Autor: Stefan Niggemeier

Katias Knete

Es muss Felix‘ Geburtstag vor zwei Jahren gewesen sein, als ich Katia kennen lernte. Und wenn sie mir nicht schon durch ihre laute, offene Art aufgefallen wäre, dann spätestens, als Felix ihr Geburtstagsgeschenk auspackte: ein Knet-ix, der ihn realistischer zeigte, als es ein Foto je könnte.

Nacktblogger heißt die kleine Skulptur, und Katia schreibt dazu:

portraits zu kneten ist nichts für perfektionistinnen wie mich und schon garnichts für gesichter, die man gleich wieder vergisst. dieser freund dagegen braucht garnicht zum modell sitzen zu kommen. den knete ich blind.

zudem muss man sagen: blogger zum modellsitzen zu kriegen ist eine äusserst dankbare aufgabe. man gibt ihnen ein laptop und schon sitzen sie 4 stunden lang still.

Katia hat jetzt endlich eine Homepage, auf der sie ihre Kunstwerke ausstellt (und wohl nach und nach weitere Stücke hinzufügen wird). Ich bin kein Kenner, von bildender Kunst schon gar nicht, aber Katias Werke berühren mich, nicht nur, weil ich die Künstlerin ein bisschen kennenlernen durfte. Es ist dieser wunderbar alberne Humor, der in ihnen steckt, die Abgründe im Banalen, die Lust, das Hässliche im Schönen zu zeigen und das Schöne im Hässlichen. Die Dinge, die sie macht, sind für mich, ähnlich wie der Knet-ix, auf eine schwer zu beschreibende Weise wahr.

Katia schreibt:

fritz kramer, mein alter prof, fragte mich mal, worüber ich mit dem humor in meinen arbeiten eigentlich hinwegtäuschen wolle. und er hatte ja recht.

ich benutze den humor als gleitmittel. das beängstigende, meine trauer und wut bekommen darin eine schöne verpackung, die den eintritt erleichtert. humor ist zudem ein universalmittel. mit dem man wie mit einem quirl, emulsionen herstellen kann zwischen dingen die nicht zusammen wollen.

Ihre Texte sind auch so wie ihre Kunststücke: roh, unverkopft und scheinbar schlicht, aber unmittelbar, aufrichtig, lakonisch und klug. Zu jedem Werk erzählt sie eine kleine Geschichte, wie zu diesem namens „Wiederbelebungsversuch“:

zu zweit ist alles einfacher

kneten ist wie der Wiederbelebungsversuch: man knetet und knetet, in der hoffung das was sinnvolles dabei raus kommt, meistens aber bleibt es bloss knete. das weisse meerschweichen räuspert sich beharrlich in das megaphon und das andere bleibt trotzdem liegen. enttäuschungen mit denen man leben muss.

Nun sind sie endlich online, die Meerschweinchen und Tauben, die Hühner und Exhibitionisten und Gummihandschuhe von Katia Kelm.

[Disclosure: ix hat mir versprochen, mein „Kommentare ausschalten“-Dings zu reparieren, wenn ich über Katias Seite schreibe. Ich hätt’s aber auch sonst getan.]

Apropos Korrekturen

Die hier aus dem britischen „Guardian“ ist besonders schön:

We said that, in the American TV drama 24, Jack Bauer, the counter-terrorism agent, resorted to electrocution to extract information. You cannot extract information from someone who has been electrocuted because they are dead (Questioning, the Jack Bauer way, page 1, April 19).

(Und der Guardian hat sie sowohl in der Zeitung und online veröffentlicht, als auch vor den ursprünglichen Online-Artikel gestellt. Einfach so.)

[via Regret The Error natürlich]

Programmhinweis

Bevor am übernächsten Freitag die zweite Staffel der rasanten, radikalen, soapigen, preisgekrönten und völlig unZDFigen Krimiserie „Kriminaldauerdienst“ beginnt, zeigt das ZDF noch einmal die ersten zwölf Folgen den Pilotfilm und die ersten zehn Folgen: immer um 21.15 Uhr im ZDF.dokukanal. Und für 14 Tage ist war die erste Staffel auch vollständig in der Mediathek zu sehen.

