Vor dem Call-TV-Gipfel

Nachher treffen sich dann also 9Live und seine Konkurrenten und Nachahmer mit den Landesmedienanstalten, und das ist insofern eine gute Sache, als es einen Anlass gibt für Medien von dpa bis zur „International Herald Tribune“, über Methoden dieser Call-in-Programme zu berichten, die neuerdings immerhin vom Sprecher der bayerischen Landesmedienanstalt BLM als „bewusstes Irreführen“ und von seinem nordrhein-westfälischen Kollegen von der LfM als „nah an dem, was man Betrug nennen könnte“ bezeichnet werden.

Viel mehr sollte man vermutlich nicht von der Veranstaltung erwarten.

Zwei Stunden sollen für das Treffen vorgesehen sein. Bereits für 13.15 Uhr lädt die Gemeinsame Stelle Programm, Werbung, Medienkompetenz (GSPWM) der Landesmedienanstalten zum Pressegespräch — vermutlich bleibt da noch genug Zeit für einen gemeinsamen Ausflug mit Mittagessen von München nach Hornberg.

Einigermaßen erschütternd ist es, wenn BLM-Sprecher Wolfgang Flieger laut „Berliner Zeitung“ sagt, man wisse „nicht im Detail, wie diese Technik funktioniert“ und damit den Auswahlmechanismus meint, nach dem die Anrufer durchgestellt werden. Dabei ist das das zentrale Element der Irreführung, bei allen deutschen Call-TV-Veranstaltern: der falsche Eindruck, ein Zufallsmechanismus entscheide darüber, wann ein weiterer Kandidat die Chance bekommt, ein Rätsel zu lösen.

Die Sender machen daraus vielfältige Lügen, zum Beispiel die, dass es trotz vieler „geöffneter Leitungen“ „leider“ noch keinem Anrufer „gelungen“ sei, die richtige „zu treffen“. Nein: Der „Auswahlmechanismus“ besteht in der Regel offenkundig schlicht daraus, dass ein Mitarbeiter entscheidet, wann jemand durchgestellt wird: ob nach wenigen Sekunden oder mehreren Stunden. Anders lässt sich der Ablauf der Sendungen gar nicht erklären. Wenn die BLM das nach all den Jahren, in denen sie für die Kontrolle über die Dauerhütchenspieler von 9Live und dem DSF zuständig ist, nicht weiß, dann kann man genauso gut eine Gruppe gefesselter Nacktnasenwombats mit der Medienaufsicht beauftragen.

Eine Hoffnung bleibt: Ich habe in den vergangenen Monaten sowohl Hinweise von 9Live auf Regelverstöße bei den MTV-Sendern (Produzent: Callactive) bekommen als auch umgekehrt. Vielleicht haben wir Glück, und der Konkurrenzkampf und der Druck von außen führen dazu, dass sie sich gegenseitig das Handwerk legen.

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22 Replies to “Vor dem Call-TV-Gipfel”

  1. Immerhin hat uns das Call-In-TV tolle Youtube-Videos und lustige Parodien beschert. Es ist teilweise absurd, was dort vor sich geht.

    Achja:

    “ dann kann man genauso gut eine Gruppe gefesselter Nacktnasenwombats mit der Medienaufsicht beauftragen“

    Ich musste lachen.

  2. ZITAT:

    „Eine Hoffnung bleibt: … Vielleicht haben wir Glück, und der Konkurrenzkampf und der Druck von außen führen dazu, dass sie sich gegenseitig das Handwerk legen.“

    Glaube ich nicht, denn eine Krähe hackt der anderen Krähe bekanntlich kein Auge aus! :-)

  3. Dieser Call-TV-Gipfel wird auch nur der Gipfel des Eisberges der privaten Call-TV-Abzocke bleiben.

    Das die zuständigen LMA’s nicht mal den technischen Ablauf des Auswahlverfahren der Kandidaten kennen aber trotzdem diese Abzocke zulassen, ist doch bezeichnend für diese erfolgreich versagenden und von GEZ-Gebühren finanzierten Landesmedienanstalten und so wird sich auch nach dem gemeinsamen Kaffeekränzchen mit Eisbergsalat lutschen und Piephahn anfassen nicht wirklich etwas ändern.

    Eine radikale Änderung – Call-in Dreck raus aus dem TV ist die einzige wahre Alternative um zu zeigen, der Mensch ist doch ein vernunftbegabtes Wesen.

    Aber auch nach der Konferenz wird es wieder Kapitalisten- und Brüllaffenmäßig heißen: „Und Sie machen, das Sie in die Leitung kommen“ – „Wer ist mein Held an diesem Abend?“ – „Wer jetzt nicht anruft wird wegen Blödheit erschossen“ – „NÄÄÄÄCHSTOOOO….“ und bereichern sich an den Armen, deren Hoffnung sie nähren, mit Call-in sich reich zu gewinnen.

    Die hässliche Fratze des Kapitalismus heißt u.a.Call-in!

