Wie die „WAZ“ ohne dpa auskommt

Auf die Nachrichtenagentur dpa könne man super verzichten, hat Ulrich Reitz, Chefredakteur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, gesagt. Im Sparwahn hat er dafür gesorgt, dass die „WAZ“ und ihre Schwesterblätter sowie der Online-Ableger DerWesten dpa gekündigt haben. Im Zweifelsfall könne man dpa-Informationen ja einfach irgendwo anders im Netz abschreiben, deutete Reitz relativ unverhohlen an und fügte hinzu: „Vielleicht ist das ein Stück weit die neue Welt.“

Wie das konkret geht, kann man an diesem Abend bei der Nachricht sehen, dass das Kaufhaus Hertie 19 Filialen schließen will. dpa meldete das um 18.10 Uhr und nannte wenige Minuten später bereits die betroffenen Städte, von denen die meisten im Einzugsbereich der „WAZ“ liegen.

Wer den Fehler machte, sich darüber bei DerWesten informieren zu wollen, fand dort aber zunächst nur eine dürre Meldung ohne Details, die die französische Nachrichtenagentur AFP um 18.39 Uhr herausgegeben hatte. Um 19.27 Uhr schob AFP eine längere Fassung nach, die aber immer noch nicht die für Lokal- und Regionalmedien entscheidende Information enthielt, um welche Städte es geht.

DerWesten veröffentlichte nun um kurz vor acht einen Artikel, der wie folgt beginnt:

Die Essener Warenhauskette Hertie will 19 ihrer 73 Filialen in Deutschland schließen. Zudem sollen Stellen in der Unternehmenszentrale in Essen gestrichen werden, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Insgesamt seien etwa 520 Arbeitsplätze betroffen. In NRW sollen nach Medienberichten folgende Filialen aufgegeben werden: Bocholt, Duisburg-Walsum, Erkrath, Eschweiler, Essen-Altenessen, Essen-Borbeck, Herdecke, Herne, Köln-Chorweiler, Lünen, Marl und Mettmann. Die Filialen sollten geschlossen werden, sobald mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich erreicht worden sei, sagte ein Unternehmenssprecher. Nach Angaben des Unternehmens befinden sich zwölf der 19 von der Schließung betroffenen Kaufhäuser in Nordrhein-Westfalen. Die Mitarbeiter und die Belegschaftsvertreter wurden am Dienstag informiert. (...)

Es handelt sich wörtlich um die AFP-Meldung — mit Ausnahme des von mir markierten zweiten Absatzes. Der fehlt bei AFP; DerWesten hat ihn eingefügt. „Nach Medienberichten“ ist dabei die Formulierung, die verbrämen soll, dass man diesen Teil bei dpa geklaut hat, beziehungsweise bei anderen Medien, die dpa für ihre Meldungen noch bezahlen.

So einfach funktioniert das neue Sparmodell von Ulrich Reitz. Er nennt es „Qualitätsjournalismus“.

PS: Mit der dpa-Kündigung hat DerWesten auch nachträglich sein Archiv kastriert. Eine Suche nach „dpa“ fördert hunderte, wenn nicht Tausende Artikel zutage, die nachträglich gelöscht wurden: Fast jeder Klick führt auf eine Seite, die es nicht mehr gibt.

Die Blogger von DerWesten wurden derweil aufgefordert, „umgehend alle dpa-Photos und alle dpa-Texte“ aus ihren Texten zu entfernen. Vermutlich würde es allerdings im Zweifelsfall reichen, die Quelle zu verschleiern. So genau nimmt’s der Herr Reitz da ja nicht.

Nachtrag, 0:35 Uhr. DerWesten-Chefin Katharina Borchert weist den Vorwurf des Contentklaus in den Kommentaren zurück.

Nachtrag, 28. Januar. Daniel Bouhs hat das grundsätzliche Problem der dpa-Kündigung in der „Frankfurter Rundschau“ beschrieben.

94 Replies to “Wie die „WAZ“ ohne dpa auskommt”

  1. Der erste ist er ja nun nicht, ders ohne dpa versucht. Würde gerne mal wissen ob die Freie Presse seinerzeit auch auf diese Weise dpa-Artikel verarbeitet hat.

  2. Tja, da hat dpa der WAZ ja mal ganz schön gezeigt, wo de Hammer hängt. Die Infos einfach zu klauen ist ganz schön peinlich. Danke fürs Aufdecken, Stefan.

  3. Einerseits peinlich für die WAZ, andererseits irgendwie aber auch erschreckend, wie abhängig die Zeitungen von dpa und Konsorten sind. Freie Informationen gibt’s wohl nur, wenn sie ein Blogger entdeckt?

  4. Ganz feine Geschichte. Da wird wohl am falschen Ende gespart, wie der Volksmund zu sagen pflegt. Hat jemand eine Hausnummer für den monatlichen dpa-Service? Welche Kosten gedenkt die „WAZ“ einsparen zu können?

  5. @8: Wieso abhängig? Die Kollegen bei dpa haben die Hertie-Story für ihre Kunden recherchiert. Sowas ist aufwändig, kostest Personal und Zeit, also muss man für Infos bezahlen. Also, alle außer der WAZ anscheinend.

  6. „(…) Die „dpa“-Leistungen hätten einen finanziellen Gegenwert von ungefähr 25 eigenen Stellen.“

    Aha. 25 Stellen bei der WAZ = 2 Mio Euro.

    !

    Irgendwie kann ich nicht glauben, dass die WAZ (bekannt für besondere Knauserigkeiten u. a. im Umgang mit Bloggern), satte 55.000 Euro Jahresbrutto für einen durchschnittlichen Journalisten ansetzt – zumal, darunter ein erheblicher Anteil traditionell schlecht vergüteter Lokaljournalisten. Es ist wohl so:

    Der WAZ und dem Hombach glaube man hier besser nicht.

    Wie auch immer, vielleicht dient das ganze Manöver von Reitz & Co nur dazu, Druck auf die DPA auszüben.

  7. Das Geschäftsmodell der Nachrichtenagenturen hat sich erledigt, das zweite Halbjahr 09 und vor allem 2010 werden sehr entscheidend sein für deren weitere Zukunft. Dass twitter bereits die erste, schnellste News-Quelle in vielen Fällen ist, ist keine Ausnahme, sondern die Zukunft. Es fehlt nur noch ein Bewegtbildtwitter und auch Reuters geht es schlecht.

  8. Klar – Twitter. Ich warte auf die ganzen Leute, die nachts vor dem Kanzleramt stehen und aus Koalitionsrunden twittern. Das ist die Zukunft.

