Autor: Stefan Niggemeier

Andrea Ballschuh

Es fehlen einem dann doch die Kategorien, um Qualitäten in diesem speziellen Beruf bewerten zu können. Natürlich ist es eine Form von Arbeitsverweigerung, eine Sendung „Zauberwelt der Berge“ mit dem Satz zu beginnen: „Den besten Blick hat man einfach immer von oben.“ Und natürlich müsste die Überleitungspolizei einschreiten, wenn die Moderatorin sagt, die „Klostertaler“ würden perfekt ins Salzkammergut passen, weil ihre Karriere nur einen Weg kenne: „steil nach oben – sie sind also richtige Gipfelstürmer“. Aber beim Abspann stellt sich dann heraus, dass die Texte gar nicht von ihr waren, und man weiß nicht, ob das für oder gegen sie spricht.

Das wichtigste für jemanden, der volkstümliche Musik im Fernsehen präsentiert, muss diese Teflonhaftigkeit sein: dieses Lächeln, das immer auf das gleiche Maß an interesseloser Zustimmung eingestellt ist, egal, auf was es sich bezieht, und seien es Nacktschnecken oder gar Brunner & Brunner. Die 35-jährige Andrea Ballschuh macht das schon so glatt wie einst Caroline Reiber, und das Kunststück ist, dass sie dabei jünger, frischer und moderner aussieht, ohne die Zuschauer durch Jugendlichkeit, Frische und Moderne zu verschrecken.

Man muss diese Show übrigens nicht kennen, auch wenn man gerade den Eindruck bekommen konnte, so wie ihre geplante Verlegung plötzlich ein Beleg für die angeblich seniorenfeindliche Entsorgung von Plastikmusikshows aus dem ZDF-Programm wurde. Die „Zauberwelt der Berge“ war in den vergangenen fünf Jahren exakt zweimal zu sehen. Anders als Frau Ballschuh, die sich sonst im ZDF-Vormittagsprogramm einen Wolf moderiert und im MDR ein Quiz hat. Im Osten scheint sie ein „Superstar“ zu sein, jedenfalls nennt die „Super-Illu“ sie so und verfolgt jede berufliche und private Wendung mit größter Anteilnahme und Sympathie.

Zum Konzept der Show gehört, dass Andrea Ballschuh auch Einheimische… nein, „kennenlernt“ wäre falsch. Trifft. Sicherheitshalber gibt man ihr während des, nun ja: Gesprächs aber immer etwas anderes zu tun, lässt sie töpfern mit dem Töpfer, die Krähen füttern mit der Krähen-Aufzieherin, reiten mit dem Wildparkbesitzer. Am schönsten war diese Woche nicht einmal, als eine der Krähen sie nachhaltig, mehrmals und offenkundig leidenschaftlich in den Finger biss. Sondern wie sie und der Wildparkmensch noch mehrere Sekunden noch durchs Bild ritten, aber ihr Gesprächstext schon zuende war: Da sah man allen Beteiligten (die Pferde inklusive) an, dass hier keiner die Landschaft, die Stille oder die Gesellschaft genoß, sondern alle die Sekunden zählten, bis jemand „Schnitt“ rufen würde. Es war eine Szene von frappierender Leere und vielleicht der einzig wahre Moment in der ganzen Show.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Sebastian Kamps

Wenn man einem jungen Paar wie der Fernsehmoderatorin Gülcan Karahanci und dem Bäckersohn Sebastian Kamps Woche für Woche auf ProSieben bei den Heiratsvorbereitungen zuschaut, fragt man sich ja spätestens beim dritten Streit der beiden, was sie wohl aneinander finden. Im Fall von Gülcan liegt die Antwort auf der Hand: Sie hat jemanden gefunden, der nicht mehr sagt, als in die Atempausen ihres Redeschwalls passt. Die Auswahl muss überschaubar gewesen sein.