Angucken!


Foto: ZDF

Fehler im System (3)

sueddeutsche.de hat dem fehlerhaften Artikel, um den es hier und hier, aber auch hier und hier ging, nun folgende Erklärung hinzugefügt:

21.04.2008
Liebe Leser! Da im Netz offenbar Verwirrung entstanden ist darüber, ob eine vom Autor vorgenommene Korrektur als Berichtigung unmittelbar am Text selber vorgenommen werden soll, ob sie als berichtigende Klarstellung unter dem Ursprungstext ergänzt werden soll oder ob sie als Kommentar unter den fehlerhaften Original-Text gestellt werden soll, schlagen wir jetzt folgende redundante Lösung vor, um keinerlei Irrtum mehr aufkommen zu lassen: Wir möchten einen fehlerhaften Text immer noch nicht spurlos nachträglich korrigieren, da man damit alle Kommentare, die auf den Fehler hinweisen, denunziert. Denn die würden ja dann auf einen Fehler hinweisen, der im Text nicht mehr vorkommt. Wir haben bislang die Lösung eines Autor-Kommentars unter dem fehlerhaften Text favorisiert, müssen aber feststellen, dass diese Lösung offenbar nicht von allen Lesern erkannt und anerkannt wird. Darum hängen wir dieselbe Korrektur des Autors, die er am 26.03. 2008 als Kommentar unter seinen eigenen Text verfasst hat, jetzt zusätzlich unter den fehlerhaften Originaltext. Dass er er so fehlerhaft in der Print-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung erschienen ist, können wir auf diese Weise natürlich immer noch nicht ändern. (Die Red.)

26.03.2008 12:13:51

Niklas Hofmann: Korrektur

Liebe Leser,

in meinem Artikel steht ein Satz, der in dieser Form leider sachlich nicht richtig ist. Über Fabian Mohrs Blog müsste es im vorletzten Absatz korrekt heißen: „Der Blogger Fabian Mohr erinnerte seine Leser Ende vergangenen Monats ausdrücklich daran, dass er nur Kommentatoren zulässt, die ihren vollen Namen angeben oder zumindest auf eine persönliche Website verlinken.“

Ich bitte den Fehler zu entschuldigen.

Niklas Hofmann

Fehler im System — Korrektur

Ich muss mich korrigieren:

Am vergangenen Samstag habe ich hier darüber geschrieben, wie sich sueddeutsche.de nachhaltig und bis heute weigert, einen sachlichen Fehler in einem Artikel richtig zu stellen. Stattdessen wies der Autor des Artikels nur in den Leserkommentaren auf seinen Fehler hin. Ich hatte den Eindruck erweckt, dass er dies als Notlösung tat, weil er von sueddeutsche.de keine Rückmeldung bekam. Tatsächlich geschah dies aber offenbar nach Absprache mit und auf Wunsch von Bernd Graff, dem stellvertretenden Redaktionsleiter und Feuilletonchef von sueddeutsche.de. Ich bitte, diesen Fehler zu entschuldigen.

· · ·

Bleibt natürlich die Frage: Macht das die Sache besser? Fabian Mohr, den der konkrete Fehler betrifft, meint Nein — im Gegenteil:

Das, was ich erst für eine liebenswert-laienhafte Notlösung hielt, ist also die von sueddeutsche.de autorisierte Form der Qualitätssicherung.

Und unbestritten ist: Alle Versuche von Fabian Mohr und dem „Süddeutsche“-Autor, eine Korrektur im Artikel selbst zu erreichen, waren erfolglos — eine entsprechende Mail von Fabian Mohr an Hans-Jürgen Jakobs, den Chefredakteur von sueddeutsche.de, blieb nach Mohrs Angaben bis heute unbeantwortet.

Man könnte die Sache hiermit zu den Akten legen. Journalisten passieren schlimmere Fehler als der, um den es hier geht.