  9. Twitter ist, wenn überhaupt, allenfalls eine hochgradig unreife Quelle mit so hohem Rauschfaktor, dass sie eigentlich unbrauchbar ist. Es wurden ja vorhersehbarerweise bei der Airbus-Notlandung in New York diverse „New Media“-Loblieder auf Twitter, Flickr, iPhone und Co. und deren Informationsgeschwindigkeit gesungen, und wie sie damit „mal wieder“ die klassischen Medien in Grund und Boden stampfen. Alles irre niedlich, leider wurde dabei übersehen, dass solche Bilder und Filme bei aller Schnelle von ausgesprochen minderer (weil amateurhafter) Qualität sind, und dass das Getwittere eine nutzlose Rauschwolke war, deren verlässlicher Wahrheitsgehalt sich auf „Flugzeug“ und „Hudson“ reduzieren liess. Damit kann man keine Nachrichten bauen. Twitter und Co. sind günstigstenfalls unterstützende Werkzeuge, vernünftige Recherche seitens Agenturen, Reportern und Journalisten wird dadurch nicht abgelöst.

  10. @ Stefan (11)

    Der Link ist mir durch die Lappen gegangen. Danke.

    Jetzt könnte man noch die jährlichen dpa-Kosten durch alle „WAZ“-Ableger teilen, um eine vernünftige Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen. Die dpa-Kündigung wird aus meiner Sicht auf das Image der „WAZ“-Gruppe negative Auswirkungen haben, zumal die kostenlose Bedienung bei Kollegen schäbig rüberkommt. So geht das nicht. Das ist ein klassischer Managementfehler, der am Ende teurer kommt als die gewünschte Einsparung.

  11. @Cornelius:
    Ich glaube kaum, dass der Normalleser merkt, dass die nicht-regionalen Meldungen zusammengeklaut sind. Das Gehuste hier in der Bloggerszene wird die WAZ wohl kaum stören…

  12. Bei mir vorm Haus wird meine Zeitung regelmäßig geklaut. Ich bin Ulli Reitz ehrlich dankbar dafür, dass er mir die Augen öffnet, bevor ich was Dummes mache und deswegen zur Polente renne. Zur korrekten Einordnung: Ich arbeite beim dpa-Konzern.

  13. @12:

    2. Mio € als Gegenwert zu 25 Stellen:

    2. Mio / 25 = Kosten / 2 = Jahresgehalt 20.000 €

    Weißt doch. Ein Mitarbeiter kostet einem Unternehmen ungefähr das doppelte seines Bruttogehaltes.

  14. @ Christoph (17)

    Aus „Gehuste“ kann leicht ein ansteckendes Fieber werden. Der kluge Leser erkennt das Original und teilt sich mit. Danach folgt der Image-Schaden. Danach der Umsatzeinbruch. Dem folgen Tränen und irgendwann die Erleuchtung, was man hätte lieber nicht machen sollen.

    Wer an der Qualität spart; egal ob Medien (gute Quellen), Musiker (gute Instrumente) oder Maler (gute Farben), zahlt am Ende meistens drauf.

  15. @13, Georg:

    Morgen gehen Sie zu ihrem Bäcker und sagen dem: ätsch, ich backe Brötchen umsonst?

    Finde ich supertoll, wie hier Leute meinen, sich mittels Twitter als „echte“ Journalisten zu fühlen und es „denen“ mal zeigen.

    „Denen“, die von Jahr zu Jahr meist weniger Kröten für mehr Arbeit bekommen.

    Das mag eine technologische Überlegenheit dokumentieren. Eine menschliche ist es nicht.

  16. @nona #15: Und trotzdem waren die Informationen, die man als durchschnittlicher twitter-User während der ersten Stunden nach der Notwasserung hatte, offensichtlich detaillierter und fundierter als die Agentur- und Reporter-vor-Ort-Informationen, die die deutschen Fernsehsender an dem Abend über den Äther gelassen haben.

    twitter ersetzt natürlich keine Recherche, aber es kann in Extremfällen und Frühphasen sehr viel genauere Informationen liefern als so manche journalistische Quelle.

  17. Zur Klarstellung: Um 18:42 Uhr haben wir die erste Meldung zum Thema auf die Seite gestellt, alles noch ohne Städte, wie Stefan richtig anmerkt. Quelle war afp.
    Die Städte konnte man zwar zu dem Zeitpunkt schon überall im Netz lesen, aber eben immer mit Verweis auf die dpa und deshalb haben die Kollegen am Newsdesk die Finger davon gelassen – ganz wie es sich gehört. Um 19:29 respektive 19:35 bringen sowohl die Tagesschau (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/hertie118.html) als auch der WDR (http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/hertie/090127.jhtml) die Namen der betroffenen Standorte, ohne die dpa als Quelle zu nennen.
    Um 19:45 ergänzen die Kollegen daher den Artikel um die entsprechenden Städte und verweisen auf Medienberichte. Es wäre sicherlich gut gewesen, auch darauf zu verlinken, ein Contentklau wird daraus aber deshalb noch nicht. Erst recht nicht, da zeitgleich die Kollegen von Print anrufen und sich sowohl im etwas später einlaufenden Artikel als auch im Telefonat auf die offizielle Mitteilung von hertie selbst beziehen.

  18. @18 Sebastian: Wir mussten alle Artikel löschen, die über die sogenannten „Weblines“ der dpa eingelaufen waren, da der Vertrag standardmässig nur die Nutzung für die Laufzeit des Vertrages beinhaltet. Anders ließ sich das leider nicht machen.

  19. @Stefan 24: Ich scheine hier ja wirklich wieder gebraucht zu werden, das nimmt langsam Ueberhand.

  20. Keine Frage: Reitzes Geschäftsmodell funktioniert. Jedenfalls solange, bis niemand mehr für dpa zahlt und deshalb auch niemand mehr da ist, bei dem man abkupfern könnte.

  21. Ok, das was Katharina Borchert schreibt, klingt für mich nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz bleibt es natürlich so, dass dpa den Kollegen gezeigt hat, das ein Verzicht auf deren Dienst in diesem speziellen Fall einen erheblichen Nachteil bedeutete.

