Autor: Stefan Niggemeier

Recherche 2.0: Kommentare

Ich sitze gerade an einem Artikel für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ über Nutzer-Kommentare bei Online-Medien — und dachte, das wäre doch eine gute Gelegenheit, dieses Blog (und Sie und Euch!) noch einmal zur Recherche zu missbrauchen.

Es geht um die großen Online-Ableger von klassischen Medien: sueddeutsche.de und faz.net, Zeit Online, Welt Online, Focus Online und all die anderen, bei denen man unter den Artikeln kommentieren kann. Meinen Fragen an die, die dort häufiger kommentieren und Kommentare lesen: Was spielen sich da für Dramen ab, wo gibt es Beispiele für wunderbar gelungene Diskussionen? Wo sieht man, dass die Redaktion das einfach ignoriert, und wo dass sie auf berechtigte Kritik gut reagiert? An welcher Stelle ist „Community-Management“ nicht nur ein Buzz-Word?

Ich freue mich über konkrete Belege für die Möglichkeit und für die Unmöglichkeit, dort gute Diskussionen zu führen, über Hinweise auf Vorbildliches und Abschreckendes. (Und vielleicht, auch wenn’s schwer fällt, ohne Beschimpfungen und Wutausbrüche.)

Jetzt wird zurückgelogen

Marcus Böttcher vom „Express“ fand sich richtig schlau. Das geht vermutlich vielen so, wenn sie über Paris Hilton berichten. Es ist ja auch so leicht. Marcus Böttcher also schrieb am vergangenen Donnerstag:

Achtung, Achtung. Es folgt Teil 154 in der Serie „Wie doof kann man sein??“ Stargast wie fast immer: Fräulein Paris Hilton. Denn deren persönlicher Guru entpuppte sich jetzt als Schauspieler.

Böttcher schrieb, wie der angeblich erfolglose Schauspieler Maxie Santillan Jr. sich als Schamane ausgab, denn — Böttcher kennt sich aus:

Die Dienste eines solchen — Segnen, Predigen, aus buddhistischen Schriften vorlesen — sind in Hollywood schließlich gefragt. Auf zu vielen Menschen hier lastet das schlechte Gewissen nach zahlreichen Suff-Sex-Promi-Partys.

Mit Paris Hilton (27) hat Maxie Santillan allerdings das ganz große Los gezogen. Denn die Hotelerbin trifft sich mit ihm nicht im dunklen Kämmerlein, sondern schlendert mit ihrem neuen Freund durch Los Angeles (EXPRESS berichtete).

Hahaha, die Hilton, blöde Kuh, fällt auf einen Schauspieler rein! Sicherheitshalber fragte Marcus Böttcher bei einem anderen Fachmann nach: Michael Kneissler. Er nennt ihn „Society-Experte“, und tatsächlich spricht der Journalist ungefähr ununterbrochen Fernurteile und -diagnosen über das Privatleben von mehr oder weniger prominenten Menschen in irgendwelche Kameras oder Mikrofone. Kneissler also sagte Böttcher auf die Frage, ob durch das „Outing“ nun die „Freundschaft“ Hiltons zu dem Schein-Schamanen gefährdet sei:

„Nein. Durch ihn hat sie wieder weltweite Aufmerksamkeit bekommen. Auch wenn er sie als unechter Guru zum Deppen gemacht hat.“

Nein. Die Deppen in dieser Geschichte sind Michael Kneissler und Marcus Böttcher. Und in einem Abwasch gleich all ihre vermutlich zigtausend Kollegen, die das Leben von Stars — oder das, was uns mithilfe von Paparazzi-Fotos, PR-Geschichten und Halb- und Unwahrheiten als solches vorgegaukelt wird — alltäglich zu bunten Märchen oder hämischen Abgesängen verarbeiten. Denn die Geschichte mit dem Schamanen war eine einzige Verlade. Paris Hilton hat sie mit Ashton Kutcher („Punk’d“) in Szene gesetzt, um sich an den skrupellosen Paparazzi, ahnungslosen Möchtegern-Society-Experten und überheblichen Boulevardfantasten dieser Welt zu rächen. Die Sendung heißt „Pop Fiction“ und läuft auf dem amerikanischen Sender E!, ist aber auch im Internet zu sehen. In vorerst acht Folgen sollen 20 — teils höchstkarätige — Prominente ihr Spiel mit der gutgläubigen Medienmeute spielen.

