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Die Zeitungen. Lügen wie gedruckt.

Die „ZMG Zeitungs Marketing Gesellschaft“ ist die „zentrale Marketingorganisation der Zeitungen und Zeitungsgruppen in Deutschland“. Sie leidet nicht nur an einer eklatanten Binde Strich Allergie, sondern hat gerade unter dem Slogan „Die Zeitungen. Wer liest, versteht.“ eine große Desinformationskampagne gestartet:

In der Kampagne sollen die Fakten zum Werbeträger Zeitung ins rechte Licht gerückt werden. In mehreren Kampagnenmotiven werden die unbestreitbaren Vorteile der Zeitungen vorgestellt. Und zwar reduziert auf das Wesentliche: die Fakten – garniert mit einer Portion Humor.

Das aktuelle Motiv besteht aus einer großen Zeitungsseite, auf der in der Mitte verloren die beiden folgenden Sätze stehen:

(Keine Sorge: Das Pfeifen, das Sie beim Lesen hören, ist kein Tinnitus, sondern kommt aus der Anzeige, bzw. dem Wald.)

Dann schauen wir uns die „unbestreitbaren Vorteile“ und „Fakten“ einmal an. Richtig ist: Laut der aktuellen Media-Analyse erreichen die Tageszeitungen täglich 53,7 Prozent aller 14- bis 29-Jährigen. Aber zu behaupten, dass die die Zeitung gelesen haben, „um sich zu informieren“, und nicht um sich unterhalten zu lassen oder ein Sudoku zu spielen, ist ebenso falsch wie die Annahme, dass es sich um „ihre Tageszeitung“ handelte und nicht nur eine „B.Z.“, die zerfleddert auf dem Mensatisch lag.

Die Gleichung, die uns „Die Zeitungen“ da „garniert mit einer Portion Humor“ vermitteln, ist ebenso plump wie falsch: Zeitungen = Informationen, Internet = Spaß. Als Beweis dafür, dass „die Jugend im Netz überwiegend Spaß sucht“, zitiert die ZMG auf ihrer Homepage zur Kampagne aus der JIM-Studie 2007, wonach die meisten Jugendlichen das Internet für Instant Messaging (71 Prozent) und E-Mail (59 Prozent) benutzen. Und das wissen die Zeitungsleute sicher aus eigener Erfahrung, dass diese Kommunikationsmittel fast ausschließlich dazu genutzt werden, Office Spam mit den neuesten Bürowitzen zu verschicken. Dass 40 Prozent der 12- bis 19-Jährigen angaben, das Internet zur Information zu nutzen und 37 Prozent für „Nachrichten/Aktuelles“, fanden die Zeitungs Marketing Menschen irgendwie vernachlässigenswert.

Sie haben aber ja auch noch eine andere beruhigende Statistik entdeckt: Für 44 Prozent der Jugendlichen sei die Zeitung das glaubwürdigste Medium — und nur für 15 Prozent das Internet. Quelle dafür ist der Zeitungsmonitor 2004. Vier Jahre sind bei dem aktuellen Medienumbruch eine lange Zeit. Allensbach hat Zahlen von 2008. Danach sagen drei Viertel aller 20- bis 29-jährigen: „Wenn man sich über ein Thema näher informieren möchte, sucht man im Internet.“ Vor neun Jahren waren es nicht einmal ein Fünftel. Das Internet hat damit bei dieser Frage in kürzester Zeit alle anderen Medien überholt.

Und was die 53,7 Prozent der jungen Leute angeht, die an einem Tag Zeitung lesen — die Zahl, mit der „Die Zeitungen“ so stolz werben. Die ZMG interpretiert sie so: „Allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz: Die Jugend liest Zeitung – und das nach wie vor!“ Was die ZMG mit „nach wie vor“ meint, kann man der folgenden Grafik entnehmen:

Die tägliche Reichweite der Tageszeitungen bei Jugendlichen ist nach den von der ZMG selbst verbreiteten Zahlen der Media-Analyse in den vergangenen zwanzig Jahren von 72 auf 47 Prozent zurückgegangen.

Im ersten Teil ihrer Kampagne hatten „Die Zeitungen“ übrigens darauf hingewiesen, dass die „Glaubwürdigkeit“ des Mediums immer noch überragend sei. Aber daran arbeiten sie ja gerade.