„Ums Kaufen geht es nicht“

Ich habe — in Nachklapp zu meiner Kritik an „Stern-Shortlist“ — stern.de-Chef Frank Thomsen ein paar Fragen gestellt:

  • Spricht es wirklich für die Entertainment-Kompetenz des „Stern“, dass die Rezensionen auf den Seiten nicht vom „Stern“, sondern von Amazon kommen?
  • Wäre es nicht fair (und im Sinne einer Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten auch rechtlich notwendig), den Absender dieser Rezensionen zu kennzeichnen? Wäre es vorstellbar, im „Stern“ Rezensionen abzudrucken, die für Hugendubel oder Thalia angefertigt wurden, ohne dies kenntlich zu machen?
  • Stimmt es, dass eine Erweiterung in Richtung Klingeltöne geplant ist, und ist Ihr Partner dann Jamba?

Seine Antworten lauten wie folgt:

  • Amazon-Rezensionen: Sie sind eine Handreichung für User, die sich überlegen, eines der Angebote zu erwerben, die man auf stern-shortlist findet. Sie sind aber für das, was stern-shortlist ausmacht, nicht weiter wichtig. Das Angebot soll eine unterhaltsame Community werden für alle die, die Spaß haben und sich auskennen bei Film, Musik, Büchern, Games.
  • Nennung der Herkunft: Eine gute Idee! Nehme ich mit in unsere nächste Redaktionssitzung von stern-shortlist.
  • stern-shortlist wird erweitert werden, das stimmt. Klingeltöne sind eine Option, vorrangig aber sind Songs. Wir werden auch hier die Option zum Kauf anbieten, mit wem, steht noch nicht fest. Und auch hier gilt: Mit wem, ist auch gar nicht wichtig, denn ums Kaufen geht es nicht – es ist nur der aus unserer Sicht sinnvolle Service, wenn jemand kaufen will.

Thomsen bemängelt auch „einige leider gravierende Fehler“ in meinem Blog-Eintrag, die er wie folgt korrigieren möchte:

  • stern-shortlist ist ein werbefinanziertes Angebot. Erfolg und Misserfolg werden sich daran entscheiden, ob eine ausreichende Zahl von Menschen Spaß an dem Angebot findet — und ob die Werbewirtschaft es bucht. Provisionserlöse werden allenfalls 5 Prozent des Umsatzes ausmachen.
  • Man kann Listeneinträge natürlich kommentieren (Ihr Beispiel Fernsehserien, Star geboren). Jeder User kann kleine Kommentare zu seinen Listeneinträgen schreiben, die dann als Mouse-over zu lesen sind.
  • Und: Die Listen sind nicht so angelegt, dass man nur käufliche Produkte eintragen kann. Das Gegenteil ist richtig: Man kann sowohl Käufliches als auch Nicht-Käufliches eingeben, wie man ja auch reichlich auf der Seite sieht. Der Grund: Es ist uns letztlich egal, ob jemand was kauft oder nicht.

Mit Verlaub, alles in „Stern-Shortlist“ ist auf den Verkauf angelegt. Mag sein, dass die Provisionserlöse nur einen kleinen Anteil am Umsatz ausmachen werden (ich habe gar nichts Gegenteiliges behauptet), aber das gesamte Angebot ist darauf angelegt, dass Leute Dinge empfehlen, die man kaufen kann, was „Stern-Shortlist“ zu einem hochinteressanten Werbeumfeld macht (genau das habe ich behauptet).

Um zu erleben, in welchem Maß es bei „Stern-Shortlist“ um käuflich zu erwerbende Produkte geht, muss man nur einmal selbst eine Liste anlegen. Als erstes wählt man eine „Rubrik“ aus — aus neun Kategorien von Dingen, die man dann gleich kaufen kann (!), und einer namens „Mix“, die mutmaßlich dafür gedacht ist, zum Beispiel Bücher und Musik mischen zu können.