Auf die Schamanen-Geschichte sind alle reingefallen – und der grenzenlos hämische Tonfall, in dem sie sich über die wieder einmal völlig verrückte Paris Hilton lustig machen, spricht für sich selbst.

Weit vorne in die deutschsprachige Deppenliga hat es auch der „Berliner Kurier“ geschafft, der so „berichtete“:

Die Schamlose und der Schamane Paris Hilton jetzt mit Guru: Kann der Zottel sie zu einem besseren Menschen machen?

(…) Chihuahua Tinkerbell war einmal. Paris Hilton hat ein neues Schoßhündchen: Sie führt jetzt einen Schamanen spazieren. (…)

So konnten die Fotografen mitverfolgen wie Mönch Namenlos ihr segnend die Hand auf den Kopf legte und ihr Haar streichelte. Wie sehr sie diese Berührung veränderte, führte Paris auch gleich vor. Beim Verlassen des Lokals nahm sie ihr Diamantherz-Halsband ab und schenkte es einer Studentin. Paris sagte dazu von sich selbst gerührt: „Mein Guru hat mir gesagt, dass ich das tun soll. Denn Schenken ist die größte Gabe für einen selbst.“ Doch die Millionärin hatte sich für ihre Ich-bin-jetzt-ein-Gutmensch-Aktion die Falsche ausgesucht. Die beschenkte Studentin kündigte an: „Das Halsband verkaufe ich bei Ebay“. Für manchen ist Versteigern eben eine noch größere Gabe …

(Ja, auch die Verschenk-Aktion stand im Drehbuch, die vermeintliche Studentin war eingeweiht.)

In der „B.Z.“ fantasierte Annika Hennebach: „Paris Hilton sucht Zuflucht bei Schamanen“, auf Bild.de glaubte Gerlinde Jänike: „Paris Hilton hat einen eigenen Guru. Einen richtigen, echten, mit grauem langen Bart, einen Schamanen“, und vanityfair.de fabulierte angesichts des unerklärlichen Begleiters: „Vielleicht liegt es am teuflischen Einfluss ihres Freundes Benji Madden (…).“

Beeindruckend ist, dass die versammelte Boulevardmeute auch dann noch nicht daran zweifelte, wer klug ist (sie) und wer dumm (Paris Hilton), als herauskam, dass Hiltons Begleiter nur ein Schauspieler war — nicht nur dem „Express“ ging das so. Das Paparazzi-Blog Viply.de schrieb:

Wie peinlich, Paris hat sich mal wieder selbst übertroffen! (…) Offenbar konnte [der Schauspieler] eine Aufbesserung des „Taschengelds“ gut gebrauchen – so wie Paris ein „ernsthafteres“ Image. Nur wenige Tage zuvor beklagte sie ihr Los in einem Interview: „Die Leute wissen gar nicht, wie ich wirklich bin und das macht mich wütend! (…)“ — Ein weiterer ihrer Schüsse, der nach hinten losging.

Auch Avril Lavigne führte in der Premierenfolge von „Pop Fiction“ die Weltöffentlichkeit in die Irre — dadurch, dass sie eine Andeutung von Bauch trug. Wie absurd sich das liest, wenn die daraus resultierenden Spekulationen bis in die traurigsten Verästelungen des Boulevardbetriebs durchsickern, demonstriert schön viva.tv:

Avril Lavigne – Schwanger? Der Babyboom in Hollywood nimmt kein Ende!

Nach Jennifer Lopez, Christina Alguilera und Nicole Richie ist nun auch bei Sängerin Avril Lavigne angeblich der Storch gelandet.

Zwar wurde ihre Schwangerschaft noch von keiner Seite bestätigt, doch laut viply.de könnte man sich allmählich sicher sein.

Avril und ihr Ehemann Deryck kauften vor kurzem Babykleidung ein und vergaßen dabei ein noch viel interessanteres Indiz in ihrem Auto. Ein Ultraschallbild! Sehr verdächtig, finden wir!

