Autor: Stefan Niggemeier

Uwe Wesp

Nun ist er weg und hat uns mit Ben Wettervogel allein gelassen.

Ben Wettervogel mag ein fähiger Meteorologe sein, man kann das ja als Laie schlecht beurteilen. In diesem Fall kommt erschwerend hinzu, dass immer, wenn er im ZDF-Morgenmagazin auftaucht, ich vollauf damit beschäftigt bin, zu denken, wie albern das ist, dass da jemand das Wetter vorhersagt, der sich „Ben Wettervogel“ nennt. Und es ist nicht so, dass er aus einer Dynastie der Wettervogels käme und wegen seines Namens Meteorologe geworden wäre. Er hieß Benjamin Vogel, und hat sich seinen Künstlernamen in seinen Pass eintragen lassen.

Das ist ein bisschen beunruhigend, aber irgendwie typisch — glücklicherweise anscheinend nur für Wetterleute, solange sich Barbara Salesch noch nicht in Babs Justiztante umbenannt hat und Ulrich Klose in Bericht R. Statter. „Man muss sehen, dass man auf keinen Fall zum Kasper wird“, hat Wettervogel einmal gesagt. Genau.

Das Nervige an den den Wetter-„Berichten“ heute sind nicht die Kachelmänner, die versuchen, die Wetterphänomene mit Begriffen, Grafiken und Gimmicks anschaulich und attraktiv zu machen. Sondern die Quatschmacher, die irgendwo in der Welt herum stehen, Passanten auf der Straße befragten, Spiele mit Kindern machen, sich am Strand räkeln und nebenbei kurz noch, wenn es sich nicht ganz vermeiden lässt, die Höchsttemperaturen von morgen nennen.

Uwe Wesp, Dr. Uwe Wesp, war immer ein Mann fürs Studio. Ganz der Typ Freundlicher Beamter, korrekt, verlässlich, ein bisschen skurill, ein bisschen provinziell, und auf eine sympathisch hölzerne Art locker. Er soll zwar einmal eine Platte aufgenommen haben „Azorenhoch! Das kommt schon noch“, aber wenn das überhaupt stimmt, war es so lange vor den Zeiten YouTubes, dass sich keine Spuren davon mehr finden lassen, was vermutlich für alle Beteiligten am besten ist.

32 Jahre lang hat Dr. Uwe Wesp das Wetter im ZDF vorhergesagt, und wenn es nach ihm (und mir) gegangen wäre, hätte er noch nicht aufgehört, nur weil er jetzt 65 ist. Vielleicht hat er mehr mit seinem Dauergegner Kachelmann gemein, als es scheint. Denn anders als der Wetterbericht in der „Tagesschau“ früher, in dem sich allabendlich unverständliche Substantivmassen auftürmten, mit Nordflanken, auf denen der Zustrom milder Meeresluft nach Mitteleuropa anhielt, und Ausläufern von Azorenhochs, die in den nächsten Tagen wetterbestimmend wirkten, kam der ZDF-Wetterbericht hyper-didaktisch daher, als Mini-Vorlesung mit Zeigestöckchen und selbstgemalten Symbolen, die schon nach Blumenkohlwolken aussahen, als Kachelmann das Wort noch gar nicht kannte. Dass die ZDF-Meteorologen (mit der großen Dr. Carla Wege) die Bilder nicht erst in der Sendung aufmalten, lag nur daran, dass die Kreide zu sehr gequietscht hätte.

Eine ernste Sache sei das Wetter, hat Wesp immer gesagt. Dabei schien er sie, wie er mit nüchterner Stimme und den weichen Konsonanten seines Darmstädter Dialekts sprach, nicht halb so wichtig zu nehmen wie all die Kollegen heute, die aus jedem Regengebiet, das ausgerechnet am Wochenende über uns hinwegzieht, ein Drama machen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Programmhinweis

Heute abend wird zum 9. Mal der Deutsche Fernsehpreis verliehen. Und ich blogge das ab kurz vor acht live vom Sofa — drüben beim Fernsehlexikon.

2005 war ich übrigens selbst mal in der Jury. Ich war da nicht sehr glücklich, wie man meinem FAZ-Artikel von damals entnehmen kann, und habe sie danach verlassen.