Aber die Frage, wie wir mit unseren Fehlern umgehen, ist eine grundsätzliche — und eine entscheidende. Und das Vorgehen von sueddeutsche.de erschüttert mich nach wie vor. Es läuft darauf hinaus, dass ein Leser von sueddeutsche.de im Zweifelsfall sämtliche Nutzerkommentare unter einem Artikel lesen muss, um zu wissen, ob die Redaktion Teile dessen womöglich längst als fehlerhaft erkannt hat.

Bernd Graff mag in dieser Praxis auf Anfrage von mir kein Problem sehen. Er hält das Abgeben eines entsprechenden Leserkommentars durch den Autor schon für eine Korrektur und nennt sie eine „unmittelbar diskursive Version“ — im Gegensatz zur „autoritären“, wenn der Artikel selbst verändert wird. Dass sueddeutsche.de den Artikel selbst nicht berichtigt, sei keine Weigerung, Fehler zu korrigieren und einzugestehen, sondern zeige, wie ernst man das „Institut der Nutzerkommentare“ nehme.

Graff ist über meinen Text vom vergangenen Samstag einigermaßen empört. Er hält meine Vorwürfe für infam und wirft mir vor, fahrlässig, fast rufschädigend berichtet zu haben. Vor allem sei es unprofessionell von mir, ihn nicht als Gegenseite vor dem Verfassen angehört zu haben. In diesem Punkt hat er Recht: Das hätte ich tun sollen.

Vor dem Verfassen dieses Blogeintrags nun habe ich versucht, Hans-Jürgen Jakobs anzuhören. Ich habe ihm am Mittwochabend eine Mail mit folgenden Fragen geschrieben:

  • Haben Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter Fabian Mohr, der Sie in einer Mail bereits am 15. März um eine Korrektur bat, je geantwortet?
  • Haben Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter seiner Bitte um eine Korrektur im Artikel je entsprochen?
  • Halten Sie diese Bitte für unangemessen?
  • Warum weigert sich sueddeutsche.de so hartnäckig, diesen klaren sachlichen Fehler im Artikel zu korrigieren?

Und allgemein:

  • Ist es gängige Praxis bei sueddeutsche.de, Fehler nicht im Artikel selbst zu korrigieren, sondern vom jeweiligen Autor in den Nutzerkommentaren berichtigen zu lassen?
  • Muss ein Leser von sueddeutsche.de im Zweifelsfall sämtliche Nutzerkommentare unter einem Artikel lesen, um korrekt informiert zu sein?
  • Kann sich ein Leser nicht darauf verlassen, dass von sueddeutsche.de erkannte Fehler im Artikel selbst korrigiert werden?
  • Halten Sie das für ein geeignetes Verfahren, mit Fehlern umzugehen, die — da sind wir uns sicher einig — sich nie ganz vermeiden lassen?

Heute hat mir Jakobs mitgeteilt, dass er darauf nicht antworten möchte.

Sandra Ahrabian und das falsche Zebra (2)

Das Landgericht München I hat Sandra Ahrabian Recht gegeben. Es erließ bereits am Mittwoch eine einstweilige Verfügung gegen Marc Doehler.

Frau Ahrabian verdient Geld damit, Menschen in der Sendung „Money Express“ mit falschen Versprechungen zu teuren Anrufen zu animieren. Als in der Sendung vom 1. April 2008 die Buchstaben „BRAZE“ neben ihr eingeblendet waren (gesucht war das Wort „ZEBRA“), scherzte sie noch on air mit dem für Zuschauer nicht zu hörenden Redakteur darüber und sagte: „Da hast Du an mich gedacht dabei? Ach, Du bist heute aber wieder charming.“ Marc Doehler, der in seinem Forum zusammen mit anderen die vielen Unregelmäßigkeiten dieser und anderer Anrufsendungen protokolliert, veröffentlichte daraufhin einen Screenshot und schrieb darunter scherzhaft: „Da fehlt das ‚HOHL-‚“ (mehr zur Vorgeschichte hier und hier).

Doehler wird nicht gegen die einstweilige Verfügung vorgehen. Es fehlt ihm sowohl der Glaube an die Justiz, als auch das Geld. Allein diese Entscheidung dürfte ihn über 1500 Euro kosten.

[Disclosure: Die Firma Callactive geht in mehreren Fällen juristisch gegen mich vor.]