  22. @Lukas: Muss ich widersprechen, ich sehe leider absolut nicht wo/wie das „offensichtlich“ sein soll. Eine gute halbe Stunde nach dem Vorfall war (primär) aus dem Fernsehen und (sekundär) aus diversen Webnews mindestens in etwa ersichtlich: erfolgreiche Notwasserung im Hudson auf Höhe Intrepid, wenige bis garkeine Verletzte, Airbus, US Airways, vermutlich Vogelschlag, Startort La Guardia, Zielort Charlotte. Wenn ich nicht irre auch Flugnummer und Flugzeugmodell. Sowas in einer Metropole wie New York schnell erfasst zu bekommen kann man auch weitgehend erwarten, im Zweifelsfall musste der eine oder andere Redakteur wohl erstmal nur aus seinem Fenster schauen um dann die Newsmaschine in Gang zu setzen. Solche Details kondensieren durch klassische Recherche, von wo es zweifellos auch via Twitter rumgesprochen wird. Twitterer direkt vor Ort waren zu dem Zeitpunkt aber allenfalls auf „cool, hier liegt’n Flugzeug im Fluss und Leute stehen auf den Tragflächen“-Niveau dabei.

    Der Internet-Kommunikationswert mit den „Extremfällen und Frühphasen“ ist natürlich auch nicht neu (früher war es halt IRC, über das man vom Alltag im Balkankrieg erfuhr), und zweifellos ein Wert, den Twitter liefert. Es ist halt ein Werkzeug, mittels dem sich ein Ereignis herumspricht. Aber dadurch erhält man in erster Linie halbgare Informationshäppchen, Hörensagen, und Meta-Rauschen, ohne Kontrolle, Verifikation, oder Filterung, bei schwankender Qualität und von unbekannter Glaubwürdigkeit. Man erfährt vielleicht, das etwas passiert ist (lies: im Zweifel, was jemand glaubt gesehen zu haben), aber wohl kaum die Umstände und Hintergründe, nicht nur weil ein Twitterer vor Ort als Augenzeuge nichts weiter sieht als sein Wahrnehmungsbereich zulässt, sondern auch weil er aller Wahrscheinlichkeit nach erstmal ein Laie ohne sonstige Informationen und Verbindungen ist. Selbst ein Reporter vor Ort ist besser dran, weil er eine Leitung hat, auf der ihm jemand sagt, was inzwischen sonst noch bekannt und recherchiert ist oder sich andernorts ereignet hat, und er das dann im Kontext zu ergänzen in der Lage ist, und als Presse/Medien sowieso schneller und besser z.B. an Interviews mit Behördenvertretern kommt – ein Twitterer wird von einem Polizisten oder sonstigem Helfer eher zur Seite geschoben als dass er ihm Rede und Antwort steht.

    Nicht dass ich Agentur-Fan wäre, aber dann doch lieber dpa…

  23. @27 Frau Borchert: Vollkommen unabhängig davon, wie es nun tatsächlich abgelaufen ist, zeigt dieses Beispiel doch, wie Angreifbar sich die „WAZ“ durch Abbestellung der dpa macht. Selbst wenn sie in jeden Hertie einen Journalisten geschickt hätten, der schnell mal nachfragt und dies auch hätte nachweisen können, sobald jemand unterstellt, die „WAZ“ hätte für einen Bericht von einer dpa-Meldung abgeschrieben ohne dafür zu bezahlen, ist das erst mal schwer zu entkräften, einfach dadurch, dass es Herr Reiz in der Vergangenheit schon mal angedeutet hat.

    Und diesen Hype um Twitter verstehe ich auch nicht. Es ist bei einem solchen Ereignis vollkommen unerheblich, wann ich davon erfahre, denn nun ja, wenn es passiert ist, ist es passiert. Dadurch, dass ich im Moment eines Flugzeugabsturzes davon erfahre, dass ein Flugzeug abstürzt entsteht für mich und 99,9% der Menschen die das bei Twitter lesen könnten, kein Mehrwert. Wenn man vor 10 Jahren ein Gerät erfunden hätte, von dam man behauptet hätte, dass damit jeder Augenzeuge eines Ereignisses live und ungefiltert davon berichten kann dann hätte doch auch jeder den Kopf geschüttelt und gesagt wer braucht sowas.

    Ich glaube Twitter und Co. sind das neue Second Live, haha.

  24. Blöde Frage: Abgesehen von der moralischen Einordnung: Was ist eigentlich genau das Problem?
    Wenn eine Information veröffentlicht wird, kann man sie doch jederzeit übernehmen, oder? Der SPIEGEL und andere leben ja fast davon, zitiert zu werden.

    Das eigentliche Problem ist doch somit nicht, dass Informationen, die die dpa teuer recherchiert hat, genannt wurden, sondern nur, dass keine Quelle angegeben war und die WAZ damit fälschlicherweise eine Eigenleistung vortäuschte.

    Oder liege ich da irgendwie falsch?

  25. Ich gebe Philipp (37) Recht und stelle die Frage etwas anders:
    Wenn die WAZ-/Westen-Redakteure bei wichtigen Meldungen warten müssen, bis sie die von dpa gelieferten Informationen irgendwo „ohne Herkunftsnachweis“ abschreiben können: Was ist daran bitteschön noch Journalismus?

  26. Das eigentliche Problem ist dasselbe wie beim Schwarzfahren. Es funktioniert nur, solange es genügend Deppen gibt, die zahlen.

    Oder beim Abschreiben in der Schule. Es funktioniert nur, solange es genügend Deppen gibt, die lernen.

    Die Frage „Wo kämen wir hin, wenn das alle machten“, hat zwar vermutlich noch nie jemanden überzeugt, ist aber im Kern keine moralische Frage, sondern eine handfeste: Wer bezahlt für Dienste, die allen nützen?

    (vgl. auch die „FR“ zum Thema: http://fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/medien/1666226_Das-Netz-reisst.html )

  27. ohne twitter wirklich verteidigen zu wollen, aber:
    die wirkung von twitter ist doch im grunde nicht, ob die meldungen dort zu 100% „wahrheit“ sind oder journalistischen standards entsprechen (die es doch sicherlich nur noch in der wissenschaftlichen lehre gibt; wie stefan gerade hier im blog an beispielen bzgl. springer, waz usw., ja immer wieder aufzeigt).
    die primäre wirkung von twitter ist, dass sich innerhalb weniger minuten meldungen weltweit etablieren können. das eben ohne jeglichen medienzirkus aka journalisten, verlage, presseticker usw. usf.

    beachtet man, dass es sich eben um einen „bürgerticker“ handelt, den es bis dato nicht gab, kann man durchaus fragen, wohin das in zukunft führen wird?

    twitter verbindet, global, menschen und kann (nicht muss) zu schnelleren informationsversorgungen führen. beachtlich ist hierbei eben, dass die klassischen medien (kmedien: presse, fernsehen, radio) erstmals in der geschichte der mediengesellschaften diesbzgl. keine rolle mehr spielen. die deutungshoheit der kmedien bröckelt an allen ecken und kanten.