Aber was findet der Mann an ihr? Sebastian Kamps ist ein wohlhabender 24-jähriger Mann, der sich exakt eines vom Leben wünscht: Ruhe. Er wirkt abwechselnd sediert und griesgrämig, letzteres immer dann, wenn er dazu gezwungen wird, etwas zu tun, was er nicht tun will, also etwas anderes, als auf dem Sofa zu sitzen. Dauernd ist aber auch irgendwas: Mal soll er einkaufen, mal reden, mal heiraten, mal sich um die schlimmen Wasserflecken an der Decke kümmern. Als seine zukünftige Frau die entdeckt, hüpft sie aufgeregt wie ein Flummi durch die Wohnung. Und Kamps tut, was er ungefähr immer tut in Krisensituationen, die schnelles Handeln erfordern: Er setzt sich aufs Sofa, macht den Fernseher an und wartet, dass sich jemand anderes drum kümmert.

Man muss ihn bewundern für sein Talent, den neben ihm weiterhüpfenden Flummi zu ignorieren, und wenn es gar nicht mehr geht, sagt er: „Lackier dir die Nägel“, nimmt die Autoschlüssel und geht. Vielleicht ist das auch gar kein Talent, sondern ein Defekt; ihm fehlen einfach ein paar Sensoren, was den Umgang nicht nur mit Gülcan, sondern auch den Herausforderungen des Lebens überhaupt erleichtert. Warum sich von der Frau ein paar Stunden durch die nervigen Gassen von irgendwo in der Türkei schieben lassen, um ein passendes Geburtstagsgeschenk für den Schwiegervater zu suchen? „Wir holen ihm ’ne Stange Zigaretten.“

Seine Mutter sagt, das komme von seinem Opa, „dieses Langatmige, das Brummige, das Nicht-so-Flexible hat er geerbt, da kann er auch nichts dran machen.“ Die Stellen, an denen bei anderen Männern vereinzelte Höflichkeits- und Romantik-Gene sitzen, sind bei Sebastian Kamps vollständig von Sofasitz- und Autosgeilfind-Genen belegt. Gülcans Schwester nennt er wegen ihrer Figur eine „Dampfwalze“, wenn Gülcan stöhnt: „Mir ist schlecht“, sagt er: „Kotz da raus“, und als sie nochmal von ihm hören will, was ihre Lieblingsblumen sind für den Brautstrauß (richtige Antwort: Orchideen), antwortet er: Rosetten.

Unter normalen Umständen würde man diesen Kerl unausstehlich finden. Aber neben der hyperaktiven, dauerschwätzenden und allestollfindenden Gülcan wirkt der Schweiger und Nichtmitmacher Sebastian Kamps sensationell sympathisch. Und vielleicht ist das ja die Antwort auf die Frage, warum er mit ihr zusammen ist.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Blogsitting II

Ich habe gehört, es gibt ein Leben außerhalb des Internets. Die nächsten zehn Tage gucke ich mal nach, ob das stimmt.

In der Zwischenzeit unterhält Sie hier Lukas, der sonst drüben Kaffee und Fernsehen reicht. Seien Sie nett zu ihm, und zum Kennenlernen empfehle ich diesen Text von ihm über seine irrationalen Fernsehängste.

Weiter mit Musik…

(Nicht wundern: Einige Kommentare sind während meines Urlaubs geschlossen.)

In eigener Sache

Die Firma Callactive, die im Auftrag von MTV dubiose Anrufsendungen produziert, die immer wieder gegen die Regeln der Landesmedienanstalten verstoßen, hat gegen mich einen juristischen Erfolg erzielt. Es geht nicht um Äußerungen von mir, sondern um zwei Leser-Kommentare, die ironischerweise unter dem Blogeintrag mit dem Titel „Callactive will Kritiker mundtot machen“ standen.

Es handelte sich zum einen um eine satirische Überspitzung, wohin die gerichtlichen Argumente von Callactive führen könnten, wenn man immer unterstellt, ein harmloser Begriff sei in Wahrheit ein Synonym für einen anderen, nicht harmlosen Begriff. Und zum anderen um eine drastische Aussage über betrügerische Veranstalter von Call-TV-Sendungen, die meiner Meinung nach nicht auf Callactive bezogen war, sondern eben ausdrücklich auf (ungenannte) Betrüger. Ich hielt beide Kommentare für zulässig und nicht beleidigend.