Auf dem Schlauch mit Sandra Ahrabian

Meine Fähigkeit, juristische Auseinandersetzungen unter dem Gesichtspunkt ihres Unterhaltungswertes zu betrachten, ist in den vergangenen Monaten dank des vielfachen Vorgehens der Firma Callactive gegen mich ein bisschen eingeschränkt worden. Aber manchmal klappt’s noch.

Da ist ja dieser Fall, dass in der Sendung „Money Express“ auf den MTV-Sendern Viva, Comedy Central und Nick eines Nachts neben der Moderatorin Sandra Ahrabian das Wort „BRAZE“ stand, und Marc Doehler in seinem Forum unter einen Screenshot von der Situation schrieb: „Da fehlt das ‚HOHL-„. Die Moderatorin hat nun beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung gegen Doehler beantragt, denn, so erklärt ihr Anwalt:

Das Wort „Hohlbraze“ ist ein Schimpfwort und eine Beleidigung. Es bezeichnet einen Menschen, meist eine Frau, der äußerst unattraktiv und von großer Dummheit ist.

Doehlers Anwalt weist in seiner Erwiderung u.a. darauf hin, dass „Hohlbraze“ schon deshalb kein Schimpfwort sein könne, weil es kein Wort sei. Aber selbst wenn es eines wäre und wenn es die gleiche Bedeutung hätte wie „Hohlbratze“ und wenn es von Doehler in dieser Form benutzt worden wäre… selbst dann müsse das Gericht zwischen dem Ehrenschutz der Moderatorin und dem Schutz von Werturteilen und Meinungsäußerungen abwägen — und dabei berücksichtigen, dass Frau Ahrabian zwar intelligent sei, sich aber in den Sendungen „durchgehend als dumm präsentiere“.

Es folgen nicht weniger als acht Beispiele:

a) In der Sendung „Money Express“ am 15. Oktober 2007, „Bremen“ sollte gelöst werden, „BENREM“ wurde als Anagramm angezeigt:
Die Antragsgegnerin (Sandra Ahrabian) […] führt unter anderem aus: „Was ist denn Benrem für ne Stadt? […] Ich steh heute auf dem Schlauch. […] [auf eine Mitteilung der Regie via Ohrknopf] Wieso: ‚Geht’s noch?‘ […] Ich komm nicht darauf.“

b) Ebenfalls in der Sendung vom 15. Oktober 2007, „Wuppertal“ sollte gelöst werden, „PAULPETRW“ wird angezeigt:
„Ich hab keine Ahnung, was das ist hier. […] Das sind ja neun Buchstaben. Sind das neun Buchstaben?“

c) In der Sendung vom 7. Januar 2008, „Bielefeld“ wird gesucht, „EDELFIBEL“ angezeigt.
Die Antragstellerin: „Ist das ne deutsche Stadt? Frage ich lieber nochmal nach. Liebster Redakteur [unverständlich], kann es sein, dass Ihr da nen Buchstaben vergessen habt? […] Ich hab manchmal wirklich ein Gehirn wie ein Sieb.“

d) Am 6. Marz 2008, „Landwirt“ sollte gelöst werden, „LIRTWAND“ wird angezeigt.
Die Antragstellerin: „Ich muß jetzt ganz ehrlich eins gestehen: Ich war gerade heute noch in der Sonne, da hat’s mir, glaub ich, die letzte Gehirnzelle weggebrannt.“

e) Am 18. März 2008, „Augsburg“ sollte gelöst werden, „ARGUSBUG“ wird angezeigt:
Die Antragstellerin: „Häh? Hab ich ja noch nie gesehen. […] [nach sehr langer Zeit] Gibt es irgendeine Person in Deutschland oder vielleicht auch in Österreich, die mir bitte sagen kann, welche deutsche Stadt wird hier gesucht? Ist nicht ganz einfach, ich hab’s noch nicht. Jetzt muß ich mal eine Frage … Ich hab die Lösung noch nicht, ich mach diesen Job heute nicht zum ersten Mal, nein, ich habe ihn bisher schon zwei-, dreimal gemacht. [später, nach der Auflösung durch einen Zuschauer] Das ist eigentlich total leicht. Aber ich dachte mir, [unverständlich] Augsburg? Ich hab an Augsburg noch gedacht, aber ich dachte mir, das sind viel zu viele Buchstaben, das ist bestimmt nicht Augsburg.“