Genauso verdächtig ist Avrils neue Art sich vorwiegend „bedeckt“ zu kleiden. Da wird die Kapuzenjacke überm Bäuchlein sachgemäß zugezogen, um ja keine Rundungen hervorblitzen zu lassen.

Diese „Pop Fiction“-Aktion ist grandios — und überfällig. Die Sendung zeigt die immer wieder unfassbare Zahl, Allgegenwart und Aggressivität der Fotografen, und mit welcher Geschwindigkeit und Wucht und welchem Desinteresse an Tatsachen aus einem harmlosen Anlass Titelseiten und weltweite Schlagzeilen fabriziert werden. Sie ist eine Art Notwehr der Prominenten – und wirkt, im Idealfall, medienpädagogisch: Je mehr dem Publikum bewusst ist, dass all die „Star-News“, mit denen sie von Viva über „Bunte“ bis „Spiegel Online“ überflutet werden, im Zweifelsfall reine Erfindungen sind (der Medien oder der Stars selbst), um so größer ist die Chance, dass das Interesse an diesem Genre wieder sinkt. Oder man sich wenigstens darauf einigt, dass man sich dann die Geschichten gleich ganz ausdenken kann, ohne dafür echte Menschen zu behelligen, und vielleicht davon absehen kann, zu versuchen, Britney Spears oder Amy Winehouse in den Tod zu treiben.

Und wenn Leute wie Marcus Böttcher und Michael Kneissler in Zukunft öfter ausgelacht werden, ist schon viel gewonnen.

Katzencontent

Simon Tofield arbeitet für die Londoner Animations-Firma „Tandem Films“. Vor ein paar Monaten hat er diesen sensationellen kleinen Katzenfilm gezeichnet:

Und jetzt gibt es endlich eine Fortsetzung:

Ich kann mir das Dutzende Male ansehen (und anhören!), ohne dass meine Begeisterung nachlässt. Und dabei bin ich eigentlich ein Hunde-Mensch.

Plagiatsvorwürfe nur geklaut?

Grand-Prix-Betrug?

(…) Schlager-Star Costa Cordalis (51) war über den Grand Prix erbost. Er spricht von Betrug: „Das Sieger-Lied ‚Diva‘ ist von mir geklaut. Gar keine Zweifel.“

„Bild“, 11.5.1998

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Grand-Prix-Skandal: Siegerin wurde disqualifiziert

(…) Aus der Traum vom Grand-Prix-Finale: Die blinde Sängerin Corinna May ist disqualifiziert worden. Ihr Sieg-Song „Hör den Kindern einfach zu“ ist geklaut. Manager und Komponist haben es gewußt.

„Express“, 17.3.1999

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Grand Prix: Ein neuer Skandal. Auch der Song von „Sürpriz“ nicht taufrisch

(…) Gestern fiel dem europäischen Musikverband OGAE auf, daß auch der Hit der zweitplazierten Gruppe „Sürpriz“, die uns jetzt in Jerusalem vertreten soll, nicht ganz frisch ist. 1984 brachte Komponist Ralph Siegel einen ähnlichen Song raus. Titel: „Wo geht die Reise hin?“

„Express“, 18.3.1999

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Grand-Prix-Siegerin Charlotte: Ist ihr Erfolg nur geklaut?

(…) während die Schwedin in Jerusalem feiert, meldet sich in Deutschland Komponist David Brandes (30).

Er will klagen! Grund: „ICH habe den Song komponiert, schon 1997. Der Titel des Originals lautet ‚Out of the Blue‘, gesungen haben ihn ‚Bad Boys Blue‘, In Skandinavien ein großer Erfolg, bekam Platin.“ (…) Auch Musikproduzent Hans Steingen bestätigt: „Ganz klar geklaut. Die harmonische und melodische Abfolge in der Strophe ist vollkommen identisch.“ (…) Fazit Brandes: „Ich bin fassungslos. Heute gehe ich zum Anwalt.“

„Bild“, 31.5.1999

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STEFAN RAAB – da hadde du geklaut

Sein Erfolgshit – nicht nur von einem, sondern gleich von zwei Songs abgekupfert?

