Autor: Stefan Niggemeier

Uschi Glas

Sie hat Arschloch gesagt. Uschi Glas hat Arschloch gesagt. Ganz oft. Gut, das stimmt nicht, sie hat es nur einmal gesagt, aber das ZDF hat es immer wieder gezeigt. Und ein Sprecher erklärte aus dem Off: „Uschi Glas – charmant wie immer, überraschend wie nie.“ Fast wirkte es, als wolle das ZDF seine neue Serie „Zur Sache, Lena“ verkaufen als „Die Serie, in der Uschi Glas Arschloch sagt“.

Hat sie dann ja auch. War aber ein bisschen enttäuschend.

Es war kein Wutausbruch, kein plötzliches Aufbrechen der Emotionen, bei dem man vor dem Fernseher sitzt und mitgeht und innerlich „Yessss!“ sagt oder etwas Ähnliches. Sie ist nicht einmal aus ihrer Rolle gefallen. Im Gegenteil: Sie ist Uschi Glas geblieben. Die Lena sah aus wie Uschi Glas, die etwas sagt, von dem sie weiß, dass die Leute es nicht von ihr erwarten: ein bisschen angestrengt, konzentriert und sehr geplant.

Und so sind die Zeiten dann auch nicht mehr und das Verhältnis der Nation zu Uschi Glas, dass das schon reichen würde, uns zu schocken. (Nur die „Bild“ konnte es nicht fassen, dass die Lena sich in einer Szene übergibt, und schrieb darüber mit unfreiwilliger Komik: „Uschi Glas bricht mit ihrer Vergangenheit.“) Aber wie schön wäre das wirklich gewesen: Eine Serie mit einer unbekannten, ganz anderen Uschi Glas. Die Chance wäre da – gerade (so uncharmant das klingen mag) in ihrem Alter jetzt. Eine fiese ältere Frau könnte sie spielen, die ihren Charme skrupellos einsetzt. Sie könnte gerissen sein statt patent, böse statt gutherzig, verrückt statt vernünftig. Aber richtig verrückt, nicht so Heute-nehm-ich-mir-den-Vormittag-mal-frei-verrückt.

Das wäre auch deshalb wichtig, weil es inzwischen eines ziemlichen Kraftaktes bedarf, in das Gesicht von Uschi Glas zu schauen und dort die Rolle zu sehen und nicht die Frau, die von ihrem Mann auf besonders demütigende und öffentliche Weise verlassen wurde, oder die Frau, die im Home-Shopping-Sender steht und vor Gericht für den guten Ruf ihrer Faltencreme kämpft.

Aber das war wohl nicht gewollt. Es sollte alles sein wie immer. Nur schlechter. Beeindruckend ungelenk wird die Geschichte etabliert. Obwohl ohnehin jeder weiß, was als Nächstes passiert, und die Figuren aufs Karikaturenhafteste gezeichnet sind, wurden sicherheitshalber überall große virtuelle Hinweisschilder in die Gegend gestellt. Und die Schauspieler scheinen sich dem Holzschnittcharakter des Ganzen aufopferungsvoll unterworfen zu haben. Irgendwann fiel mir nämlich ein, woran mich ihre Gestik und Mimik erinnerte: die Augsburger Puppenkiste.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Die erste Folge von „Zur Sache, Lena“ in der ZDF-Mediathek

Fehler im System

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat einen Fehler gemacht. Sie schrieb am 15. März:

Der Blogger Fabian Mohr lässt seit Anfang des Monats nur noch Kommentatoren zu, die ihren vollen Namen angeben.

Fabian Mohr erklärte dazu:

Weder stimmt es, dass Leser bei mir nur unter ihrem vollen Namen kommentieren dürfen (es geht auch Nickname und URL, die meisten meiner Leser kommentieren so), noch ist es zutreffend, dass ich das erst seit kurzem so halte. Meine Kommentar-Policy gilt seit Mai 2005, als dieses Blog an den Start ging — und ist seit Tag 1 nachzulesen.

