Warum ist die „Zeit“ nicht besser? (2)

Ich muss nochmal kurz auf das etwas verunglückte „Zeit“-Dossier zum anhaltenden Niedergang von ARD und ZDF zurückkommen. Die beiden Autoren Stephan Lebert und Stefan Willeke schreiben nämlich auch:

Als der Hamburger Dokumentarfilmer Hubert Seipel im Auftrag des NDR nach Afghanistan fliegt, weil er einen Beitrag über den Einsatz der Bundeswehr vorbereiten will, sucht er sich in Kabul als Erstes einen zuverlässigen Fahrer und schaut sich das Land an. Mai 2008. Seipel will die Lage sondieren. Er hat erfahren, dass die Sendeanstalt ihm keinen eigenen Kameramann stellen wird, zu gefährlich. Seipel wird selbst einen Kameramann engagieren, und er wird noch drei weitere Male nach Afghanistan reisen, immer für ein bis zwei Wochen.

Der Norddeutsche Rundfunk nennt diese Darstellung „schlicht falsch“:

„Tatsache ist: Der Autor hat keinen eigenen Kameramann engagiert, selbstverständlich hat der NDR dies für Hubert Seipel getan. Der NDR hat als Kameramann einen erfahrenen Kollegen beauftragt, der in Afghanistan bereits mehrfach gedreht hat. Der NDR nimmt seine Fürsorgepflicht für das gesamte Team bei einem so gefährlichen Einsatz sehr ernst.“

Auch Seipel selbst soll der Darstellung der „Zeit“ in einem Brief widersprochen haben.

Und ganz übersehen hatte ich diese bezeichnende Stelle in dem Artikel:

Von ihrem Publikum ist den Öffentlich-Rechtlichen nach 25 Jahren Privatfernsehen nicht einmal die Hälfte geblieben, aber noch immer haben die Anstalten ihre Gebühreneinzugszentrale, noch immer all ihre Funkhäuser. 1983, im letzten Jahr des öffentlich-rechtlichen Monopols, hatten die ARD-Sender 18400 Angestellte, heute sind es 23000.

Die Zahlen sind offenbar nicht falsch (obwohl man sich natürlich den Hinweis hätte erlauben können, dass vielleicht die Funkhäuser noch da sind, aber zum Beispiel die beiden Anstalten SWF und SDR zum SWR fusionierten). Nur ist zwischen 1983 und 2009 etwas passiert, das für die Angestellten-Explosion vielleicht eine mindestens so gute Erklärung ist wie die scheinbar grenzenlose Molochhaftigkeit der ARD: Es nennt sich deutsche Einheit. Von 1991 an sendete die ARD für ein Viertel mehr Bürger.

Stephan Lebert ist übrigens einer der Reportagechefs der „Zeit“, Stefan Willeke vielfach preisgekrönter Chef des „Zeit“-Dossiers.

26 Replies to “Warum ist die „Zeit“ nicht besser? (2)”

  1. Frappierend wie wenig selbstkritisch und genau deine Kollegen da ans Werk gehen. Gerade ehemalige Gatekeeper wie DIE ZEIT haben in letzter Zeit bei mir unglaublich an Boden verloren.
    Danke fürs genaue Hinsehen, weiter so!

  2. Da mag sich der ein oder andere Qualitätsjournalist auf den Kopf stellen und mit den ungeliebten Print-Medien abrechnen (Damit ist nicht Herr Niggemeier gemeint, dem ich durchaus eine rationale Auseindersetzung mit Printmedien zutraue).

    Es gilt dennoch: Die Zeit ist besser!

  3. Also das lässt mich stutzen. Auf der Suche nach einer guten Wochenzeitung, hab ich grad ein Probe-Abo der ZEIT. Was gibt eigentlich als Alternative? (Für einen Pendler ist die ZEIT wegen des Formates ohnehin sehr Zug-untauglich.)
    Wiki spuckt zwar eine Liste mit Alternative aus (http://de.wikipedia.org/wiki/Wochenzeitung) aber entweder sind die rechts, links oder christlich. Was ist mit der FAS? Empfehlenswert?