Die Firma Callactive und Stephan Mayerbacher haben mich wegen dieser Kommentare abmahnen lassen. Das Hamburger Landgericht erließ eine einstweilige Verfügung, die mir die in den Kommentaren gemachten Äußerungen untersagte. Diese Verfügung hat Bestand, nachdem wir in der mündlichen Verhandlung am vergangenen Freitag einen Einspruch dagegen zurückgezogen haben.

Das Ergebnis ist für mich natürlich frustrierend. Es scheint mir, wie einige andere Entscheidungen, darauf hinauszulaufen, dass die deutschen Gerichte eine offene Debatte über zweifelhafte Geschäftspraktiken für gefährlicher halten als die Geschäftspraktiken selbst.

Ich bitte Sie darum, dies zu berücksichtigen, bevor Sie von der Möglichkeit, in diesem Blog (und in anderen) Kommentare zu hinterlassen, Gebrauch machen. Und ich bitte um Verständnis, dass ich in stärkerem Maße als bisher Kommentare, die möglicherweise rechtlich problematisch sind, kürzen oder löschen werde. Weil ich im Zweifelsfall für Ihre Kommentare hafte.

[Kommentare in diesem Fall geschlossen.]

Spätes Debatten-Opfer

Das Drama um einen abrupt gelöschten Blog-Eintrag auf „Welt Online“ über Kai Diekmann (die Älteren werden sich erinnen) hatte noch personelle Konsequenzen: Der Verlag Axel Springer hat sich von Philip Steffan getrennt, der als Moderator für „Welt Debatte“ gearbeitet hat.

Grund für die Trennung, die Steffan in seinem Blog „Schattenraum“ als „Rauswurf“ bezeichnet, obwohl sie formal im „gegenseitigen Einvernehmen“ erfolgt sei, ist nach seinen Angaben ein Blog-Eintrag, den er damals geschrieben hatte. Er hatte darin die Entscheidung von „Welt“- und „Welt Online“-Chef Christoph Kesse, den pointierten Text Alan Poseners kommentarlos löschen zu lassen, kritisiert:

Poseners Artikel ist nun mal nicht mehr zu verstecken, also hätte man im Hause die Zähne zusammenbeißen und seinen Stolz herunterschlucken können und vermutlich auch noch Lob eingefahren, einen selbstkritischen Diskurs offen zu führen.

Offiziell gestoßen hätten sich die Springer-Leute aber nicht an der Kritik und Offenheit Steffans, sondern an einem Screenshot vom „Welt“-Online-Redaktionssystem, der eigentlich eine Illustration ohne inhaltliche Brisanz darstellte. Der Screenshot habe jedoch nach Ansicht von Springer einen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz dargestellt und als Grundlage für die Trennung gedient, schreibt Steffan.

Ein interessantes Detail der Geschichte ist, dass der Verlag offenbar Wochen brauchte, Steffans vermeintlich heiklen Blog-Eintrag überhaupt zu entdecken — obwohl er damals überall verlinkt worden war.

Steffans Fazit:

Es wird schwierig bleiben für Verlage im Informationszeitalter, wenn Macht und Know-how weiterhin so diametral über die Hierarchie verteilt sind.