Nachhilfe von ddp (3)

Joachim Widmann, Chefredakteur der Nachrichtenagentur ddp, schreibt zu dieser Debatte:

Lieber Herr Niggemeier,

ich hoffe, dass wir uns bei all dem Furor, der in dieser Sache mittlerweile glüht, auf eines einigen können: Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Wir sind bei ddp sorgfältig darauf bedacht, Fehler zu vermeiden. Jeder ist gehalten, an seinem Platz perfekt zu arbeiten. Wir stellen das mit einer mehrstufigen Produktion sicher – so sicher, wie das eben geht. Dennoch kommt es, wie in jedem Handwerk, trotz aller Sorgfalt gelegentlich zu Fehlern, die ja niemand absichtlich verursacht oder übersieht.

Entscheidend ist der professionelle Umgang mit einer Fehlleistung. Daher habe auch ich mich über die zweite Meldung zu dem fehlerhaften „Bild“-Vorab geärgert. Da hätte sinngemäß klar stehen müssen, dass die Bafin sich gegen eine falsche Darstellung der „Bild“-Zeitung stellt. Sie dürfen mir glauben, dass diese Meldung intern bei uns ausgewertet wurde. Sie hat gegen unsere eiserne Regel verstoßen, dass erkannte Fehler umgehend transparent korrigiert werden müssen. Hier wurde zwar der Fehler irgendwie korrigiert, jedoch unklar und nicht transparent. Da das auch ohne Ihr Zutun leider jeder gesehen hat, muss das nicht weiter öffentlich debattiert werden. Was sollen wir noch dazu sagen?

Ich schreibe in etwas ungelenkem Deutsch „erkannte Fehler“, weil es in der Natur unerkannter Fehler liegt, nicht korrigiert zu werden. Das kommt bei täglich Hunderten ddp-Meldungen aber sehr, sehr selten vor. Die allermeisten Fehler erkennen wir selbst, bevor eine Meldung gesendet wird. Im anderen Fall sind wir sehr dankbar für einen Hinweis. Dieser wird dann geprüft, und bei Bestätigung des Fehlers machen wir die Korrektur. Unter Profis ist das eine selbstverständliche Dienstleistung, die unseren Kunden unsere Verlässlichkeit beweist.

Herr Höhling hat versucht, das gegenüber dem Leserbriefschreiber deutlich zu machen Angesichts eines Leserbriefs, der ohne große Umschweife unterstellt, hier sei schlampige Arbeit die Regel, war er nicht einmal besonders scharf. Der inquisitorische Ton des Briefes war der Sache nicht angemessen.

Sie wissen als erfahrener Journalist sehr gut, dass mit fehlerhaften oder überdrehten Vorabmeldungen das ungeschriebene Gesetz unseres Handwerks gebrochen wird, dass man Nachrichtenagenturen nicht für die eigene PR missbraucht, weil dies das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen Medien und Agenturen in für alle Seiten sehr unangenehmer Weise belastet. Mit der Verifikation (oder Falsifikation) solcher Meldungen gelangt man nachts oder am Wochenende, wenn besonders viele Vorabmeldungen eingehen, beim Versuch, bei den Akteuren nachzufragen, an natürliche Grenzen. Daher teile ich Ihr Unbehagen – unser Dilemma liegt darin, dass die große Mehrzahl der Vorabs stimmt, was aber ebenfalls selten gleich geklärt werden kann. Bei einer Meldung zu einem relevanten Thema, die nicht schon auf den ersten Blick unplausibel wirkt, bleibt uns nichts als der handwerklich korrekte Hinweis darauf, dass eine Verifikation zunächst nicht möglich gewesen ist, was nichts anderes heißt als: Diese Meldung muss nicht, aber kann ganz oder in Teilen falsch sein, sie ist jedenfalls vorerst unbestätigt. So haben wir das bei der ersten Meldung zu dem „Bild“-Vorab auch gemacht.

Verdrehte oder falsche Vorabmeldungen sind für uns ein Thema, das auf bestimmte Medien nicht eingegrenzt werden kann, und auch bei den gelegentlich Betroffenen ist derlei unserer Erfahrung nach nicht die Regel und nicht erklärte Absicht. Ich bitte daher um Verständnis dafür, dass wir an einer öffentlichen Debatte nicht teilnehmen können und wollen, in deren Rahmen einzelnen Medien unterstellt wird, vorsätzlich zu lügen. Am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und gegenüber dem richtigen Gesprächspartner wird ein solcher Lapsus ohne Scheu von uns angesprochen. Aber zu einer Stellungnahme im „Bildblog“ sind wir nun wirklich nicht verpflichtet. Wir bleiben auch da unserer publizistischen Rolle gemäß neutral – was bitte nicht mit Indifferenz oder Verschlafenheit verwechselt werden möge.