f) Am 18. März 2008, „Wiesbaden“ wird gesucht, „BESENDIWA“ angezeigt.
Die Antragstellerin: „Tja, das bin ich manchmal auch, ne Besendiva. Ich ziehe zum Putzen gern mal mein Abendkleid an. Kehr ich schön durch die Wohnung, so’n kleines Diadem, ne, dann die Kronjuwelen, und dann kehr ich schön meine Küche… Und dann bin ich so was wie ne Besendiva […] [später] Ich muss auch mal sagen, ich bin in Geographie wahnsinnig schlecht, denn ich hatte da immer ’nen Fensterplatz, ja. Wenn die anderen dem Lehrer zugehört haben, habe ich den Vögeln beim Zwitschern zugehört.“

g) Am 1. April 2008, in der streitbefangenen Sendung, „BRAZE“ wird angezeigt, „Zebra“ gesucht.
Die Antragstellerin: „[nachdem die Regie ihr über den Ohrknopf etwas mitgeteilt hat] Da hast Du an mich gedacht dabei? Ach, Du bist heute aber wieder charming. Was, wie? Was ist denn das bitte? Braze? Soll ich Ihnen mal eins überbrazen? […] Vor allem, wisst Ihr, was so angenehm ist, wenn man sein Auto geputzt hat? Ja? Wenn man nicht bei jeder roten Ampel immer die ganzen Flaschen hört, ja. Die dann im Auto immer so „klirr“, wenn man bremst, ja, kennt ihr das? Oder auch die ganzen Dosen, was da immer so alles drin liegt, die sind immer so laut. […] [im Dialog mit der Regie über den Ohrknopf] Ja, stimmt, Du hast recht, ich sollte einfach mal beim Autofahren mal weniger Wodka trinken, weil die Wodka-Flaschen, die klirren immer so laut, die ganzen leeren Wodka-Flaschen.“

h) In der Sendung am 2. April 2008, das Wort „Schicksal“ wird gesucht:
Die Antragstellerin: „Ich weiß definitiv nicht, welches Wort wir suchen, denn ich sage ihnen eines, wenn Sie mich kennen, dann wüßten Sie, die Ahrabian, wenn die das Wort weiß, die verplappert sich. Ist so. Stimmt’s? Ja. […] Ich hab jetzt drei Falschantworten gehört, ich hab gehört, „Schicksal“ — nee, das hab ich nicht gehört, oh! Das hab ich nicht gehört.“

Wenn Ihnen angesichts dieser Beispiele ein Wort einfällt, das Ihnen irgendwie treffend erscheint, Frau Ahrabian zu beschreiben, tun Sie sich einen Gefallen: Schreiben Sie es nicht auf.

[Disclosure: Die Firma Callactive geht in mehreren Fällen juristisch gegen mich vor.]

Die lustige Welt der Mediennichtkontrolle

Vor drei Jahren habe ich zusammen mit Peer Schader für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ einen Artikel geschrieben: „Schafft die Landesmedienanstalten ab!“ Die Überschrift war nicht nur eine rhetorische Zuspitzung. Ich bin überzeugt, dass das besser wäre, denn dann käme niemand auf den falschen Gedanken, es gebe in diesen Land so etwas wie eine funktionierende Medienaufsicht.

Peer hat für die FAS jetzt eine Art Update geschrieben, das sich mit dem Satz zusammenfassen lässt: Es ist alles noch schlimmer.

Wussten Sie zum Beispiel, dass ProSieben und Sat.1 sich an die „Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring im Fernsehen“ (pdf) nicht nur nicht halten (was offenkundig ist), sondern überzeugt sind, sich auch nicht daran halten zu müssen, weil diese Richtlinien nicht verbindlich seien?