Callactive siegt über Meinungsfreiheit

Man muss sich das ungefähr so vorstellen: Da ist jemand, der sein Geld mit, sagen wir, einem Würfelspiel verdient. Abend für Abend kann man beobachten, wie er erst, bei niedrigen Einsätzen, die zu erwartende bunte Mischung aus niedrigen und hohen Zahlen würfelt, mal gewinnt und mal verliert; aber immer dann, wenn es darauf ankommt, würfelt er eine Sechs nach der anderen. Abend für Abend geht das so. Der Ablauf ist so berechenbar, dass Menschen, die ihm schon länger beim Würfeln zugucken, mit hoher Trefferquote vorhersagen können, welche Zahl er als nächstes würfeln wird. Dann muss man sich vorstellen, es gebe eine Würfelspielaufsicht. Die ist im Wesentlichen damit beschäftigt, die Organisation der Würfelspielaufsicht zu organisieren, Seminare über die bestmögliche Würfelspielaufsichtsorganisationsorganisation zu veranstalten und mit anderen Würfelspielaufsehern über die Kompetenzen zu streiten. Ihre Waffe gegen Spieler mit falschen Würfeln ist ein strenger Blick; in ganz extremen Fällen kann sie sogar mit dem Zeigefinger drohen, notfalls mehrmals. Und schließlich muss man sich vorstellen, dass es Leute gibt, die sich Abend für Abend neben den Würfelspieler stellen und immer, wenn er gerade die zehnte Sechs hintereinander gewürfelt hat, laut „Betrug!“ rufen. Das lässt ihnen der Würfelspieler aber gerichtlich untersagen, denn sie konnten leider nicht den Würfel vorlegen, um das beweisen zu können. Danach rufen sie nur noch „Das kann doch gar nicht sein!“ Aber der Würfelspieler lässt ihnen auch das verbieten. Und irgendwann ist Ruhe. Und der Würfelspieler trifft sich nur alle paar Jahre noch mit den Würfelspielaufsehern und beide vereinbaren, dass der Würfelspieler in Zukunft keine Siebenen mehr mit seinem einzelnen Würfel würfelt, also jedenfalls nicht mehr so oft.

Und damit zu einem ganz anderen Thema.

Die Firma Callactive, die im Auftrag von MTV Anrufsendungen produziert, in denen immer wieder erstaunliche Unregelmäßigkeiten zu beobachten sind, die gegen einen fairen Ablauf sprechen, hat heute vor dem Oberlandesgericht München einen vernichtenden Sieg gegen das Forum call-in-tv.de und, wie ich sagen würde: die Meinungsfreiheit und den Verbraucherschutz errungen. Es darf die vielen (vielen, vielen!) Menschen, die täglich bei Callactive in die Sendung durchgestellt werden und erhebliche Geldsummen gewinnen könnten, aber völlig abwegige Antworten geben oder gleich wieder auflegen, de facto nicht mehr als „verwirrte Anrufer“ bezeichnen, da dieser Begriff als Synonym für „Fake-Anrufer“ also die Unterstellung eines Betrugs durch Callactive ausgelegt werden könnte. (Mehr über die Hintergründe des Verfahrens hier.)

Marc Doehler, Betreiber des Forums, finanziell und kräftemäßig erschöpft, kapituliert nun – zumindest vorläufig. Kein Wunder: Die erste Instanz hatte ein Urteil, wie es jetzt ergangen ist, noch als De-Facto-Untersagung eines kritischen Forums überhaupt gewertet.

Zu Recht. Man muss sich das ausmalen: Wenn bei „Money Express“ jemand durchgestellt würde und die ausgelobten 100 Geldpakete plus Plasmafernseher nicht gewänne, weil er auf die Frage „Wieviel ist 2 mal 2“ mit „Rosenkohl“ antwortete, dürften die Protokollanten von call-in-tv.de diesen Anrufer bei Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro nicht als „verwirrt“ bezeichnen, weil man daraus den Vorwurf lesen könne, der Anrufer sei nicht zufällig verwirrt, sondern jemand, der im Auftrag von Callactive verwirrt tue, um den Eindruck zu erwecken, es würden regelmäßig tatsächlich Anrufer in die Sendung durchgestellt, ohne aber etwas zu gewinnen. Tatsache ist, dass es bei Callactive außerordentlich viele Anrufer gibt, die Antworten geben, die nicht nachvollziehbar sind. Die erste Instanz, das Landgericht München, wusste das sogar und fand ein schönes Synonym für „verwirrte Anrufer“: „Blindgänger“.