Kein schlimmer Fehler, könnte man sagen, aber falsch ist falsch — und für den Betroffenen ärgerlich. Jeden Tag passieren Journalisten solche und ähnliche Fehler. Sie werden sich auch bei sorgfältigster Arbeitsweise nicht ganz vermeiden lassen. Es gibt für Medien zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Sie können die Fehler korrigieren. Oder es lassen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte den Artikel auf sueddeutsche.de und jetzt.de veröffentlicht. Fabian Mohr wies in einem Kommentar auf jetzt.de auf den Fehler hin. Es passierte nichts. Er schrieb eine E-Mail. Es passierte nichts.

Es entstand ein Kontakt zu Niklas Hofmann, dem Autor des Artikels. Hofmann gab nun selbst auf jetzt.de einen Leserkommentar ab und wies auf den eigenen Fehler hin. Es passierte nichts. Hofmann gab auf sueddeutsche.de einen Leserkommentar ab und wies auf den eigenen Fehler hin. Es passierte nichts. Hofmann schrieb laut Fabian Mohr eine Mail an Bernd Graff, den stellvertretenden Chefredakteur und Feuilletonchef von sueddeutsche.de, und wies auf den Fehler hin. Es passierte nichts.

Der Artikel ist bis heute unkorrigiert. Den Online-Verantwortlichen der „Süddeutschen Zeitung“ ist es egal, ob sie ihre Leser richtig oder falsch informieren.

Korrektur, 17. April. Der oben wiedergegebene Ablauf ist an einer Stelle falsch. Niklas Hofmann hat seine Korrektur nicht eigenmächtig, quasi als Notlösung mangels einer Rückmeldung von sueddeutsche.de, in die Leserkommentare geschrieben. Stattdessen geschah dies offenbar nach Absprache mit und auf Wunsch von Herrn Graff. Weitere Versuche, eine Korrektur des Artikels selbst zu erreichen, sind aber — wie geschildert — erfolglos geblieben.

Wer hat’s erfunden? (3)

Und dann war da ja noch Roger Schawinski, der ehemalige Sat.1-Geschäftsführer, der — nachdem er drei Jahre in Berlin gelebt hat, wo es einen Sender namens Radio Eins gibt, der mit dem Slogan „Nur für Erwachsene“ für sich wirbt — in der Schweiz einen Radiosender gründete, ihn Radio 1 nannte und ihm den Slogan „Nur für Erwachsene“ gab.

Ich fand das ja ein bisschen einfallslos. Woraufhin Schawinski erklärte, er habe den Claim von Helmut Lehnert, der ihn erfunden habe, quasi geschenkt bekommen.

Nun ja. Der RBB, der in Berlin und Brandenburg das wirklich sehr schöne Programm von Radio 1 ausstrahlt, ist der Meinung, dass Lehnert da gar nichts verschenken konnte. Er habe selbst keine Rechte an dem Slogan — und war im übrigen zu dieser Zeit nicht mehr Chef von Radio 1, sondern Chef der Fernsehunterhaltung des RBB. Diese Position habe man Schawinksi in zwei Briefen im November und Dezember 2007 auch mitgeteilt.

Nun droht der RBB mit juristischen Schritten und fordert bis Ende kommender Woche eine Unterlassungserklärung: Schawinskis Sender soll weder Radio 1 heißen, noch den Slogan „Nur für Erwachsene“ benutzen, noch Sendungen etwa „Radio 1 am Nachmittag“ nennen. Es gehe um den Schutz der eigenen Marke, sagt RBB-Sprecher Ralph Kotsch: Schawinskis Radio 1 sei über das Internetstreaming auch im Sendegebiet des RBB-Radio-Eins empfangbar.

Schawinski, der sich den Namen „Radio 1“ in der Schweiz hat schützen lassen, gibt sich nun überrascht, nennt das Vorgehen des RBB „grotesk“ und sagt, die Deutschen sollten doch stolz sein, dass sie kopiert werden.

