Vorsprung durch Technik (2)

Ich mache manchmal den Fehler, beim Medienaggregator Turi2 auf die Anzeigen zu klicken. Neulich brachte mich eine Werbung des „Focus“ dazu, die mit der überraschenden Zeile „Einzigartig erfolgreich im Wettbewerb“ lockte.

Tatsächlich gewinnt der „Focus“ gerade gegen den Trend an Auflage. „Stern“ und „Spiegel“ verkaufen aber immer noch, grob gerechnet, je eineinhalb Mal so viele Hefte; am Kiosk sind sie etwa dreimal so erfolgreich wie der „Focus“.

Wenn man auf das Banner klickt, kommt man zu einer Verlagsseite mit dieser informativen Übersicht:

Man könnte auf den ersten Blick erkennen, dass hier etwas nicht stimmt. Der „Focus“ hat sein Wachstum fast viermal so groß dargestellt, wie es tatsächlich ist. Die rote Fläche im linken Säulenpaar entspricht nicht einem Wachstum von 11,5 Prozent, sondern von etwa 42 Prozent.

Beim rechten Säulenpaar ist die Übertreibung noch krasser: Auch hier entspricht die rote Fläche, die 8,3 Prozent Plus darstellen soll, einem Zuwachs von über 40 Prozent. Die Gesamtsäule entspricht nicht 108.000 verkauften Heften, sondern rund 140.000 — davon träumt man in München.

Ich weiß schon, dass es sich hier bloß um Werbung handelt. Aber wir reden hier von der Werbung einer Illustrierten, die sich gegenüber potentiellen Anzeigenkunden als „Qualitätsmedium“ verkauft und behauptet, ja lachen Sie nicht, sie zeichne sich durch „kompromisslose Gründlichkeit in der Recherche“ und „harte Fakten und wahre Hintergründe“ aus. Wo ist da der Sinn, die eigenen Behauptungen gleich mit einer solchen Statistiklüge zu konterkarieren? Oder setzt der „Focus“ gezielt auf Werbekunden und Mediaplaner, die dumm genug sind, die Manipulation nicht zu erkennen?

Unter die Grafik hat der „Focus“ übrigens noch den lustigen Satz geschrieben: „Diese Entwicklung zeigt einmal mehr die hohe Bedeutung von Print im Medienmarkt: Qualität setzt sich durch und sorgt für ‚Fortschritt‘ am Kiosk.“ Aber das ist ja nicht falsch, sondern nur sinnlos.

Ach, und wenn Sie sich fragen, was genau mit der Formulierung „‚Focus‘ weiter auf Erfolgskurs“ gemeint ist — das kleine Abknicken am Ende dieser beiden Kurven (die allerdings natürlich von mir sind und nicht aus dem Werbepaket):

[Offenlegung: Ich schreibe für den „Spiegel“. Dies ist meine persönliche Meinung. Und der „Spiegel“ macht es auch nicht besser.]

99 Replies to “Vorsprung durch Technik (2)”

  1. Die Höhe und das Verhältnis der roten Wachstumsbalken stimmt schon, also zumindest irgendwie: Wenn man pixelgenau nachmisst, dann hat der „Focus“ die grauen Balken schlichtweg nicht bei Null beginnen lassen, sondern bei 80.000. Alter Statistikertrick.

  2. Das ist nur dann ein „alter Statistikertrick“, wenn man die Achse dann auch mit darstellt. Alles andere ist Täuschung.

  3. Das ist fast noch harmlos; Balkendiagramme können auch wesentlich absurder ausfallen – aktuelles Beispiel.

    Wenn z. B. 4,8% mehr sind als 6%, könnte „Focus“ problemlos noch einige Jahre lang auch sinkende Auflagen irgendwie als beeindruckende „positive Entwicklungen“ visualisieren. Kreativität ist alles.

  4. @Martin: Nein, das ist nicht in Ordnung. Für jeden seriösen Statistiker gilt es schon als Faux-Pas erster Güte, wenn man eine abgeschnittene Skala angibt, wenn man diese sogar noch weglässt, ist das eine Lüge und nichts anderes.

  5. Ich musste beim Lesen schmunzeln, weil ich mir vorgestellt habe, wie du das Lineal an den Bildschirm hältst ;)

    Kann über diese Manipulation wirklich nur den Kopf schütteln.

    Wahrheitsliebe und Profitgier sind im sog. Journalismus nunmal nicht immer vereinbar, wobei ich traurig finde, was in unserer Gesellschaft die höhere Priorität besitzt.

  6. Wieder ein Beweis für „Qualitäts“-Journalismus“. Ein Etikett, das sich Journalisten übrigens selbst gegeben haben, das kommt nicht von einer unabhängigen Institution. Journalisten haben das offensichtlich nötig. Wirkliche Qualitätshersteller haben so einen Schummel gar nicht nötig, oder hat schon mal einer gehört, das BWM oder Medercedes „Qualitätsfahrzeuge“ anpreisen ? Die machen schlicht Qualität!

  7. Ja Herr Niggemeier, das ist Werbung. Und da isst das Auge mit.
    Und die Gesetze der Werbung gelten für alle. Auch für angeblich seriöse Qualitätsmedien. Werbung darf nun mal übertreiben, Dinge verschweigen, lenken, manipulieren etc. Nur lügen darf sie nicht. Was in dem Fall auch nicht passiert. Die Fakten in Zahlen wurden ja richtig genannt.

    Zwei Anekdoten bezüglich Werbung aus meinem Fundus zur Aufheiterung. Ich erinnere mich noch gut, wie bei einem Duschbadhersteller damals der Vorarbeiter ein Marmeladenglas voll Nussöl in das 10 Tonnen-Rührwerk schüttete, damit die Werbung „jetzt mit wertvollem Nussöl“ texten konnte. War ja nicht gelogen.

    Oder wie in den 90ern für eine der ersten fondsgebundenen Lebensversicherungen in Deutschland das absolute Renditeversprechen: „Bis zu 3,5 % und mehr“ formuliert wurde. Was meinen Sie, wie viele Anleger bis heute davon ausgehen, dass 3,5 % Rendite fix sind und wenn es gut läuft erhalten sie sogar noch mehr als die 3,5 %?

    Da ist die die etwas positiv interpretierte Grafikdarstellung im Focus ganz leichte Kost und zu vernachlässigen.

  8. Das ist ein Service für die Anzeigekunden:
    „So weit könnt ihr bei unseren Lesern gehen, mehr würde denen auffallen.“

  9. @ starkstromliesel (#11): Wenn man sowieso nur die zitierten (hoffent.ich wirklich korrekten) Zahlen mitteilen will, könnte man sich die offensichtlich falschen Balkendiagramme ja auch sparen. Woher soll der Leser wissen, dass die bunten Balken nur sinnfreie Deko sein sollen? Diese Deko ist sicher nur zufällig so geworden, dass der unbedarfte Leser meinen könnte, sie stelle die genannten Zahlen dar.

    Das ganze mag rechtlich noch gerade so durchgehen, das kann ich nicht beurteilen. Aber es ist schon arg manipulativ, gerade wenn da ein Blatt für sich wirbt, das eben gern mit seinen harten Fakten, der gründlichen Recherche und implizit der hohen Vertrauenswürdigkeit angibt.

  10. Guido Zurstiege vom Institut für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen meint laut Handelsblatt : „Werbung ist kein Nachrichtenmedium. Werbung darf zwar nicht lügen, sie darf uns aber das Blaue vom Himmel versprechen, wenn klar ist, dass es Werbung ist.“

    Wieso eigentlich? Um sich mit der Zeit so richtig unglaubwürdig zu machen?
    Ich verstehs nicht so ganz – und bedeutet das „Blaue vom Himmel“ in dem Fall nur kurze Balken oder auch kurze Beine… ;-)

  11. @gnaddrig

    Da kannste alle die von sich behaupten Qualitätsmedien usw. zu sein, in einen Sack packen und draufhauen und Du wirst immer den Richtigen treffen. Wenn es um das Trommeln für sich selbst geht, gelten eben die Gesetze der Werbung. Das heißt AIDA usw.
    Nicht umsonst beschäftigen alle dieser Medien Werbeagenturen, die Strategien entwickeln, wie man sich einzigartig positioniert usw.

    @meykosoft

    Das Blaue muss nur so geschickt inszeniert sein, dass es glaubwürdig wirkt. Und das machen die Balken. Klar kann es immer wieder mal passieren, dass ein Hinz oder Kunz oder Niggemeier das Lineal anlegt und sagt: „Ätsch, stimmt nicht“. So what? Der Großteil derer die das Diagramm sehen, wird unbewusst im richtigen Sinne gelenkt und manipuliert und bei denen funktioniert es. Und darauf kommt es an. Der Niggemeier-Text ist in ein paar Tagen Geschichte. Die Balken bleiben bestehen und verrichten brav ihre Arbeit.