Ich habe Norbert Schneider, den Chef der unter anderem für Viva zuständigen Landesmedienanstalt, vor einigen Wochen folgende Frage gestellt: „Was wäre, rein hypothetisch, wenn Callactive in seinen Sendungen auf Viva Tag für Tag systematisch gegen die Gewinnspielregeln der Landesmedienanstalten verstoßen würde: Hätten Sie dann eine Möglichkeit, dagegen vorzugehen und andere Maßnahmen zu ergreifen, als nur immer wieder eine folgenlose ‚Beanstandung‘ gegen Viva auszusprechen?“ Seine Antwort lautete: „Nein. Wir haben keine Rechtsgrundlage, auf der wir tätig werden und zum Beispiel mit einem Lizenzentzug drohen könnten.“

Die Firma Callactive, die mit einer ganzen Welle von Klagen, Abmahnungen und Drohungen gegen Kritiker ihrer Sendungen vorgeht, verwahrt sich gegen den Vorwurf, Anrufe zu fälschen und nennt ihn geschäftsschädigend. Callactive-Geschäftsfüher Stephan Mayerbacher sagte gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de vor sechs Wochen, sein Unternehmen könne jederzeit das Gegenteil anhand einer Offenlegung der Telefon-Verbindungsdaten der jeweiligen Sendungen belegen.

Ich bezweifle das. Ich habe Mayerbacher am 14. Juni eine Mail geschrieben und ihm mitgeteilt, dass ich gerne die Telefondaten der umstrittenen „Money Express“-Sendungen einsehen würde. Ich fragte ihn:

In welcher Form könnten Sie mir diese Daten zur Verfügung stellen?

Falls Sie die Daten nicht mir direkt zukommen lassen wollen, wem gegenüber würden Sie sie offenlegen? In welcher Form könnte „jederzeit“ der Beleg erbracht werden, dass Ihr Unternehmen nicht mit gefälschten Anrufen arbeitet?

In seiner Antwort verwies er allgemein auf die damals noch nicht abgeschlossenen Vorschläge für neue Gewinnspielregeln und schrieb, „künftig“ könnten die Landesmedienanstalten auf gezielte Beschwerden von Zuschauern hin die Echtheit der eingegangenen Anrufe überprüfen.

Ich fragte nach:

Wenn ich Ihre Mail richtig verstehe, lehnen Sie eine Offenlegung der Telefon-Verbindungsdaten zum jetzigen Zeitpunkt ab. Sie sprechen mir gegenüber ausschließlich von „künftigen“ Möglichkeiten. In Ihrer Klage gegen call-in-tv.de geht es aber nicht um künftige Fälle, sondern um vergangene Fälle.

Verstehe ich Sie richig? Sie sagen, Ihr Unternehmen könne jederzeit beweisen, dass es keine Anrufe fälsche, lehnt es aber im Moment ab, dies zu tun?

Anders gefragt: Gibt es irgendein Verfahren, in dem Sie sich vorstellen können, diesen Beweis, den Sie nach eigenen Aussagen „jederzeit“ führen können, in Bezug auf die Sendungen der vergangenen Wochen zu führen?

In seiner Antwort erklärte er, ich hätte seine vorige Mail falsch interpretiert. Sein Unternehmen speichere heute schon Telefonverbindungsdaten in ausreichender Länge, um zum Beispiel die Landesmedienanstalten in die Lage zu versetzen, auch „rückwirkende Investigationen“ in Bezug auf die Echtheit der Anrufer zu ermöglichen. Darüber hinaus bot er mir an, auch mir gegenüber einen Nachweis zu führen, dass die Anrufer in von mir ausgewählten Sendungen echt gewesen seien. Details, insbesondere in Hinblick auf den Datenschutz, müsse er noch mit seinem Juristen besprechen.

Am 27. Juni schrieb ich Mayerbacher, dass ich sein Angebot gerne annehmen würde, und erkundigte mich, ob er schon wisse, in welcher Form er den Nachweis führen könne. Mayerbacher antwortete nicht.

