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What the funk?! Der Happy-Sound der „ZDFzeit“-Dokus

Es genügt, die Pressefotos zu kennen, die das ZDF zu seinem großen „Duell: McDonald’s gegen Burger King“ anbietet, um einen guten Eindruck davon zu bekommen, was das Problem dieser Sendung und all dieser ZDF-Sendungen ist.


Fotos: ZDF

Ein glücklicher Nelson Müller präsentiert grinsend, als wolle er sich als Produktvorführer bei „Der Preis ist heiß“ bewerben, einen attraktiv hindrapierten Berg von Fast-Food-Produkten. Am Anfang der Sendung fällt der Satz, dass der Test „unter den strengen Augen von Nelson Müller“ stattfinde. Das da oben, das sind in der fluffig-aufschäumten Kuschel-Welt dieser ZDF-Verbrauchersendungen die „strengen Augen“ von Nelson Müller.

Ich habe ZDF-Chefredakteur Peter Frey gefragt, ob es nicht ein Problem ist, dass die Reihe „ZDFzeit“ am Dienstag um 20.15 Uhr anbiedernden „Galileo“-Journalismus betreibt, während RTL plötzlich die investigative Reportage für sich entdeckt hat und damit Burger King ernsthaft in Bedrängnis bringt. Das Interview erscheint morgen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Aber eigentlich muss man sie gesehen haben, die Sendung, und vor allem: gehört.

Was mich mehr noch als alles andere zum Stöhnen bringt, wenn ich mir diese Filme ansehe, ist die Musikauswahl. Mit Ausnahme eines Teils, in dem es um die Arbeitsbedingungen bei Burger King geht und der wirkt, als sei er nachträglich (wegen der RTL-Enthüllungen, deren Urheber das ZDF natürlich verschweigt) hingeschnitten, ist alles mit einem Happy-Sound unterlegt. Damit der Zuschauer nie das Gefühl haben muss, er würde hier mit sowas Lästigem wie Journalismus behelligt, selbst dann nicht, wenn ein paar kritische Sätze fallen.

Es ist nicht nur die übliche Penetranz der musikalischen Verdoppelung des Gesagten und Gezeigten, aber die natürlich auch. Wenn erklärt wird, woraus ein Milkshake gemacht wird, läuft natürlich erst der „Milkshake“-Song von Kelis, dann „Shake, Rattle and Roll“ und schließlich, wenn der Zucker hinzugefügt wird, „Sweets for my Sweets“.

Immer wiederkehrendes Motiv der Sendung ist „Apache“ von Michael Viner’s Incredible Bongo Band, was nicht nur gute Laune macht, sondern auch den behaupteten „Duell“-Charakter illustriert. Optisch hat man da auch keine Kosten und Mühen gescheut:

Verstärkend, womöglich aus Sorge, dass es sonst zu subtil sein könnte, vielleicht aber auch, weil es eine Vorschrift gibt, es in solchen Kontexten als Klischee einzusetzen, folgt dann noch das Hauptthema aus „Zwei glorreiche Halunken“.

Das, immerhin, lässt sich alles erklären. Die Entscheidung, unter die ausführliche Aufdröselung, wieviel verschiedene Fast-Food-Menus kosten, „Get Lucky“ zu legen, ist dann schon rätselhafter, macht aber richtig gute Laune und führt beim Zuschauer sicher zu einem schönen „Ach, das kenn ich“-Gefühl.

Die überglückliche Grundstimmung wird später durch „Happy up here“ von Röyksopp verstärkt. Ich bin ein bisschen überrascht, dass „Happy“ von Pharell Williams nicht vorkam, aber vielleicht habe ich das nur überhört.

Es ist alles funky, mit diesen Burger-Bratereien, und so hören wir: „Theme from Shaft“, Jamiroquai mit „Too Young to Die“, die Commodores mit „Machine Gun“, The Brothers Johnson mit „Strawberry Letter 23“.

McDonald’s ist so nett, Nelson Müller mit dem Kamerateam in die Küche gucken zu lassen, und das ist, nach der Musik zu urteilen, natürlich eine heiße, detektivische Sache: Es erklingt „Der rosarote Panther“. Das ist ein lustiger Kontrast zur tatsächlichen Situation, in der Müller da steht und sagt: „Ich würde gerne wissen, wie wird bei Ihnen ein Burger gemacht.“ Und der McDonald’s-Mann sagt: „Ich würde sagen, dann machen wir direkt einen.“ Die Off-Sprecherin staunt: „Alles sieht besonders aufgeräumt und sauber aus.“

Überhaupt, die Sprecherin! Es ist Rita Ringheanu, und die ist ohne Zweifel eine großartige Sprecherin. Hier scheint sie den Auftrag zu haben, mit mindestens der gleichen Euphorie und Begeisterung zu sprechen, wie sie es tut, wenn sie für die großen Marken Werbespots aufnimmt. „Deutschlands Fast-Food-Liebhaber teilen sich in zwei Große Lager!“, freut sie sich und macht die fehlende Fallhöhe der folgenden 45 Minuten gleich am Anfang deutlich, wenn wir irgendwelche Leute sehen, die Nelson Müller mit Küsschen begrüßt: „Werden die Fans ihrem Lager treu bleiben? Oder wird es Überläufer geben?“ Die Frage „Kümmert es uns?“ hat danke der Energie in Ringheanus Stimme keine Chance.