  12. @ starkstromliesel: Bitte nimm dir noch einmal deine Kommentare vor und streiche alles durch, was schon oben im Artikel steht. Aber danke für die Nussöl-Anekdote.

  13. Jetzt hab ichs, glaub ich:
    Die Medien verlieren an Glaubwürdigkeit.
    Werbung für Medien muss nur glaubwürdig wirken.
    Werbung für Medien in Medien…

    Da ist dann eh Alles egal ;-)

  14. @16 + 15:

    Schlecht geschlafen, oder was? Gerade Ihr beiden vermiest einem manchmal derart die Laune mit euren besserwisserischen Sauertöpfen.

  15. @ starkstromliesel (#15): Stimmt schon. Aber deswegen muss man ja nicht einfach gute Miene zum bösen Spiel machen und so tun als sei diese Praxis in Ordnung. Es ist eben unehrlich, auch wenn es alle machen.

    Da kann es nicht schaden, denen öffentlich auf die Finger zu klopfen, die es besonders dreist treiben, bei denen also Anspruch und Wirklichkeit besonders weit auseinanderklaffen.

  16. Dass in der Werbung geschummelt wird, stimmt, eine Neuentdeckung ist das nicht. Aber immer von neuem lustig.

    Lustiger zumindest als eine „Starkstromliesel“, die unser einer dann auch noch erklärt, dass ihr das altbekannt ist. Das überrascht auch nicht so richtig und ist noch nicht mal lustig.

    PS. Ich hab gar keinen Fernseher.

  17. @ gnaddrig

    Na ja, das Problem ist eben, dass Sie so viel klopfen müssten, dass Ihre eigene Hand dabei bricht.

    Sie müssten allen Medien auf die Finger klopfen.
    Sie müssten allen Parteien auf die Finger klopfen.
    Zu Parteien noch einmal eine Anekdote für Alberto Green. Vor vielen Jahren saß ich mal mit zwei CDU-Politikern an einem Tisch, die heute höchste Regierungsämter begeleiten, um eine Wahlkampfkampagne zu entwickeln. Damals war gerade auch das Wahlrecht für Ausländer ein Thema. Aussage der Politiker: Wir würden ja schon für das Ausländerwahlrecht stimmen, wenn die dann CDU wählen würden. Leider ergeben unsere Marktdaten, dass die mehrheitlich SPD wählen. Deshalb werden wir einem Wahlrecht nie zustimmen.

    Sie müssten allen Banken auf die Finger klopfen.
    Sie müssten allen Versicherungen auf die Finger klopfen.
    Sie müssten auch allen sogenannten charitativen Verbänden und Organisationen wie Rotes Kreuz etc. auf die Finger klopfen.
    Was meinen Sie wie heutzutage Fundraising betrieben wird oder wie viel unseriöse Werbe-Praktiken es da gibt.
    Sie müssten den ganzen kirchlichen Organisationen auf die Finger klopfen.

    Sie müssten klopfen, klopfen, klopfen. Und ganz unter uns: Es würde eigentlich außer einer Minderheit, die mal einen Niggemeier lesen, keinen interessieren.

  18. @ starkstromliesel (#23): Stimmt schon wieder. Da muss man eben klopfen, klopfen, klopfen. Vielleicht ist alles so verrottet, wie Sie’s darstellen (ich fürchte, sie liegen damit nicht allzuweit daneben). Vielleicht interessiert es auch fast niemanden (das glaube ich nicht, sonst käme die künstliche Empörung der Boulevardpresse bei Korruptionsgeschichten nicht so gut an). Dann wäre es aber immer noch nicht richtig, und dann wäre es umso wichtiger, dass solche Fälle möglichst aufgedeckt werden. Man muss die Leute vorführen, sonst wachsen denen die Bäume noch mehr in den Himmel als sie das sowieso schon zu tun scheinen.

  19. Es geht nicht nur darum, den Machern solcher Statistik-Schummeleien auf die Finger zu klopfen, sondern bei potenziellen Lesern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sie mit derlei Grafiken umzugehen haben. Es ist erschreckend, wieviele Leute Schwierigkeiten haben, Grafiken korrekt zu lesen. Dass Sie, starkstromliesel, nach eigener Aussage offenbar ein Lineal brauchen, um bei obiger Grafik eine Manipulation zu erkennen, ist dafür bezeichnend. Wenn es wirklich so ist, dass sich nur „eine Minderheit, die mal einen Niggemeier lesen“ (merkwürdige Formulierung, by the way) für derlei Malipulationsversuche interessieren, ist Aufklärung umso wichtiger. Der Fokus ist ja bekanntlich ein Blättchen, das gefühlte 120% seines Inhalts mit mehr oder weniger sinnvollen Statistiken bestückt. Und dann darf man sich wieder diesen dämlichen Stuss anhören, dass man „nur Statistiken“ die man „selbst gefälscht“ habe glaube. Dabei gibt es ziemlich wenig Fälle, in denen tatsächlich Statistiken gefälscht wurden, viel öfter wird mit kleinen Tricks versucht, über bestimmte Darstellungstricks zu manipulieren. Obiger Fall ist dabei ein besonders dreistes Beispiel.
    „Das machen doch alle so“ war im Übrigen noch nie ein ernstzunehmendes Argument.

  20. Mir gefällt es nicht wie hier sehr viele das als „normal/ist nun mal so“ abtun. Das macht die Sache selber doch nicht besser. Es ist nicht nur handwerklich falsch sondern schlicht Betrug (wie leider ein Großteil der Werbung heutzutage).

  21. @starkstromliesel

    Nun hat Stefan Niggemeier aber gar nicht den Anspruch, alle statistischen „Schummeleien“, die irgendwer irgendwann begeht, zu dokumentieren. Er dokumentiert hier einige ihm aufgefallene Fäle aus dem Bereich der Medien. Ich finde es besser, dass so etwas lückenhaft und nach Lust und Laune geschieht, als wenn es gar nicht geschieht.

  22. @ Rumpelnielschen: Sehe ich genauso.

    @ starkstromliesel (#23): Und wenn er dabei, wie inga in #27 nahelegt, dazu beiträgt, in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass solche Praktiken unrecht sind, ist das doch nur gut und geht zumindest in die richtige Richtung. Dass die Werbenden und ihre Auftraggeber ein Unrechtsbwusstsein entwickeln, erwarte ich ja gar nicht einmal. Aber wenn die Öffentlichkeit ihre Methoden durchschaut und nicht einfach hinzunehmen bereit ist, könnte sich diese Art der Manipulation sich für sie irgendwann nicht mehr recht lohnen, und das wäre doch eine erfreuliche Entwicklung.

  23. Mir fällt dazu immer mein Mathe-Prof ein, der meinte er kann das berühmte Zitat „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hat“ selbst belegen. Er hatte zu seinen frühen UNI-Zeiten einen Statistikauftrag einer Behörde bekommen. Zahlenpaket und die gewünschten Thesen, die am Ende rauskommen sollten, wurden gleich von der Behörde vorgelegt. So war es dann seine Aufgabe, die Allgmeinaussage der Statistik ignorieren zu müssen (nach seinen Protest), da die in eine andere Richtung ging. Statt dessen pickte er sich einzelne Parameter und Kriterien raus, die alles schick und schön erscheinen lassen!

  24. @Waldnase: So was nennt man „Leyen-Statistik“. Aber sie ist aufgefallen.

    Aus „Der Spiegel“ vom 30.Jan. 2012: „Zahl der Woche“
    (oder wie aus 1,5 Prozent 13,5 Prozent werden)
    15,1 Prozent
    aller Kinder unter 15 Jahren in Deutschland leben von Hartz IV. Das sind nur 1,5 Prozentpunkte weniger als noch vor fünf Jahren. Damals wie heute lebt etwa jedes sechste Kind am Rande des Existenzminimums. Vergangene Woche jedoch freute sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, nach denen im Jahr 2011 rund 257 000 Kinder weniger von Sozialleistungen lebten als noch 2006 –ein Rückgang um 13 ,5 Prozent. Von der Leyen sprach triumphierend von „sinkender Kinderarmut“ und der „Ernte dessen, was wir in den letzten Jahren an Kraftanstrengungen unternommen haben“. Die Statistik trügt allerdings, denn seit 2006 ist auch die Gesamtzahl der unter 15 -Jährigen um 750 000 gesunken. Wenn es insgesamt weniger Kinder gibt, ist es kein Wunder, dass in absoluten Zahlen auch weniger Kinder auf Hartz IV angewiesen sind. Der Rückgang ist in großen Teilen ein demografischer Effekt.

    Ein Lob an „Der Spiegel“. kursiv von mir. Hoffentlich habe ich keine Zitierregeln verletzt.

