, und all das hat sich nicht gelohnt für die Brasilianer. Das ist, glaube ich, das vorherrschende Gefühl. Und wir müssen jetzt einfach in den nächsten Tagen sehen, was das dann auch auf der Straße bedeutet.

Es war aufgrund dieses „heute-journals“ nicht ganz leicht zu erkennen, wo sich das größere, das purere Drama in jenen Stunden abspielte, im Nahen Osten oder in Brasilien. Es reicht nicht, dass das ZDF die Nachrichten zur Quotenmaximierung in die Mitte eines Fußballspiels gequetscht hat; es muss einen wesentlichen Teil dann auch noch dem Fußball widmen und vors Stadion schalten.

Aber, hey, 84,5 Prozent Marktanteil, 31,8 Millionen Zuschauer, die angeblich zweitmeistgesehene Fernsehsendung in Deutschland aller Zeiten, „der Erfolg gibt uns Recht“, würde das ZDF sagen. Womöglich ließe sich das noch steigern, wenn es eine 30-Sekunden-„Schaufenster“-Version der Sendung produzierte und die in eine der kurzen Spielunterbrechnungen legte, mit Schalte zu einem Moderator im Stadion dann, der sagt, wie die Stimmung vor Ort ist und welche Konsequenzen das mögliche Ergebnis möglicherweise für das Land haben könnte.

Die Quote ist das einzige Kriterium, das das ZDF bei diesen Entscheidungen antreibt. Das kann man auch daran erkennen, dass das ZDF sein „heute-journal“ in den vergangenen Wochen auch an den Tagen verkürzte, an denen es keinen Fußball zeigte. Wenn in der ARD um 22 Uhr ein Spiel begann, endete dann auch vorzeitig das 21:45-Uhr-„heute-journal“. Weil die Quote nach Spielbeginn gesunken wäre und das schlecht für die Durchschnittsquote gewesen wäre und das wiederum schlecht für irgendwelche Jubel-Pressemitteilungen über den schönen Zuschauerzuspruch zum vermeintlichen Nachrichtenflaggschiff des ZDF (gerade auch im Gegensatz zu den „Tagesthemen“, die das nicht so gehandhabt haben). Im Zweifel opfert das ZDF seine Nachrichten gerne nicht nur dem Fußball, sondern vor allem der Quote.

Die Schein-Abstimmungen des ZDF für „Deutschlands Beste“

Fast vier Seiten hatte die Programmzeitschrift „Hörzu“ Anfang Mai freigeräumt, um für die von ihr „präsentierte“ neue ZDF-Ranking-Show „Deutschlands Beste“ zu werben. Sie traf den Moderator und „sympathischen Hamburger“ Johannes B. Kerner zum Interview. Vor allem aber listete sie vollständig die je 100 Frauen und Männer auf, die zur Wahl als „beste“ lebende Deutsche standen, und versprach:

„Wer gewinnt, bestimmen Sie, liebe Leserinnen und Leser.“

Bis zu zehn Kandidaten, die sie am meisten beeindruckten, konnten die Leser angeben, pro Geschlecht maximal fünf. Die Favoriten sollten sie auf eine frankierte Postkarte schreiben und an die „Hörzu“ schicken: „Entscheiden Sie mit, wer ganz vorn dabei ist!“


Einsendeschluss war der 23. Mai 2014.

Es hätte aber keinen Unterschied gemacht, wenn die „Hörzu“-Leser ihre Postkarten erst eine Woche später abgeschickt oder statt in den Briefkasten in den Mülleimer geworfen hätten. Ihre Stimmen hatten keinerlei Einfluss auf das Ergebnis. Zu dem Zeitpunkt, als die „Hörzu“ zur Wahl aufrief, standen die Top 50 längst fest. Das Umfrageinstitut Forsa hatte sie zwischen 24. und 28. April in einer Umfrage für das ZDF ermittelt.

Aber man musste kein „Hörzu“-Leser sein, um mit seiner Stimme das Ergebnis der Wahl nicht zu beeinflussen. Das ZDF selbst rief auch zu einer großen „Online-Abstimmung“ auf und gab in einer Pressemitteilung bekannt:

Bis Sonntag, 1. Juni, können die Zuschauer unter http://www.deutschlandsbeste.zdf.de für ihre Favoriten abstimmen.

Auch diese Ergebnisse hatten keinerlei Einfluss auf das Ranking. Im Nachhinein stellt der Sender das Online-Voting nun auch nicht mehr als Abstimmung dar, sondern als „sendungsbegleitendes Angebot mit Gewinnspiel, in das auch die Stimmen der Hörzu-Leser Eingang fanden“, wie ein Sprecher auf Anfrage erläuterte. Und weiter:

„Da es sich nicht mit dem Ergebnis der Forsa-Erhebungen zu einem gemeinsamen repräsentativen Ergebnis vereinen ließ, wurde es nicht für das Ranking verwendet.“

In den Fernsehshows selbst hatte Johannes B. Kerner noch behauptet, die Reihenfolge sei von Forsa und „im Internet“ ermittelt worden. (Allerdings mit dem schönen Zusatz: „Insofern kann man das schon ’n bisschen ernst nehmen.“)


Foto: ZDF

Auf Twitter behauptete das ZDF noch während der Ausstrahlung, dass „die Netzgemeinde“ abgestimmt hätte: „Die Abstimmung wurde sehr lange auf Twitter, FB [Facebook] und Co beworben.“ Auf Nachfrage erhielten Twitterer immer wieder die Antwort, Grundlage des Rankings sei eine Online-Abstimmung gewesen.