Ihr Ansinnen abzulehnen, Herrn Höhlings persönliche Mails in dem Blog zu publizieren, die als öffentliche Stellungnahme nicht gedacht waren, ist daher statthaft und kein Zeichen von Arroganz. Er übt damit genau das Recht aus, über die eigene Publizität zu bestimmen, dessen Verletzung Sie der „Bild“-Zeitung immer wieder vorwerfen. Interessant ist, dass Sie darauf, dass wir unser Schweigen brechen sollten, in dieser Schärfe und Empörung insistieren und Herrn Höhling, gegen dessen ausdrücklichen Wunsch, gewissermaßen „über Bande“ dennoch zitieren. Das erinnert mich doch sehr an das Gedicht über die Elche und deren schärfste Kritiker…

Herzliche Grüße

Joachim Widmann
Chefredakteur
ddp Deutscher Depeschendienst

Lieber Herr Widmann,

vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme!

Ich möchte diese Debatte nicht zu hoch hängen, und die Diskussion über Tonfall und Inhalt der Mails von Herrn Höhling, die ich unfassbar finde, ist schon deshalb schwierig, weil die Leser keine Möglichkeit haben, sich ein eigenes Bild zu machen.

In einigen Punkten muss ich dennoch widersprechen: Es geht nicht um „persönliche“ Mails von Herrn Höhling. Es geht um Mails, die Herr Höhling in seiner Funktion als Stellvertreter des Chefredakteurs von ddp an Leser geschrieben hat, die Anfragen an die E-Mail-Adresse [email protected] geschickt haben. Es handelt sich insofern um offizielle Antworten von ddp, und ich glaube, Sie müssten auch damit leben, wenn jemand diese Antworten im Wortlaut veröffentlicht. Aus Gründen der Fairness habe ich es nicht getan.

Ich habe auch Herrn Höhlings Bitte entsprochen, seine Antwort auf meine journalistische Anfrage nicht zu veröffentlichen. Und ich habe seiner Bitte entsprochen, nicht einmal in meinen eigenen Worten wiederzugeben, ob ddp nun der Meinung ist, einen Fehler gemacht zu haben oder nicht, was ich schon eine erstaunliche Bitte fand.

Sie sagen nun, bei ddp seien Fehler passiert. Ja, darauf können wir uns sofort einigen: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler (und diese waren sicher nicht die schlimmsten). Interessant ist, dass dieser Gedanke in den E-Mails, die ich kenne und mit denen ddp auf die (berechtigten!) Leserbeschwerden reagierte, fehlt. Der Stellvertreter des ddp-Chefredakteurs hat den Schreibern gesagt, dass ddp sich nichts, aber auch gar nichts vorwerfen lassen muss, und teilweise mit dem Anwalt gedroht.

Natürlich haben Sie das Recht, an einer Debatte über mögliche Fehlleistungen von ddp oder das Problem der Vorabmeldungen nicht teilzunehmen. Aber wenn der ddp Lesern gegenüber unbestreitbare Fehlleistungen bestreitet und ihnen unverhohlen droht, muss er damit leben, dass das öffentlich gemacht und darüber diskutiert wird.

Finde ich.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Niggemeier

Noch mehr Nachhilfe von ddp

Vielleicht ist es keine gute Idee, dass bei der Nachrichtenagentur ddp der Stellvertreter des Chefredakteurs, Rainer Höhling, für die Beantwortung von Leseranfragen zuständig ist. Vielleicht ließe sich jemand im Haus finden, der es schafft, diplomatisch, freundlich und gelassen auch auf harte Kritik zu reagieren, und nicht gleich zurückpöbelt und eklig herablassend wird oder sogar mit dem Anwalt droht. Vielleicht ist das aber auch so gewollt, um die Leute abzuschrecken und einzuschüchtern. Schließlich sind die Kunden der Nachrichtenagenturen ja die Medien und nicht die Leser, die sich neuerdings einbilden, überall mitreden zu können.