BILD zeigt am Noten-Vergleich, wie identisch die Melodie-Folgen sind. Zum einen die Songsrücke „I am so curious…“ aus dem Raab-Song mit dem Refrain aus „Say you’ll be there“ (I’m giving you everything…) von den Spice Girls. Zum anderen der Raab-Refrain „Wadde hadde dudde da“ mit der Hauptzeile auf der Nummer „Burn rubber on me“ von der US-Gruppe GAP.

„Bild“, 9.3.2000

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Michelles Siegerlied – alles nur geklaut?

(…) Die Kölner Sängerin Ava Cimiotti (36) behauptet: „Michelle hat das Lied von mir geklaut. Ich habe es schon vor zwei Jahren für Michelles Plattenfirma auf CD eingesungen. Die haben dann zwar das Lied behalten, aber mich einfach abserviert.“

„Bild am Sonntag“, 4.3.2001

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„Bild“: Haben Sie [Ihrem Noch-Ehemann] Gavin das Grand-Prix-Lied geklaut?

Ireen Sheer: Nein! Der englische Text stammt nicht von Gavin, sondern von mir. Er hat nur bei einigen Passagen geholfen. Zum Grand Prix haben wir aber den alten Text rausgeschmissen. Der Song ist jetzt kein Liebeslied mehr, sondern ein Friedenslied.

„Bild“, 21.1.2002

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Grand-Prix-Skandal

Grand-Prix-König Ralph Siegel (56) ist frisch verliebt! Aber seine neueste Eroberung, die schöne, junge Kriemhild (29), ist verheiratet. Ihr Ehemann ist wütend, sagt: „Siegel hat mir die Frau geklaut!“

„Bild“, 28.2.2002

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Das Siegerlied beim Grand Prix ist geklaut! Das behauptet der deutsche Latino-Sänger Lou Bega (26, „Mambo No. 5“). „Es gibt starke Ähnlichkeiten zwischen meinem Song und Marie N.s Lied“, sagte Lou Bega. Er will die lettische Grand-Prix-Gewinnerin aber nicht verklagen. Lou Bega: „Es erfüllt mich mit Stolz.“

„Bild“, 28.5.2002

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Jean-Pierre Valance warf Lous Komponist Ralph Siegel vor, bei ihm geklaut zu haben. „Die ersten vier Takte des Refrains sind identisch mit dem Refrain meines Liedes ‚Weiß der Geier oder weiß er nicht“, sagte Valance, der sein Lied für Wolfgang Petry verfasste.

„Berliner Zeitung“, 10.3.2003

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Alles nur geklaut? Wirbel um Grand-Prix-Hit von Texas Lightning

Musikproduzent Marco Delgardo (37, 183 Goldene, 54 Platin-Schallplatten) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Band „Texas Lightning“. Der Song „No No Never“, mit dem die fünf Country-Musiker beim Grand Prix in Athen antreten wollen, soll geklaut sein.

Der Komponist behauptet: „Die Nummer ist ganz klar abgekupfert vom dänischen Grand-Prix-Beitrag ,Never ever let you go‘ von der Band ,Rollo & King‘ aus dem Jahr 2001. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.“

„Bild“, 21.3.2006

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Hat Heinz Rudolf Kunze seinen Grand Prix-Hit geklaut? Angeblich klingt sein Song wie der 80er-Hit „Heat of the Moment“ von Asia.

„B.Z.“, 27.1.2007

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Schwere Vorwürfe gegen Grand-Prix-Gewinnerin: Sieger-Hit in Albanien geklaut?

(…) [Beim albanischen Musikfestival „Top Fest“ 2006] sang die schöne Soni Malaj ihre Ballade „Ndarja“ — und die klingt verdammt nach dem Gewinner-Song. Doch der kommt wie gesagt aus Serbien und heißt „Molitva“. Also alles nur geklaut?

„Berliner Kurier“, 15.5.2007

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„No Angels“ unter Verdacht: Haben sie ihren Grand-Prix-Song „Disappear“ geklaut?