Was für eine sympathische Aktion: Ein öffentlich-rechtlicher Sender generiert Aufmerksamkeit für seine Prominenten-Sortier-Show, indem er seinen Zuschauern und den Lesern einer großen Programmzeitschrift fälschlicherweise vorgaukelt, sie könnten die Reihenfolge mitbestimmen.

Interessant ist auch, wie die Liste der je 100 Namen, aus denen die Top-50-Rankings gewählt wurde, zustande kam. Das ZDF stellt es so dar: In einem ersten Durchgang seien Anfang April 1016 Menschen von Forsa Omninet per Online-Umfrage befragt worden. Sie durften offen jeden Namen nennen. Mit den 100 meistgenannten Namen wurde dann die zweite Forsa-Umfrage (mit 2000 Befragten) durchgeführt, um zu einer Reihenfolge der 50 „Besten“ zu kommen.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie bei diesem Verfahren Namen wie Christiane Nüsslein-Volhard (Nobelpreisträgerin für Medizin 1995) oder Thomas Südhof (Nobelpreisträger für Medizin 2013) auf die Liste gekommen sein sollen. Sie sollen so bekannt sein, dass sie unter den 100 meistgenannten Namen — wohlgemerkt: ohne dass es eine Vorgabe gegeben hätte — landeten? Christiane Nüsslein-Volhard?

Viel wahrscheinlicher finde ich es, dass die Redaktion des ZDF oder der Produktionsfirma Riverside diese Namen mit auf die Liste der angeblichen Top-100 gesetzt hat, damit auch Wissenschaftler die Reihe der Sportler, Politiker und Unterhaltungskünstler bereichern.

Bei einem Sender, der die Zuschauer zur Teilnahme an einer Wahl aufruft, deren Ergebnis längst feststeht, würde mich das auch nicht mehr wundern.

  • Ebenfalls zum Thema:
    Boris Rosenkranz empört sich im „Zapp“-Blog, wie das ZDF seine Zuschauer „verarscht“ hat, und berichtet, dass die „Hörzu“ immer noch davon ausgehe, dass ihre Leser irgendetwas mitbestimmen konnten.

 

Nachtrag, 8. Juli, 16:05 Uhr. Es ist alles noch schlimmer bzw. ganz anders schlimm. Das ZDF erklärt:

„Deutschlands Beste!“ hatte sich in zwei Sendungen vorgenommen, die beliebtesten deutschen Frauen und Männer zu ermitteln. Dazu gab es drei Umfragen, um die Besten-Liste zu erstellen: eine repräsentative Forsa-Befragung, ein Online-Voting sowie einen „Hörzu“-Leseraufruf.

Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass das Online-Voting durch Fan-Gruppen stark beeinflusst worden war. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Redaktion dazu entschieden, sich auf die repräsentative Forsa-Umfrage zu stützen. Wie sich heute bei einer internen Nachprüfung herausstellte, wurden dennoch Ergebnisse des Zuschauer-Votings mit den Ergebnissen der Forsa-Umfrage vermischt.

ZDF-Showchef Oliver Fuchs: „Dieses Vorgehen war methodisch unsauber und somit falsch. Dafür entschuldige ich mich bei unseren Zuschauern, den Teilnehmern der Sendung und bei allen, die abgestimmt haben. Künftig wird das ZDF bei ‚Deutschlands Beste!‘ auf Internet-Votings verzichten und ausschließlich auf repräsentative Umfragen setzen.“

 

Nachtrag, 17:15 Uhr. Nun gibt es auch eine offizielle Stellungnahme der „Hörzu“. Gunther Fessen, Unternehmenssprecher der Mediengruppe Funke:

Die aktuellen Entwicklungen um die Sendung „Deutschlands Beste“ haben uns überrascht: Das „Hörzu“-Team hat selbst erst aus den Medien erfahren, dass die Stimmen ihrer Leser nicht in das endgültige Voting-Ergebnisse eingeflossen sind. Dies hat das ZDF uns gegenüber mittlerweile auch bestätigt. Wir empfinden dieses Vorgehen als höchst befremdlich. Aktuell stimmen wir intern das weitere Vorgehen ab und prüfen eventuelle rechtliche Schritte.

Amnesie vom Besten

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kerner plaudert sich mit seinen Top-Deutschen ins Nichts.

Im ZDF liefen in dieser Woche zwei große Shows, insgesamt 200 Minuten lang, in denen „Deutschlands Beste“ durchgezählt wurden. Ich habe beide gesehen und kann mich an nichts erinnern.

Angeblich saß in der einen Maria Höfl-Riesch auf dem Sofa, ich möchte aber schwören, dass sie in den eineinhalb Stunden nichts gesagt hat, außer einmal kurz, das habe ich aber sofort wieder vergessen. Ich weiß noch, dass ein kleiner Film über Anni Friesinger abrupt abriss, als die Kamera gerade auf ihren Ausschnitt schwenkte, das gab ein kleines Hoho. Am Ende bekamen die Frauen Blumen. Moderator Johannes B. Kerner entschuldigte sich bei Marietta Slomka fürs Überziehen. Und dann war es nicht nur vorbei. Es war, als wäre es nie gewesen.

Das ZDF hat es geschafft, zwei komplett rückstandslose Shows produzieren. Das muss ihm erstmal einer nachmachen.