Herr Höhling hat also noch mehr Nachhilfestunden gegeben. Da beschwerte sich ein Leser, weil ddp berichtete habe, dass an der Demonstration „Freiheit statt Angst: Stoppt den Überwachungswahn“ in Berlin nur 2000 Menschen teilgenommen hätten, obwohl selbst die Polizei von 8000 gesprochen habe. Und, ja, der Leser hat ein paar Dinge durcheinander gebracht, und Herr Höhling musste sehr, sehr pädagogisch werden und gleich mehrmals mit dem Anwalt drohen, denn der Vorwurf, eine Agentur berichte falsch, sei rufschädigend, und das könne sich ddp nicht gefallen lassen, denn dort arbeitet man meistens korrekt, und wenn nicht, gibt man es offen zu. (Bitte lachen Sie hier.)

Richtig ist: Fast alle Nachrichtenagenturen berichten am Samstagnachmittag zunächst von 2000 Demonstranten. Aber laut abendschaublog spricht die Polizei „gegen 17 Uhr von rund 8000 Demo-Teilnehmern“. Um 17.20 Uhr ist man bei ddp noch bei 2000.

Um 18.01 Uhr meldet AP: „8.000 demonstrierten gegen Vorratsspeicherung von Daten“. Um 18.12 zitiert tagesschau.de einen Polizeisprecher mit der Angabe „mehr als 8000 Teilnehmer“. Um 18.29 Uhr berichtet „heise online“, die Polizei habe die Zahl der Demonstranten anfangs auf 8000 geschätzt und dann nach oben korrigiert. In der „Abendschau“ um 19.30 Uhr wird die Zahl 8000 genannt. Danach habe ich keine Agenturmeldung mehr gefunden, die von 2000 Demonstranten spricht.

Außer der Morgenzusammenfassung von ddp um 4.15 Uhr am Sonntag, in der es unbeirrt heißt: „Rund 2000 Menschen haben nach Polizeiangaben gestern in Berlin unter dem Motto «Freiheit statt Angst» gegen die Verschärfung der Sicherheitsgesetze demonstriert.“ Erst um 12.18 Uhr korrigiert ddp unauffällig im hinteren Teil einer Meldung seine früheren Angaben und ist nun endlich auf dem Wissensstand, den u.a. die Konkurrenz von AP über 18 Stunden vorher schon verbreitete.

Aber Herr Höhling (bei dem ich diesmal aus naheliegenden Gründen nicht mehr nachgefragt habe) meint, ddp sei nichts vorzuwerfen, und warnt davor, den Ruf der Agentur zu beschädigen.

Als bräuchte ddp dabei Hilfe von außen.

ddp hat sich öffentlich nichts vorzuwerfen

Da war ja diese Geschichte mit der „Bild“-Vorabmeldung über „faule Kredite“, die am vergangenen Sonntag von den Nachrichtenagenturen AP und ddp verbreitet wurde und sich als Falschmeldung entpuppte. Ein BILDblog-Leser beschwerte sich daraufhin per E-Mail bei ddp, dass die Agentur, wie andere auch, ohne Prüfung Meldungen aus der „Bild“-Zeitung übernehme. Er fragte, ob die ddp-Redakteure „zu blauäugig, zu träge oder zu unfähig“ seien.

Der Leser bekam von Rainer Höhling, dem Stellvertreter des ddp-Chefredakteurs, eine ausführliche Antwort, in der Höhling die Kritik als unsachlich, unhaltbar und beleidigend zurückwies.

Nachdem der Leser uns den Briefwechsel weitergeleitet hat, habe ich bei Höhling nachgefragt — und (nicht wundern!) viele Formulierungen aus seiner erstaunlich schroffen, herablassenden und anmaßenden Antwort aufgegriffen:

Sehr geehrter Herr Höhling,

ich wende mich an Sie, weil ich gehört habe, dass Sie stets darum bemüht sind, auch Menschen, die nicht die geringste Ahnung von der Arbeit von Nachrichtenagenturen haben, eine kleine Nachhilfe zu geben, und hoffe, meine Fragen in einem Ton zu formulieren, den Sie nicht als beleidigend empfinden.

Ein Leser von BILDblog hat uns Ihren Mailwechsel weitergeleitet, in dem es um die auch von ddp verbreitete Falschmeldung der „Bild“-Zeitung über die „faulen Kredite“ ging. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir ein paar Nachfragen gestatten.