Geht sterben (2)

Um 10.25 Uhr hat gestern ein Leser die Redaktion des Online-Angebotes der „Rheinischen Post“ darauf hingewiesen, dass es sich bei ihrer von AFP übernommenen und (wie bei „RP Online“ üblich) zum Eigenbericht umdeklarierten Meldung über das geplante EU-Verbot von Synchronisationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen um eine Falschmeldung handelte:

Er fügte als Beweis einen Link zur Homepage des Europaparlamentes bei und fasste seinen Kommentar sicherheitshalber mit den Worten zusammen:

Nochmal: Niemand im EP hat vor, Synchronisierungen zu verbieten.

Vier Minuten später kommentierte ein anderer Leser an der gleichen Stelle:

Vielleicht hat die RP hier etwas missverstanden?

(…) Wer sich die Pressemitteilung des Parlaments einmal anschaut, wird schnell feststellen, um was es dabei wirklich geht: darum, TV-Informationen generell mit Untertiteln für Hörgeschädigte zu versehen. (In ARD und ZDF ist das bei vielen Sendungen auch jetzt schon üblich.) Dass man dies so interpretiert, als wolle das Europäische Parlament die Synchronisierung von Filmen verbieten, ist … tja, was? Dummheit? Böse Absicht?

Am Fuß der Presseinfo http://www.europarl.europa.eu/news/expert/… ist ein Link zum Text der Erklärung. Einfach mal nachlesen. :)

Und was machten also die Leute von „RP Online“ mit diesen sachdienlichen Hinweisen? Was sie ungefähr immer machen: Sie ignorierten sie.

Und als dann am Nachmittag um 16:40 Uhr die Agentur AFP ihre Falschmeldung endlich zurückzog, was machten die Leute von „RP Online“ dann? Was sie ungefähr immer machen: Sie löschten kommentarlos die ganze Seite, mitsamt den Hinweisen. Stattdessen steht da nur noch eine Fehlermeldung:

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Umgang mit Kritik bei den beiden hilfreichen Kommentatoren und denen, die ihre Kommentare gelesen haben, das Ansehen der „Rheinischen Post“ gemehrt hat. Aber das ist sicher ohnehin nur eine verschwindend kleine Minderheit. Sicher kann die „Rheinische Post“ auf diese paar Leute als Leser gut verzichten. Sie macht dann halt ein Medienangebot für all die Ahnungslosen, Unkritischen, Desinteressierten. (Und für diejenigen, natürlich, denen es vor allem wichtig ist, dass ein „Artikel“ über ein angebliches Sex-Video mit Shakira nicht weniger als vier Fotogalerien enthält. Ich schweife ab.)

Es sind nicht alle so. Der „Spiegel“ hat seinen Gaga-Artikel über die angeblichen EU-Pläne immerhin korrigiert und mit einem ausführlichen Hinweis auf die Korrektur versehen. Das Medienmagazin „DWDL“ hat seine Meldung (ohne Erklärung) überarbeitet und sich im Redaktionsblog entschuldigt.

Hier enden die positiven Beispiele.

Die „Bild“-Zeitung hat den Fehler, den sie gestern auf ihrer ersten Seite verbreitete, der Einfachheit halber gar nicht korrigiert.

Das erscheint mir allerdings fast weniger unanständig als das, was „WAZ“-Autor Heiko Kruska heute zu schreiben gefiel:

Die Diskussion um EU-Pläne, deutsche Synchronisation abzuschaffen, löste sich am Donnerstag in Luft auf. Eine Nachrichtenpanne in Brüssel hatte Öffentlich-Rechtlichen und der Synchronbranche die Sprache verschlagen.