  25. @ polyphem: Wichtig ist hier ist das geschickte Weglassen gerade derjenigen Angaben, die das ganze in den richtigen Maßstab rücken. Genau wie bei Prospekten von Reiseveranstaltern, wo die Baustelle und die Autobahn zwischen Hotel und Strand natürlich auf keinem Foto auftauchen. Alles entspricht genau der Wahrheit, ist eben nur etwas unvollständig. Man kann den Leuten dann nicht einmal vorwerfen, dass sie gelogen hätten. Und das ist viel perfider als gefälschte Zahlen (oder gephotoshoppte Fotos).

  26. @ polyphem
    He He, das ist wirklich ein gutes Beispiel für Statistikinterpretation.

    @rumpel
    Hat auch keiner gefordert, dass Niggemeier vollumfänglich Statistikaufklärung betreiben soll

    @ gnaddrig
    Als ob dadurch groß Empörung in der Öffentlichkeit geschaffen wird, wenn Niggemeier ein zurechtgebogenes Balkendiagramm kritisiert. Das meinte ich mit meinem Satz, dass außer ein paar Niggemeier-Leser solche Petitessen kein Mensch interessiert.

    Die Öffentlichkeit interessiert ja auch nicht für die großen „Gaunereien“, weshalb dann für ein Balkendiagramm?

    @ Helen M
    Wie wahr. Ich mache meinen Job schon seit zwanzig Jahren und er macht mir jeden Tag eine Menge Freude. Aber die Naivität und das Desinteresse der Öffentlichkeit bei werblichen Manipulationen jeglicher Art lässt mich schon sehr am Verstand der Menschheit zweifeln.

  27. @polyphem: Also, wenn mich meine (leider etwas eingerosteten) Dreisatzfähigkeiten nicht im Stich gelassen haben, entspricht der Rückgang von 1,5 Prozentpunkten (also von 16,6% aller Kinder unter 15 Jahren auf 15,1%) zwar nicht 13,5 Prozent, aber immerhin noch etwa 9 Prozent.

  28. @ starkstromliesel (#34): Nun, „groß Empörung“ kommt wohl nicht gleich auf. Aber immerhin macht sich überhaupt jemand die Mühe, auf sowas hinzuweisen.

    Der Wille zur Empörung ist zumindest prinzipiell vorhanden, man muss die Leute nur kriegen. Eine große deutsche Boulevardzeitung führt praktisch täglich vor, wie das geht, wenn sie gegen „die da oben“ hetzt, oder gegen vermeintliche Sozialschmarotzer und Abzocker.

    Dass Leute wie Stefan Niggemeier mit ihren Texten über verbogene Balkendiagramme weniger Leute hinterm Ofen hervorlocken können, ist nur normal. Das heißt aber nicht, dass ihre Arbeit unnötig oder nutzlos ist. Obwohl, Sie haben recht, solche Kleinigkeiten sind weit unterhalb der normalen Aufmerksamkeitsschwelle. Aber vielleicht erreicht sowas ja mal eine kritische Masse und ist dann doch zu mehr nütze als nur der Ergötzung der Leserschaft dieses Blogs.

  29. @ gnaddrig
    Die Print-Journalisten, Redakteure, TV-Anstalten usw. spielen doch das Spiel der der Werbetreibenden und deren Auftraggeber fleißig mit. Wenn die wollten, könnten die jeden Tag wesentlich schlimmere Entgleisungen als gestreckte Balkendiagramme aufdecken. Aber Ihre große Boulevardzeitung hilft doch mit, Volkssocken oder Ähnliches zu verticken. Der Spiegel ist mit dabei, wenn es darum geht, ahnungslosen Anlegern dubiose Goldaktien anzudrehen – Herr Niggemeier weiß wovon ich spreche – bei N24 Wisssen müsste in der Regel immer Dauerwerbesendung stehen und so geht es weiter.

    Und was glauben Sie was alles möglich ist, wenn Sie bei TV-Anstalten mit großen Media-Etats winken? Von wegen es gibt kein Product-Placement. Wir hatten es ja schon mal davon. Wenn Sie die Kohle haben und die richtigen Leute kennen, ist alles machbar.

    Oder denken Sie mal an die ganzen, stark werbefinanzierten Magazine. Haben Sie dort schon mal wirklich kritische Berichte oder gar Enthüllungen gelesen? Automobilzeitschriften, LifeStyle-Magazine, Living at sonstwo, schöner kacken, lecker kotzen und wie sie alle heißen. Es gäbe im Bereich Food, Mode, Automobil, Möbel usw. zig Storys zu schreiben von Preisabsprachen, minderwertigen Materialien, Umetikettierungen, Arbeitsbedingungen usw. Die Geschichten liegen für jeden offen, der nur ein bisschen hinschaut. Der Journalist, der die Story schreiben wollte, wäre dann halt auch seinen Job los und kriegt auch keinen mehr in der Branche.

    Wie viel einfacher ist es doch da, die Journalistenrabatte zu kassieren. Wie viel einfacher ist es doch einen positiven Bericht über die neue Küche von xy zu schreiben. Die Anzeigenabteilung ist zufrieden, der Verlag ist zufrieden und wenn es für einen selbst die Musterküche zu ganz günstigen Konditionen gibt, haben doch alle was davon. Wenn ich für zwei Wochen zum Autotesten in die Karibik eingeladen werde und den Testwagen auch noch zum absoluten Schnäppchenpreis kriege, ja was werde ich da wohl über das Auto schreiben?

    Ich kenne bis heute keine Fernsehanstalt, kein Magazin, keine Zeitung, kein Verlag usw. die sich nicht mit Werbetreibenden und deren Auftraggeber gemein machen. Und das wird auch so bleiben. Denn von denen werden sie finanziert. Und wes Brot ich ess . . .

  30. @starkstromliesel #37: Wenn ich jedes Auto zum absoluten Schnäppchenpreis bekomme und von jedem Hersteller in die Karibik eingeladen werde, ja was schreib ich dann bloß?

    Trotzdem ist es ein Skandal flasch.

  31. @SvenR

    Na ja, ein wenig Abwechslung sollten Sie sich schon gönnen. Deshalb lädt ja der eine Hersteller in die Karibik ein und der andere auf irgendeine Strecke in Finnland.

    Und dann nehmen Sie einfach das Auto, welches Ihnen am meisten zusagt und verscherzen sich es trotzdem nicht mit den anderen Herstellern. Deshalb sind ja durch die Bank weg, nahezu alle Berichte über Automobile positiv. Deutsche Marken werden in der Regel gegenüber der ausländische Konkurrenz noch ein bisschen besser dargestellt- man hat ja seinen Nationalstolz. Aber so richtig weh tut kein Bericht, obwohl es sicher Punkte gäbe, wo man den Finger in diverse Wunden legen könnte.

    Weitere Protagonisten neben den Journalisten sind übrigens lustige Vereine wie der TÜV oder diverse andere Test- und Prüf-Institute, die einem gerne weiterhelfen, wenn es ein positives Testergebnis oder Gutachten braucht. Obwohl auch die es zum Großteile besser wissen oder wissen müssten.

  32. starkstromliesel,

    vielleicht verraten Sie mal zwischendurch, woher Sie so umfassend Kenntnis von allen deutschen Redaktionen haben:

    „Die Print-Journalisten, Redakteure, TV-Anstalten usw. spielen doch das Spiel der der Werbetreibenden und deren Auftraggeber fleißig mit.“

  33. @Inga: Danke für ihren Dreisatz. Der ist natürlich richtig. Um die Problematik krass darzustellen hatte ich einfach die Zahl 1,5 (Spiegel) der 13,5 (vdL) gegenüber gestellt; denn die Aussage über die prozentuale Entwicklung einer Teilmenge kann doch wertlos sein. Wenn z.B. „2“ eine solche Teilmenge von einer Gesamtmenge ist, dann wäre ja die Verringerung auf „1“ ein Rückgang um 50 Prozent. Aber was sagt uns diese Information, wenn wir die zugehörige Gesamtmenge nicht kennen?

    Um bei dem Beispiel der armen Kinder (Kinderarmut kann ja auch anders verstanden werden) zu bleiben: Um die Entwicklung sinnvoll und verständlich aufzuzeigen, halte ich die Aussage: „Rückgang des Anteils armer Kinder von allen Kindern in DE um 1,5 Prz.“ für die gelungenste, wenn mit einer einzigen Zahl über Trend und Status informiert werden soll. Andernfalls müssten alle relevanten Zahlen mitgeliefert werden, was für z.B. die Tagesschau schon zu viel wäre.

    P.S.: Und für all die Relativierungskünstler (sic!), die hier wieder meinen, sie müssten, könnten, wollen wieder das große „ist doch egal“ oder „ist doch (nur) Werbung“ rein quacken: Überlassen Sie diesen Part doch einfach Jan Fleischhauer. Und lesen Sie mal wieder das Gedicht „Fink und Frosch“ von Wilhelm Busch

  34. @ Theo
    Aber nur dieses eine Mal. Und dann nie wieder. Nicht, dass ich jedem wieder alles beweisen und belegen muss.

