„Welt“ entlarvt: „Dutschke“-Film ist Film!

Da ist Sven Felix Kellerhoff, der leitende Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte der „Welt“, aber einer ganz großen Sache auf die Spur gekommen.

In dem Film „Dutschke“, der heute um 20.15 Uhr läuft, habe das ZDF „historische Fakten gefälscht“. Die Filmemacher Daniel Nocke und Stefan Krohmer seien „der Manipulation überführt“. Mit „massiven Fälschungen“ erweckten sie bei den Zuschauern den Eindruck, der Hass, der Rudi Dutschke entgegenschlug, sei die Folge „einer ‚Hetze‘ der Blätter des Axel Springer Verlages“.

Der Film habe in einer rasant geschnittenen Montage Zeitungsseiten manipuliert und Fotos ausgetauscht.

Tatsache:


(Film)


(Original)


(Film)


(Original)

„Das hat mit seriöser Dokumentation nicht mehr viel zu tun“, schimpft Kellerhoff.

Dabei ist die Sache noch viel schlimmer. Das ZDF hat die Fotos nämlich nicht nur geändert, sondern sogar animiert. Die ausgetauschten Fotos verwandeln sich, während die Kamera auf sie zufährt, wie von Zauberhand zu Filmszenen mit Ton! Sehen Sie selbst:

Dieser sehr viel größere Skandal ist Kellerhoff entgangen. Denn das, was da gezeigt wird, ist historisch falsch. 1968 gab es nach gesicherten Kenntnissen von Historikern noch keine „Bild“-App und keine elektronische Zeitung, die solche Animationen in Kombination mit den Zeitungsinhalten ermöglicht hätte. Die Filmemacher haben das in ihrer Springer-Hetze-Hetze einfach erfunden!

Kellerhoff schreibt über die von ihm entdeckte „Manipulation“, sie sei, „zumal in einem Dokudrama, kein Kavaliersdelikt. Ob ZDF-Redakteurin Caroline von Senden davon weiß?“

Ich würde das mal ungeschützt bejahen. Ja, ich würde annehmen, dass die ZDF-Redakteurin erkannt hat, dass die Filmemacher da Fernsehaufnahmen mit Zeitungsschlagzeilen kombiniert haben, indem sie die bewegten Bilder nachträglich an die Stelle der Original-Fotos gesetzt haben. Ich würde sogar annehmen, dass die meisten Zehnjährigen das erkannt hätten.

60 Replies to “„Welt“ entlarvt: „Dutschke“-Film ist Film!”

  1. Autsch. Der letzte Satz sollte eine immer währendes Klingeln in Kellerhoffs Ohren verursachen. Un-fass-bar!

  2. Ich glaube, der Spruch „Ein Schelm, wer arges dabei denkt.“ ist für dafür noch die größtmögliche Untertreibung, oder?

  3. (Wie immer leicht OT): Größtmögliche Seriosität und Kompetenz erreicht man über zwei Vornamen, oder?

  4. Ich habe ein bisschen Angst. Manchmal erscheint mir diese gewagte Interpretation von „Journalismus“ fast schlüssig in ihrem beschränkten Rahmen.

    Einfach darauf zu setzen, dass das Bewusstsein über die Unkenntnis des rezensierten Originalobjekts – und damit das Abhandensein einer eigenen Empörungsgrundlage – von der schlichten Sensationsdarstellung der „Entdeckung“ weggeblasen wird, sodass die lästige, eigene Auseinandersetzung übersprungen wird und gleich mit der Super-Diskussion (analog zu Super-Infektion) gestartet werden kann.

    Jetzt, wo ich nochmal drüber nachdenke – nein. Das ist nicht schlüssig. Das ist erschreckend.

  5. Diese verdammten Filmemacher schon wieder – kein Wunder, dass sich junge Menschen immer wieder fragen, wie man denn vor der Erfindung des Computers ins Internet gekommen ist! Also, bei RTL würde es ja so etwas nicht geben! Auch den Nebendarsteller mit dem hässliche Hut nicht! Was für ein Glück, dass das ZDF nur gering von der Jugend gesehen wird! Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder macht?