Zum Glück habe ich mir während des Anschauens Notizen gemacht, so dass ich Teile des Nicht-Geschehens rekonstruieren konnte. Auf der obskuren Grundlage einer Forsa-Umfrage, einem Aufruf der „Hörzu“ und einem Online-Voting (Kerner: „insofern kann man das schon ’n bisschen ernst nehmen“) wurden je einhundert vom ZDF ausgesuchte lebende deutsche Frauen und Männer in eine Reihenfolge gebracht und mit kurzen Schnipselcollagen gewürdigt. Die erste Sendung befasste sich mit Männern, weil man fand, wie Kerner erklärte: „Das schwache Geschlecht möge beginnen.“ Er freute sich über diesen Witz, und das Saal-Publikum lachte.

Kerner versprach „ganz tolle Gäste, die wir eingeladen haben; ganz wertvolle Filme, die wir produziert haben“, und tatsächlich gab es Gäste und Filme. Die Gäste waren fast alle selbst auf der Liste, was immer einen Sonder-Applaus gab, und freuten sich über ihre Platzierung und die Ranking-Nachbarn vor und hinter ihnen. Kerner siezte sie mit Vornamen und stellte ihnen Kerner-Fragen, etwa diese an Claus Kleber: „Klaus, wir haben Joschka Fischer geshen, auf Platz 37 ein Politiker, der sich jetzt aus der Öffentlickeit weitgehend zurückgezogen hat, vielleicht Vorträge hält und hier und da gefragt wird und auch mal was Kluges schreibt, sind die Politiker in Wirklichkeit doch ’n bisschen näher an den Leuten als man so denkt? Weil wir so alle schimpfen auf die Politiker – sind sie wertvoller, als wir glauben?“ Günther Jauch fragte er: „Günther, aus Ihrer Erfahrung jetzt mit der Talkshow am Sonntag: Politiker – besser als ihr Ruf?“ (Jauch reagierte mit einem angestrengten Dreifachschnaufer, was ich auf die Frage bezogen hätte, alle anderen aber auf die Politiker, weshalb Kerner lachend rief: „Reicht schon!“, und das Publikum applaudierte.)

Die Kurzvorstellungen der 50 besten Besten waren so geschnitten, dass man all den Unsinn, der darin gesagt wurde, kaum registrieren konnte. Reinhard Mey wurde als „der Ikarus der deutschen Musik“ vorgestellt, Gregor Gysi als „das personifizierte soziale Gewissen“, und Horst Seehofer als der Name des Selbstbewusstseins. Caren Miosga sei „das charmante Aushängeschild in der toughen ARD-Nachrichtenwelt“, und zu Sandra Maischberger fiel den Textern der Satz ein: „So schön kann Journalismus sein.“

Ob die Video-Schnipsel inhaltlich passten, war ohne Belang, solange sie nur gut zu dem Gesagten aussahen. „Das Engagement für Gleichberechtigung und den Schutz von Minderheiten, das ist Claudia Roths großer Wurf“, sagte der Sprecher, während die Grünen-Politikern mit einem Ball einen Stapel Dosen abräumt – auf denen das Atomkraft-Logo prangt. Zur Illustration, dass Gerhard Schröder wegen des Kosovo-Einsatzes 1998 als Kriegs-Kanzler beschimpft wurde, lief sein Satz: „Die Logik des Krieges hat sich gegen die Chancen des Friedens durchgesetzt“, der allerdings von 2003 ist und sich auf den Irak-Krieg bezieht, dem er sich ja gerade verweigerte. Aber um sich daran zu stören, müsste man sich erst einmal erinnern.

Es war Wohlfühlfernsehen mit den Pointen der fünfziger Jahre, zeitgemäß verpackt als modernes Nichts. „Wir verplaudern uns, das ist schön“, rief Kerner an einer Stelle aus. Er ist beim ZDF wieder zuhause angekommen.

What the funk?! Der Happy-Sound der „ZDFzeit“-Dokus

Es genügt, die Pressefotos zu kennen, die das ZDF zu seinem großen „Duell: McDonald’s gegen Burger King“ anbietet, um einen guten Eindruck davon zu bekommen, was das Problem dieser Sendung und all dieser ZDF-Sendungen ist.


Fotos: ZDF

Ein glücklicher Nelson Müller präsentiert grinsend, als wolle er sich als Produktvorführer bei „Der Preis ist heiß“ bewerben, einen attraktiv hindrapierten Berg von Fast-Food-Produkten. Am Anfang der Sendung fällt der Satz, dass der Test „unter den strengen Augen von Nelson Müller“ stattfinde. Das da oben, das sind in der fluffig-aufschäumten Kuschel-Welt dieser ZDF-Verbrauchersendungen die „strengen Augen“ von Nelson Müller.

Ich habe ZDF-Chefredakteur Peter Frey gefragt, ob es nicht ein Problem ist, dass die Reihe „ZDFzeit“ am Dienstag um 20.15 Uhr anbiedernden „Galileo“-Journalismus betreibt, während RTL plötzlich die investigative Reportage für sich entdeckt hat und damit Burger King ernsthaft in Bedrängnis bringt. Das Interview erscheint morgen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Aber eigentlich muss man sie gesehen haben, die Sendung, und vor allem: gehört.