    Theo, ich weiß dass, weil es mit meinem Job zu tun hat. Ich arbeite seit über 20 Jahren im Bereich Werbung, Markenberatung, Unternehmenspositionierung, PR. Ich entwickle Marketing- und Kommunikationsstrategien und „kreative Lösungen“ für alle, die ein Produkt oder eine Dienstleistung vermarkten wollen oder einfach ihre Interessen durchsetzen wollen. Ich arbeite für große und kleine Unternehmen, Parteien, Verbände, Kommunen, Institutionen usw. Ob Politik, Consumer Goods, Food, Banken Versicherungen, Investitionsgüter, Fundraising, ja auch Automotive . . . Ich glaube in den 20 Jahren gibt es fast keine Branche, für die ich nicht tätig gewesen bin.

    Ein Beispiel für meine Tätigkeit wäre: Sie sind ein Pharmaunternehmen und haben noch Impfstoff auf Lager und wissen nicht, wie Sie den loswerden sollen? Ich entwickle die Strategie. Und wenn ich die Krankheit dazu erfinden muss und eine Impfhysterie initiieren muss.

    Sie haben als Bank eine Vertrauenskrise? Ich entwickle Lösungen, wie Sie das Vertrauen der Anleger wieder gewinnen.

    Sie haben ein Ramschprodukt aus China und wollen das möglichst gewinnbringend unter die Leute bringen? Ich mache daraus einen begehrenswerten Luxusartikel.

    Sie haben ein minderwertiges Lebensmittel? Ich erfinde eine schöne Geschichte und die Markenwelt noch mit dazu, damit alle denken, wie toll und gesund Ihr Produkt ist.

    Ihre neue Automobilentwicklung ist eine benzinfressende Umweltschleuder und eigentlich viel zu groß und zu schwer? Wir finden eine Lösung, die es zum begehrten Nischenprodukt macht.

    Wenn Sie noch mehr wissen wollen, lesen Sie 39,90. Den Roman hätte ich auch schreiben können. Eigentlich jeder, der in den großen Networkagenturen zu Hause ist oder war.

    Um zu Ihrer Frage zurückzukommen. Natürlich muss eine Imagekampagne, eine Vermarktungsstrategie, eine PR-Maßnahme usw. eine gewisse Marktdurchdringung erzielen. Und dabei gibt es selbstverständlich Helfer. Die sitzen z.B. in den Redaktionsstuben, Medienanstalten, Instituten. Und die sind eigentlich immer ganz willig. Und wohlgemerkt wir sprechen hier nicht über die mit Anzeige gekennzeichneten Werbespots und Print-Anzeigen oder über bezahlte PR. Das ist ja die Basis. Aber da geht ja noch viel mehr.

    Wir haben schon vor zwanzig Jahren Ärzte und Fachjournalisten zur Weiterbildung auf Kreuzfahrtschiffe eingeladen. Das Mountain-Bike für die Landausflüge durften sie später selbstverständlich behalten. Es gab keinen Journalisten, der das Bike nicht genommen hätte und bis heute hat es auch noch keiner zurückgebracht. Das medizinische Produkt hatte gute Presse.

    Presse-Incentive in Zandvort mit Besuch der Boxengasse, Fahrt mit Profi-Rennfahrer und anschließendem Kurzurlaub am Strand? Ich habe das mit organisiert. Sind auch alle brav gekommen. Hat keiner abgesagt.

    Ich habe selbst schon zig Presseberichte und Artikel geschrieben, die unverändert übernommen worden sind. Wohlgemerkt, keine bezahlte PR mit dem verschämten Anzeigen-Logo rechts unten in 4,5 PT. Das ist kein großes Problem.

    Media-Verhandlungen mit Fernsehanstalten bei hohem Einschaltvolumen. Ich habe die selbst geführt. Damals haben Agenturen noch Einzeletats selbst gebucht und verhandelt. Heute machen das in der Regel große Spezial-Media-Agenturen, die mehrere Etats bündeln. Da ist einiges möglich. Wenn Sie Werbezeiten in dem Ausmaß buchen, dann legen wir noch drei Split-Screens drauf und wir machen ihr Produkt noch zum Thema einer Talkshow, ach gleich drei Talkshows und wenn Sie einen Unternehmensfilm machen wollen, denn wir quasi als Wissens-Doku verwenden können, wären wir auch nicht abgeneigt und Product-Placement, ja Sie wissen eigentlich dürfen wir das nicht, aber wir kriegen das schon irgendwie hin. . .

    Wenn ich hier also zu manchen Themen wie damals Product-Placement einen Kommentar abgebe, dann nicht weil das eine aus der Luft gegriffene Behauptung ist, sondern weil ich das selbst erlebt oder selbst schon gemacht habe.

    Mag sein, dass es noch irgendwo im Hinterzimmer ein paar aufrechte Journalisten gibt. Aber so weit ich das in den letzten 20 Jahren mitbekommen habe, schätze ich die Zahl auf unter 10 %. Und ich spreche nicht nur von den Fachjournalisten, sondern beziehe die Politjournalisten mit ein. Ich habe auch für Parteien und Verbände gearbeitet und glauben Sie mir, die Journalisten in dem Bereich sind auch nicht besser. Klar, denn ist der Journalist nicht gewogen, wird er eben zu der und der Veranstaltung nicht eingeladen, kriegt diverse Informationen zu spät oder gar nicht usw. Und schon hat er ein Problem. Und es gibt ja noch Andere, die seinen Job machen können.

    Ich könnte noch endlos weiter aus dem Nähkästchen plaudern, aber jetzt muss ich mir endlich mal überlegen, wie wir den Politiker Maier dazu bringen . . .Was halten Sie davon, wenn wir ein Projekt ins Leben rufen, dass wir mit EU-Fördergeldern finanzieren, dafür dann eine GmbH gründen und den Politiker Maier als Geschäftsführer . . . Der könnte dann doch seine Freundin als Assistentin. . . Ja, ich glaube, dass könnte dem Maier gefallen und dann wird er sicher auch nicht abgeneigt sein, unser Anliegen wohlwollend zu betrachten. . .Äh, hat dieser französische Ex-Präsident nicht was Ähnliches gemacht und hat dann ein Problem bekommen? Äh, stimmt. Aber wurscht, ist ja später dann das Problem vom Maier und nicht unseres. Haben Sie auch wieder recht . . Sie rufen den Maier an?

  35. @starkstromliesel

    Ich weiß nicht, was ich beängstigender finde. Ihre Schreibenergie. Oder die Selbstverständlichlichkeit, mit der Sie Ihren Arbeitsalltag beschreiben, als wäre es das normalste der Welt, der Welt Dreck unterzujubeln, den sie nicht braucht und auch täglich mehr Freude daran zu haben.

    Sprachen Sie nicht irgendwo oben davon, dass man mal ordentlich auf die Finger klopfen müßte, damit sich was ändert? Fangen Sie doch mal am besten dort an, wo sie es beinflussen können. Und nein, damit meine ich nicht die Kommentarspalte bei Niggemeier.

  36. @ Linus
    Ich habe vor über 20 Jahren als Werbetexter angefangen. Da schreiben sich die Zeilen nur so weg. Es war gnaddrig der klopfen wollte, nicht ich. Menschen in meiner Branche werden höchstens zynisch, die klopfen nicht mehr. Ich empfehle jedem 39.90, der mehr Einblick erhalten will. Allerdings das Buch, der Film ist weniger gut.

  37. @starkstromliesel
    „… . . Ich glaube in den 20 Jahren gibt es fast keine Branche, für die ich nicht tätig gewesen bin…“ Soso

    Faust:: „Nun kenn ich deine würdgen Pflichten.
    Du kannst im Großen nichts vernichten
    Und fängst es drum im Kleinen an.“

    Mephisto:„Doch freilich ist nicht viel damit getan.
    Was sich dem Nichts entgegen stellt,
    Das Etwas, diese plumpe Welt,
    Soviel als ich auch unternommen,
    Ich wusste nicht, ihr beizukommen.“
    (Zitate aus Faust I, JWvG)

  38. @starkstromliesel

    Sie mißverstehen. Ich an Ihrer Stelle würde mich ein bißchen weniger damit brüsten, was ich alles für Dreck veranstaltet habe und wie selbstverständlich ich das finde. Aber gut.

    39.90 habe ich gelesen, als es rauskam. Nett. Koksen, Joghurtshootings in der Karibik. Blowjobs. Und der Untergebene macht immer den Job des Vorgesetzten. Super. Und so originell. Verstanden haben Sie aber offenbar wenig davon, aber ok, die Miete muss ja bezahlt werden, da kümmert es mich auch nicht, wes‘ Lied ich sing.