Am 30. Juni fragte ich Mayerbacher, ob er meine Anfrage erhalten habe. Mayerbacher antwortete nicht.

Am 3. Juli fragte ich noch einmal nach, ob er schon eine Idee habe, in welcher Form und wem gegenüber er, wie angegeben, die Telefon-Verbindungsdaten offenlegen könnte. Mayerbacher antwortete nicht.

Am 10. Juli erkundigte ich mich, ob sein Angebot vom 15. Juni, mir gegenüber den Nachweis über die Echtheit der „Money Express“-Anrufe zu führen, noch gelte. Mayerbacher antwortete nicht.

Natürlich beweist das nichts. Die Tatsache, dass Callactive die Echtheit der Anrufe nicht beweisen will, bedeutet nicht, dass dass sie es nicht könnte. Warum sollte sie es auch tun, wenn das Geschäft gut läuft, man diese unfassbare Glückssträhne hat, was die durchgestellten Anrufer mit falschen Antworten angeht, eine Medienaufsicht nicht existiert und man Kritiker und Mahner mithilfe von Gerichten zum Schweigen bringen kann?

Alle Einträge zum Thema Callactive.

Wissenswertes über Kalle Schwensen

Nachtrag, 20. Januar 2009. Aufgrund einer Abmahnung von Karl-Heinz Schwensen habe ich alle Nennungen seines langjährigen Spitznamens nachträglich entfernt bzw. geschwärzt.

Am 6. März 1997 veröffentlichte der „Stern“ ein langes Interview mit der damaligen Hamburger Kiez-Größe Karl-Heinz Schwensen. Noch vor seinem bürgerlichen Namen und deutlich fetter nannte das Magazin im Vorspann den Namen, unter dem Schwensen damals bekannt war: „        -Kalle“.

"Ich habe noch nie die CONTENANCE verloren". *****-KALLE Karl-Heinz Schwensen: "Pate von St. Pauli" oder "Roberto Blanco der Unterwelt"? Der Hamburger Rotlicht-King über Sex und Stil, Geschäft und Gewalt

Die Interviewer sprachen Schwensen auch auf diesen eigentlich rassistischen und diskriminierenden Spitznamen an:

STERN: Ihre Kiez-Kollegen hören auf so schöne Namen wie Himbeer-Toni und Corvette-Ralf. Wer hat Sie bloß         -Kalle getauft?

SCHWENSEN: Das ist meines Wissens eine Wortschöpfung der Staatsanwaltschaft Hamburg.

STERN: Schlagen Sie zu, wenn Sie jemand         -Kalle nennt?

SCHWENSEN: Ach was. Ich gehe zur Maniküre. Ich will doch meine Finger nicht ruinieren. Ich habe so zarte Hände, daß ich schon beim Koffertragen auf dem Flughafen Blasen an den Händen bekomme. (…)

STERN: Sind Sie als Kind wegen Ihrer Hautfarbe gehänselt worden?

SCHWENSEN: Aber klar doch. Kinder sind halt ehrlich. Wenn man sich stritt, sagte man „Du Sau“ oder „Du Idiot“. Bei mir hieß es dann eben: „Du Neger!“ Das ist doch bei Kindern ganz normal. Ich mag zum Beispiel ebenso Witze über Neger wie über Ostfriesen, aber deswegen fühle ich mich in keinster Weise als Rassist.

STERN: Eine Kostprobe?

SCHWENSEN: Was ist der Unterschied zwischen einem Winterreifen und einem Neger? Der Winterreifen singt keine Gospels, wenn er in Ketten gelegt wird. Wenn man über bestimmte Menschen oder Rassen keine Witze machen darf, grenzt man sie bereits aus und diskriminiert sie damit indirekt.