Im nächsten Schritt ist es nicht möglich, einfach einen Listenpunkt einzugeben. Man muss, bevor man weitermachen kann, auf „Suche“ klicken…

…und die Suche wirft einem dann käuflich zu erwerbende Produkte zum Suchbegriff aus:

Erst wenn man unten das hellgraue Feld, in dem man eigentlich, wenn man „nicht zufrieden“ ist mit den Suchergebnissen, Dinge wie „Titel, Quelle, Bezugsmöglichkeiten etc.“ eingeben soll, zweckentfremdet und hier nochmal den eigenen Begriff wiederholt, taucht er in der Liste auf. Und das System dankt es einem, indem es den neuen Listeneintrag in die Kategorie „unbekannte Produktart“ packt.

(Und wie man kleine Kommentare zu seinen Listeneinträgen schreiben kann, so dass sie per Mouse-Over sichtbar werden, weiß ich nicht. Sonst aber anscheinend auch keiner. Ich habe keine Redaktionsliste gefunden, die diese Möglichkeit nutzt. Nachtrag: Doch, es gibt sie.)

22 Replies to “„Ums Kaufen geht es nicht“”

  1. Nennung der Herkunft: Eine gute Idee! Nehme ich mit in unsere nächste Redaktionssitzung von stern-shortlist.

    Ist das schlecht formulierte Ironie oder ernst gemeint? Und welche Variante wäre die beunruhigendere?

  2. Es ist wirklich kaum zu glauben. Da macht der Stern Programm mit …. nichts. Es liegt wohl an mir, ich sehe dort nichts, was in irgendeiner Art und Weise spassig ist.

    Im Übrigen ärgert mich die Scheinheiligkeit, mit welcher ein so dermaßen schwacher Auftritt verkauft wird. Aber vielleicht erwarte ich einfach zuviel, vielleicht ist im Hause Stern schlicht und ergreifend gar keine Medienkompetenz vorhanden? Vielleicht wurden Bullshit-Bingo Begriffe wie „Online-Community“ und „Web 2.0“ aufgeschnappt, und unreflektiert in „stern-shortlist“ umgesetzt?

    Ganz großes Tennis! 8-)

  3. Nennung der Herkunft: Eine gute Idee!

    Da geht ein revolutionaerer Wind durch die Sternredaktion. Ich schlage einfach mal Druck mit beweglichen Lettern vor.

  4. Schön, dass er antwortet. Nur was macht man mit solchen Antworten? Lachen oder weinen?

    Natürlich geht’s ums Kaufen, das finde ich aber nicht so schlimm wie Du, Stefan. Ich kann sogar verstehen, dass man ein Produkt nur bei einem Anbieter kaufen kann. Vorerst. Songs würde ich vielleicht lieber bei iTunes kaufen wollen. Was ist, wenn AMazon mein Buch oder mein was auch immer nicht führt. Blöd.

    Was ich nicht verstehe ist, wieso der das nicht einfach zugeben kann.

  5. Es geht also um Werbung und nicht ums Kaufen?
    Na, gut dass beides nichts miteinander zu tun hat -.-

  6. @SvenR: Ach, „schlimm“ finde ich das auch nicht, dass es nur ums Kaufen geht. Es ist, aus Nutzersicht, schade. Schlimm finde ich, dass man so tut, als handele es sich um stern.de-Kritiken. Und dass man ein Shoppingportal baut, es aber als werweißwas verbrämt.

  7. Herr Thomsen muss sich bei Ihnen bedanken. Sie haben es tatsächlich geschafft, mich zu einem Besuch bei Stern-Shortlist zu motivieren. Es war mein erster, sehr wahrscheinlich aber auch mein letzter.

  8. im endeffekt werden die nutzer entscheiden, ob das angebot „gut“ ist, oder nicht. objektiv betrachtet ist es schwach, nahezu lächerlich.

  9. Besonders schön finde ich die ellenlange Icon Leiste am unteren Ende der „Shortlists“, um diese gleich bei allen denkbaren (na gut, ein paar wurden vergessen oder nur der deutsche Abklatsch verwendet) Social Bookmark oder News Seiten empfehlen zu können, und so noch mehr potentielle Käufer auf die Stern Seite zu locken.