    ob und wie einzelne meldungen dann stimmen, wird wieder die aufgabe der presse sein. diese aufgabe können im netz dann aber auch gut verlinkte blogstrukturen übernehmen und machen dies ja auch.

    der schritt der waz, dem nachrichtenticker dpa kündigen, ist im grunde jetzt noch zweifelhaft, beachtet man die entwicklungen im web, langfristig aber doch die richtige strategie. die waz war erst der anfang.
    dpa und andere haben in ihrer bisherigen struktur eine nur noch begrenzte zukunft.

    das hauptargument der pressestrategen zu diesen entwicklungen, die ja schon länger erkennbar sind, dass eben nur die presse/der journalismus ein „garant für qualität“ sei, müsste von der presse erst mal bewiesen werden. der gegenbeweis ist täglich in der bild, spon.de, in der sueddeutschen (blogbashing) usw. usf. zu lesen.

    bisher ist die „qualitätsoffensive“, als gegenstrategie der presse zu den entwicklungen der „bürgervernetzung“ im web, nur maulheldengeschwafel.

    ich bin gespannt…

  28. @10: Sorry, etwas spät… Ich denke, die dpa hatte hier einen Aufwand von vielleicht 10 Minuten – um die Information von Hertie abzutippen. Großen Rechercheaufwand braucht’s für so ’ne Pressemeldung nun wirklich nicht. Das Problem ist eher, dass Herties Presseabteilung wohl der Meinung war, es reicht doch, eine große Agentur wie dpa zu informieren, dann haben’s eh die allermeisten Zeitungen – und offensichtlich haben sie damit (bis auf die bekannte Ausnahme) recht.
    Und „getwittert“ wurde da garantiert auch nichts bevor die dpa-Meldung rausging. Außer ein informierter Hertie-Mitarbeiter hat da was „leaken“ lassen.

  29. @38: Gegenfrage: Was ist noch Journalismus daran, die dpa-Meldungen zu veröffentlichen?

    Wobei man sich im konkreten Fall schon wundern kann, ob die WAZ-Journalisten zu unfähig waren, mal selbst bei Hertie anzufragen, oder ob dort einfach mit „kein Kommentar, wurde doch alles über die dpa bekannt gegeben“ abgewimmelt wurde.

  30. Nebenbei: Ich habe Herrn Reitz und sein aktionistisches Herumgewurstel am Redaktionsapparat vor mindestens zehn Jahren Jahren aus dem Bauch der RP heraus beobachten müssen – „history repeating“, er macht offenbar im gleichen Stil unbehelligt weiter.
    Ich frage mich nur, wieso Verleger, die solche „Manager“ wie Reitz beschäftigen, den Niedergang von Print durch Ausblutenlassen der Redaktionen offensichtlich unbedingt beschleunigen wollen – wieso haben sie es so eilg, bevor überhaupt irgendein wirtschaftlich lebensfähiges Rezept für Online-Journalismus zur Verfügung steht?

  31. @Mirko: Sie waren ja nicht unfähig dazu. Es dauerte nur ein bisschen länger. Was bei einem Online-Auftritt schmerzhaft sein kann.

  32. @Mirko (42):
    Darauf wollte ich auch hinaus:
    Ein „Journalist“ hätte sich „dahinter geklemmt“ und recherchiert (kA, ob das hier geschehen ist oder nicht, aber es wirkt nicht so) – laut Information von Frau Borchert wurde aber gewartet, bis andere Medien die offenbar schon lange bekannten Informationen ohne Quellenangabe veröffentlichten, und dann – erleichtertes (?) Aufatmen in der Online-Redaktion – konnte man endlich selber „publishen“ (so heißt das doch in diesen Softwares, oder?).
    Die Frage, was am dpa-Durchreichen Journalismus sei, ist extrem berechtigt, wird von mir erneut zugespitzt: Wenn alle Welt lediglich Tickermeldungen abtippt und das als Journalismus verkauft – was macht dann derjenige, der die Ticker abbestellt? Layout für die Werbekunden?

  33. @Stefan: warum ist es für mich als Leser so wichtig, dass ich nicht schon um 18:10 Uhr sondern erst 90 Minuten später darüber informiert werde, welche Filialen genau denn nun geschlossen werden?

  34. @Alexander: Die Frage ist nicht, ob es für Dich als Leser wichtig ist, sondern ob es der „WAZ“ wichtig ist. Wenn sie sagt: Wir bestellen dpa ab und hoffen, dass unsere Leser damit zufrieden sind, einige Informationen gar nicht zu bekommen und andere mit Verspätung – okay. Die „WAZ“ sagt aber, dass sie ohne dpa nicht schlechter sein wird als mit und schafft es dadurch, dass sie bei anderen abschreibt. Das ist nicht okay.

  35. @27: Warum hat die „WAZ“ dann nicht gleich von Anfang geschrieben: „Laut Informationen der dpa…“? Das wäre journalistisch sauber und korrekt gewesen, und wird – wenn zum Beispiel von „Bild“ oder vom „Spiegel“ übernommene Geschichten nacherzählt werden – ansonsten ja auch gemacht.
    Oh, ich vergaß: Dann könnte man in Zukunft ja nicht mehr sagen, wie irrelevant dpa für die eigene Arbeit ist…

  36. 40, Weltherrscher:

    „der schritt der waz, dem nachrichtenticker dpa kündigen, ist im grunde jetzt noch zweifelhaft, beachtet man die entwicklungen im web, langfristig aber doch die richtige strategie.“

    Was haben Sie persönlich davon, worin liegt ihr Nutzen einer solchen Entwicklung, die Sie sich ja wünschen?

    Welchen Beruf üben Sie aus? Vielleicht finden wir eine technologische bessere Möglichkeit, die Produkte ihrer Arbeit günstiger und damit ohne Sie herzustellen.

    Wir könnten noch mehr Leute arbeitslos machen, wenn wir nur wollten. Wir könnten noch mehr Dinge, die anderen Lohn und Brot sichern, kostenlos ins Netz stellen.

    Und als erstes gehen Sie, Weltherrscher, mal zu den Journalisten hin, die bei der WAZ ihren Job verlieren. Sie könnten denen doch sagen, dass sie leider total „out“ sind. Und wenn bei dpa irgendwann Leute entlassen werden – was soll es, es dient ja alles nur dem, nee: Ihrem Fortschritt.

    Mensch bleiben, Weltherrscher.