Zum Zeitpunkt dieses Interview wurde Schwensen auf dem Kiez schon lange „        -Kalle“ genannt, und Medien wie der „Spiegel“ verbreiteten diesen Namen. Als der „Spiegel“ 1986 beispielsweise über Schwensens mutmaßliche Verwicklung in eine spektakuläre Bluttat berichtete, bezeichnete er ihn als „den farbigen Disco-Besitzer Karl Heinz Schwensen, genannt ‚        -Kalle'“.

Kaum ein Medium verzichtete in den beiden folgenden Jahrzehnten auf diesen farbigen Zusatz, wenn es über Schwensen berichtete, und es berichteten viele über Schwensen: „Süddeutsche Zeitung“, „Zeit“, „Bild“, „Die Woche“, „Welt“, „Playboy“, „Max“, „Kicker“, „FAZ“, „Tagesspiegel“, „Stuttgarter Zeitung“ — selbst die Nachrichtenagentur dpa verwendete „        -Kalle“ erstaunlich distanzlos als Synonym für Karl Heinz Schwensen — und als Erklärung, um wen es sich handelt.

Am 1. April 2001 erschien in der „Welt am Sonntag“ sogar ein Gastbeitrag von Kalle Schwensen. Er machte den Lesern darin unter der Überschrift „Wie werde ich verrucht?“ drei entsprechende Vorschläge. Unter dem Artikel stand: „Karl Heinz Schwensen, 45, ist als ‚        -Kalle‘ eine bekannte Kiez-Größe.“

Wichtig ist: Schwensen benutzt in keiner Quelle, die ich gefunden habe, selbst das Wort         kalle. Es gibt aber Indizien, dass ihm die Bezeichnung früher noch nicht unangenehm war. 1998 trat Schwensen in dem Musikvideo „Dein Herz schlägt schneller“ der HipHop-Gruppe Fünf Sterne Deluxe auf. Er sagt gleich am Anfang den Satz: „Hier kommt die Band, die bald so bekannt ist wie ich auf dem Kiez.“ Die erste Zeile des Stücks selbst, die unmittelbar darauf folgt, lautet: „Hier kommt die Band, die bald so bekannt ist wie         -Kalle auf dem Kiez.“

[Nachtrag, 20. Januar 2009: Aus rechtlichen Gründen darf ich nicht mehr auf das Video verlinken.]

Im Juni 2005 meldete die Nachrichtenagentur AP dann:

Die frühere Hamburger Kiezgröße Karl Heinz Schwensen wehrt sich juristisch gegen die Benutzung seines seit Jahrzehnten bekannten Spitznamens „        kalle“. Der Begriff sei „eine rassistische Bezeichnung, die geeignet ist, Herrn Schwensen herabzuwürdigen und zu beleidigen“, teilte sein Anwalt Sven Krüger am Freitag in Hamburg mit. Eine von ihm beantragte Einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung des Spitznamens sei vom Landgericht Hamburg erlassen worden, sagte der Anwalt.

Im Dezember 2005 — Schwensen war inzwischen „Manager“ der kurzzeitig wiederbelebten Gruppe „Tic Tac Toe“ — berichtete die „Hamburger Morgenpost“ in ihrer Serie „Paulis Paten“ ausführlich über Schwensen, zählte seine erheblichen Vorstrafen auf und zeigte wenig Sympathie für seinen Versuch, den berüchtigten Namen wieder loszuwerden:

(…) Karl-Heinz Schwensen, am 30. August 1953 in tiefer bayerischer Provinz als Kind eines farbigen US-Soldaten und einer Deutschen geboren, erinnert sich plötzlich daran, dass er schon seit Kindesbeinen unter Diskriminierung leidet: „Ich bin nicht mehr gewillt diesen Rassismus hinzunehmen.“ Und das Hamburger Landgericht gibt dem armen Mann Recht, verbot der MOPO den gemeinen Namen zu drucken. (…)

Auch andere Zeitungen hörten von Schwensens Anwalt, so im Mai 2006 die „taz“. Er verlangte, dass die Zeitung „in etwaiger zukünftiger Berichterstattung“ die „Verwendung des diskriminierenden […] Pseudonyms“ unterlasse. Obwohl die „taz“ danach keinen weiteren Artikel mit der beanstandeten Bezeichnung gebracht hatte, bekam sie wenig später eine Abmahnung. Sie richtete sich gegen lange vorher veröffentlichte „taz“-Artikel, die über das Online-Archiv zugänglich waren. Mitte Juni 2006 erwirkte Schwensen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg gegen die „taz“, die ihr untersagte, alte „taz“-Artikel, in denen Schwensen als „        kalle“ bezeichnet wird, online zugänglich zu machen.