Selbst Sätze wie „In der Cola von McDonald’s und Burger King wurden Rückstände gefunden“ sagt sie mit einer solchen positiven Energie, dass man fast denkt, das sei doch wenigstens gerecht und irgendwie eine gute Sache.

So moderiert sie mir ihrer Stimme auch, wenn die Punkte für die Unternehmen vergeben werden, alles allzu Kritische weg. „Essens-Zubereitung wie am Fließband mag nicht jedermanns Sache sein“, heißt es dann. „Aber McDonald’s ist immerhin um Transparenz bemüht.“ Eben. Immerhin!

Und die skandalösen Zustände bei der Konkurrenz, die natürlich zu einem Punkt für McDonald’s führen, sind in den Texten von „ZDFzeit“ kein grundsätzliches Problem, kein Prinzip, sondern nur eine Frage des Noch-nicht-ganz-soweit-Seins: „Beim Thema Fairness hat Burger King noch einiges aufzuholen.“

Wenn es zu den Bauernhöfen geht, von denen das Fleisch für die Burger stammt, erschallt fröhlich „Timber“ von Pitbull, und die Kühe, die beim Melken im Kreis auf einer riesigen Scheibe stehen, drehen sich lustig in höherem Tempo, während Daft Punks „Harder Better Faster Stronger“ erklingt.

Und so weiter und so weiter. Ich habe mir aus dem Soundtrack der Sendung noch „Breadcrumbs“ von Thomas Newman notiert, „Thriller“ von Michael Jackson, „Shot me Down“ von Skylar Grey, „Closer“ von den Nine Inch Nails, „Don’t Stop Til You Get Enough“ von Michael Jackson.

Meine Lieblingsstelle ist aber, wenn im Labor die Burger auf propolyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe untersucht werden. Im Hintergrund macht Stevie Wonder besten Party-Funk mit „I Wish“, die Sprecherin sagt gut gelaunt über diese Kohlenwasserstoffe: „Die schädigen das Erbgut und gelten als krebserregend“, und dann setzen die fröhlichen fetten Bläser ein.

Peter Frey konnte überhaupt nicht verstehen, wie ich diese tolle ZDF-Dokumentation, die doch wirklich viele kritische Punkte anspreche, als peinlich, werblich und industrienah empfinden konnte.

Medienlexikon: Sissifizierung

Der Spiegel

Sissifizierung, Quotenoptimierung von Dokumentationen durch Hofberichterstattung und flächendeckenden Streichereinsatz.

Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, über Menschen zu berichten, deren Leiden allzu oft vergessen wird. Menschen wie Georg Friedrich Prinz von Preußen. Ein junger Mann, der tapfer sein Schicksal trägt, Ururenkel von Kaiser Wilhelm II. zu sein.

Seine Kindheit endete „jäh“: Mit „gerade mal 18“ Jahren wurde er Chef des Hauses Preußen. „Auf seinen jungen Schultern lasten jetzt Jahrhunderte wechselvoller Geschichte. Und zum ersten Mal in seinem Leben muss er ohne den Rat des Großvaters zurechtkommen.“ Dramatisch, mit Anteilnahme und Bewunderung, schildert das ZDF am kommenden Dienstag um 20.15 Uhr, wie Georg Friedrich das Leben als Adeliger in Deutschland meistert. Lässt ihn erzählen, dass man als „Prinz von Preußen“ nicht einfach zu spät kommen kann, weil es sonst heißt, er nehme sich was heraus. Zeigt, wie er den tollsten Edelstein für Millionen Euro versteigern muss. Staunt, wie „bescheiden“ der Herr Prinz sich gibt: „Für ihn ist der Titel nur ein Name“, sagt der Sprecher. Fürs ZDF nicht?

Georgs Frau Sophie, geborene Prinzessin von Isenburg, schildert, wie „bodenständig“ ihre Kindheit im Schloss Birstein war, mit bloß zwei Damen, die kochten, wuschen und putzten. Eigentlich hätte sie ganz privat heiraten wollen. Aber „schließlich gibt das Paar dem öffentlichen Drängen doch noch nach“ — und schenkte der Welt Aufnahmen von adeligen Herrschaften in Potsdam, die sich nun vom ZDF mit Geigen unterlegen und als Dokumentation verkaufen lassen.

Es ist eh ein einziges musikalisches Gejuchze und Trompeten. Der zweiteilige Film läuft in der Reihe „ZDFzeit“, die der Chefredakteur Peter Frey zum Start als „filmisch opulent, intensiv, kritisch und analytisch“ angekündigt hat. Hier solle es „um die großen Fragen unserer Zeit gehen: Wie leben wir? Was verändert unsere Gesellschaft? Was ist uns wirklich wichtig?“

Was dem ZDF also wirklich wichtig ist in diesen Wochen: das Schicksal von Charlène und Kate, die Queen, die Höhen und Tiefen des schwedischen Königshauses. Und weil es so viel hofberichtzuerstatten gibt, räumte der Sender auch Samstage dafür frei. Unter dem Namen „ZDF Royal“ wurde dort nun ebenfalls gejuchzt und trompetet: „Blaues Blut und schwarze Schafe“, „Doppelglück in Dänemark“, „Die kleinen Königinnen kommen“.

Plötzlich erscheinen die lustigen Abenteuer des Schimpansen Charly, der sonst diesen Sendeplatz regierte, im Vergleich wie brisante zeitgeschichtliche Sozialdramen.