  39. @starkstromliesel

    Was außer ein wenig Arbeitschau soll denn der ellenlange Kommentar hier bewirken? Hier ging es doch darum, dass ein Journalist auf eine offenkundig zusammengelogenen Grafik in einer Werbekampagne hinweist. Er behauptet nicht, dass das nicht andernorts auch geschieht. Er behauptet nicht, dass das einzigartig skandalös ist. Er merkt es an. Und Sie entgegnen darauf, dass überall, wo Sie schon gearbeitet haben, also überall, genauso ist. Das ist doch ein Grund mehr, es da anzumerken, wo es einem auffällt, oder?

    Was den Arbeitsalltag angeht: Wie erbärmlich ist es, all das als selbstverständlich, unabänderlich, systemimmanent zu billigen und selbst daran mitzuwirken. Für mich gäbe es nur einen Grund: Ich könnte nichts anderes. Können Sie nichts anderes?

  40. @ Rumpel
    Theo hat gefragt und ich habe Theo geantwortet. Mit dem Balken hatte das nichts mehr zu tun, da haben Sie recht. Und nein, ich kann nichts anderes. Ich will aber auch gar nichts anderes.

  41. @polyphem: Vielen Dank, jetzt hab ich einen Knoten im Hirn. Aber wenn ich mich nicht völlig täusche, dann ist der Satz „Rückgang des Anteils armer Kinder von allen Kindern in DE um 1,5 Prz.“ nicht richtig, weil es ja Prozent_punkte_ sind. Rückgang also „um 1,5 Prozentpunkte auf 15.1%“ oder „um etwa 9%“. täte ich mal so sagen, wenn man mich fragen würde…

  42. „Mag sein, dass es noch irgendwo im Hinterzimmer ein paar aufrechte Journalisten gibt. Aber so weit ich das in den letzten 20 Jahren mitbekommen habe, schätze ich die Zahl auf unter 10 %.“

    Man kann so etwas ja mal eben behaupten. Differenzierung ist noch nie die Sache von Werbetextern gewesen. Da hilft es auch nicht, wenn ich auf Grund eigener Redaktionserfahrung eine völlig andere Einschätzung vortragen würde. Die Diskussion, die mit angeblich eigenen Erlebnissen als wichtigste Datengrundlage geführt wird, ist meist sinnlos.

  43. @inga: Sie haben ja so Recht und sind (hier) genau (und) richtig. Den Knoten hatte ich. Beim Nachlesen fiel mir mein Fehler auch auf. (*grummel*) Ein Punkt für Sie. Nein, sogar Eins Komma Fünf. (ironiefrei)

  44. Ach Theo, ich hab’ ja nichts gegen Journalisten im Allgemeinen. Mit geht nur deren Scheinheiligkeit und Doppelmoral gegen den Strich. Die schreien „Skandal mit Bobbycar“ und lassen sich gleichzeitig vorne und hinten pampern. Weil ich gerade lese, dass Özdemir zusammen mit Schmidt bei Barca gegen Madrid war: Versuchen Sie in Deutschland als Normalsterblicher mal an Karten für sportliche oder kulturelle Großereignisse zu kommen. Also Bayern gegen Dortmund oder noch besser damals Fußball WM 2006. Da mussten Sie ins Losverfahren und haben mit Glück das Gruppenspiel Kalmückien gegen Kleinkleckerland bekommen. Warum? Weil über zwei Drittel der Karten schon im Vorfeld für die Sponsoren-Kontigente geblockt waren. Und zwar die guten Karten. Und an wen vergeben die Sponsoren (zahlungskräftige Unternehmen) die Karten? Nun, da gibt es drei Kategorien. Kategorie 1: Gute Kunden. Leuchtet ein, wer regelmäßig viel bestellt, soll belohnt werden. Kategorie 2: verdiente Mitarbeiter. Wer unzählige Versicherung verkauft hat, muss nicht immer gleich ins Bordell, sondern darf auch mal Fussi gucken. Kategorie 3: Alle von denen der Sponsor glaubt, dass sie ihm irgendwie, irgendwo und irgendwann noch nützlich sein können oder die schon nützlich waren. Und wenn es nur zur „Imagepflege“ dient. Das sind in der Regel die drei Ps. Promis, Presse, Politik. Selbst wenn einer der drei das Ticket voll bezahlen würde – was eigentlich keiner tut – die kämen ja im normalen Verkehr gar nicht dran. Natürlich wird auch da nach Wichtigkeit gestaffelt. Für Lokalpresse oder Lokalpolitik geht es halt nur zum Karneval in den Gürzenich, aber Höherrangige dürfen schon mal zum WM-Finale. Ich gebe es zu, kann sein, dass der eine oder andere Werber, der den Kunden betreut, auch da sitzt. Oder als Kunde von einer Fernsehanstalt eingeladen wird.

    Aber jetzt schreit die Presse wieder Skandal: Özdemir bei Real. Was ja auch anrüchig ist. Aber dann sollte die Bande ab sofort auf sämtliche Journalistenrabatte verzichten, sowie sämtliche Einladungen, Tickets, Incentives usw. von Unternehmen und Sponsoren zurückweisen. Und z.B. auch den Bundespresseball zu 100 % aus eigenen Mitteln finanzieren. Dann können sie auch zu Recht Skandal rufen. Und nicht wieder so scheinheilig tun. Denn wir dürfen Eines nicht vergessen. Den Einfluss, den ein Politiker hat, den hat auch die Presse, wenn es darum geht ein Unternehmen in gutem oder in schlechtem Licht dastehen zu lassen.

  45. starkstromliesel,

    warum es keinen Sinn macht, mit Ihnen über die „Journalisten im Allgemeinen“ zu diskutieren, habe ich schon geschrieben.
    Abgesehen davon, dass mich Skandalisierungstendenzen in einigen Medien auch etwas nerven, sehe ich aber einen Grund, wegen möglicher Journalistenrabatte nicht über Beck und Özdemir zu berichten.

  46. @ Theo
    Ich habe verstanden. Dennoch eine Schlussbemerkung.

    Wenn Sie mit offenen Augen durch Ihre Redaktionsstuben wandern, wissen Sie wie ich, dass es um mehr als nur ein paar lumpige Journalistenrabatte geht. Die gleichen Vorwürfe der Vorteilsnahme und Bestechlichkeit, die Journalisten den Politiker machen, könnten sie auch bei vielen ihrer Kollegen anbringen. Aber da hacken sich die Krähen auch kein Auge aus.

    Wer hat denn mal den Mumm in den Knochen und recherchiert mit der gleichen Intensität wie bei Wulffs mal bei Kai Diekmann und Konsorten?

    Welche Einladungen haben die angenommen, was wurde wenn überhaupt bezahlt, gab es Upgrades für Flüge, wohin geht er in Urlaub, wie finanziert er sein Auto usw. Einfach mal die gleiche Messlatte anlegen und dann einen Artikel verfassen. Muss auch gar nicht so sensationslüstern und skandalheischend wie bei Wulff sein. Wenn das mal passieren würde, dann würde ich sagen: Respekt und Chapeau!

    Und jetzt ist auch gut.

  47. @ starkstromliesel (#56): Das wäre in der Tat mal interessant. Wer weiß, was bei den Diekmanns und all den anderen scheinheiligen Aufdeckern, Entblößern und Ethikspezialisten wirklich so hinter den Sofas versteckt liegt.

  48. Der Unterschied zwischen einem dem Volke verantwortlichen Politiker und einem irgendwo als Angestellter oder Freiberufler arbeitenden Journalisten ist Ihnen aber noch bewusst?

    Aber lassen Sie es, Sie sondern hier ellenlange Diskussionsbeiträge ab (Ist Ihr Nähkästchen mittlerweile denn noch nicht leer?) und beenden dann Ihrerseits, wenn Sie alles gesagt haben, die Diskussion. Dem mag ich nicht mehr widersprechen.

  49. @starkstromliesel: Wenn Sie das wirklich interessiert, dann nutzen Sie doch mal Ihre Recherchefähigkeiten. Zu genau diesem Thema wurden zuletzt diverse Artikel veröffentlicht. Und zwar von (halten Sie sich fest!) Journalisten!

  50. @Stefan Niggemeier: Und ich hatte schon den Verdacht, die Liesel habe von Ihnen den Auftrag, ihr Blog aufzuwerten.

  51. @starkstromliesel: Sie halten Journalisten zu mehr als 90 Prozent für korrumpierbar. Ich habe in mehreren Redaktionen, vermutlich ähnlich wie Theo, gänzlich andere Erfahrungen gemacht. Wollte ich nur mal zu Protokoll geben, bevor dieser Unsinn hier als Tatsache festgehalten wird. Vielleicht sollten Sie Ihre Verallgemeinerungen … äh … Ihr „Wissen“ nochmal überdenken.