Was mich mehr noch als alles andere zum Stöhnen bringt, wenn ich mir diese Filme ansehe, ist die Musikauswahl. Mit Ausnahme eines Teils, in dem es um die Arbeitsbedingungen bei Burger King geht und der wirkt, als sei er nachträglich (wegen der RTL-Enthüllungen, deren Urheber das ZDF natürlich verschweigt) hingeschnitten, ist alles mit einem Happy-Sound unterlegt. Damit der Zuschauer nie das Gefühl haben muss, er würde hier mit sowas Lästigem wie Journalismus behelligt, selbst dann nicht, wenn ein paar kritische Sätze fallen.

Es ist nicht nur die übliche Penetranz der musikalischen Verdoppelung des Gesagten und Gezeigten, aber die natürlich auch. Wenn erklärt wird, woraus ein Milkshake gemacht wird, läuft natürlich erst der „Milkshake“-Song von Kelis, dann „Shake, Rattle and Roll“ und schließlich, wenn der Zucker hinzugefügt wird, „Sweets for my Sweets“.

Immer wiederkehrendes Motiv der Sendung ist „Apache“ von Michael Viner’s Incredible Bongo Band, was nicht nur gute Laune macht, sondern auch den behaupteten „Duell“-Charakter illustriert. Optisch hat man da auch keine Kosten und Mühen gescheut:

Verstärkend, womöglich aus Sorge, dass es sonst zu subtil sein könnte, vielleicht aber auch, weil es eine Vorschrift gibt, es in solchen Kontexten als Klischee einzusetzen, folgt dann noch das Hauptthema aus „Zwei glorreiche Halunken“.

Das, immerhin, lässt sich alles erklären. Die Entscheidung, unter die ausführliche Aufdröselung, wieviel verschiedene Fast-Food-Menus kosten, „Get Lucky“ zu legen, ist dann schon rätselhafter, macht aber richtig gute Laune und führt beim Zuschauer sicher zu einem schönen „Ach, das kenn ich“-Gefühl.

Die überglückliche Grundstimmung wird später durch „Happy up here“ von Röyksopp verstärkt. Ich bin ein bisschen überrascht, dass „Happy“ von Pharell Williams nicht vorkam, aber vielleicht habe ich das nur überhört.

Es ist alles funky, mit diesen Burger-Bratereien, und so hören wir: „Theme from Shaft“, Jamiroquai mit „Too Young to Die“, die Commodores mit „Machine Gun“, The Brothers Johnson mit „Strawberry Letter 23“.

McDonald’s ist so nett, Nelson Müller mit dem Kamerateam in die Küche gucken zu lassen, und das ist, nach der Musik zu urteilen, natürlich eine heiße, detektivische Sache: Es erklingt „Der rosarote Panther“. Das ist ein lustiger Kontrast zur tatsächlichen Situation, in der Müller da steht und sagt: „Ich würde gerne wissen, wie wird bei Ihnen ein Burger gemacht.“ Und der McDonald’s-Mann sagt: „Ich würde sagen, dann machen wir direkt einen.“ Die Off-Sprecherin staunt: „Alles sieht besonders aufgeräumt und sauber aus.“

Überhaupt, die Sprecherin! Es ist Rita Ringheanu, und die ist ohne Zweifel eine großartige Sprecherin. Hier scheint sie den Auftrag zu haben, mit mindestens der gleichen Euphorie und Begeisterung zu sprechen, wie sie es tut, wenn sie für die großen Marken Werbespots aufnimmt. „Deutschlands Fast-Food-Liebhaber teilen sich in zwei Große Lager!“, freut sie sich und macht die fehlende Fallhöhe der folgenden 45 Minuten gleich am Anfang deutlich, wenn wir irgendwelche Leute sehen, die Nelson Müller mit Küsschen begrüßt: „Werden die Fans ihrem Lager treu bleiben? Oder wird es Überläufer geben?“ Die Frage „Kümmert es uns?“ hat danke der Energie in Ringheanus Stimme keine Chance.

Selbst Sätze wie „In der Cola von McDonald’s und Burger King wurden Rückstände gefunden“ sagt sie mit einer solchen positiven Energie, dass man fast denkt, das sei doch wenigstens gerecht und irgendwie eine gute Sache.

So moderiert sie mir ihrer Stimme auch, wenn die Punkte für die Unternehmen vergeben werden, alles allzu Kritische weg. „Essens-Zubereitung wie am Fließband mag nicht jedermanns Sache sein“, heißt es dann. „Aber McDonald’s ist immerhin um Transparenz bemüht.“ Eben. Immerhin!

Und die skandalösen Zustände bei der Konkurrenz, die natürlich zu einem Punkt für McDonald’s führen, sind in den Texten von „ZDFzeit“ kein grundsätzliches Problem, kein Prinzip, sondern nur eine Frage des Noch-nicht-ganz-soweit-Seins: „Beim Thema Fairness hat Burger King noch einiges aufzuholen.“

Wenn es zu den Bauernhöfen geht, von denen das Fleisch für die Burger stammt, erschallt fröhlich „Timber“ von Pitbull, und die Kühe, die beim Melken im Kreis auf einer riesigen Scheibe stehen, drehen sich lustig in höherem Tempo, während Daft Punks „Harder Better Faster Stronger“ erklingt.

Und so weiter und so weiter. Ich habe mir aus dem Soundtrack der Sendung noch „Breadcrumbs“ von Thomas Newman notiert, „Thriller“ von Michael Jackson, „Shot me Down“ von Skylar Grey, „Closer“ von den Nine Inch Nails, „Don’t Stop Til You Get Enough“ von Michael Jackson.