  37. Der Eine Klaut, der Andere hinterzieht Steuern. Eine bessere Elite von Managern hat Deutschland anscheinend nicht mehr zu bieten.
    Ich halte DPA für eine gute Einrichtung, die wie alle Ideen nur funktionieren kann, wenn es nicht „Sparfüchse“ (wie z. B. bei der WAZ) gibt, die sich entsolidarisieren und Nachrichten lieber unentgeldlich Nachnutzen, anstatt für verwertete Leistungen auch zu bezahlen. In sofern ist die WAZ aber mit den vielen Nachnutzern im Bereich der Musikindustrie in guter Gesellschaft.

  38. @46 Genau das taten derweil auch Journalisten und versuchten, noch jemanden bei Hertie für ein Statement zu erreichen. Die Kollegen am Newsdesk, die mit der Nachrichtensteuerung der Seite betraut sind, und die Nachricht so schnell wie möglich um die für die Region extrem relevanten Städte erweitern wollten, können das nicht auch noch nebenbei erledigen. Manchmal hat Aufgabenteilung eben auch ihre Tücken.

  39. Eines verstehe ich nicht bei all den Kommentaren: Das Urheberrecht und die diesbezügliche Rechtsprechung macht ausdrücklich eine sehr genaue Unterscheidung bei Nachrichten: Der Inhalt, also das Wissen um ein Ereignis, unterliegt nicht dem Schutz des Urhaberrechts, sondern nur seine mediale, beispielsweise sprachliche Aufbereitung. Der Text einer dpa-Meldung ist also geschützt, nicht jedoch ihr Inhalt. Der Gesetzgeber und die Gerichte haben damit einem sehr wichtigen Umstand Rechnung getragen, nämlich der Tatsache, dass die Demokratie einen freien ungehemmten Nachrichtenfluss braucht, um zu funktionieren. Niemand soll hinter dem Urheberrecht verschanzt für die Demokratie wichtige Informationen monopolisieren und für gewerbliche Eigeninteressen einsetzen können.

    Aus diesem Grund ist „Informationsklau“ überhaupt nicht mit Steuerhinterziehung zu vergleichen. Und die WAZ ist juristisch völlig unangreifbar.

    Warum nur erzürnt sich ausgerechnet die Blogosphäre (!) nun so darüber, dass im Internetzeitalter das faktische Nachrichtenmonopol der dpa zu zerbröseln beginnt?

  40. „Letztlich geht es aber um die Frage, ob nicht wenigstens eine Agentur im Land breit aufgestellt sein sollte, um bei Katastrophen und relevanten politischen wie wirtschaftlichen Entwicklungen auch in den entlegeneren Winkeln der Republik präsent zu sein.“

    Und genau so kenne ich die Arbeitsweise der dpa. Ulrich Reitz vergleicht dpa-Leute mit Schreibtischtätern, die den ganzen Tag im Netz surfen. Ich weiss nur von dpa-Leuten, die bei Wind und Wetter zu Pressekonferenzen kommen, um Informationen an der Quelle und aus erster Hand schöpfen zu können. Mir sind dpa-Leute bekannt, die auch einfach mal so nachfragen, wie die Lage ist, obwohl nichts brennt. Das ist professionell!

  41. @50:
    „…Was haben Sie persönlich davon, worin liegt ihr Nutzen einer solchen Entwicklung, die Sie sich ja wünschen?..“

    ich wünsche mir weltfrieden, kampf gegen den weltweiten hunger und einen lottogewinn.
    die presse ist mir völlig schnuppe. also der teil der presse, die seit jahrzehnten manipulieren, belügen usw. usf.
    ich wünsche mir also keine „solche entwicklung“, sondern sehe sie nur.

    was sie aber sicherlich auch gelesen hatten, aber absichtlich „umdeuteten“ um den rest ihrer argumentation zu untermauern. so eine
    manipulation wirkt bei mir nicht.

  42. 55:

    Sie schreiben, dass die Zeit von Agenturen wie dpa bald abgelaufen sei und finden das gut. Nun fügen Sie hinzu, dass ihnen der Teil der Presse völlig schnuppe sei, welcher permanent manipuliere und lüge.

    Bevor Sie mir nun wieder unterstellen, ich würde ihre Zeilen absichtlich umdeuten, gestatten Sie bitte eine Frage zum Verständnis:

    Ist die dpa für Sie eine „Lügenmaschine“?

  43. In meinen Augen stellt sich hier gar nicht die Frage, ob man das Verhalten der WAZ „gut findet“. Es ist rechtlich nicht angreifbar und aus wirtschaftlicher Sicht zumindest erstmal Kosten sparend – inwiefern die Qualität leidet und ob die Leser das sanktionieren ist eine andere Frage.

    Die dpa erbringt eine Dienstleistung. Problematischerweise ist der Kern dieser Dienstleistung aber – durch die von Thomas angesprochene rechtliche Situation – nicht vor Freeridern sicher und sicherbar. Das ist aber einzig und allein ein Problem der dpa und ihrer Dienstleistung. Wenn die Nachricht als solche eben, bewusst, vom Gesetzgeber gewollt, keine Exklusivität besitzt, dann ist eine reine Nachricht eben kein geeignetes Wirtschaftsgut, sondern nur deren Ausformulierung (und nähere Ausleuchtung).

  44. Dazu gab es letzte oder vorletzte Woche schon einen schönen Bericht mit vielen Interviews und Hintergründen in ZAPP. AFP wird so weit ich weiß komplett vom Staat finanziert – und der Chef vom Staatspräsidenten festgelegt, während DPA ein genossenschaftlicher Betrieb ist, bei dem die Mitglieder mit Ihren Beiträgen die DPA Journalisten finanzieren.

    Ist also schon ein Unterschied, wo man sich bedient.

  45. @52: OK, das klingt schon anders. Ihr vorheriger Eintrag machte doch eher den Eindruck, als wüssten Sie’s ohnehin schon (die dpa-Meldung wird ja schnell genug verteilt) und müssten noch auf eine Veröffentlichung ohne dpa-Quelle warten, um da „sauber“ raus zu kommen.
    Wobei man ja auch zugeben muss, dass es gerade bei diesem „Kleckerkram“ irgendwie auch ziemlich blöd ist, extra nochmal Hertie anrufen zu müssen, während es alle schon von dpa wissen. Andererseits aber natürlich auch eine Qualitätskontrolle, die durch blindes Abschreiben der Tickermeldungen (gerne auch mal umformuliert und als Eigenverdienst hingestellt) allzu oft fehlt.