Wenn Sie schreiben, dass es unmöglich war, den Wahrheitsgehalt der „Bild“-Vorabmeldung am Sonntagnachmittag zu überprüfen, bedeutet das, dass ddp im Zweifel lieber eine falsche Meldung verbreitet als zu warten bis eine Überprüfung möglich ist? Gilt diese Regel für alle ddp-Meldungen oder nur für Vorabmeldungen von anderen Medien? Und ist das Vorgehen von ddp unabhängig vom Medium, von dem die Vorabmeldung stammt, mit anderen Worten: Ist „Bild“ nach Ihrer Erfahrung eine Quelle, der man unbesehen trauen kann, dass ihre Angaben stimmen?

Wenn Sie fragen, wie lange es gedauert hätte, den gesamten BaFin-Geschäftsbericht von 2006 durchzusehen, um festzustellen, dass die „Bild“-Information falsch war, bedeutet das, dass die Mitarbeiter von ddp keine Suchfunktionen in Dokumenten nutzen, um zum Beispiel mit der Suche nach „188“ die entsprechende Stelle in Sekunden zu finden?

Wenn Sie Kritik an der ddp-Meldung zurückweisen, weil sie mit dem Satz geendet habe: „Bei der BaFin war am Sonntag zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen“, bedeutet das, dass ein solcher Satz ungefähr bedeutet: „Alles, was in dieser Meldung steht, könnte falsch sein“?

Wenn Sie schreiben, ddp hätte am Montag die Meldung vom Vortag „präzisiert“, meinen Sie dann „präzisieren“ im Sinne von „eine Falschmeldung korrigieren“? Und gibt es einen Grund, warum in dieser „präzisierten“ ddp-Meldung am Montag jeder Hinweis darauf fehlt, dass sie einer früheren ddp-Meldung in entscheidenden Punkten widerspricht? Wäre es nicht möglich gewesen, ein Wort wie „Korrektur“ in dieser Meldung unterzubringen?

Ist Ihnen bekannt, dass nach gängiger Spruchpraxis des Deutschen Presserates Zeitungen davon ausgehen dürfen, dass Agenturmeldungen sachlich korrekt sind, sie diese also nicht nachprüfen müssen? Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Vorgehensweise, wie sie im Fall der „Bild“-Vorabmeldung über die „faulen Kredite“ offenkundig geworden ist und an der Sie selbst offenbar nichts kritikwürdig finden, dieser Verantwortung gerecht werden?

Oder, kurz gefragt: Wird ddp die nächste falsche Vorabmeldung von „Bild“ auch ungeprüft verbreiten?

Über Antworten würde ich mich sehr freuen. Ich würde sie, wenn Sie einverstanden sind, gerne auf BILDblog.de oder in meinem Blog stefan-niggemeier.de veröffentlichen.

Vielen Dank,
mit freundlichem Gruß
Stefan Niggemeier
BILDblog.de

Rainer Höhling hat sich mir gegenüber erklärt, ist aber nicht damit einverstanden, dass ich seine Antworten in irgendeiner Form veröffentliche. Offenbar möchte die Agentur ddp, dass weder bekannt wird, wie sie mit Leserkritik umgeht, noch, wie sie den Fall intern bewertet. Und schon gar nicht möchte sie an einer Debatte über die Grenzen des Agentur- und Vorabmeldungsjournalismus mitwirken.

Kurz verlinkt (10)

Jerry Sanders, republikanischer Bürgermeister von San Diego, erklärt in einer bewegenden Rede, warum er plötzlich für die Homo-Ehe ist. Oder wie salon.com schreibt:

This is the way necessary social change happens. It starts out unthinkable, and then one day it’s inevitable. (…)

Grab a Kleenex, and press play.

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Hilfe, die Fernseh-Abzockspiele von 9Live, Callactive & Co. schaffen den Mediensprung ins Print. In der Schweiz jedenfalls.

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Lernen von „Politically Incorrect“: „limited“ stellt den praktischen „Bastelbogen Hassblog“ vor:

Mit wenigen zentralen Bausteinen läßt sich auch für den geistig minderbemittelten Kellernazi eine eingängige Ideologie stricken.