Das Europaparlament will TV-Filme in öffentlich-rechtlichen Sendern nur noch als Original ohne deutsche Synchronübersetzung laufen lassen, hieß es am Mittwochnachmittag aus Brüssel. Eine glatte Fehlmeldung, wie sich gestern herausstellte. Eine Nachrichtenagentur hatte sich verzettelt – was indes einige Politiker nicht davon abhielt, ernsthaft zur fiktiven Materie Stellung zu beziehen. (…)

Die „Nachrichtenpanne“ einfach mal klar in Brüssel zu verorten, weit weg vom „WAZ“-Sitz in Essen — soviel Schönung ist vielleicht normal. Aber wie sehr muss man seinen Lesern (und sich selbst) etwas vormachen wollen, wenn man sich über „einige Politiker“ mokiert, die „ernsthaft zur fiktiven Materie Stellung“ bezogen, und nicht erwähnt, dass das Verzetteln einer Nachrichtenagentur „indes“ ihn selbst nicht davon abhielt, einen schwachsinnigen Kommentar zum Thema zu verfassen und per Pressemitteilung in die Welt zu pusten — wo er hoffentlich auf alle Zeit als Mahnmal für die Dämlichkeit und Verlogenheit von Herrn Kruska ergoogelt werden kann.

Natürlich ist der Fehler auch im sogenannten Korrekturblog des „WAZ“-Onlineportals „Der Westen“ nicht korrigiert. Um das zu wissen, hätte ich dort aber auch nicht nachgucken müssen. Nachdem dort in den letzten fünf Monaten kein einziger Fehler korrigiert wurde: Könnte man diesem Blog vielleicht endlich den Gnadenschuss verpassen?

Rührend auch die Kollegen von „Welt Online“. Die haben sogar gestern nachmittag noch einen eigenen Beitrag zur Ente veröffentlicht:

Als irgendjemandem schließlich auffiel, dass ARD und ZDF zu Recht ein Missverständnis vermuteten, wurde der Artikel einfach wieder entfernt. Ohne Kommentar, ohne Erklärung, ohne Ersatz. Mit anderen Worten: Der Journalisten von „Welt Online“ sehen sich nicht in der Lage, dieses Missverständnis aufzuklären. Sie können den Fehler nur entweder verbreiten oder ihn nicht verbreiten.

Was für eine Bankrotterklärung.

Geht sterben

Die Beklopptheit deutscher Medien ist grenzenlos.

Fast überall steht die Meldung, dass nach einem Vorstoß des EU-Parlaments die Synchronisation ausländischer Beiträge bei ARD und ZDF abgeschafft und durch Untertitel ersetzt werden soll. Das ist Humbug. Tatsächlich sollen öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme alle untertitelt werden. Mit der Synchronisation hat das sehr wenig zu tun. Genauer gesagt: nichts.

Aus diesem Grund kommt das Wort oder auch nur der Gedanke der Synchronisation fremdsprachlicher Programme zum Beispiel in der Pressemitteilung des EU-Parlaments zum Thema nicht vor. Er fehlt auch in der „schriftlichen Erklärung“, die die Mehrheit der Parlamentarier beschlossen hat [pdf]. Der entscheidende Satz dort lautet:

Das Europäische Parlament […] vertritt die Ansicht, dass die Untertitelung aller öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme in der EU unerlässlich ist, um zu gewährleisten, dass alle Zuschauer, einschließlich der Tauben und der Schwerhörigen, Zugang zum vollständigen Programmangebot haben; ist der Auffassung, dass dadurch außerdem das Erlernen von Fremdsprachen gefördert wird (…).

Vermutlich hat die Nachrichtenagentur AFP das mit dem „Erlernen von Fremdsprachen“ falsch verstanden: Die Fremdsprache, um die es geht, wäre im Fall von ARD und ZDF natürlich Deutsch.