Meine Lieblingsstelle ist aber, wenn im Labor die Burger auf propolyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe untersucht werden. Im Hintergrund macht Stevie Wonder besten Party-Funk mit „I Wish“, die Sprecherin sagt gut gelaunt über diese Kohlenwasserstoffe: „Die schädigen das Erbgut und gelten als krebserregend“, und dann setzen die fröhlichen fetten Bläser ein.

Peter Frey konnte überhaupt nicht verstehen, wie ich diese tolle ZDF-Dokumentation, die doch wirklich viele kritische Punkte anspreche, als peinlich, werblich und industrienah empfinden konnte.

„Hammerharte Zensur“: ZDF geht Hassprediger Pirinçci auf den Leim

Es ist gestern also wieder zu einem schlimmen Fall von Zensur gekommen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, zu einem Rückfall in finsterste Zeiten, beziehungsweise einem Vorgeschmack auf die totalitäre Zukunft dieses Landes. Das ZDF lieferte den endgültigen Beweis, dass „das Staatsfernsehen von diesen grün-rot versifften Wichsern beherrscht wird“ und dort inzwischen „hammerharte, primitive Zensur“ herrscht.

Der das sagt, muss es wissen, denn er wurde ihr vermeintliches Opfer: Akif Pirinçci.

Der aus der Türkei stammende Katzenkrimi-Schriftsteller veröffentlicht seit einiger Zeit wortgewordene Hassausbrüche; Texte für Leute, denen verbale Auseinandersetzungen, die nicht einer besinnungslosen blutigen Straßenschlacht gleichen, zu intellektuell sind.

Vor einem Jahr hat er unter dem Titel „Das Schlachten hat begonnen“ von einem „schleichenden Genozid“ geschrieben: Banden mordender junger Muslime zögen durch Deutschland, um die deutschen Männer auszurotten und die deutschen Frauen zu vergewaltigen. Und dass es dafür keine Beweise gebe, sei der beste Beweis: Behörden und Medien hätten sich verschworen, diesen Bürgerkrieg und Völkermord zu verschweigen.

Selbst auf der brachial-liberalen Internetplattform „Die Achse des Guten“, wo der Gastbeitrag erschien, gab es dafür heftigen Widerspruch: Tobias Kaufmann schrieb, er sei „zutiefst erschüttert“, dass ein solcher Text hier erscheinen konnte. Pirinçci habe „samt und sonders Standardrhetorik der NPD und anderer Neonazis“ benutzt.

Nun hat der Schriftsteller seine Wut als Buch veröffentlicht. Es heißt „Deutschland von Sinnen – Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ und führt die Amazon-Bestsellerliste an. Und beim fröhlichen „Mittagsmagazin“ des ZDF dachte man sich: Hey, laden wir den lustigen Mann doch mal ein.

Was dann passierte, hat nichts mit Zensur zu tun. Es war vielmehr eine erschütternde Demonstration, wie unfähig das öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist, mit einem Hassprediger wie Pirinçci umzugehen. Wie überfordert die Verantwortlichen sind. Wie sehr sie solchen Leuten auf den Leim gehen. Und wie sie es schaffen, ihnen immer noch neue Munition zu liefern.

Vorgestellt wird er in einem Filmbeitrag, der mit den Worten endet: „So schonungslos hat noch keiner über Türken in Deutschland geschrieben.“ Damit hat man schon den Ton gesetzt: Pirinçci schreibt „schonungslos“. Das suggeriert, dass er Dinge sagt, die schmerzhaft sind, aber wahr. „Bild“ und andere sprechen da gern ähnlich affirmativ von „Klartext“.

Susanne Conrad, die Moderatorin, hat sich als Gesprächstaktik offenbar vorgenommen, ihn wie ein etwas lärmendes und gelegentlich zu Flatulenzen neigendes possierliches Tier zu behandeln. Man trifft sich in der entspannten Plauderposition in der absurden virtuellen Studiohölle. Sie fragt ihn, was ihm so sehr an Deutschland gefalle, und Pirinçci nutzt die erstbeste Gelegenheit, die kuschelige Atmosphäre aufzubrechen:

Pirinçci: Diese Wälder. Das ist so ein grünes Land. Wahnsinn. Leider wird ja durch diese grüne Ideologie die Wälder nach und nach wieder abgeholzt, damit man da Windmühlen hinstellen kann oder sowas. Also, diese Quatschenergie, dieser erneuerbare oder verteuerbare Energie-Mist.

Oh, hoppla. Hoppla? Nein, Frau Conrad entscheidet sich, das als kleinen Provokationsrülpser zu ignorieren und fährt lächelnd fort.

Conrad: Bleiben wir aber doch nochmal bei der Erfahrung, die Türken hier in Deutschland machen. Bei Ihnen ist das offenbar alles gut gelaufen …

(Lustig, ich habe gerade den gegenteiligen Eindruck, aber gut.)

Conrad: … aber es gibt, gerade oft in der dritten Generation, junge Menschen, die fühlen sich zerrissen. Die haben das Gefühl, sie sitzen kulturell, aber auch sprachlich zwischen allen Stühlen. Was ist denn da schief gelaufen?