  6. Ach danke, Sie haben sich also auch gerade so geärgert.
    Besonders lustig finde ich die Empörung darüber, daß dieser zwei Jahre alte Film auf die Enthüllungen des letzten Jahres (Kurras und die Stasi) nicht eingeht.

  7. Fast schon schlimmer als der dumme Artikel, sind die teilweise haßerfüllten Kommentare unter diesem. Die Leute regen sich wohl gerne über „Linke“, „68er“ und Kommunisten auf. Passt zum Niveau des Artikels, aber trotzdem beunruhigend.

  8. Selbst die „Bild“ und „Welt“ Apps fürs iPad können das übrigens nicht. Das sind nur teure PDF Dateien ohne Mehrwert. Daher kann ich die Erschrockenheit des Welt Redakteurs schon verstehen. Der dachte jetzt kommt wieder so eine Gebührenfinanzierte App, die hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet.

  9. @14 war auch mein Gedanke.
    geht es eigentlich nur mir so, dass einem die originalen Bilder wesentlich schlimmer vorkommen als die in den Film-Montagen?
    (oder habe ich jetzt die Pointe nicht gerafft?)

  10. @Désirée: „Größtmögliche Seriosität und Kompetenz erreicht man über zwei Vornamen, oder?“

    Nein. Der Bindestrich und die Anzahl der Silben sind ausschlaggebend.

  11. Wenn man den Gedanken von Herrn Kellerhoff mal weiterspinnt, kommt man zwangsläufig zu einer zugegebenermaßen aus arbeitsmarktpolitischer Sicht nicht ganz uninteressanten Idee: vielleicht sollte jeder Film, der älter als 1 Jahr ist, nicht mehr ohne erneute Revision, „Anpassung an neue Erkenntnisse“ und Erteilung einer erneuten und am besten behördlichen Freigabe einfach so gezeigt werden dürfen… Auf dem Künstlerarbeitsmarkt hätten wir dann Vollbeschäftigung und ’ne neue Behörde kann man dafür bestimmt auch noch gebrauchen… Für den Chefposten hätte ich da auch gleich ’ne Idee….mich schüttelt’s….

  12. @1 (Muriel): Ja, das hatten die Polizisten in Berlin damals tatsächlich auf dem Kopf. Sind aber keine Pickelhauben, sondern Tschakos.

    Für die Überschrift gibt es auch von mir ein Blumengebinde. Oder ein Herrengedeck, was dem Hausherrn lieber ist.

  13. Was mich ja wirklich mal interessieren würde, ist, ob leitende Redakteure bei der Welt wirklich so doof sind, wie sie in solchen Artikeln erscheinen, oder ob sie nur meinen, damit ganz auf der Linie des Hauses zu liegen, um weiter Karriere zu machen. Oder wird son Murks sogar „von oben“ angemahnt? Das ist ja nicht nur inhaltlich hanebüchen, was Kellerhoff da schreibt, sondern stilistisch noch nicht mal Realschule, 8. Klasse.

    Mich schauderts.

  14. Wir müssen sofort die digitale Technik angreifen! Der Film hat sich verrraten!

    Übrigens: Medien stehen immer schon unter Verdacht, schon seit Platon. (Siehe Boris Groys: „Unter Verdacht“, Suhrkamp und so weiter)

  15. Mir ist noch etwas viel erschuetternderes aufgefallen:

    Der Typ, der in diesem Film als Rudi Dutschke bezeichnet wird ist in Wahrheit gar nicht Dutschke sondern nur der Schauspieler Christoph Bach!!!

  16. Dass ausgerechnet Springer in diesem Zusammenhang die Gretchenfrage stellt, ist auch äußerst putzig.

  17. Ist doch gaaaanz einfach:

    1. Wenn ein bewegtes Medium die Realität darstellt, ist es ein „Dokumentarfilm“.

    2. Wenn ein bewegtes Medium sich nah an der Realität orientiert, aber sie aus dramaturgischen Gründen zuspitzt, nennt man das „Dokudrama“.

    3. Wenn ein unbewegliches Medium sich eher nicht an der Realität orientiert und das noch aus politischen und/oder kommerziellen Gründen zuspitzt, nennt man es „Axel-Springer-Erzeugnis“.