    @53: „Informationsklau“ ist so eine Geschichte… Bei investigativem Journalismus sehe ich das auch als Schweinerei, beim Weiterreichen von Pressemeldungen ist das schon schwieriger.
    Außerdem hat man auf der anderen Seite, wie hier auch schon dargestellt wurde, das Problem, zu beweisen, dass man eben nicht geklaut hat. Für den Leser ist „geklaut und umformuliert“ im Normalfall nur sehr schwer von „informiert worden, nachrecherchiert, mit zufällig ähnlichem Inhalt selbst geschrieben“ unterscheidbar (wenn nicht gerade irgendwelche Fehler übernommen wurden).

  46. @27 Es ist nicht das erste Mal, dass derwesten.de nach dem Auslaufen der dpa-Verträge auf „Medieninformationen“ ausweicht, um dpa-Informationen zu verbreiten. Als die Leiche der vermissten achtjährigen Kardelen am Möhnesee gefunden wurde und dpa längst mit einer Meldung auf dem Markt war, kam von dem WAZ-Portal zunächst gar nichts, dann etwa 40 Minuten später eine Meldung „nach Medieninformationen“ und dann schließlich ein Bericht auf der Basis von abonnierten Nachrichtenagenturen und Eigenrecherchen.

  47. @60 Es geht nicht nur um Informationen, sondern um komplette Formulierungen:

    dpa-Zusammenfassung 18.28 Uhr:
    „Wenn bis Ende Februar keine Lösung mit einem Investor gefunden werde, sei das gesamte Unternehmen bedroht, hieß es. Dies könne das Aus auch für die noch verbleibenden 54 Filialen bedeuten.“

    derwesten.de am Dienstagabend:
    „Wenn bis Ende Februar keine Lösung mit einem Investor gefunden werde, sei das gesamte Unternehmen bedroht, hieß es aus Kreisen der Handelskette. Dies könne das Aus auch für die noch verbleibenden 54 Filialen bedeuten.“

    Inzwischen wurde das überarbeitet:
    „Die gesamte Handelskette stehe vor dem Aus, wenn bis Ende Februar kein Investor gefunden werde, hieß es aus Kreisen des Unternehmens. Dies könne die Schließung auch der noch verbleibenden 54 Filialen bedeuten.“

  48. Für der westen ist das ein pr-inferno, was hier passiert. na ja, die leser werden’s wohl in der mehrheit nicht merken. regen sich nur wieder spezialisten auf, schade.

    die ganze geschichte macht einen richtig traurig, weil das, was der westen macht, den niedergang des journalismus beschleunigt. es kann sich nicht einer auf kosten von anderen bereichern, das geht einfach nicht lange gut.

  49. @ 52 K. Borchert: „Genau das taten derweil auch Journalisten und versuchten, noch jemanden bei Hertie für ein Statement zu erreichen. Die Kollegen am Newsdesk (…) können das nicht auch noch nebenbei erledigen.“

    Ich wußte ja gar nicht, daß Telefonieren eine solch ressourcenfressende Schwerstarbeit ist. Vielleicht sollte man dann auch keine Journalisten ‚rauswerfen, wenn’s am Ende nicht einmal mehr dazu reicht, zum Hörer zu greifen.

  50. @Hans-Dieter Glitsch (64):
    Die Ironie wird sein, denke ich, dass Frau Bochert WAZ-intern für diesen und andere Auswüchse der Rotstiftkamikazes Ihrer Vorgesetzten geradestehen muss – schliesslich ist sie die „Online-Chefin“ des Hauses (den genauen Status oder Titel recherchiere ich einfach mal nicht, mein Newsdesk ist gerade überlastet). Ausbaden, was andere verzapft haben, und dann von genau denselben anderen einen auf den Deckel bekommen – willkommen im 21 Jhdt.

  51. Das finde ich eine tolle Innovation, dass die WAZ jetzt das Wiki-Modell des Zusammentragens von Sekundär- und Tertiärquellen übernimmt. Wenn sie sich jetzt noch in WAZipedia umbenennt, ist es sogar konsequent und vorbildlich.

  52. Gut: Die WAZ-Gruppe will für Qualitätsjournalismus stehen und den eigenen Autoren „den Journalismus wiedergeben“. Weiter so!

    Besser: Schaden macht klug. Die Kolleginnen und Kollegen werden Agenturmeldungen nicht mehr lange plump abkupfern, sondern mit journalistischem Geschick immer perfekter so ummünzen, dass keiner was vom Falschgeld merkt.

    Am besten: Die WAZ-Zeitungen gibt es bald gratis, weil Nachrichten schon im Einkauf nichts kosten. Die Werbung wird’s richten.

  53. Das ohne Grund hochgelobte Portal Der Westen ernährt sich wohl auch deshalb auf seinen Stadt-Seiten primär aus Polizeimeldungen mit dem immer gleichen Symbolbild. Kostet ja nichts. Sogar RP-Online ist frischer und origineller. Aber da ist der Reitz ja nicht mehr.

  54. 57:

    „ihre frage interessiert mich nicht.“

    Schöner Spruch, wenn man sich gerade zu weit aus dem Fenster gelehnt hat.

    Wie lautete noch mal ihre Definition?

    „maulheldengeschwafel“.

    Nee, is schon klar…

  55. Aber wer schaut denn bitte auf die Seite der WAZ, wenn er aktuelle Nachrichten sucht?

    Ich habe mir diese Zeitung im letzten Urlaub auf einer kleinen Nordseeinsel mal gekauft, weil dieses Portal ja unter Bloggern schon lange im Gespräch ist. Die Nachrichten waren gut abgehangen und die Zeitung war zum Gähnen langweilig. Nach gefühlten zwei Stunden bin ich eingeschlafen. Die »F.A.Z.« und die »taz« sind wenigstens originell, sie provozieren Widerspruch und Nachdenken.

    Und was sollte mich jetzt dazu bringen, mich im Online-Angebot dieser verschnarchten Zeitung über aktuelle Ereignisse zu informieren?

    Zur Zielgruppe des Online-Angebots der WAZ gehören doch wahrscheinlich kaum Leser, die über aktuelle Ereignisse sehr schnell informiert werden wollen. Die warten im RSS-Feedreader auf Eilmeldungen bei SPON oder sehen CNN.

    Also braucht die WAZ im Grunde keinen Zugriff auf die Meldungen der dpa. Bis die WAZ-Zielgruppe aufgewacht ist, kann man die Meldungen auch »aus Pressequellen« zitieren.