Jedenfalls hat AFP (anders als die Agentur AP, die nüchtern und korrekt berichtet) aus dem Beschluss eine Meldung gemacht, die auf der Grundlage dieses Missverständnisses den Fehler mit freien, fantasievollen Improvisationen zum Thema Synchronisation zu schwindelerregender Größe aufpumpt:

Fernsehfilme in Englisch oder anderen Sprachen sollen nach dem Willen des Europaparlaments künftig in ARD und ZDF nur noch im Original mit Untertiteln laufen. Eine entsprechende Erklärung gegen die Synchronisierwut nahmen die Abgeordneten in Brüssel an. Das Parlament forderte die EU-Kommission auf, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, nach dem öffentlich-rechtliche Fernsehsender in der EU künftig alle Sendungen untertiteln müssten. Auch eine Rede von US-Präsident George W. Bush in der Tagesschau müsste danach im Original gezeigt werden.

Originalversionen trügen nicht nur zum Lernen von Fremdsprachen bei, sondern seien auch besser für Schwerhörige oder Taube, heißt es in dem Beschlusstext. Die Abgeordneten verwiesen auf einen Beschluss der britischen BBC, die seit Anfang des Monats alle Programme mit Untertiteln versieht. Auch in Ländern wie Belgien oder den Niederlanden sind Originalversionen im Fernsehen üblich.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das ist alles, alles Unfug. Das Wort „Originalversion“ kommt im Beschlusstext nicht einmal vor. Um die „Synchronisierwut“ (was immer damit gemeint sein mag) geht es in keinem Nebensatz. Ob George W. Bush im Original gezeigt werden müsste, steht da nicht. Und die langjährige Praxis der Niederlande und Belgiens hat nichts mit dem Thema zu tun. Nur der Verweis auf die BBC stimmt — und wäre ein Hinweis darauf gewesen, dass es überhaupt nicht um die Frage der Synchronisation geht.

Was AFP meldet, wäre, wenn es stimmt, der Hammer. Und was machen deutsche Medien mit einer Meldung, die total unwahrscheinlich ist und nach einem Aprilscherz klingt? Richtig: Man recherchiert sie erst einmal nach druckt sie sofort ungeprüft nach.

Und so zieht der Schwachsinn seine Kreise. Zunächst über die üblichen Verdächtigen wie den Online-Ableger der „Rheinischen Post“, „RP Online“, der Nachrichten von Agenturen einfach als seine eigenen Meldungen mitsamt „RPO“ als Quelle umdeklariert, aber ansonsten praktisch unbearbeitet übernimmt:

Gegen Synchronisierung
EU-Parlament: Fernsehfilme nur noch mit Untertiteln

„Spiegel Online“ berichtet:

ABSCHAFFUNG DER SYNCHRONISIERUNG: Bush bald nur noch mit Untertiteln? Anhänger fremdsprachiger Originalversionen dürfen sich freuen: Wenn es nach dem Willen des Europaparlaments geht, sollen Fernsehfilme in Deutschland bald im Original und mit Untertiteln gezeigt werden. Selbst die "Tagesschau" wäre betroffen.

Die „Bild“-Zeitung meldet heute auf ihrer Titelseite:

Ausländische TV-Filme nur mit Untertiteln? Brüssel - Fernsehfilme in Englisch oder anderen Sprachen sollen nach dem Willen des Europa-Parlaments künftig in ARD und ZDF nur noch im Original mit Untertiteln laufen. Das Parlament forderte die EU-Kommission auf, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, nach dem öffentlich-rechtliche Fernsehsender in der EU künftig Sendungen untertiteln müssten.

Die „Westfälische Rundschau“ fantasiert:

Würde der Plan in die Tat umgesetzt, hieße das für deutsche Zuschauer: "Inspector Barnaby" spricht Englisch - und "Dr. House" Deutsch. Unterschied: Barnaby fahndet im ZDF, Dr. House praktiziert bei RTL.

Selbst der Medienredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Disclosure: für deren Sonntagsausgabe ich regelmäßig schreibe] hat den Schmarrn unbesehen geglaubt und empört sich:

Alles auf Englisch?
EU soll Synchronisation verbieten

Das Europaparlament hat ein seltsames Verständnis von Pressefreiheit. Die Abgeordneten haben nämlich, wie die Agentur AFP meldet, die EU-Kommission aufgefordert, die Synchronisation fremdsprachiger Programme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu untersagen. So dürften Fernsehfilme bei ARD und ZDF nur noch im Original mit Untertiteln laufen, betreffen würde dies sogar die Nachrichten. Originalversionen trügen zum Lernen von Fremdsprachen bei und seien besser für Schwerhörige oder Taube geeignet, heißt es in dem Beschluss.