Oder können Sie erraten, was ProSieben gemacht hat, nachdem der Sender dazu gezwungen wurde, seine Dauerwerbesendung „Mein Styling, meine Quelle“ bis zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr auszustrahlen? Der Sender reichte die Show einfach an Schwestersender Sat.1 weiter.

Weitere Beispiele aus der lustigen Welt der Mediennichtkontrolle direkt beim Peer.

Bowling for „Tagesschau“

Das Video kommt daher mit dramatischer Musik und in einem Tonfall, als würde es beweisen, dass die ARD Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen im „Tagesschau“-Studio versteckt hatte. Gedehnt auf zwölf lange Minuten und mit dem Impetus einer Michael-Moore-Dokumentation prangert Robin Meyer-Lucht einen Beitrag der „Tagesschau“ vom 24. April 2007 an. (Video und weitere Dokumente hier.)

An diesem Tag hatte die EU-Kommission bekannt gegeben, dass sie das Verfahren gegen die Bundesrepublik wegen der Rundfunkgebühren eingestellt habe. In der jetzigen Form sei die Finanzierung von ARD und ZDF zwar nicht mit EU-Recht vereinbar, die Bundesregierung habe sich aber verbindlich zu den nötigen Korrekturen bereit erklärt. Angestrengt hatte das Verfahren der Lobbyverband der Privatsender (VPRT).

Die „Tagesschau“ hatte ihren Beitrag zu dem Thema mit folgenden Worten anmoderiert:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist mit europäischem Recht vereinbar. Die EU-Kommission stellte eine vor Jahren angestrengte Beihilfe-Untersuchung jetzt ein. Zugleich machte Brüssel aber Auflagen. So müssen die Bundesländer unter anderem den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konkretisieren. Mit der Entscheidung ist der Streit zwischen der EU und Deutschland über die Rundfunkgebühren für ARD und ZDF beigelegt.

Ungefähr an jeder einzelnen Formulierung nimmt Robin Meyer-Lucht Anstoß. Er sieht in ihnen einen Beweis dafür, dass die „Tagesschau“ nicht unabhängig berichtet, sondern ihre eigene Interpretation als objektive Nachricht ausgibt. Der erste Satz erinnert ihn sogar an Propaganda im Stil der „Aktuellen Kamera“.

Interessant nur, dass dieser erste Satz, der angeblich reine ARD-Propaganda ist, fast wörtlich aus einer dpa-Meldung vom selben Tag stammt. Sie beginnt so:

Jetzt haben es ARD und ZDF Schwarz auf Weiß: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist mit europäischem Recht vereinbar.

Auch hätte die „Tagesschau“ nach Meyer-Luchts Ansicht nicht formulieren dürfen, dass die Auflagen „zugleich“ erfolgten — die Auflagen selbst stellten ja den erzielten Kompromiss dar. Aber auch diese Formulierung findet sich in den Agenturmeldungen vom selben Tag — konkret bei AP:

Die Kommission stellte zwar ihre Untersuchung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein, forderte zugleich aber die Bundesländer auf, die Verwendung der Gebühren schärfer zu kontrollieren.

Sogar dass die „Tagesschau“ formuliert, der Streit sei damit „beigelegt“, findet Meyer-Lucht irreführend und propagandistisch. So sah es allerdings zum Beispiel auch AFP:

Streit um Gebühren für ARD und ZDF beigelegt.

Meyer-Lucht erweckt den Eindruck, die „Tagesschau“ habe eine Niederlage der ARD in einen Sieg uminterpretiert. Aber auch das der besonderen Sympathie für öffentlich-rechtliche Sender unverdächtige „Handelsblatt“ wählte am nächsten Tag die Überschrift:

ARD gewinnt in Brüssel.
EU-Kommission lässt Investition der öffentlich-rechtlichen Sender in neue Geschäftsfelder zu.

Selbst der VPRT sah das offenbar so. Das „Handelsblatt“ zitierte dessen Präsidenten Jürgen Doetz mit den Worten:

„ARD und ZDF kommen mit einem blauen Auge davon. Sie können nun einen Sieg feiern.“

Meyer-Lucht kritisiert weiter, dass die Gegenseite in dem „Tagesschau“-Beitrag nicht zu Wort kam. Sicher wäre es besser gewesen, wenn sich die ARD diese Blöße nicht gegeben und einen VPRT-Vertreter zitiert hätte. Aber aus ARD-Sicht ist auch die EU-Kommission die Gegenseite — und die kam durchaus zu Wort.