  56. Wer afp wegen der Staatssubventionen kritisiert, sollte m.E. zu dpa anmerken, dass dort eine Reihe von Geschäften außerhalb des ehrenwerten Journalismus betrieben werden. Über die Tochter News Aktuell werden etwa bezahlte PR-Artikel verbreitet, http://www.newsaktuell.de/.
    Geldgeber von dpa ist also auch die Wirtschaft.
    Ein Effekt dieser PR-Aktivitäten von dpa ist, dass per „Originaltextservice“ (ots) Pressemitteilungen direkt, kostenlos und wie Agenturmaterial wirkend in die Redaktionen kommen. Damit hat dpa selber einen Teil seiner Arbeit, die Weiterleitung von Pressemitteilungen, über eine Tochter-Firma überflüssig gemacht.

  57. @stefanolix: Dich mit Hauptwohnsitz kurz vorm Ural (denk Dir hier nen Smilie) will man mit Sicherheit nicht als Kernleser von derwesten gewinnen. Wenn Du da aber näher dran oder gar drin wohnst im Revier, dann kommst Du schon in Versuchung, da mal hinzuklicken, vor allem, wenn Du die Fanfaren noch im Ohr hast, mit denen der Start dieses Regional-Portals damals begleitet wurde.

  58. (1) Ich würde auch mit Wohnsitz in NRW ganz sicher nicht die WAZ lesen. Die WAZ soll das Spitzenerzeugnis dieses Konzerns sein. Also würde ich die anderen Zeitungen erst recht nicht lesen. Ich hätte die Fanfaren also nur ganz leise gehört;-)
    (2) Für Meldungen aus der eigenen Region braucht man eigentlich keine dpa. Man mischt (wenige) eigene Nachrichten mit wiedergekäuter PR, Meldungen der Polizei, Gerichtsberichten und allerlei sonstigen Verlautbarungen.

  59. @stefanolix: 1) Die Zeitung interessiert auch wirklich null. Ich wohne nicht im WAZ-Kerngebiet, sondern (noch) weiter westlich. Aber zumindest nah genug dran, um gewisses Interesse fürs Geschehen in deren Region aufzubringen. Das Versprechen, mit dem derwesten.de damals angetreten ist, war aber vollmundig, von wegen man nehme richtig Geld in die Hand für ein zeitgemäßes Regionalportal. Dem ja im Übrigen die in Bloggerkreisen nicht unbekannte Katharina Borchert vorsteht. Gründe, da mal hinzuklicken und zu gucken, gab es es für mich also schon genug.

    2) Die Zeitung hat auch einen überregionalen Teil. Und das Hertie-Beispiel hat ja gezeigt, dass ein bundesweites Thema durchaus eine spezifische Regionalrelevanz haben kann – etwa, wenn DPA die Info hat, welche Filialen in NRW geschlossen werden. Dann siehst Du mit einem Regionalportal leider alt aus, wenn Du diese Info nicht oder erst sehr viel später hast.

  60. 74:
    „Geldgeber von dpa ist also auch die Wirtschaft.“

    Sauerei, so etwas. ;-)

    Selbst seriöse Zeitungsverlage haben mitunter Beilagen voller Werbung ihren Erzeugnissen beigefügt. Skandal, nicht wahr?

    Jeder Volontär weiß den Unterschied zwischen einer normalen Agenturmeldung und einer ots-Geschichte zu unterscheiden. Und wenn man mal selbst mit dpa-Kollegen gesprochen hat, deren Alltag kennt und die dpa-Meldungen eines Tages verfolgt:

    das ist IMHO weit mehr als „die Weiterleitung von Pressemitteilungen“.

    Aber wenn Ihnen eine steuerfinanzierte Subvention lieber ist…

    Im Ernst: natürlich ist der Kern einer Meldung, die Info selbst, nicht geschützt. Aber wenn man sich noch nicht mal die Mühe macht, das Geklaute umzuschreiben – und gleichzeitig behauptet, die Zeitungskollegen seien froh, „endlich“ wieder selbst journalistisch zu arbeiten – und gleichzeitg wieder verkündet, der hauseigene newsdesk sei überfordert, wenn er selbst telefonisch recherchieren müßte… sorry, das ist Ausverkauf.

    Das ist Renditedenken pur. Und es geht längst nicht nur um dpa. Die Verlage setzen mehr und mehr auf das Internet. Sie lassen Videos von Praktikanten produzieren, die Putzfrauen-Löhne bekommen. Und so setzen sie die Spirale immer weiter an, überall.

    Wer mag sich darüber freuen? Die Blogger? Warum? Wird der Journalismus dadurch besser? Anders ja, aber besser?

  61. na ja, besonders effizient war die eilige löschaktion wohl nicht. denn in meiner stichprobe waren immerhin noch 18 der ersten 50 Treffer bei der suche nach „dpa“ ‚lesbar‘.

  62. @78, 79: Zwischen gekennzeichneter Werbung und Auftragsarbeit für Unternehmen sehe ich einen ziemlichen Unterschied. Hier mal beispielhaft die Kundenliste von dpa-afx, http://www.dpa-afx.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5&Itemid=63.
    Wenn es um eine Mit-Finanzierung eines Agenturangebotes geht, ist mir der Staat tatsächlich lieber als die Deutsche Bank. Die Stiftung Warentest wird übrigens ebenfalls vom Staat mitfinanziert, ohne dass deshalb größere Zweifel an der Unabhängig aufgetaucht sind.

  63. @81: Du hast das Problem jetzt irgendwie überhaupt nicht verstanden. Sowie Adenauer, der hat’s auch erst nicht kapiert: http://tinyurl.com/dfrzut

    @63: Will ja Deinen Sack nicht penetrieren, nur sieh doch mal: Ausgerechnet jene, die (zum Beispie hier) die Demokratisierung der Informationsgesellschaft durch das Medium Internet ausleben (nenn sie wie Du willst, die Szene, die mit „B“ anfängt, gehört jedenfalls dazu; und außerdem ist sie nach wie vor eine Szene und nicht Teil der Massenmedien), rufen nun nach zentralistisch erzeugter Information in den Print- und (Leit-)Online-Medien. Das hier besprochene Problem ist ein internes Problem einer Genossenschaft, nicht eines von Qualität und Wahrhaftigkeit der Berichterstattung. Wenn hier über Qualität und Wahrhaftigkeit der Berichterstattung diskutiert werden soll, dann sind WAZ und dpa keine Gegensätze, sondern beide Institutionen machen eine Menge Fehler – Tag für Tag. Es gibt dabei keinen, der zu den Guten zählt, und keinen, der zu den Schlechten zählt.

    Intern ist es in einer Genossenschaft immer schade und problematisch, wenn einzelne Mitglieder ausscheren. Und besonders, wenn offensichtlich ist (siehe #62), dass man hernach sich noch bedient am Genossenschaftsbesitz. Aber die Qualität der Berichterstattung und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft muss man, finde ich, anders betrachten, als das zum Teil hier geschieht.