Der Kölner „Express“ sieht alle seine Vorurteile bestätigt:

Neuer EU-Wahnsinn
Ausländische Filme nur noch mit Untertiteln

Brüssel — Die Spannung steigt, Schüsse fallen. Aber leider hat keiner gesehen, wer im Krimi geschossen hat … So könnte es in Zukunft TV-Zuschauern ergehen. Denn statt gebannt die Handlung zu verfolgen, müssen sie künftig Untertitel lesen…

Das EU-Parlament fordert jetzt nämlich, dass ausländische Filme nur noch in Originalsprache mit Untertiteln laufen dürfen!

Schon wieder so eine irre Forderung der EU-Politiker. Sophie Marceau spricht im Film französisch und Keira Kneightley englisch. Synchronsprecher haben ausgedient. Statt dessen läuft ein Untertitel mit: So stellen sich die EU-Parlamentarier die schöne neue Fernsehwelt vor. (…)

In der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ kommentiert Heiko Kruska:

Thank you, EU!

(…) Dem Europaparlament ist also zu gratulieren für seinen Vorstoß. Bleibt zu hoffen, dass niemanden Skrupel beschleichen ob der unzähligen Arbeitslosen in der Synchronbranche oder einer Wettbewerbsverzerrung. Der Konkurrenz vom Privatfernsehen soll ja nicht der Mund verboten werden.

Heute sahen sich dann mehrere Online-Medien offenbar unter Zugzwang und fügten der Falschmeldung einen weiteren Fehler hinzu: So nennt das Medienmagazin DWDL als Quelle für den Schwachsinn nicht mehr AFP — sondern „Spiegel Online“, obwohl im dortigen Artikel die Agentur angegeben ist. DWDL schreibt:

Im Zuge der Europäischen Union könnte die Luft für die deutsche Synchronisationskultur in Film und Fernsehen eng werden. Wie "Spiegel Online" berichtet, forderten die EU-Abgeordneten die EU-Kommission auf, ein Gesetz zu entwickeln, das öffentlich-rechtlichen Sendern vorschreibt, fremdsprachige Sendungen im Originalton mit Untertiteln zu zeigen.

Seiten wie wunschliste.de und digitalfernsehen.de scheinen das nun wiederum bei DWDL abgeschrieben haben.

Nur ein Kollege von Heise Online hat das getan, was eigentlich mal die Aufgabe von Journalisten war: recherchiert. Entsprechend meldet er:

Keine Aktion des EU-Parlaments gegen „Synchronisationswut“ bei ARD und ZDF

Es klingt wie ein verspäteter Aprilscherz: Unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AFP berichten aktuell mehrere deutsche Medien, dass das EU-Parlament die EU-Kommission auffordere, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in der EU verpflichte, Fernsehfilme „nur noch im Original mit Untertiteln“ auszustrahlen. Auch eine Rede von US-Präsident George W. Bush in der Tagesschau würde danach angeblich im Original gezeigt werden müssen. Stutzig hätte man jedoch bei der angeblichen Begründung für diese Aktion „gegen die Synchronisierwut“ (RP-Online) werden können: So trügen Originalversionen laut Beschlusstext nicht nur zum Lernen von Fremdsprachen bei, sondern „seien auch besser für Schwerhörige oder Taube“.

Die Menschen haben allen Grund, das Vertrauen in klassische Medien zu verlieren.