  18. Ich empfehle dem oben genannten Redakteur ein Grundseminar „Zeitgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“ an einer Uni seiner Wahl.

  19. @13 „…die teilweise haßerfüllten Kommentare unter diesem. Die Leute regen sich wohl gerne über „Linke”, „68er” und Kommunisten auf. “

    Die gibt’s leider auch & sogar bei der SZ; allerdings weniger und immer von den gleichen Kommentatoren.

  20. Mir fehlen die Worte! Mir bleibt einfach der Mund offen stehen!
    Zum Springer-Verlag fällt mir nichts mehr ein. Manchmal glaube ich, in deren Redaktionen sitzt niemand über 15 Jahre.

  21. Ein Glück haben wir die „Welt“, sonst wären wir alle auf diese gewaltige Propaganda hereingefallen und hätten echt geglaubt, dass die BILD damals ausnahmsweise falsch gelegen hat. Puh, Glück gehabt.

  22. springer, bild, welt, spiegel online – alle verbieten

    ja, ich weiß, dies ist kein großer, tiefgründiger beitrag. aber es ärgert. oh ja. es tut weh.

  23. Man muss sich wirklich den Spaß machen und den ganzen erbärmlichen Artikel lesen…

    Der Redaktuer beklagt auch, dass der vor 2 Jahren entstandene Film nicht auf die seit einem Jahr (sic) bekannten Stasi-Hintergründe des Ohnesorg-Attentäters eingeht. Wie bescheuert kann man denn sein?! Springer-Propadanda, die nahtlos an die damaligen Zustände anknüpft.

  24. Jochen Hieber heute in der FAZ über den Film:
    „Ärgerlich ist zudem sein Schweigen über eine spektakuläre Enthüllung des vergangenen Jahres, derjenigen mithin, dass der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras, der am 2. Juni 1967 bei der Anti-Schah-Demonstration Benno Ohnesorg erschosss, ein Agent der DDR-Staatssicherheit war, dass diese Tötung deshalb nun in anderem Licht erscheint.“

  25. was hätte ein blatt aus dem hause springer (den RollingStone mal ausgenommen) auch sonst schreiben sollen/können/dürfen?

    erwarten se nix, dann werden se auch nicht enttäuscht, wa.

  26. Naja, solche „Dokudrama“-„Formate“ sind natürlich immer ambivalent. Dass jeder 10jährige zwischen Film und Realität unterscheiden kann, mag anhand der dargestellten Animation noch stimmen, ist aber in Bezug auf die reale Historie häufig Wunschdenken. Selbst bei Breloer ist es für den nicht im Thema stehenden ab und an schwierig, zwischen Fiktion und Dokumentation zu unterscheiden. Über die Problematik dieses Genres gibt es durchaus seriöse Stimmen.

    Es wird in diesem Format immer die Möglichkeit geben, die Authentizität, die einerseits suggeriert wird, anzugreifen, wenn es fiktional oder einfach nur spielerisch daherkommt. Das dann als Skandal darzustellen, zeugt natürlich von wenig Ahnung des Genres an sich. Vermutlich steckt in dem Film mehr Wahrheit als in den vorgelegten und bearbeiten Artikeln der „Bild“.

  27. Wenn man den obigen Videoausschnitt im Kontext sieht, ist Kellerhoffs, äh, Kritik noch lächerlicher. Claudius Seidl spricht im Film unmittelbar vorher darüber, was damals über die 68er geschrieben worden sei und was für schreckliche Folgen das gehabt habe. Die Montage der bewegten Fernsehaufnahmen aufgebrachter Bürger in die Zeitungsschlagzeilen illustriert dann genau diesen Zusammenhang.

  28. @Stefan Niggemeier: Schauen Sie zwischendurch auch im Thread „Ein Sandkasten für Konstantin Neven DuMont“ nach dem Rechten?

  29. Schöner Film (das, was ich davon sehen konnte), aber wer zur Hölle kommt auf die Idee, das gegen das Championsleague-Halbfinale zu programmieren?