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Noch ein paar (verspätete) Links zur Debatte um Klimaforscher Stefan Rahmstorf

In der „Welt“ findet Eckhard Fuhr schöne Worte, um die unfassbare Antwort von Matthias Horx, Wolf Lotter, Dirk Maxeiner u.a. auf Rahmstorf zu charakterisieren:

Der Leser findet nicht den geringsten Hinweis darauf, dass es sich bei dieser ganz und gar durchgeknallten Tirade um eine Parodie auf den Klima-Glaubenskrieg handeln könnte. Die „Klimaskeptiker“ halten sich offenbar wirklich für eine kleine verfolgte Minderheit von „Andersdenkenden“ und ihre mediale Dauerpräsenz für ein heroisches Aufbegehren in aussichtloser Lage.

Und in der „taz“ diskutiert Bernhard Pötter die heikle Rolle der Medien in der Berichterstattung über wissenschaftliche Forschung:

Der Umgang mit abweichenden Meinungen ist völlig unterschiedlich: Wer in der Klimadebatte längst aufgegebene Positionen verteidigt, ist für Wissenschaftler ein Scharlatan – Journalisten schätzen so jemanden dagegen gerne als prinzipienfesten Querdenker. Und wer verlässlich das Gegenteil von dem behauptet, was der Mainstream für richtig hält, sichert sich auf diese Weise Einkommen und Bedeutung in der Medienlandschaft. (…)

„Wir nehmen uns das Recht zu zweifeln“, schreiben die Rahmstorf-Kritiker, „irgendjemand muss die Türen eines skeptischen Weltverständnisses gegen die praktisch gleichgeschaltete öffentliche Meinung offen halten, damit wir für die Zukunft lernen können“. Nur: Die Klimadebatte ist nie gleichgeschaltet gewesen, sondern nach jahrzehntelangem Streit haben sich praktisch alle relevanten Klimaforscher auf einen Konsens geeinigt. Wer nun grundsätzlich den Gegenpart zu diesem herrschenden Konsens vertritt, der verhindert genau das, was er angeblich erreichen will: eine informierte öffentliche Debatte über die Konsequenzen des Klimawandels.

Lesenswert ist auch ein Stück von Jan-Philipp Hein und Markus Becker bei Spiegel Online zum Thema, ein schrecklicher Artikel, aus dem man aber viel über das Selbstverständnis von Journalisten erfahren kann: Wer sie öffentlich kritisiert oder sich gar bei ihren Vorgesetzten beschwert, stellt beinahe schon die Pressefreiheit in Frage.

Wenn ein Journalist sich mit dem Klimawandel befasst und Argumente bringt, die Rahmstorf schlecht findet, kann es schonmal Stunk geben. Der Professor vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) schreibt dann Briefe. Allerdings nicht an die Autoren, sondern gleich an die zuständigen Chefredakteure oder Ressortleiter.

Ja, Wahnsinn. Überschrift des Werkes: „Die rabiaten Methoden des Klimaforschers Rahmstorfs“.

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René Kriest erklärt vermeintlich „7 Fehler von Blogeinsteigern und wie man sie vermeidet“, dabei ist der einzige Fehler, den ein Blogeinsteiger machen könnte, solchen blöden Listen zu glauben anstatt einfach drauflos zu bloggen. Zum Glück muss ich mich dazu nicht in Rage schreiben, weil es andere schon getan haben.

Fliegenklatschen als Digitalstrategie

Vor ein paar Tagen habe ich die Abschrift von einer Podiumsdiskussion bekommen, die ich auf den „Mainzer Tagen der Fernsehkritik“ des ZDF im März moderieren durfte. (Alle Diskussionen und Beiträge werden traditionell in gedruckter Form veröffentlicht.) Das Thema lautete, etwas sperrig: „Konsequenzen der Digitalisierung für Fiktion und Unterhaltung“, und es diskutierten Verena Kulenkampff, damals noch stellvertretende NDR-Programmdirektorin, aber schon designierte WDR-Fernsehdirektorin, und ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut.

Und beim nochmaligen Lesen stellte sich bei mir wieder das ungläubige Gefühl ein, das ich damals schon auf dem Podium verspürte:

Ich hatte mir eigentlich für den Schluss die Frage überlegt, ob die Antwort auf die Digitalisierung [für ARD und ZDF] ist, dass Sie viel mehr sehen müssen, dass Sie sich von da [aus dem Internet] Sachen mitnehmen und abgucken. Oder ob die Antwort genau das ist, eigentlich ganz anders zu sein; all das zu sein, was das Netz und alle Formen, die es da gibt, nicht ist. Im Grunde haben Sie, glaube ich, die Antwort schon sehr deutlich gegeben. Also, es ist das Zweite, oder?