Dass die Berichterstattung der ARD in eigener Sache häufig zu wünschen übrig lässt und der Beitrag auch in diesem Fall weniger angreifbar hätte formuliert sein können, ist keine Frage. Aber das Video von Robin Meyer-Lucht baut einen Popanz auf und verzerrt den Fall bis ins Lächerliche. Vor allem dient es wohl, massenhaft an Blogger verschickt, der Eigen-PR für Meyer-Luchts Firma „Berlin Institute“.

Und das funktioniert: Von erklärten Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie dem „Handelsblatt“-Blogger Thomas Knüwer, der seine Ahnungslosigkeit bei diesem Thema durch Zorn zu kompensieren versucht, wird das Video bereits ungeprüft für wahr erklärt.

Muss ja stimmen. Weiß man doch, wie die sind bei ARD und ZDF.

Heuchler

Manchmal ist es schwer, im BILDblog eine angemessene Form zu finden, die der moralischen und menschlichen Verkommenheit der „Bild“-Zeitung und ihrer Mitarbeiter gerecht wird. Ich weiß gar nicht, was ich an dieser Geschichte abstoßender finde: Die „Bild“-Zeitung, die es sich nicht nehmen lässt, die Homosexualität eines aus dem Libanon stammenden jungen Mannes öffentlich zu machen, und dabei (wissentlich oder fahrlässig) in Kauf nimmt, dass er oder seine Familie dort in Gefahr geraten könnten. Oder die „Bild am Sonntag“, die sich am nächsten Tag an dieser Gefahr berauscht, scheinbar besorgt die Konsequenzen des Outings ihrer Schwesterzeitung beschreibt und nicht einmal den Anstand hat, das hinzuschreiben: dass es die „Bild“-Zeitung war, die ihn in diese von „Bild am Sonntag“ detailliert beschriebene Gefahr gebracht hat. Und weil Herausgeber beider Zeitung Kai Diekmann ist, kann er mit sich selbst Good-Cop-Bad-Cop spielen, darf gleichzeitig unbeschwert vor sich hin zündeln und vor den Risiken des Zündelns warnen.

Man darf auch „Bild“-Mitarbeiter nicht beleidigen, anspucken oder schubsen (und ich meine das nicht als rhetorische Floskel). Aber ich würde mir wünschen, dass alle, die für dieses Blatt arbeiten, wenigstens in den nächsten paar Tagen ununterbrochen gefragt werden, wie sich das anfühlt. Ob man sich häufiger duschen muss als andere Leute. Wie man schafft, in den Spiegel zu sehen, ohne sich in die Augen zu blicken. Und ob da nichts mehr ist: kein Gefühl, keine Zweifel, keine Angst, keine Erinnerung an Raimund Harmstorf, um nur einen zu nennen.

Sie bilden ein perfektes Team, die „Bild“-Zeitung und die „Bild am Sonntag“. Und Bild.de ergänzt die Verantwortungslosigkeit der einen und die Scheinheiligkeit der anderen noch um Unfähigkeit. Das hier war der Bild.de-Aufmacher in der vergangenen Nacht (Unkenntlichmachung von mir):

Nachtrag, 14. April, 14:30 Uhr. Ich habe mich entschieden, den Namen des Betroffenen auf dem Screenshot nachträglich unkenntlich zu machen. Das mag merkwürdig wirken, weil sich sein Name leicht herausfinden lässt und die Geschichte auf ungezählten Seiten nachzulesen ist. Andererseits: Die „Bild“-Zeitung hat kein Recht, das Privatleben des Sängers öffentlich zu machen — insbesondere, wenn er es geheim gehalten hat und offenbar gute Gründe dafür hatte. Und wenn die „Bild“-Zeitung kein Recht dazu hat, darüber zu berichten, habe ich kein Recht dazu, für eine weitere Verbreitung zu sorgen — egal wie klein mein Anteil daran auch sein mag.