  52. @ Inga

    Ich gehe mal davon aus, dass Sie auf solche Artikel anspielen:

    http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-journalisten–rabatte-und-moral,1472602,11458942.html

    Der hat mich interessiert und den fand ich auch gut :)

    Aber der stützt ja meine These, dass 90 von 100 Journalisten korrumpierbar sind.

    @ Klaus Thomas Heck
    Wollen Sie mir tatsächlich weismachen, dass weniger als 90 Journalisten im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit einen Rabatt angenommen hat?
    Und glauben Sie, dass Unternehmen diese Rabatte der Berufsgruppe Journalisten gewähren, weil sie Journalisten für besonders nette Menschen halten, die man finanziell unterstützen muss?

    Natürlich erwarten die sich eine Gegenleistung in Form von guter Presse oder dass man ihnen mal einen Gefallen tut.

    Haben Sie sich mal die Frage gestellt, warum ein einfacher Handwerker oder Büroangestellter diese Art der Vergünstigungen nicht erhält. Und das sind jede Menge:

    http://www.pressekonditionen.de/

  53. Als „Büroangestellte“ kann ich Ihnen mitteilen, dass ich sehr wohl Vergünstigungen bekomme. Es gibt etliche Unternehmen, die mit meinem kooperieren und bei denen ich Sonderkonditionen erhalte. Hören Sie doch bitte endlich auf, wortreich unbelegte Behauptungen in den Raum zu stellen. Wenn Sie wirklich so einen verkommenen Job haben, wie Sie in Ihren ellenlangen Kommentaren behaupten, dann wundere ich mich freilich nicht über Ihr verqueres Menschenbild.

  54. @starkstromliesel

    Ich kann Ihre Einschätzung leider nicht ganz teilen. Der Prozentsatz korrumpierbarer Journalisten liegt mitnichen bei 90 Prozent, sondern ziemlich genau bei 86,74 Prozent.

    Das können Sie mir übrigens glauben, ich kenn so viele und es ist für mich ein Leichtes, daraus auf alle anderen hochzurechnen.

  55. @ rumpelnielschen (#67): Rechnen Sie Köpfe oder Lebendgewicht? Berücksichtigen Sie die Schwere und Häufigkeit der Fälle? Unterscheiden Sie zwischen studierten, gelernten und dillettierenden Journalisten? Fließen Leute, die alle Jubeljahr mal eine Seite für den Gemeindebrief zusammenstoppeln und hinterher ein Stück Kuchen abstauben, auch mit ein? Wie runden Sie?

  56. @Inga
    Ihnen kann ich es aber auch nicht recht machen. Erst verlangen Sie, dass ich mich darüber informiere, was Journalisten zum Thema Korrumption der Presse schreiben und dann finde ich einen Artikel, worauf Sie fordern, dass ich unbelegte Behauptungen einstellen soll. Dabei liefert gerade dieser Artikel eines Jounralisten harte Fakten:
    Bahn Card Normalbürger: 240 €
    Bahncard Journalist: 122 €
    50 % Rabatt auf Flugreisen, bis zu 60 % auf private Haftpflicht usw. Natürlich ist mir klar, dass die Penny-Kassiererin auch einen Mitarbeiter-Rabatt auf die Penny-Ware bekommt und der Maurer wird seinen Sack Zement über seinen Betrieb bei Obi auch günstiger kriegen und Sie als Büroangestellte erhalten vielleicht auch ein paar Sonder-Konditionen. Aber 1700 Presserabatte! querbeet durch alle möglichen Branchen! Ohne dass Sie in einer der Branchen arbeiten müssen! Nur weil Sie einen Presseausweis besitzen! Nein, ich bleibe dabei: So eine Rabattkarte in Platin kriegt sonst keiner.

  57. @Starkstromliesel:

    Klar gibt es solche Rabatte. Vielleicht auch mit Hintergedanken. Aber niemand ist gezwungen, diese Rabatte nachzufragen geschweige denn anzunehmen. Ich kenne genug Kollegen, die dies auch nicht tun. Es soll sogar Kollegen geben – halten Sie sich fest! -, die nicht mal eine Pressereise mitmachen. Und andere, die dann trotzdem keine Lobhudeleien über das tolle Hotel oder das neue Auto schreiben und den Fokus ihres Textes einfach auf einen ganz anderen Aspekt legen.

    Ich war bislang in drei Redaktionen (zwei Tageszeitungen, eine Zeitschrift). Und ich würde behaupten, der Großteil der Kollegen ist nicht korrumpiert. Vielleicht verkehren Sie einfach in den falschen Kreisen?

    Aber wenn wir schon bei Statistiken sind: Nach meiner empirischen Erfahrung sind 100 % aller Starkstromliesels zynisch und menschenverachtend und nicht an einer ernsthafen Auseinandersetzung mit gegenteiligen Argumenten interessiert.

  58. @ rumpelnielschen, #58

    „Der Unterschied zwischen einem dem Volke verantwortlichen Politiker und einem irgendwo als Angestellter oder Freiberufler arbeitenden Journalisten ist Ihnen aber noch bewusst?“

    Ein Journalist kann eine ebenso große Verantwortung wie ein Politiker tragen, insofern sehe ich da so pauschal keinen Unterschied. Diekmann dürfte sicher mehr Einfluss haben als irgendein Unions-Hinterbänkler (was zum Glück inzwischen nicht mehr heißt, dass die Kampagnen der BILD auch ihr Ziel erreichen), auch wenn sich immer wieder erstaunliche viele Internetnutzer über Äußerungen unbedeutender Politiker in unbedeutenden Medien echauffieren können.

    Darüber hinaus ist es wesentlicher Bestandteil zumindest meines Wertesystems, andere so zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden will. Das beinhaltet auch, Forderungen an andere selbst zu leben oder sie gar nicht erst zu erheben. Daher stört mich diese Doppelmoral ebenfalls.

    @ starstromdiesel, #69

    Bahncardrabatte: Fairerweise muss man aber auch anmerken, dass trotz dieser Rabatte die Bahn in der Berichterstattung nicht wirklich gut wegkommt. Im Gegenteil, ich würde fast behaupten, dass an die Bahn härtere Maßstäbe angelegt werden als an den Flugverkehr. Verspätungen sind z.B. bei der Bahn Schuld der Bahn, im Flugverkehr hinzunehmendes Schicksal.

    Ein „Geschmäckle“ hat dieser Rabatt natürlich trotzdem, das ist unbestritten.

  59. @ Klaus Thomas Heck

    Dass die Starkstromliesels dieser Erde im Laufe ihres Lebens zynisch werden, habe ich ja selbst betont.

    Zitat Liesel: „Menschen in meiner Branche werden höchstens zynisch, die klopfen nicht mehr. Ich empfehle jedem 39.90, der mehr Einblick erhalten will.“

    Dass man mit ihnen ernsthaft keine vernünftigen Argumente austauschen kann, würde ich so nicht unterschreiben.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es auch im Berufsstand der Journalisten genügend Liesels gibt. Wenn ich öffentliche Aussagen und das Verhalten von Kai Diekmann so betrachte – ich kennen ihn nicht persönlich -, würde er sich nahtlos in das Heer der Starkstromliesels einreihen können.

    Wenn ein Jan Fleischhauer schreibt, dass die Linken sich doch freuen sollen vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, dann hätten sie wenigstens ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, nun, dann trägt das zumindest schon Lieseleske Züge.

    Henning Krumrey in alten Presseclubsendungen. Na wenn da nicht eine Liesel aus ihm sprach, wer soll denn dann sonst noch eine sein?

    Nun verstehe ich, dass es für gewisse Gutmenschen – ich entschuldige mich jetzt schon für das Wort, aber es fällt mir kein besseres ein und bitte bitte jetzt keine Diskussion über Gutmenschentum – nun gewisse Gutmenschen tun sich natürlich verdammt schwer mit den Liesels.

    Vor allem, wenn die Argumente haben, die einfach nicht von der Hand zu weisen sind. Aber es lohnt sich glaube ich dennoch, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Weil auch sie Ansichten vertreten, mit denen man sich auseinandersetzen sollte, wenn einem an positiver, konstruktiver Veränderung gelegen ist. Ja, auch eine zynische Sicht auf die Dinge kann Gutes bewirken. Bin ich fest von überzeugt. Liesels einfach zu ignorieren oder zu sagen, mit denen spiele ich nicht, wird dabei nicht helfen.

  60. @ DaW

    Das beinhaltet auch, Forderungen an andere selbst zu leben oder sie gar nicht erst zu erheben. Daher stört mich diese Doppelmoral ebenfalls.