  10. Auch ich wurde durch diesen Artikel motiviert, das neue STERN-Angebot anzusehen. Na wow, was für Möglichkeiten: „Sie können Listen ansehen, kommentieren, bewerten, mit anderen Usern diskutieren und natürlich auch eigene Listen hochladen. Bitte kurz registrieren, dann kann es schon losgehen!“
    Darauf hab‘ ich lange gewartet, denn ich hab‘ ja sonst nichts zu tun – was für eine großartige Möglichkeit, unerfüllte Lebenszeit für die Wirtschaft nutzbar zu machen – schreib Listen, schau Listen an, kommentiere Listen, rede mit anderen darüber, wie du Listen anschaust…. Vielleicht könnte ja auch
    die Arbeitsagentur ihre „Maßnahmen“ auf solche Aktivitäten ausrichten, das würde einerseits die Konversionsraten erhöhen und hätte andrerseits den schönen Nebeneffekt, dass sich die Arbeitslosen wieder VORSTELLEN könnten, wie es wäre, mehr Geld ausgeben zu können = unbezahlbarer Motivationsaspekt!

  11. Bundeslöschtage – „Ich möchte auch bitte nicht mehr wissen, was die ’shortlist‘ auf stern.de ist und wie sie hergestellt wird, und auch vergessen, dass dort bald Klingeltöne und Songs gefkauft werden können.“ – Kleine Nickligkeiten innerhalb des FAS-Medien-Teams?! ;-)

  12. Vorbemerkung: auf dem Pressemarkt agier ich in der Rolle des Konsumenten, vulgo: Leser. Nicht als Produzent (Journalist).

    Aus Sicht des Journalisten kann ich verstehen, dass er sich für Qualität interessiert. Es ist legitim.

    Aus meiner eigenen (Leser-)Sicht sage ich dagegen: der Stern macht ein neues Werbeforum auf — na und? In Hamburg fällt ne Schippe um?

    Obwohl es schlechtere Zeitschriften als den Stern gibt — ich bin das Gegenteil von schockiert (sorry). Der Stern war nie anders!

  13. Die Idee an sich finde ich wirklich gut. Einerseits aus Neugierde, was Leute, die die gleichen Sachen wie ich mag noch so moegen. Gerade bei Musik/Filmen entdeckt man da ganz neue Perlen, denen man sonst wohl keine Beachtung geschenkt haette. Aber auch Listen wie „die 5 besten Buecher zum Thema x“, die von einem Experten auf dem Gebiet angelegt werden waeren toll (das mag ich auch bei den Listen auf Amazon). Nur wenn direkt von Beginn an so mit der Kommerzkeule geschlagen wird und alle Artikel auf Amazon verlinkt werden, ist es fast zum Scheitern verurteilt, weil der ganze Charme den „web 2.0“ ausmacht verloren geht. Ich lasse mich weder als Klickvieh noch als Referral-Generator missbrauchen. Waere geschickter gewesen, wenn sie erst mal nur grundsaetzliche Sachen abgefragt haetten und dann die Referral-Links im Nachhinein, wenn sich das Angebot etabliert hat, reingesetzt haetten. Waer natuerlich genauso bloed, haette aber den Vorteil dass zumindest erstmal guter Content eingestellt wird. In der jetzigen Form erwarte ich hauptsaechlich Eintraege von Kiddies und von aelteren Leuten.

  14. Also, ich find’s gut, weil’s bockt. Ist doch außerdem meine Sache, ob ich kaufe und wo ich kaufe. Bei Amazon schau ich mir eine Menge Bücher an, und kaufe sie dann im Laden. Und wenn schon, man kann sich auch über alles aufregen.

  15. Ist der Stern nicht die BUNTE für Intellektuelle?

    Oder war Focus das? Ich werde alt – früher habe ich mir so etwas behalten.

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