Verena Kulenkampff: Nein, nein, nein! Als Wichtigstes der Digitalisierung kommt auf uns zu, dass wir ununterbrochen anderen Leuten auf die Finger klopfen müssen, die unsere Inhalte gegen ihr Recht nutzen. Die Digitalisierung bedeutet ja im ersten Schritt, dass es für jeden zugänglich ist, und darin sehe ich eigentlich ein Hauptproblem. […] Es gibt ganze Homepages, da werden die Inhalte, die zum Beispiel […] tagesschau.de verbreitet, auf irgendwelchen kommerziellen Seiten genutzt — und die Inhalte sind unsere Inhalte. Und ich finde, da müssen wir mit der Fliegenklatsche sitzen und wirklich sagen, ohne uns! Oder?

Thomas Bellut: Also, ich bin dann zufrieden, wenn mehr „heute“ als „Tagesschau“ dort zu sehen ist! (Lachen)

Kulenkampff: Ehrlich? Nein!

Bellut: Nein, das war jetzt nicht ernst gemeint! Aber ich meine, es wird eine komplizierte Sache, das einzudämmen.

Aber der Gedanke ist doch gar nicht so abwegig: Zu sagen, hoffentlich klauen die Leute mehr „heute“-Inhalte als „Tagesschau“-Inhalte, denn wie viele Leute werden tatsächlich auf irgendwelche NDR-, WDR-, ZDF-Sendungen aufmerksam, weil sie sie nicht im Fernsehen gesehen haben, sondern irgendwo unter Verletzung aller Copyrights bei YouTube?!

Kulenkampff: Unwahrscheinlich!

Bellut: Ja, das ist ein heißes Thema, Herr Niggemeier. Wir freuen uns auch schon, dass „Wetten, dass…?“ zum Beispiel bei YouTube enorm vertreten ist. Alle Wetten sind sofort im Netz. Wir fragen uns auch, wie das technisch geht. Aber sie sind halt da.

Aber Sie sehen es immerhin mit gemischten Gefühlen?

Bellut: Ja! Das sehe ich schon. Ich verstehe, was Sie sagen wollen, aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass man ein geordnetes Internet bekommen wird, wo alles genau kontrolliert wird. Mein Gott, das ist ein so gewaltiges Angebot. Das zu kontrollieren würde viel zu viele Planstellen kosten – also, da ist nichts zu machen.

Gesegnet seien die fehlenden Planstellen!

Nein, im Ernst: Ich konnte und kann nicht glauben, dass eine hochrangige ARD-Vertreterin auf die Frage, mit welcher Strategie sie auch in Zukunft das Publikum erreichen will, als wichtigsten Punkt den Gebrauch der Fliegenklatsche nennt.

Mir ist schon klar, dass ARD und ZDF es nicht offiziell gutheißen können, dass ihre Inhalte unter Verletzung von Urheberrechten überall weiterverbreitet werden, und spätestens dann, wenn jemand sie weiterveröffentlicht, um damit selbst Geld zu verdienen, wird es heikel.

Aber dieser Kampf gegen den Missbrauch kann doch nicht die wichtigste Reaktion von ARD und ZDF auf die Digitalisierung sein — und nicht nur deshalb, weil er so aussichtslos ist. Die zentrale Frage, vor die die Digitalisierung die etablierten Medien stellt, ist doch, auf welchen Wegen und mit welchen Inhalten sie in Zukunft die Menschen erreichen werden.

Muss sich das ZDF nicht über jeden Zuschauer, vor allem jeden der raren jungen Zuschauer freuen, der im Netz über ZDF-Sendungen stolpert, auf welcher Plattform auch immer?

Erstens glaube ich nicht, dass das schlecht ist für die Einschaltquote im Fernsehen: Vom Talentwettbewerb „Britain’s Got Talent“ zum Beispiel (der demnächst bei RTL unter dem Namen „Das Supertalent“ beginnt) finden sich massenhaft Ausschnitte bei YouTube, teilweise sogar offenbar vom Sender ITV selbst hochgeladen. Sie sind in jeder Hinsicht eine Werbung für die Show: Leute stoßen zufällig auf den Inhalt, gucken sich an, was sie verpasst haben, schicken Links weiter, diskutieren mit Freunden, wollen wissen, wie es ausgegangen ist. So paradox es für analog denkende Verantwortliche scheinen mag: Je mehr Menschen sich die Ausschnitte bei YouTube sehen, umso mehr Menschen werden sich die Live-Show im Fernsehen ansehen wollen.