Pirinçci: Da ist gar nichts schief gelaufen, die fühlen sich auch nicht zerrissen, sowas gibt’s in Wirklichkeit gar nicht. Das reden sie den Deutschen nur ein, damit sie von hinten bis vorne bedient werden, ja? (…) Das sind eigentlich Quatschbehauptungen von Soziologen, dass sie sich innerlich zerrissen fühlen würden, dass wenn sie über die Straße gehen, sich fragen würden: Bin ich ein Türke oder ein Araber oder ein Deutscher, oder sowas.“

Pirinçci entwickelt dann die These, dass Soziologieinstitute sich den „ganzen Blödsinn“ nur ausdenken, weil sie dafür ja Geld vom Staat bekommen und das den Politikern dann wiederum einreden.

Pirinçci: Sowas gibt’s gar nicht, wie eine Identität. Man ist da, wo man lebt halt.

(Bitte einmal kurz innehalten und die intellektuelle Brillanz dieses Mannes würdigen. Danke.)

Pirinçci: Abgesehen davon — wenn sie sich so zerrissen fühlen, dann können sie abhauen zu ihrer Heimat wieder, ganz einfach.

Immerhin wirft Frau Conrad hier kurz ein, dass das ja der Spruch sei, mit denen man früher Kritiker gen DDR verwünschte, aber das stört weder sie noch ihn ernsthaft. Pirinçci ist jetzt in Fahrt:

Pirinçci: Als wir [aus der Türkei nach Deutschland] kamen, waren wir für die Deutschen da. Man wollte von meinen Eltern die Arbeitskraft. Das hat sich durch die grün-versiffte Politik, grün-rot-versiffte Politik alles umgedreht. Das Einwanderungsland ist jetzt für die Einwanderer da. Die nächste Stufe wird sein, dass man sie zu Heiligen oder sowas erklärt.

Dies wäre eine gute Gelegenheit gewesen für Frau Conrad, die Provokationen ihres Gastes nicht einfach nur wegzulächeln, sondern mal nachzufragen: Was das denn sein soll, „grün-versiffte“ Politik, aus welchen rechtsradikalen Foren er diesen Ausdruck übernommen hat, warum er glaubt, dass es hilfreich ist, auf dieser Ebene zu diskutieren. Aber sie sitzt ja in der kuscheligen Plaudersituation neben Pirinçci, und sie traut sich nicht einmal, ihn direkt herauszufordern, sondern flüchtet sich in den rhetorischen Trick, anzunehmen, dass irgendwelche Leute das womöglich, aus nicht näher zu benennenden Gründen, gar nicht so gut finden könnten, was er da sagt. Wörtlich:

Conrad: Was Sie hier natürlich machen, das sind Ihre Ansichten und Überzeugungen, politisch sehr unkorrekt, ja? Also, da kann ich mir vorstellen, stehen viele jetzt schon auf den Barrikaden und sagen: Wie kann der sowas von sich geben? Insgesamt geht es in Ihrem Buch ja jetzt nicht nur um Migranten, sondern überhaupt um diese Gutmenschen und diese Politisch Korrekten. Sind das die Deutschen, die da besonders …

Wirkt, wenn man nicht genau hinhört, als habe Conrad ein Stück journalistischer Distanz bewiesen. In Wahrheit fragt sie ihn aber nicht, warum er so ist, sondern, warum die anderen so sind, diese [sic!] „Gutmenschen“.

Pirinçci: Das ist vor allem, wie gesagt, die grün-rot versiffte Politik, die mittlerweile auch die CDU, die sogenannte konservative Partei, absolut unkenntlich gemacht hat. Sie werden in der CDU keinen einzigen mehr finden, der über diese Abtreibungssache noch ein Wort verliert. Ich glaube, letztens hat mal einer mal aufgemuckt oder so und gesagt, ich bin damit nicht einverstanden, den haben sie sofort wieder zusammengeknüppelt. Und, ja, man kann sagen, die Kindersexpartei, die Grünen, haben dieses Land kaputtgemacht.

Die Grünen, die Kindersexpartei. Was macht die Moderatorin? Ihn zur Ordnung rufen, um Mäßigung bitten, wenigstens mal nachfragen, was er damit meint? Nein. Das Äußerste, wozu Sie sich durchringen kann, ist, seine Possierlichkeit festzustellen:

Conrad: Also, man merkt, wenn wir uns hier unterhalten, da ist sehr viel Aggression und Wut. Ich glaub‘, Thilo Sarrazin wirkt wie ein Weichei gegen sie. (Lacht.)

Sie schafft es nicht, sich mit ihm auseinanderzusetzen, seinen Thesen, seiner Rhetorik. Sie ist ihm nicht nur nicht gewachsen, sie kapituliert schon vor dem Versuch.

Immerhin schafft sie es später, noch sachte nachzufragen, ob das „alte Deutschland“, das er wiederhaben will, das „Deutschland der sechziger Jahre“ sei, was eine vergleichsweise berechtigte und hilfreiche Frage ist. Aber er biegt dann sofort wieder ab und erzählt verschmitzt, dass sein Buch auch von öffentlich-rechtlichen Sendern handele:

Pirinçci: Das Kapitel heißt: Mit dem Arschloch sieht an besser.

Jahahaha, das ist lustig. Frau Conrad hat dazu nichts zu sagen.

Conrad: Akif Pirinçci, jedenfalls war es interessant, Ihre Thesen hier zu hören. „Deutschland von Sinnen“ heißt das wahrscheinlich politisch unkorrekteste Buch des Jahres hier in Deutschland. Ich bedanke mich, dass Sie heute da waren, und wir werden das weiter im Auge behalten.