Nachtrag, 16:50 Uhr. Nachdem ich bei AFP nachgefragt habe, hat die Agentur die falsche Meldung vor wenigen Minuten zurückgezogen:

DRINGENDER HINWEIS
Achtung Redaktionen,
bitte verwenden Sie unsere Meldung «Fernsehfilme sollen nur noch mit Untertiteln laufen» von gestern (Mittwoch) um 16.11 Uhr nicht mehr. Sie beruht auf einem Missverständnis. Nach Angaben der zuständigen Parlaments-Abgeordneten Lidia Joanna Geringer de Oedenberg richtet sich die Erklärung des Europaparlaments nicht gegen Synchronisationen; es geht stattdessen um die Untertitelung aller Programme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dabei können auch synchronisierte Filme untertitelt sein.

Damit wird klargestellt, dass nach dem Willen des EU-Parlaments Fernsehfilme keineswegs nur noch im Original gezeigt werden sollen. Vielmehr geht es in der Erklärung allein um die Untertitelung von Sendungen.

[Fortsetzung hier.]

Darauf einen Barosso!

Als die Landesmedienanstalten im vergangenen Juni eine neue Fassung ihrer Richtlinien für Gewinnspiele im Fernsehen verabschiedeten, sollte das den Anschein erwecken, dass sie den Call-TV-Veranstaltern nun schärfer auf die Finger gucken. Von der Öffentlichkeit unbemerkt blieb, dass die neuen Regeln hinter früheren Entwürfen zurück blieben. Anscheinend haben die Sender bei ihren Verhandlungen mit den Landesmedienanstalten noch Korrekturen bei den (ohnehin nicht mit irgendwelchen Sanktionen verbundenen) Richtlinien durchgesetzt.

So hatten die gerne irreführend „Medienwächter“ genannten Behördenvertreter zunächt formuliert:

Spiele, bei denen Wörter gesucht werden, sind jedenfalls dann nicht erlaubt, wenn das gesuchte Wort oder dessen Schreibweise völlig ungebräuchlich ist. Zur Bewertung ziehen die Landesmedienanstalten z.B. gängige – d.h. nicht nur in Fachkreisen gebräuchliche – Nachschlagewerke oder allgemein erhältliche Publikationen heran.

Beschlossen wurde aber stattdessen diese Variante:

Im Rahmen von Wortfindungsspielen dürfen nur Begriffe verwendet werden, die enthalten sind – als Print oder CD-ROM Ausgabe – in:
– allgemein zugänglichen, mehrbändigen Nachschlagewerken (z. B. Duden, Brockhaus)
und/oder
– allgemein zugänglicher, einschlägiger Fachliteratur.

Das ist nicht nur sprachlich eine Rückschritt, sondern vor allem inhaltlich — wie die (abgelehnte) Programmbeschwerde eines Zuschauers zeigt:

In der Sendung „Money Express“, die täglich auf mehreren MTV-Sendern läuft, wurden in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2008 sieben Automarken mit „A“ gesucht. Nachdem Honda und Seat gefunden waren, taten sich die Zuschauer erstaunlich schwer. Moderator Stefan Pollak musste nach rund drei Stunden Spieldauer die restlichen fünf gesuchten Marken schließlich selbst verraten. Es handelte sich um Barré, Barosso, Germain, Darmont und Georges Irat.

Der Zuschauer beschwerte sich, dass es unmöglich gewesen sei, auf einige dieser Lösungen zu kommen, und erhielt von der zuständigen nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt LfM folgende Antwort:

(…) Informationen über diese Automarken, insbesondere hinsichtlich der Automarke BAROSSO, waren jedoch nur schwer zu recherchieren.

In ihrer diesbezüglichen Stellungnahme teilt die MTV Networks Germany GmbH mit, dass die beanstandeten Automarken GERMAIN, BAROSSO und BARRÈ in folgendem Nachschlagewerk zu finden sind:

(EDA) Enzyklopädie des Automobils. Marken, Modelle, Technik. Hrsg: Instituto Geografico de Agostini S.p.A, Novara. Übers.: Anne Faust, Doris Gottwaldm u.a., Augsburg 1989, 480 S.