Aber selbst, wenn das nicht so wäre. Angenommen, es stellt sich heraus, „Wetten dass“ wird von einer Million Leute auf irgendwelchen nicht-offiziellen Plattformen im Internet gesehen, und die weigern sich hartnäckig, samstags um 20.15 Uhr die Show im ZDF einzuschalten. So what? Für einen kommerziellen Sender, der allein vom Verkauf der Werbezeiten lebte, wäre das heikel. Aber ARD und ZDF müssen das nicht. Das ist theoretisch ein sensationeller Wettbewerbsvorteil. Den Öffentlich-Rechtlichen kann es völlig egal sein, wenn zehn Prozent der Zuschauer die Sendungen nicht im Fernsehen sehen, sondern irgendwo, irgendwie anders. Ihr einziges Ziel muss es sein, gute Programme herzustellen, und dafür zu sorgen, dass sie ein möglichst großes Publikum finden — um der Inhalte selbst willen.

Und im Interesse des eigenen Überlebens. Junge Leute gucken kein ARD und ZDF. Bei den 14- bis 29-Jährigen hat die ARD in diesem Jahr einen Marktanteil von 5,1 Prozent; das ZDF wäre, umgerechnet auf Wahlen, mit 3,9 Prozent eine Splitterpartei, die nicht einmal ins Parlament einzöge.

Zum Thema 9Live und Callactive finden sich, um ein Beispiel zu nennen, mehrere „Plusminus“-Sendungen auf YouTube, die von verhältnismäßig vielen Leuten verlinkt werden. Natürlich ist es unzulässig, diese Sendungen hochzuladen. Aber welches Interesse hat die ARD, dagegen vorzugehen? Keines.

Unterstellt, dass die ARD Sendungen produziert, die in irgendeiner Form gut sind, die uns — ich weiß, jetzt wird das Eis dünn — klüger machen, informierter, aufgeklärter, ist dann nicht ihr Interesse, dass diese Programme möglichst viele Menschen erreichen, auf welchem Weg auch immer? Und ist es so undenkbar, dass ein paar Leute, die in ihrem Leben noch keine Sendung mit dem merkwürdigen Namen „Plusminus“ eingeschaltet haben, auf diesem Wege überhaupt erst entdecken, dass es solche Verbrauchermagazine gibt, und dass jeder Kontakt die Chance erhöht, dass die Leute etwas Positives mit der ARD verbinden und vielleicht, ganz vielleicht selbst mal einschalten?

„Unwahrscheinlich“, sagt Frau Kulenkampff und holt die Fliegenklatsche.

Kein Symbolfoto

Der Siegeszug des Symbolfotos im Internet — vielleicht ist er doch noch aufzuhalten. Die Kollegen beim Deutschlandfunk zum Beispiel haben sich entschieden, ein Radiofeature zum Thema „grau“ nicht mit einem Symbolfoto zu bebildern, sondern mit einer Abbildung des Gegenstandes selbst:

Leser Frank L. aus B., der’s entdeckt hat, findet’s „zugegebenermaßen eher abstraktwitzig“, weist aber auf Quellenangabe und Zusatzfeature hin:

(ui, man kann’s sogar vergrößern. mit klick. geil.)

Factually Incorrect (2)

Ein schönes kleines Beispiel dafür, wie „Politically Incorrect“ schlichteste Tatsachen ignoriert, ist auch dieser Eintrag von gestern:

Mal abgesehen davon, dass nicht die „Wikipedia“ den Eintrag zu „Taqiyya“ löschen wollte, sondern ein einziger Benutzer — die Sache hatte sich, als PI den Artikel gestern gegen 20.45 Uhr veröffentlichte, längst erledigt, sogar ganz ohne die sonst übliche Abstimmung Entscheidung eines Administrators. Bereits gestern Morgen um 9.41 Uhr hatte der Nutzer seinen Löschantrag zurückgezogen; ab 9.44 Uhr war der Eintrag nicht mehr als Löschkandidat gekennzeichent.

Aber die Meldung „Wikipedia will ‚Taqiyya‘ nicht löschen“ hätte die PI-Autoren und -Leser wohl einfach nicht genug in ihrem Verfolgungswahn bestätigt.