    Das ist ja aller Ehren wert, führt nur in eine äußerst gefährliche Richtung, wenns um Politik geht. Ich bin kein Politiker und muss mich dementsprechend nicht erst wie einer verhalten, um Kritik anzubringen. Wulff ist (formal) der erste Mann im Staat. Ihn dafür anzugehen, dass er sichtlich korrupt ist, muss auch möglich sein, ohne Ansehen des Kritikers. Es gibt sowas wie ein richtig oder falsch. Denn es ist völlig unerheblich, ob ich qua Amt für umme ins Theater komme, um festzustellen, dass ich es eher nicht will, dass sich der Bundespräsident in bestimmte Abhängigkeiten begibt. (Von denen er wahrscheinlich noch nicht mal glaubt, dass es welche sind, doof wie er ist).

    Das hört sich irgendwie alles so an, als seien die Verfehlungen von Wulff und meinetwegen Guttenberg eine Frage des rein persönlichen Geschmackes und jeder hat ja bei der Mathearbet schonmal. Und verkennt, worum es wirklich geht.

  61. Ich wiederhole mich gerne: Ihre Argumentation baut auf der meiner Meinung nach völlig falschen Grundannahme auf, dass mehr als 90 Prozent der Journalisten korrumpiert sind. Dem widersprechen meine ganz persönlichen Erfahrungen. Ich sehe dafür auch keine empirischen Belege. Und damit wird Ihre Argumentation zu einem großen Teil hinfällig. Vielleicht sollten Sie nicht einfach so von sich auf die Allgemeinheit schließen.

    P.S.: Halten Sie allen Ernstes Kai Diekmann für einen Journalisten, der für diesen Berufstand repräsentativ ist?

  62. Nachtrag:
    Ich entschuldige mich bei Henryk M. Broder, weil ich ihn in der Aufzählung der Liesls vergessen habe. Er hätte einen Platz in der ersten Reihe verdient.

  63. @starkstromliesel (#69): *seufz*
    Sie haben einen einen mieserablen, teils unverschämten Diskussionsstil. Sie stellen Behauptungen auf, ohne sie zu belegen. Zwei Beispiele: Nach Ihrer Auffassung sind 90% der Journalisten korrumpierbar. Sie „belegen“ das mit Ihrer eigenen Erfahrung. Wissen Sie, das ist ein bisschen so, als würde ein Augenarzt sagen, dass 90% der Leute Probleme mit den Augen haben, schließlich hat er überwiegend Kontakt zu Leuten, die einen Augenarzt aufsuchen. Mehrere Kommentatoren widersprechen Ihnen, indem sie ihre eigene Erfahrung ins Feld führen. Das ficht Sie aber nicht an.
    Sie behaupten, es gebe von Journalisten keine selbstkritischen Artikel zum Thema Korruption/ Vorteilsnahme. Nicht wörtlich, aber sie fordern dazu auf, ignorierend, dass das Thema doch schon längst diskutiert wird („Wenn das mal passieren würde, dann würde ich sagen: Respekt und Chapeau!“. Das da vorne am Satzanfang nennt sich Irrealis, also nur so zur Vorbeugung, bevor jetzt wieder die Rabulistik ausgepackt wird). Und dann kommen Sie mit Bahnvergünstigungen? Im Ernst? Haben Sie mal die Berichterstattung über die Bahn in den letzten -äh- Jahrzehnten verfolgt? Glauben Sie im Ernst, dass es diese Vergünstigungen gibt, damit die Leute wohlwollend berichten? Und seit Jahrzehnten hat von der Bahn keiner gemerkt, dass das irgendwie nicht geklappt hat? Journalisten, insbesondere Reporter, müssen viel reisen zur Ausübung ihres Berufes. Vergünstigungen bei der Bahn und bei Flügen, ebenso wie freier Eintritt bei Veranstaltungen sind Teil der Pressefreiheit. Was nicht heißt, dass das nicht manche ausnutzen.
    So, und jetzt zurück zum eigentlichen Thema.

  64. @ Inga

    Dass Vergünstigen auf Bahn- und Flugreisen, freier Eintritt zu Veranstaltungen und die restlichen 1700 Journalistenrabatte dazu da sind, die Pressefreiheit zu gewährleisten, ist wirklich eine außergewöhnliche Verteidigungsstrategie zum Erhalt der Rabatte. Das hat Chuzpe. Das ist Liesel-like. Respekt.

  65. @starkstromliesel (#73): „..Ja, auch eine zynische Sicht auf die Dinge kann Gutes bewirken. Bin ich fest von überzeugt. ..“

    Ihre Überzeugung in Ehren, aber haben Sie mal ein Beispiel, wie eine solche Sicht Gutes bewirkt? Meine Sicht ist etwas eingeschränkt, wie Sie vielleicht wissen.

  66. Das ist genau das, was ich meine, starkstromliesel: Von „und die restlichen 1700“ habe ich nichts gesagt. Sie sind wieder so unverschämt, das einfach so zu behaupten. Ich habe mich explizit auf Reisen und Eintritte bezogen. Und ich bleibe dabei: Journalisten sollen günstiger reisen dürfen, damit sie ihre Arbeit machen können. Wenn eine sinnvolle Vor-Ort-Recherche unterbleibt, weil sie sich ein freier, investigativer Journalist nicht leisten kann, dann ist das der Gesellschaft abträglich. Typisch für Sie, dass sie das eigentliche Argument, dass nämlich Vergünstigungen mitnichten zu wohlwollender Berichterstattung führen müssen, wie das Bahn-Beispiel sehr gut zeigt, glatt übergehen. Klar, denn es zeigt ja, dass Ihre Gleichsetzung von Rabatten mit Korruption schlichter Unsinn ist.

  67. @ Linus, #74

    Da stimme ich Ihnen ja auch durchaus zu. Es geht mir auch gar nicht darum, Fehlverhalten von Politikern zu verschweigen, sondern darum, auch jenes von Journalisten zu beleuchten.

    Und selbst beim Aufdecken des Fehlverhaltens von Politikern sehe ich schwere Mängel: Wieso kam die Wulff-Affäre stückchenweise ans Licht? Ein dauerhaftes Zurückhalten von Informationen ist m.E. allenfalls dann gerechtfertigt, wenn eine Veröffentlichtung die weitere Recherche erschweren oder umöglichen machen würde. Im Falle Wulff erschien es mir aber eher so, als würden die Informationen bewusst nach und nach veröffentlicht, um das Thema am Köcheln zu halten. Die weitere, aus meiner Sicht noch viel schwerwiegendere Frage: Warum hat sich eigentlich kein Medium (zumindest kein großes) VOR der Wahl Wulffs zum Bundespräsidenten mit seiner Vergangenheit beschäftigt? Das kann man allenfalls als „Versagen“ bezeichnen. Stattdessen haben sich alle mit Joachim Gauck beschäftigt (was ich angesichts der einheitlichen Meinung pro Gauck auch etwas beänstigend fand. Aber ich war ja eh schon immer für Gesine Schwan. :))

    Wie kamen wir jetzt eigentlich von verwirrend gezeichneten Balken auf dieses Thema? Und wieso hat in dieser Diskussion noch niemand andere als „Nazi“ bezeichnet? Ich dachte, es gäbe da eine Art „Naturgesetz“ für Diskussionen?

  68. peter diesler (vermittler von presserabatten) sagte gerade bei maischberger:: 74% aller journalisten nehmen rabatte an, er selbst kennt keinen einzigen, der noch nie etwas annahm.

    ob diese journlaisten ihren job nun schlechter machen, steht auf einem anderen blatt. macht ähnliche dinge ein politiker, dann ist das rauschen schon etwas lauter.

  69. @ Silvio
    Lustig , wir schauen beide gerade 3 sat und exakt das Gleiche wollte ich auch eben posten. Wenn ich nur die Studie finden würde, von der Diesler spricht. Würde ich ja für Inga zu gerne tun.

  70. @ Silvio

    Diesler sagte in den ganzen 15 Jahren, in der er schon in der Branche arbeitet, hat er noch keinen gefunden, der keinen Rabat annahm. 15 Jahre ist eine lange Zeit . . .

  71. Liesel, solange Sie mit keinem Wort auf die Argumente von Inga, theo & anderen eingehen, ist eine Diskussion mit Ihnen ziemlich sinnlos.

    In der „Studie“ (Sind 1300 Befragte überhaupt repräsentativ? Wie definiert sie „Journaliksten? Hauptberufliche? Freelancer?) ist davon die Rede, dass 74 Prozent schon mal einen Rabatt angenommen haben. Das ist schonmal weit entfernt von den „mehr als 90 Prozent“, die Sie zum Besten gegeben haben.

    Und wie schon zigfach erklärt: Das Annehmen eines Rabatts ist noch nicht zwangsläufig ein Zeichen für Korrumpierbarkeit. Sie haben doch weiter oben nun schon mehrfach das Beispiel der Bahn genannt bekommen. War die Bahn-Berichterstattung der vergangenen Jahre wirklich so unkrititisch, wie sie es nach Ihrer Logik hätte sein müssen?