  4. @Stefan auf @Konsumdichter: Ich liebe und lebe von Print-Medien!

    Das glauben WIR ihnen nicht!

    Man stelle sich mal vor, ein Sexualpartener aus Papmarschee und zum Frühstück Zellulose-Flocken.

    NEIN, Herr Niggemeier!
    Sie leben wie alle anderen Menschen von Baumwolle!

    MfG
    Ihre totgesagte Technik lebt länger!

  5. Also mal ehrlich, was auch immer man von öffentlich-rechtlichen Sendern im Allgemeinen und dem ZDF-Chefredakteur, Brender, im Besonderen hält: Ich finde den Blogaufmacher angesichts des dreisten Versuchs der CDU, eine Fernsehanstalt zu kapern, ziemlich … fad!

    Auch die ZEIT hat schlichtweg nur das Thema verfehlt.

    Tief enttäuscht

    R

  6. Wegen dt. Einheit müsste sich doch auch das Publikum vermehrt haben? Und jetzt wird 24h auf deutlich mehr Kanälen gesendet. Welche Zahlen sollen denn da besagen, dass sich das Publikum mehr als halbiert hat?
    Oh Wunder der Statistik.

  7. @ 5:
    Die FAS kann ich nur empfehlen (trotz ständiger Mitarbeit des Herrn Niggemeier). Wenn Sie sonntags sowieso Brötchen holen, können Sie sie bei vielen Bäckern kaufen (oder in Tankstellen). Ansonsten ist ein Abo sehr bequem. Leider werden nicht alle Gebiete in Deutschland beliefert.

  8. @Nobilitatis: Die öffentlich-rechtlichen Programme erreichen insgesamt nur noch einen Marktanteil von grob gerechnet 50 Prozent. Eine Hälfte des Fernsehkonsums geht inzwischen auf das Konto privater Kanäle. Das meint die „Zeit“.

  9. @SMK:
    Zur FAS erlaube ich mir folgendes zu sagen:
    Ich bin seit mehr als zwei Jahren Abonnent der FAS und habe ein ambivalentes Verhältnis zu ihr. Denn sie ist sehr widersprüchlich, das macht sie aber auch interessant.

    So ist der politische Teil stark tendenziös; zuvorderst werden Themen behandelt, die der konservativen Klientel am Herzen liegen. Außerdem wird deutsche Parteipolitik breit getreten. Artikel zu außenpolitischen Themen sind dagegen idR sehr interessant.
    Die Sport-Berichterstattung ist mE eine der besten.
    Das Feuilleton ist durchgehend von sehr hoher Qualität und — für mich — das Herz der Zeitung. Für meinen Geschmack könnten die Artikel zum Teil etwas weniger behäbig sein. Die Medienseite ist fantastisch besetzt und natürlich unschlagbar.

    Der Wirtschaftsteil ist demgegenüber auf erschreckende Weise von Marktgläubigkeit und mangelnder Unabhängigkeit geprägt. Es wundert mich immer wieder, wie der journalistische Standard der FAS hier schwankt. Vor allem Interviews haben oft einen faden Beigeschmack: Man biedert sich an, enthält sich wirklich kritischer Fragen und gibt sich mit den Antworten schnell zufrieden.

    Der Gesellschaftsteil enthält mitunter hochinteressante Analysen; die Bereiche Kunst, Mode und Kulinarisches sind selten enttäuschend.

    Auch im Übrigen sind die Ressorts gut besetzt. Insbesondere der Wissenschaftsteil ist stark.
    Die Abteilung Technik und Motor dagegen stellt sich fast ausschließlich als verlängerter Arm der Automobil- und Yachtenindustrie dar.