Das ist das Tolle an dem Kampfbegriff der „Political Correctness“. Frau Conrad kann so tun, als habe sie den Superlativ als Warnung und Distanzierung von dem Werk gebraucht. In Wahrheit ist er für die Zielgruppe die beste Werbung.

Schon bis hierher war es ein trauriges und eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks unwürdiges Spektakel. Die Verweigerung einer Auseinandersetzung. Wenn man meint, dass es sich lohnt, über die Aussagen Pirinçcis zu streiten, trotz des übelsten Tonfalls, in dem er sie vorträgt, muss man eben auch in diesen Streit gehen.

Aber das ist natürlich Alltag in dieser Art des besinngslosen Fernsehens: Da wird irgendwer eingeladen, man redet irgendwas, vorher war der Sportblock, danach kommen noch ein paar bunte Beiträge, und dazwischen sitzt da wer, mit dem man das Führen eines Gespräches simuliert, egal, es geht um nichts, war was?

Nun ist aber offenbar jemandem beim ZDF aufgefallen, dass da was war. Dass es dann doch keine ganz normale Gesprächssimulation war, und dass vielleicht doch ein Grenze überschritten wurde, ab der Frau Conrad das vielleicht nicht alles nur hätte weglächeln sollen.

Und so nahm der Sender das Gespräch aus der Mediathek. Und all die Leute, die ohnehin glauben, dass es ein Meinungsdiktat gibt in Deutschland und einen Tugendterror, fühlten sich bestätigt und schrien: Zensur! Das ZDF veröffentlichte dann den Gesprächsteil einzeln wieder, aber gekürzt um eine Stelle: Den vermutlich justiziablen Satz von den Grünen als „Kindersexpartei“, die dieses Land kaputt gemacht hat.

Beruhigen konnte das niemanden mehr, im Gegenteil. Und Pirinçci durfte also nicht nur seinen Hass im deutschen Fernsehen unwidersprochen und kaum hinterfragt ausbreiten, sondern auch den scheinbaren Beweis führen, dass man sowas im deutschen Fernsehen nicht sagen darf.

Dem ZDF sei Dank.

Nachtrag, 15:50 Uhr. Auf Nachfrage teilt mir das ZDF mit:

Mit brisanten Themen kritisch umzugehen und hart nachzufragen gehört zu den Grundprinzipien der politischen Berichterstattung im ZDF. Unter dieser Maßgabe hat sich die Redaktion im Nachgang mit dem Interview selbstkritisch auseinandergesetzt und die Defizite offen diskutiert.

Die rechtliche Bewertung des Interviews hat gezeigt, dass die vollständige Einstellung des Gesprächs in die ZDF-Mediathek zu rechtlichen Risiken für das ZDF führen würde. Grund dafür ist, dass die Rechtsprechung an Aussagen in Live-Interviews einen großzügigeren Maßstab anlegt als an zeitversetzt ausgestrahlte oder zum Abruf bereitgehaltene Sendungen. Die Kürzung erfolgte also in Wahrnehmung unserer redaktionellen Verantwortung und ist selbstverständlich keine Zensur. Bis auf den fraglichen Halbsatz steht das Interview seit gestern, 17:30 Uhr, in der Mediathek.

Die Anschuldigungen von Herrn Pirincci weisen wir zurück. Die Standardlänge von Autorengesprächen im „ZDF-Mittagsmagazin“ sind 5 bis 7 Minuten. Herrn Pirincci wurden keine 15 Minuten zugesagt.

Fragen von mir, ob man den Umgang mit dem Schriftsteller und seinen Thesen angemessen fand, ließ das ZDF unbeantwortet. Womöglich darf oder soll man in die ersten beiden Sätze der Stellungnahme interpretieren, dass auch nach Auffassung der Redaktion die „Grundprinzipien der politischen Berichterstattung im ZDF“ nicht vollumfänglich erfüllt wurden. Aber wer weiß es, es ist halt das ZDF.

Gegen einen Notgroschen für besseres öffentlich-rechtliches Fernsehen

Morgen entscheiden die Ministerpräsidenten, was mit den überschüssigen Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag passieren soll. Nach der Umstellung auf die Haushaltsabgabe wurde viel mehr Geld eingenommen, als dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusteht.

Sechs Verbände von Schauspielern, Drehbuchautoren, Filmschaffenden und Produzenten haben heute einen Vorschlag gemacht: Rund 100 Millionen von dem zuviel eingenommenen Geld sollen ARD und ZDF behalten dürfen, um damit besseres Programm zu machen.

Gut, eigentlich sollen ARD und ZDF das Geld natürlich den Schauspielern, Drehbuchautoren, Filmschaffenden und Produzenten geben, damit die damit ein besseres Programm machen können. Es ist insofern ein leicht durchschaubares, aber völlig legitimes Werben in eigener Sache. Aber die Argumentation dahinter ist von rührender Naivität.

In der gemeinsamen Presseerklärung heißt es:

Die Produzentenallianz und verschiedene Kreativen-Verbände haben sich in mehreren Stellungnahmen dafür ausgesprochen, jedenfalls Teile der zu erwartenden Überschüsse zu nutzen, um ARD und ZDF in die Lage zu versetzen, eine Programmoffensive zu starten (…).

Ahem. Wenn die Sender statt, grob gerechnet, 8 Milliarden Euro 8,1 Milliarden Euro zur Verfügung hätten, dann wären sie plötzlich „in der Lage“, eine Programmoffensive zu starten? Mit all den tollen innovativen Sendungen, die bislang irgendwie nur das Ausland hinkriegt?