(…) Das meint zumindest Daniel Lutz vom Augsburger „Hitradio rt.1“, wie die „Rheinische Post“ berichtet. Hinter „Disappear“ vermutet dieser eine Abkupferung des Titels „Break The Silence“, den die drittplazierte Steffi List im Januar bei Stefan Raabs Castingshow zum Besten gab.

„Bild“, 11.3.2008

Bundestagswahl 2009 gelaufen

Ich hatte mich gerade schon in Rage gedacht über diese Überschrift bei „Spiegel Online“, die im Artikel durch nichts gedeckt wird als diese Formulierung:

Aber zum Glück muss ich mich darüber nicht mehr aufregen wundern, denn das hat Malte Dahlgrün im „Dummy“-Blog schon getan.

(Überhaupt eine gute Gelegenheit, endlich mal darauf hinzuweisen: Seit ein paar Wochen hat Oliver Gehrs‘ feine Zeitschrift auch ein Blog, in dem es anfangs fast ausschließlich um Stefan Aust ging, inzwischen aber auch um dies und das, meistens aus der Medienwelt.)

Und noch ein Gedanke zu Peer Steinbrück. Ich weiß nicht, was er über die Chancen der SPD bei der nächsten Bundestagswahl denkt. Aber ich kann eine kleine Plausibilitätsrechnung anstellen. Es sind noch 18 Monate bis zur Wahl. Die SPD liegt in den Sonntagsfragen zehn Prozentpunkte hinter der CDU/CSU. 18 Monate vor der letzten Bundestagswahl lag die SPD in den Sonntagsfragen über zwanzig Prozentpunkte hinter der CDU/CSU. Bei der Wahl betrug der Rückstand dann einen Prozentpunkt.

Wer hat’s erfunden? (2)

Zu meinem Beitrag über den wenig einfallsreichen Claim von Roger Schawinskis neuem Radiosender erreicht mich die folgende Leserzuschrift von Roger Schawinski:

1. Der Name Radio 1 (oder RadioEins) ist keine Erfindung des RBB. Seit vielen Jahren sendet Radio One der BBC. Auch in anderen Städten der Welt gibt es Radios mit diesem Namen. Grund: Es ist der einfachste Namen für ein Radiosender, der keine weiteren Erklärungen mehr braucht.

2. Der Claim „Nur für Erwachsene“ hat mich tatsächlich fasziniert. Ich halte ihn für genial, unvergleichlich viel besser als die Claims der privaten Sender mit dem Hinweis auf „den besten Mix“ und ähnliches. Obwohl er für die Schweiz nicht geschützt ist, habe ich mich beim RBB erkundigt, ob ich ihn für das Gebiet der Schweiz kaufen kann. Der frühere Chef und Gründer von RadioEins, Helmut Lehnert, der diesen Claim erfunden hat, hat mir in einem Gespräch mitgeteilt, dass er sich beim RBB erkundigen werde. Anschliessend erhielt ich von ihm eine Mail, in der er mir mitteilte, dass ich ihn frei nutzen könne, und zwar – Zitat – „als Geschenk des Hauses.“ Insofern habe ich mich also absolut korrekt verhalten, finde ich. In all meinen öffentlichen Erklärungen habe ich immer darauf hingewiesen, dass ich diesen Claim nicht erfunden, sondern vom Berliner Sender übernommen habe. In keiner Phase habe ich mich mit fremden Federn geschmückt.

3. Radio 1 wird in Sachen Musik ein völlig anderes Programm anbieten also RadioEins Berlin. Das ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium. Hingegen habe ich beider Firma Apparat die Rechte für die Popsplits erworben, die RadioEins seit Jahren ausstrahlt, und zwar für die gesamte Schweiz. Diese Rechte gehören dieser Firma und nicht RadioEins. Es ist also eine Form von Franchising, nicht ganz unüblich bei den elektronischen Medien. Dies nur als Hinweis, damit mir nicht unterstellt wird, ich habe auch in diesem Bereich abgekupfert.

4. Radio 1 ist im Gegensatz zu RadioEins ein privates Radio. Trotzdem habe ich dem RBB eine Zusammenarbeit angeboten. Es erschien mir reizvoll, das spannendste Radio von Berlin mit dem hoffentlich spannendsten Radio von Zürich in eine für beide Seiten sinnvolle Beziehung zu bringen. Der RBB hat dies jedoch abgelehnt.