    Es mutet natürlich kurios an, wenn man erst einen Artikel des Herrn Niggemeier liest, in dem journalistische Qualität eingefordert wird, um wenige Artikel später von Einseitigkeit und Distanzlosigkeit derart gequält zu werden, dass einem der Kaffee aus den Mundwinkeln läuft.
    Trotzdem freue ich mich jeden Sonntag auf die Zeitung. Die Artikel sind nie zu lang und meist von hoher informativer Dichte.

    In der Hoffnung geholfen zu haben:

  10. @ JonasA: Scheint sich wenig geaendert zu haben, verglichen mit der Anfangszeit, als die FAS dann endlich ueberall erhaeltlich war. Wirtschaft und Innenpolitik meist schwaecher als unter der Woche, dafuer gabs aber Kolumnen wie den „Sonntagsoekonom“, „Pro und Contra“. Herzblattgeschichten“ (so hies das, damals, glaube ich), und ueberhaupt vieles, was einspaltig am Zeitungsrand lief und regelmaessig laut lachen zurueckliess. Sollte man alles mal gelesen haben, wenn auch als Probeabo.

    Mein „Problem“: Wenn ich am Sonntag nach vier Stunden was anderes machen wollte, lag meist immer noch die halbe Zeitung vor mir. Fuer einen Tag zuviel, also eine gute Alternative zur „Zeit“…

  11. @JonasA: Danke für den Überblick! Ich habe gerade noch einmal deren Webseiten verglichen, da ist FAZ.net echt im Vorteil. Wirkt einfach frischer. Wenn man bedenkt, dass es beim StudiAbo die ZEIT Campus kostenlos bekommt, reduziert sich auch der Preisvorteil der FAS auf 30ct. Ich schieb dem Probe-Abo der ZEIT einfach eines der FAS hinterher und BILDe mit meine Meinung;)

    „Für einen Tag zuviel…“ Naja, für die ZEIT braucht man auch eine gewisse, ähm Zeit…

  12. Wer macht mit bei einer Petition an die Zeit für ein Pendlerfreundlicheres Format?:-) Ich nerve mich jedesmal wenn ich die Zeit kaufe so wegen dem Format, habe aber einfach noch nichts besseres gefunden!

  13. Wie wäre es mal mit Augsteins „Der Freitag“? Der Anspruch eine „linke FAZ“ zu werden ist verheissungsvoll.

  14. Die „Zeit“ hat vor einigen Wochen einen hervorragenden Artikel über die Entstehungsgeschichte der Finanz- und Wirtschaftskrise veröffentlicht. Sehr gutes Blatt!

  15. Bin ich er einzige, den der Stil des Artikels ein wenig an eine Schülerzeitung erinnert?
    Das ist ja kaum lesbar, so holprig und abgehakt ist die Schreibe.

    JonasA kann ich, bezüglich der F.A.S., nur zustimmen. Eine alles in allem gute Zeitung und die bessere Alternative zur Zeit.

  16. Bin seit einigen Jahren Zeit-Leser und liebe das Format, denn nur so kommen die großartigen Bilder voll zur Geltung. Natürlich muss ich zugeben, dass es im Zug ein wenig schwieriger ist (im Nahverkehr nahezu unmöglich) aber dann schnappt man sich das Zeit Magazin und löst mal eben „Um die Ecke gedacht“ (ich brauche immernoch midestens einen Tag, ist jemand schneller?) :-)

  17. Auf die Ausgangsfrage „Warum ist die Zeit nicht besser?“ gibt es eine banale Antwort in Form eine Gegenfrage: Weil’s immer noch reicht? Oder genauer: Weil die Verantwortlichen glauben, dass man nicht besser sein müsse? Man hält sich wahrscheinlich für (noch) gut genug, gegenüber diesem niederen Kroppzeug, dass da sonst so rumfleucht.

  18. im zeit-dossier wurde zudem der vorname des ehemaligen sat1-chefs schawinksi falsch angegeben. roger schawinski wäre korrekt.

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