  4. Das die Landesmedienanstalten von der Funktionsweise des Auswahlmechanismus kaum etwas wissen dürften und das dann solche Sätze wie „man wisse nicht im Detail, wie diese Technik funktioniert” fallen, überrascht mich nicht. Die Veranstalter diverser Call-In-Formate hatten also in den letzten Jahren ohne Kontrolle genug Zeit ein innovatives hochtechnisiertes System zu schaffen, daß keiner der Herren versteht? Hm… Man hätte doch mal fragen können! Fachleute mit entsprechenden Hintergrundwissen könnten eine Überprüfung an diversen Schnittstellen vornehmen und das in Echzeit!
    Das die eingesetzte Technik recht anspruchsvoll ist bestreitet ja niemand. Im Gegenteil!
    Ich kann den Landesmedienanstalten nur empfehlen, kompetentes auf den neusten Stand der Mehrwertdienste und Audiotexplattformen geschultes Personal für solche Aufgaben einzusetzen. Aber das hat man nun davon, wenn man unten abbaut und den Vorstand aufstockt.
    Viel Spass beim legger Mittagessen =)

  5. Anrufsysteme sogenannten Voicemail Systeme die von den Anbietern verwendet werden sind absolut ausgereifte Maschinen (Unix, Linux Basis die mehrere Hundert Amtsleitungen (Ämter) verwalten können). Wenn man weiß wie die Super Voice Systeme programmiert und damit auch manipuliert werden können, ruft man da sowieso nicht an. Da gibt es z.b. Zyklische und Sequentielle Anrufverteilungen die ich mal erklären will damit der Leser bzw. der potentielle Anrufer auch mal die Hintergründe erfährt. Zyklisch bedeutet das wahllos die nächste freie Leitung genommen wird und der Anrufer durchgestellt wird. (für Quiz, Rate, Rätselspiele der TV Sender z.b. 9Live, SAt1, DSF usw. absolut ungeeignet). Die andere Variante ist da viel besser einzusetzen, Sequentiell bedeutet das die Anrufverteilung nach dem System der nächsten freien Leitung in der Reihenfolge 1 bis 90 zugeteilt wird. Ein kleines Beispiel der TV Sender hat 3 x S2M Primärmultiplexer T-com also 90 Kanäle (Amtsleitungen) und die Leitung 15 wird zum Gewinnen (Gewinn natürlich nur bei richtiger Lösung) dem Moderator durchgestellt. Leitungen 1-2-3-4-5-6-7-8-9 sind besetzt.. nächster Anrufer kommt auf 10 nächster auf 11 usw. wird aber in der Zwischenzeit die 3 und 4 wieder frei weil der/die Anrufer/in gefrustet nach der Ansage leider verloren – falsche Leitung aufgelegt hat.. geht der nächste Anrufer nicht auf 10 oder 11 sondern das System bedient wieder 3 und 4 usw. nun greift nicht nur das System mit seiner Logik auch der Administrator kann übers MMC der Voicemail auch noch manuell eingreifen und einzelne Leitungen sperren und freigeben. Da er natürlich auf seinen Monitor sieht wieviel Anrufe gerade auf seinen System rumwusseln und die Kasse füllen. Will er das einer durchkommt wird entweder eine andere Leitung vom Moderator angesagt zb. die 7 und die Wahrscheinlichkeit wird erheblich grösser, oder er sperrt Leitung 1-2-3-4-5-6 einfach weg und die Voivemail bedient jetzt ab Leitung 7-8-9-10 usw.
    Fazit es müssen einige Leuts Anrufen damit der nächste durchkommt.. Dies kann natürlich noch manuell beeinflusst werden. Wer in den Glauben dort anruft das er nur wenn er durchgestellt wird seine 49, 56, 70, oder wieviel auch immer Cent bezahlen muss, wird spätestens nach seiner nächsten Telekomrechnung erheblich schlauer sein. Da von mir angeführte Beispiel wurde aus Gründen der besseren Verständlichkeit mit 90 Leitungen klein gehalten, in der Realität bewegt sich das in grösseren Regionen.

  6. Die armen Wombats… Möchtest du es den niedlichen Tierchen wirklich antun, sich den ganzen Tag diesen Kram reinziehen zu müssen? Das grenzt ja schon an Tierversuche ;)

  7. Und dann auch noch gefesselt…
    Erinnert mich irgendwie an Clockwork Orange.

  8. Damit wäre diese Informationslücke ja schon mal en Detail geschlossen. Faszinierendes System, muss ich schon sagen.
    Fehlt nur ein Beweis, dass das in der Praxis auch so angewendet wird – das meint der BLM-Sprecher wohl, es ist nicht klar, ob die Sender es wirklich so machen – und von sich aus zugeben werden sie es ohne Druck nicht.

    Weil hier immer nur die Nacknasenwombats gefesselt oder ungefesselt Aufmerksamkeit erhalten, möchte ich der Gerechtigkeit wegen darauf hinweisen: Es gibt auch Haarnasenwombats.

  9. Mal Ehrlich, ich weiss auch nicht so recht was der heutige „Gipfel“ so bringen soll.

    Man sitzt zusammen beim Kaffeekränzchen, jeder gelobt besserung, und das wars dann.

    Und der Zuschauer wird weiterhin Tag und Nacht gnadenlos abgezockt!

    Was wir brauchen ist ein eindeutige Gesetzeslage hinsichtlich Call-In Spiele im TV, und nichts anderes.

  10. Ich bin gerade ein wenig geschockt! Nein, nicht weil Stefan mal wieder einen guten Eintrag geschrieben hat und ich auch bei den Wombats lachen musste.

    Ich bin geschockt, weil ich eben das Radio eingeschaltet hab und was muss ich hören? Call-In-Radio!!! Und das das mit dem gleichen Unsinn, wie im TV:
    – „Teffen Sie Leitung 12“
    – „Rufen Sie jetzt an! Die Sendung ist gleich zu ende“ Obwohl Sie noch länger lief.

    Ich frag mich, wann es die erste Call-In-Internetseite mit Call-In-Stream gibt.

  11. …prima, die veranstaltung ist beendet und der kelch dürfte erneut an den betreibern vorbeigegangen sein…
    die nutzlosen gewinnspielregeln wurden um einige nutzlose erweiterungen ergänzt und sind demenstprechend genauso nutzlos…

    http://www.redled.de/blog/?p=24

    auch hier mal lesen…

    gruß
    der friese

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