5. Ich bin der Meinung, dass die privaten Radio sowohl in der Schweiz wie in Deutschland durch das Formatkonzept beschädigt worden sind, welches ihnen in den letzten Jahren durch Berater überall verordnet worden ist. Radio 1 möchte zu den alten Tugenden des Privatradios zurückfinden, welche ich als erster im deutschsprachigen Raum bereits 1979 eingeführt habe.

(Um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist keine Gegendarstellung, und Herr Schawinski hat auch nicht von mir verlangt, dass ich diese Anmerkungen veröffentliche — es aber erlaubt.)

Kurz verlinkt (15)

Johnny Haeusler im Spreeblick über Kommentare, allgemein:

(…) obwohl ich gelernt habe, Trolls zu ignorieren, Rassisten zu löschen und auf Unterstellungen oder Lügen möglichst nicht zu reagieren, bleibt nicht nur für den oder die Betreiber eines Blogs oft ein bitterer Beigeschmack und ein Verlust an Spaß übrig, wenn auf einen längeren Artikel persönliche Anfeindungen gegen den Autor, andere Leser oder Dritte in den Kommentaren stattfinden.

(…) Der Ton mancher Kommentare, die Art der Auseinandersetzung, wie sie teilweise in Blogs geführt wird, scheint zu einem Blog-Image zu führen, das dem Medium nicht gerecht wird und das vielleicht potentielle Leser abschreckt und somit ein Wachstum der Blogosphäre verhindert.

Und Anke Gröner über die Kommentare hier, konkret.

Monster, unautorisiert

Gestern ist eine Beraterin von Barack Obama zurückgetreten, die Hillary Clinton in einem Interview ein „Monster“ genannt hatte. Samantha Power hatte unmittelbar hinzugefügt, die Bemerkung sei „off the records“, also nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Kritiker warfen der britischen Zeitung „The Scotsman“, die das Interview führte, deshalb vor, sie hätte das Zitat nicht verwenden dürfen. Der „Scotsman“ dagegen betont, es sei vereinbart gewesen, das Interview „on the record“ zu führen — was der Gesprächspartner dann sagt, dürfe auch veröffentlicht werden; ein nachträgliches Zurückziehen gebe es nicht.

In Deutschland ist es immer noch die Regel, dass alle Interviews nachträglich autorisiert werden. Wenn ein Interviewpartner (oder sein Pressesprecher) hinterher pointierte Bemerkungen und offenherzige Kommentare bereut, kann er sie in aller Regel und Ruhe nachträglich revidieren. Was Frau Power wirklich von Frau Clinton hält, hätte bei einem deutschen Printmedium vermutlich niemand je erfahren.

Andererseits kam auch die neue weiche Linie von Kurt Beck gegenüber der Linkspartei im Westen offenbar dadurch an die Öffentlichkeit, dass ein Journalist der „Neuen Presse“ gegen die Gepflogenheit aus einem Hintergrundgespräch mit dem SPD-Chef berichtete und die vereinbarte Vertraulichkeit brach.

Der „Monster“-Fall beschäftigte auch den konservativen amerikanischen Fernsehmoderator Tucker Carlson (mit dem sich der Komiker und Medienkritiker Jon Stewart vor Jahren eine denkwürdige Auseinandersetzung lieferte). In seiner MSNBC-Show „Tucker“ stellte Carlson die britische Journalistin zur Rede, die das Interview mit Samantha Power geführt hatte, und schuf einen dieser Fernsehmomente, die so schrecklich sind, dass man weder hin- noch wegsehen kann:

(„Acquiescent“ heißt übrigens „fügsam“ oder „ergeben“.)

Es lohnt, sich auf MSNBC.com auch einen längeren Ausschnitt aus der „Tucker“-Sendung anzusehen. Carson scheint ein größeres Problem mit britischen Medien zu haben — und schon den Gebrauch der Landesbezeichnung „United Kingdom“ für exzentrisch zu halten.

(via Huffington Post)

Nachtrag: Einige lesenswerte Gedanken zur „off the record“-Praxis stehen im Time-Blog von James Poniewozik.