  30. Habe den Dutschke-Film eben gesehen. Und abgesehen davon, dass die investigativen Fälschungsanwürfe des Welt-Qualitätsjournalisten nicht einmal lächerlich sind, war, wie ich finde, sogar außerordentlich auffällig, dass die Gegen-Springer-Proteste sowie die Springer-Hetze eine absolute Nebenrolle gespielt haben.

  31. Niemals hat sich die Springerpresse irgendwas zu schulden kommen lassen. Ganz besonders nicht die Tageszeitung mit den großen Buchstaben, deren Namen mir gerade nicht einfällt, weil ich sie zu oft gelesen habe.

    Bölls Roman ‚Die verlorene Ehre der Katharina Blum‘ ist auch nur entstanden, weil der Autor solche Gewaltfantasien wegen einer verkorksten Kindheit hatte und die ZEIT-UNG hat es nie gegeben.

    Anders

  32. Ich muss gestehen, das ist ein klasse Artikel.

    Andererseits kann man fragen, ob Springer damals nicht vielleicht Recht hatte. Anders als heute natürlich. Was muss dieses marxistische Geschwafel im Schatten der Mauer eine unverschämte Provokation gewesen sein. Die Musik zum Video ist Monk Time, ja?

    Schaut man sich heute Glenn Beck fragt man sich, warum die sich damals eigentlich so aufgeregt haben. Wie gut, dass Murdoch nicht die Bildzeitung gehört.

    http://www.youtube.com/watch?v=U3tgY_eI_P0

  33. ich würde so gerne einen lustigen kommentar mit bezug auf harry potter und fotos machen, mir fällt aber leider nichts ein. :(

  34. … dieses Umfrage-Ergebnis wird vom Springer-Admin immer wieder flux gelöscht …

    Umfrage: Sollte Springer seine Fälschungen kenntlich machen?
    Ergebnis: 100 % – JA

  35. Wenn man den Artikel jetzt aufruft, gibt es die ganze Argumentation von Kellerhoff sogar in Bild und Ton. Das war gestern noch nicht da.

  36. Kleine Kritik: Wer die fiktionalen Filmszenen durchweg für historisch bare Münze hielt (und die Kommentierung im Umfeld dieser Szenen nicht beachtete oder kapierte), der konnte durchaus glauben, dass der aus Italien gelieferte Sprengstoff beim Entsorgungsversuch definitiv im Kinderwagen unter Hosea Che versteckt war (was aber tatsächlich reine Spekulation ist).

    Erwartet hätte ich diese nicht ganz einfache Kost jedenfalls nicht auf dem Primetime-Platz des ZDF (wo man sonst den guten Stoff gerne in der Nacht versendet). Insofern Lob für den Mut bei der Programmierung.

  37. @36 beauregard

    Beim Rolling Stone geht es inzwischen auch schon los mit der totalen Springerisierung. War mal ne gute Zeitschrift…

  38. @ Petra: Manchmal spinnen auch die Browser. Mein IE zum Beispiel zeigt gelegentlich halbe Tage lang nicht den aktuellen Beitrag sondern nur den vorigen. Oder Ich sehe rechts oben in „Jüngste Kommentare“ einen Link auf einen Kommentar. Unter dem Beitrag werden z.B. 105 Kommentare ausgewiesen. Wenn ich dann auf den Link oder auf die Überschrift des Beitrags klicke, werden aber nur 78 oder so angezeigt, und erst über Refresh/F5 kriege ich die neuesten Kommentare. Keine Ahnung, warum das so ist, kommt aber vor, und nicht nur hier, sondern auch bei anderen Webseiten.

    Immerhin sind Bild und Ton und die Umfrage jetzt da. Viel ärgerlicher fände ich es, wenn sie jetzt verschwunden wären…

  39. @Petra: Einfach mal den Browser-Cache leeren, wirkt dann auch bei anderen Seiten „erfrischend“. Das Video war definitiv bereits vorhanden, die Umfrage ist mir zumindest nicht aufgefallen.

  40. Wird das Welt-Forum zensieaäh moderiert? Ich finde dort keinen Hinweis, dass die Zeitung/Film-Kollage doch ziemlich offensichtlich ist.

    @Stefan Niggemeier
    „Ja, ich würde annehmen, dass“
    Ist das nicht ein bisschen zu viel Konjunktiv?

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