Ja, genau so stellen sich das die Filmverbände vor:

Eine solche Programm-Initiative würde es beiden Sendern ermöglichen, vermehrt Programme in Auftrag zu geben, die international Qualitätsstandards setzen und die mit Produktionsbudgets ausgestattet wären, welche es den Produzenten ermöglichen, den Kreativen und den Filmschaffenden Arbeits- und Vergütungsbedingungen zu bieten, die der hohen Qualität ihrer Leistungen entsprechen.

Und dann gibt es endlich auch ein deutsches „House of Cards“, ein deutsches „Homeland“, ein deutsches „Downton Abbey“, ein deutsches „Borgen“? Genau:

Die Mittelkürzungen in den Programmetats von ARD und ZDF sind eine Ursache dafür, dass die heute international anerkannten Programmideen nicht mehr aus Deutschland kommen. Hier sind etwa die TV Serien („House of Cards“, „Homeland“, „Downton Abbey“, „Borgen“ etc.) zu nennen, die weltweit — und auch in Deutschland — wegen der Qualität und Sorgfalt, mit der sie produziert wurden, Anerkennung finden.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Produzenten mit „nicht mehr“ meinen. Welche frühere international anerkannte Programmidee kam denn aus Deutschland? Okay, „Derrick“.

Die Bedingungen, unter denen in Deutschland Fernsehen entsteht, sind sicher schwieriger geworden; Etats, Drehtage, Gagen schrumpfen. Der Anspruch an ARD und ZDF, Arbeitsbedingungen zu schaffen, unter denen hochwertiges, auch innovatives Fernsehen entstehen kann, ist absolut berechtigt. Das ist ihr Auftrag.

Aber was für ein absurder Gedanke, dass dieser Auftrag nicht mit 8 Milliarden Euro erfüllt werden könnte. Oder wenn er nicht mit 8 Milliarden Euro erfüllt werden kann, dass er mit 8,1 Milliarden Euro erfüllt würde.

Ich bin prinzipiell ein Freund des dualen Systems und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Finanzierung durch die Allgemeinheit (obwohl mir die Programme von ARD und ZDF zunehmend Probleme bereiten, das zu begründen). Aber die Idee, dass man den Sendern zusätzlich Geld geben müsste, damit sie herausragendes Fernsehen machen, ist komplett abwegig.

Es ist eine Frage des Wollens. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Und es ist eine Frage der Senderkultur. Man kann das am Beispiel des dänischen Fernsehens nachlesen, dass deren besonderen, hochwertigen, erfolgreichen Produktionen eben in einem besonderen Umfeld entstanden sind, mit Menschen, die eine Vorstellung von dem hatten, was sie tun wollten, mit einem Sender, der sich seines besonderen Auftrages bewusst war, mit einer Kultur, in der nicht Angst und Risikovermeidung und Quotenfixierung herrscht, sondern die Kreativität ermöglicht, Freiräume schafft, Talente fördert.

Es stimmt schon, dass Geld dabei auch hilft, aber so sehr es in den Sendern aufgrund der eher sinkenden Programmbudgets an einigen Stellen empfindlich kneifen mag, kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland insgesamt an Mitteln fehlt.

(Und, wie gesagt, das schreibe ich als einer von gefühlt gar nicht so vielen Menschen, die ARD und ZDF das Geld, das sie jetzt bekommen, noch verhältnismäßig gern zugestehen und sie nicht auf irgendwelche Schwarzbrot- oder Pay-TV-Programme reduzieren wollen. Zur vor-vor-(vor?)-letzten Gebührenerhöhung hab ich noch in der FAS einen Artikel mit der Überschrift „Gebt’s ihnen“ geschrieben. So einer bin ich.)

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs hat vorgeschlagen, den Rundfunkbeitrag um 73 Cent zu senken. Das entspricht der Hälfte des Betrags, der nach ihren Schätzungen gerade zuviel eingenommen wird. Die andere Hälfte soll zurückgelegt werden, für den Fall, dass sich diese Schätzungen als falsch herausstellen, und als Puffer, damit der Beitrag dann nicht sofort wieder erhöht werden muss.

Ich bin sehr für diese Senkung, weil genau das immer die Geschäftsgrundlage für die Umstellung der Rundfunkgebühren war: Wenn dadurch mehr eingenommen wird, bekommen die Bürger das zurück. Das war auch ein entscheidendes Argument, den hysterischen Medienberichten der vergangenen Jahre zu widersprechen, die immer neue, immer höhere Prognosen brachten, wie viel Mehreinnahmen zustande kommen könnten: Dass sich das Geld, das ARD und ZDF bekommen, nicht danach richtet, wieviel eingenommen wird, sondern danach, was sie brauchen und ihnen von der KEF zugestanden wird. Dass man erbittert darüber streiten kann, wie viel das sein sollte, liegt in der Natur der Sache. Aber dieses Prinzip jetzt in Frage zu stellen, wäre falsch und ein gefährliches Signal an die rundfunksbeitragsskeptischen Rundfunkbeitragszahler.

Mögen die 73 Cent auch läppisch wirken: Die Reduzierung wäre ein klares Zeichen und eine vertrauensbildende Maßnahme. Und die Kreativen müssen das Geld, das sie brauchen, um bessere oder wenigstens besser bezahlte Arbeit zu machen, aus dem bestehenden Etat heraus verhandeln. Hilft alles nix.