  64. @81, Kunze: Puh, bei aller Leidenschaft, vom Kern des Themas abzuweichen und neue Grundsatzdiskussiönchen aufzumachen, hier die Bitte, doch auch bei den Fakten zu bleiben und nicht mit Schnellsch(l)üssen um sich zu werfen. dpa-AFX – von Natur aus auf eine andere Zielgruppe als klassische Medien ausgerichtet – wirbt auf seiner Homepage doch nur auszugsweise mit den Abonnenten seines Finanztickers, ohne dass diese Bank(-kunden) Einfluss nähmen auf die Berichterstattung. Agenturmeldungen über die Finanzkrise sind da weder gekennzeichnete Werbung noch Auftragsarbeit. Und ein zweites Puh zu Warentest wg der mangelnden Vergleichbarkeit: Hier ist die Subvention durch den Staat doch deshalb ungefährlich, weil kaum ein Gewissenskonflikt besteht. Warentest testet ja keine staatlichen Produkte, weil es vielleicht bis auf Bundesschätzchen auch keine gibt. Und nun zurück zu des Pudels Kern, bitte!

  65. Oh, jetzt würde ich doch mal gerne wissen, ob es Unannehmlichkeiten macht, dass ich eine andere Meinung vertrete als der Autor dieses Blogs oder ob die Moderationspflichtigkeit meines letzten Beitrags dadurch entstanden ist, dass ich das deutsche Wort für Scrotum verwendet habe. Wenn es nur letzteres ist: Lieber Stefan, dann verwende es bitte auch lieber nicht.

  66. Zu Beitrag 59 ff möchte AFP folgende Punkte klarstellen:

    1. Es gibt keinen Einfluss des französischen Staates auf die Berichterstattung und redaktionelle Arbeit der AFP in Frankreich oder außerhalb Frankreichs.

    2. Der Anteil der mit staatlichen Stellen in Frankreich erzielten AFP-Umsätze am Gesamterlös steigt nicht, sondern sinkt kontinuierlich.

    3. Die deutschen AFP-Dienste erhalten keine Subventionen, erzielen Überschüsse und werden zu Marktpreisen angeboten.

    Die AFP-Präsidenten und die Chefredakteure werden nicht vom Staat ernannt. Der AFP-Präsident wird vom Verwaltungsrat gewählt, dem außer zwei Belegschaftsvertretern zehn Repräsentanten der AFP-Medienkunden und drei Vertreter von staatlichen Stellen, die AFP-Dienste abonniert haben, angehören. Die Chefredakteure werden, anders als in dem TV-Beitrag ohne jegliche Prüfung behauptet, auch nicht ausgewechselt, wenn ein neuer französischer Präsident das Amt antritt. Die Redaktion von ZAPP hat den Magazinbeitrag auf der NDR-Website und für Sendungswiederholungen mittlerweile um diesen Passus gekürzt.

    Für ausführliche Informationen zum Thema verweisen wir auf die Pressemitteilung, die AFP nach der Sendung des ZAPP-Beitrags veröffentlicht hat: http://www.afp.com/afpcom/de/afp/?pid=news&release=dpaundafp

    Zum selben Thema hat der Mediendienst turi2 in der vergangenen Woche ein Interview mit Clemens Wortmann, Geschäftsführer der deutschen AFP GmbH veröffentlicht: http://turi-2.blog.de/2009/01/22/interview2-clemens-wortmann-afp-5423787/

    AFP Agence France-Presse GmbH Berlin

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  67. @85 AFP-Sprecher Timo Peters vergaß die Summe zu nennen, die der französische Staat zur Subventionierung von AFP aufbringt: 108 Mio. Euro (Stand 2008). Und in diesem Jahr sollen es noch ein wenig mehr sein.

    Wenn dpa 108 Millionen Euro im Jahr vom Staat bekäme (was hoffentlich nie der Fall sein wird), könnten die dpa-Dienste an die Medien verschenkt werden.

  68. Die WAZ ist auch mit dpa schon eine der schlechteren Heimatzeitungen in Deutschland, einer großstädtischen Region mit vielen Universitäten, DAX-Unternehmen und Kultureinrichtungen absolut unwürdig.
    Wer über Politik, Wirtschaft und Kultur ein bißchen besser informiert werden will, der kommt um eine weitere Zeitung nicht herum.
    Die WAZ kann eigentlich nur in den Bereichen Sport, Boulevard und Regionales punkten. Vielleicht kann man ein so dünnes Süppchen mit etwas Chupze (gelegentliches abschreiben bei anderen) tatsächlich ohne dpa-Würze auf den Tisch bringen, ohne sie noch weiter zu verdünnen.

  69. Das ist ja alles richtig, von wegen Allmende und Trittbrettfahrer usw.
    Aber ich denke, das sich die WAZ da durch wursteln kann und im Großen und Ganzen tatsächlich Nutzen durch ihre Entscheidung hat. Vielleicht weil sie so früh damit antritt.
    Das eigentliche Problem sehe ich bei der dpa. Es könnte nämlich auch zu einem Schneeballeffekt kommen.
    [btw: Sind eigentlich schon PR-Leute der dpa in den Foren und Talkshows unterwegs? ;-)]
    Das Abschreiben ist im Übrigen nur EINE neue Realität im Gefolge der modernen vernetzten Welt. Eine andere ist das „Gemeinsame Schreiben an Texten“ im übertragenen Sinne. Texte verlieren ihre eindeutige Urheberschaft, weil sie durch viele Schichten gefiltert (gereinigt? verunreinigt?) werden.
    Zwei Wahrheiten werden aber denke weiterhin ihre Gültigkeit behalten:
    1. Der Markt hat Recht,
    2. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

  70. @ 89 „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

    Kleine Anmerkung oder auch „Verunreinigung“ ;-)

    Diese verschärfte Form des Zitats hilft sicherlich allen eher wackeligen Entscheidungsbefugten, unklare Dinge denn doch ad hoc zu entscheiden und evtl. andere mit zu ziehen – nur:

    Wer zu spät kommt, der verpasst den Flieger und wenn er Glück hat dessen Absturz,
    oder vielleicht den ICE und die Zwangshalte Eschede,
    oder den Massenauffahrunfall und den kilometerlangen Stau …
    aber nicht unbedingt das Leben.

    („Trudnosti podsteregajut tech, kto ne reagirujet na shisn“)
    „Schwierigkeiten lauern auf den, der nicht auf das Leben reagiert“ soll M.S. Gorbatschow ursprünglich gesagt haben.

    Mir jedenfalls gefällt das Original besser.

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