In diesem Nachschlagewerk finden sich die einzelnen Automarken wie folgt:

BAROSSO: S. 55 (Novara, Italien, 1923-1924)
BARRÈ: S. 55 (Niort-Deux Sevéres, Frankreich, 1900-1930)
GERMAIN: S. 192 (Monceau-sur-Sambre, Belgien, 1897-1914)

Die MTV Networks Germany GmbH konnte somit für alle Automarken, insbesondere auch für die Automarke BAROSSO, den Nachweis erbringen, dass diese tatsächlich — wenn auch teilweise nur für einen sehr kurzen Zeitraum — produziert wurden. Den Anforderungen der Nr. 3.3.3 (Gestaltung der Spielaufgaben) der GewinnSpielReg wurde entsprochen.

Es gebe somit keinen Anlass für die LfM, gegen MTV vorzugehen — „wenngleich nachvollziehbar bleibt, dass die Antwort ausschließlich einem Kreis speziell Interessierter bekannt sein dürfte“.

Ich weiß nicht, ob das Buch „Enzyklopädie des Automobils“ eine Art Standardwerk ist (für Automobil-Kenner, meine ich, für Worträtselbestücker ist es das sicher). Im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek ist es verzeichnet, aber nicht einmal die Berliner Staatsbibliothek führt es. Zu bestellen ist es offenbar nur noch über Antiquariate.

Letztlich ist das aber auch egal. Denn die Formulierung in den Gewinnspielregeln, dass die „einschlägige Fachliteratur“ „allgemein zugänglich“ sein muss, kann alles und nichts bedeuten und wurde konsequenterweise als Kriterium von der LfM in der Antwort auf die Zuschauerbeschwerde offenbar nicht einmal gewürdigt.

Die öffentlichkeitswirksam eingefügte neue Regel erweckt also den Eindruck größerer Transparenz, ist für den tatsächlichen Ablauf, die Gestaltung und die Fairness des Spiels aber folgenlos. Ich würde unterstellen, dass das kein Versehen ist.

[Disclosure: „Money Express“ wird für MTV von der Firma Callactive produziert, die in mehreren Fällen juristisch gegen mich vorgeht.]

…wie ein Panda dem anderen

Süüüüüüüüüß! Das kleine Muckelchen hat für Panfu ein Bild gemalt. Ein Bild mit einem Regenbogen, einem Herz, einem Kringel, einem Schaukelpferd und einem sehr schlanken Panda. Und die Leute von Panfu haben sich so darüber gefreut, dass sie das Bild von Muckelchen gleich auf ihre Startseite gesetzt haben:

Panfu ist so eine Art KinderVZ, eine werbefreie Community für 8- bis 12-Jährige zum Spielen und Chatten, hinter der u.a. die Verlagsgruppe Holtzbrinck steht. Seit einiger Zeit gibt es Panfu auch in anderen Ländern, und auch dort haben die Kinder Panda-Bilder gemalt, die auf der jeweiligen Startseite präsentiert werden. Das hier ist das Bild des französischen Mädchens:

Diese Zeichnung begrüßt die niederländischen Kinder:

Und das hier ist, unverkennbar, ein spanisches Panda-Bild:

Damit es nicht eintönig wird, wird nicht immer das Bild vom gleichen Kind gezeigt. Vergangene Woche zum Beispiel war es in Frankreich die Zeichnung von Moustique39 statt der von Louiza…

in Holland malte nicht Katuro, sondern Moos…

…und in Spanien statt Ana Losa Florecita95:

Tja.

Nun ist es aber nicht so, dass die ausländischen Kinder einfach vom Muckelchen abgemalt haben — oder überhaupt noch keine süßen Zeichnungen eingeschickt haben, wie die PR-Frau von Panfu erst vermutete. Tatsächlich seien die angegebenen Kindernamen richtig. Nur die verlinkten Bilder stimmten nicht, das werde jetzt aber schnellstmöglich geändert.

Fast ein bisschen langweilig als Erklärung. Vermutlich war in Wahrheit der für Kinder Generated Content zuständige Praktikant krank.