    Sicherlich gibt es unter Journalisten – wie in jeder Branche – schwarze Schafe. Aber ihre Argumentationskette, die einen ganzen Berufsstand pauschal an den Pranger stellt, funktioniert nicht. Meine Erfahrungen sind andere. Und solange Sie Gegenargumente beharrlich ignorieren, klinke ich mich hier aus. Aber drehen Sie sich ruhig weiter fröhlich im Kreis.

  72. Ich werde jetzt mal eine Woche Online-Schreibpause machen, damit alle Gemüter sich wieder beruhigen können und Friede in die aufgewühlten Herzen einkehrt. Aber eine Liesel wäre keine Liesel ohne Schlusswort.

    @ Stefan Niggemeier

    Danke, dass Sie meine Kommentare freigeschaltet haben, obwohl ich schon mehrmals unter Beobachtung stand und es Ihnen vielleicht schwer fiel.

    Eine Liesel provoziert, polarisiert und polemisiert. Sie übertreibt, überrascht und überfordert. Im Nietschze’n Sinne einem Zarathustra gleich, legt die Liesel nicht nur den Finger auf die Wunde, nein sie bohrt ihn tief hinein, wühlt in den Eingeweiden herum, auf dass das Blut nur noch so spritzt, auf dass auch wirklich jeder sehen kann, welch Unrat sich darin verbirgt. Denn eine wahre Genesung findet niemals nur an der Oberfläche statt. Und eine wahre Genesung kommt nur von innen. Dazu muss aber erst einmal das Innere nach Außen gekehrt werden, damit es für jeden sichtbar wird, selbst wenn er nur noch ein Auge sein Eigen nennt und bisher blind für derlei Grauen war. Der war für Sie Polyphem.

    @ Theo, Klaus Thomas Heck, Inga und wie Sie alle heißen

    Sie benehmen sich wie ein Berufsstand, der mit Zähnen und Klauen seine Pfründe verteidigen will. Nicht mehr und nicht weniger. Erinnert mich an die Mediziner, die konsequent eine systembedingte Ungleichbehandlung der Versicherten bestreiten, obwohl es jeder weiß und hinlänglich bewiesen wurde.

    Sie ignorieren dabei bewusst die systembedingte Gefahr der Korruption, die ihr Rabattsystem mit sich bringt, nur damit Sie sich diese Annehmlichkeiten erhalten können.

    Dabei bedienen sie sich der gleichen Stilmittel wie die oft von ihnen gescholtenen Politiker. Sie relativieren, banalisieren, sprechen von Einzelfällen, zweifeln die Fallzahlen von Studien an, wollen noch mehr Beweise, ergehen sich als Ablenkungsmanöver im Kleinkrieg, dämonisieren den Überbringer der schlechten Botschaft usw.

    Wenn Sie nicht die Kraft und den Willen zur Beseitigung der Missstände aufbringen können oder wollen, dann sprechen Sie es offen aus, anstatt zu verneinen, zu vertuschen und zu verniedlichen. Aber wie wollen Sie dann jemals wieder ruhigen Gewissens Unternehmern oder Politikern unlauteres Handeln vorwerfen, wenn Sie nicht in der Lage waren, Ihren eigenen Unrat zu beseitigen?

    Ich rufe Sie auf, tun Sie was! Schließen Sie sich zusammen, entwerfen Sie z.B. einen Code of conduct, der bei Strafandrohung die Annahme von Rabatten verbietet. Ihnen wird sicher etwas einfallen, Sie sind ja allesamt intelligente Menschen. Allerdings, ein Journalistenverband, der zwar vor der Annahme von Rabatten warnt, aber selbst welche anbietet, ist dafür mit Sicherheit nicht die geeignete Organisation.

    Handeln Sie bevor es ein anderer tut. Z.B. eine große Boulevardzeitung mit ihrem Chefredakteur an der Spitze, der sein Image aufpolieren will. Herr Diekmann, wenn Sie hier mitlesen, will ich aber eine Provision für die Idee. So ein klitzekleiner Presseausweis wäre nett :)

    Und jetzt mache ich eine Woche Pause. Die Sonne scheint, mein Pferd freut sich auf einen Ausritt im Schnee.

  73. Liesel,
    ihre Selbstbeschreibung erinnerte mich an einen alten Spruch von Muhammad Ali:

    „Es ist schwierig, bescheiden zu sein, wenn man so großartig ist wie ich.“

  74. Liesel, deine Anti-Korruptions-Statements sind ja gut und schön, aber angesichts dessen, worum es in diesem Thread ging, auch irgendwie deplatziert. Du sagst doch eigentlich, dass die verlogene Reklame des Focus in Ordnung geht, weil es alle machen und dass Journalisten, die keine Org gründen, die Presserabatte ablehnt und sanktioniert, sowas gefälligst nicht zu kritisieren haben. Im Grunde versuchst du, negative Berichterstattung über betrügerische Werber, deiner Aussage zu Folge also dich und deine Kollegen, zu verhindern, indem du Journalisten „selber, selber“ zurufst.

    Naja, kann man machen, aber so richtig ernst nehmen kann man das als erwachsener Mensch ja auch nicht, oder?

  75. @starkstromliesel:
    War dies erregte, nekrophile Gestammel jetzt ein Beispiel für die zynische Sicht, die Gutes bewirken soll? Es ist ja nicht einmal zynisch. Es reicht für Sie vielleicht, um sich als Metaphernkönigin zu wähnen. In Wahrheit ist es aber nur schlecht, und wer sich heute noch auf Nietzsche beruft, ist eh etwas aus der Zeit gefallen.

    In gesunden Eingeweiden verbirgt sich kein Unrat, dennoch ich wünsche Ihnen fröhliche Genesung von innen.

    btw.: Kyklopen haben nur ein Auge.

  76. Auweia. starkstromliesel, ich bin überhaupt keine Journalistin. Ich habe es also gar nicht nötig, irgendwelche Journalisten-Pfründe zu verteidigen. Aber, hach, das ist eh nur wieder so ein Einwand, der an Ihrem festgefügten Welt- und Eigenbild abprallt. Ich bin ja keine Psychologin und halte Ferndiagnosen stets für fragwürdig. Aber wenn ich mir Ihre Beiträge so durchlese, dann drängt sich mir die Vokabel „Größenphantasie“ immer deutlicher ins Bewusstsein. Gruselig.

  77. @ polyphem (#91): Dann stellt sich hier die Frage, ob Sie schon immer ein Kyklop waren, oder irgendwann zu einem geworden sind. In letzterem Fall wäre das „noch“ in Liesels Kommentar (#88, @ Stefan Niggemeier) dann doch richtig.

  78. DAS tut ja so weh, in diesem Thread: starkstromliesel ist der einzig ehrliche, selbstkritische und veränderungswillige Mensch hier.

    Nebenbei (warum schreiben eigentlich manche Leute das so viel blödere „by the way“): ihre früheren Beiträge waren auch schon ziemlich stark.

    Nö, und über die taz-Recherche, sie gehörte ja so nah zum Thema, schreibt ja natürlich keiner was. Das Schweigen, das schuldig macht.

  79. Aber es gibt ja bestimmt demnächst den nächsten ESC.

    Und da gibts noch so einen politischen Journalisten – aber der hat ja ’ne Fernsehfresse! Also, sowas! Gehört echt verboten!

    Dann laß uns doch lieber der Cherno mobben! Und wenn der was gegen den Niggi sagt – dann ist der homophob! So läuft Antidiskriminierung.

    Und so läuft Pseudo-Medienjournalismus.

  80. Ach ja Niggi: in welchem Hotel haben sie eigentlich bei ESC geschlafen? Und wer hat es denn bezahlt?

    Zensur nützt hier nix!

  81. @Patrick Negm: Ich müsste jetzt den Namen des Hotels in Oslo und die Adresse des Appartments in Düsseldorf raussuchen. Beide habe ich bezahlt.

    Haben Sie noch weitere Fragen?

  82. Natürlich wundert es niemanden mehr, wenn man so „beschissen“ wird, aber ein Freifahrtsschein ist das natürlich nicht. Hat so eine „Verdummung“ eigentlich gar keine Konsequenz?

  83. Mal ein anderes Thema und zurück zu den Fokus-Abverkaufszahlen. Mit den kontinuierlich veröffentlichten IWV-Zahlen kommen die Verlage doch immer dann gerne raus, wenn es Wachstum oder gleichbleibend hohe Niveaus zu vermelden gibt.

    Ich bin sehr gespannt, wie in Zukunft diese Charts ausssehen, wenn man sich im „intermedialen Vergleich“ einsortieren muss.

    Die Relevanz und Geschwindigkeit des Internets und der technische Fortschritt wird in den kommenden einer ganzen Reihe von Verlagstiteln zum Verhängnis werden.

    Bin sehr gespannt auf die Entwicklung…

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