Die „taz“ legte Widerspruch ein — und unterlag, auch im Hauptsacheverfahren. Am 25. Mai 2007 gab die Pressekammer des Hamburger Landgerichtes der Klage Schwensens statt. Die „taz“ hat nach den Worten von Justiziar Peter Scheibe Berufung gegen das Urteil eingelegt. Für die nächste Instanz, das Hamburger Oberlandesgericht, gibt es zwar wenig Hoffnung auf ein anderes Urteil: Das Hamburger Gericht ist bekannt dafür, im Zweifel in viel stärkerem Maße als andere Gerichte gegen die Meinungsfreiheit zu entscheiden. Es bliebe dann aber noch die Möglichkeit zur Revision beim Bundesgerichtshof.

Und was macht Kalle Schwensen in der Zwischenzeit? Er lässt abmahnen. Eine Reihe von Blogs (neunzehn72.de, ap-project, Pleitegeiger, MC Winkel), in denen Herr Schwensen mit seinem alten Rufnamen bezeichnet wurde, haben in den vergangenen Tagen die Aufforderung von Schwensens Anwalt bekommen, innerhalb von zehn Tagen eine Unterlassungserklärung abzugeben. Allein für die Abmahnung sollen sie jeweils knapp 900 Euro zahlen.

[Anmerkung: Ich habe den Nachtrag, der hier ursprünglich stand, entfernt, weil es den geschäftlichen Zusammenhang zwischen SonyBMG und Herrn Schwensen, den ich unterstellt hatte, vermutlich nicht gibt.]

Nachtrag, 19.30 Uhr. In den Kommentaren bei MC Winkel äußert sich offenbar Herrn Schwensen selbst zu der Sache. Mehr zur Abmahnwelle steht auch im Abmahnblog und im RA-Blog. Thomas Klotz analysiert dort:

Dass sich bei der heutigen political correctness (abgesehen von irgendwelchen Nazis ohne Impressum) überhaupt jemand traut, den „Betroffenen“ als N****-Kalle zu bezeichnen, ist allein dessen eigenem Verhalten geschuldet und der daraus resultierenden Tatsache, dass die Autoren, egal ob Medien, Blogger oder sonstige Schreiber, dessen Einverständnis voraussetzen. Dass derjenige nicht einverstanden ist, müsste die breite Öffentlichkeit erst mal erfahren.

Betrug mit meinem Namen

Wichtiger Hinweis in eigener Sache:

Ein Betrüger verschickt mit meinem Namen als Absender und unter Hinweis auf mein Blog gerade E-Mails, in denen zu Spenden für das Forum call-in-tv.de aufgerufen wird. Diese Mails sind nicht von mir.

Nachtrag, 15.40 Uhr. Die Mails sind offenbar massenhaft verschickt worden. Ich werde Strafanzeige gegen unbekannt erstatten.

Mike Kluge bringt die Sache aufs Komma

Mit der Tour de France endete heute vermutlich auch die junge Sportkommentatoren-Karriere des ehemaligen Radrennprofis Mike Kluge auf Sat.1. Kluge hatte anfangs angekündigt, überhaupt nicht über Doping reden zu wollen. Das gelang ihm nicht ganz. Immerhin schaffte er es aber, das Wort an sich weitgehend zu vermeiden. Was der Verständlichkeit seiner Analysen nur minimalen Abbruch tat.

Mike Kluge über die Verdachtsmomente gegen Alberto Contador:

Es gibt in jedem Fall einen unangenehmen Beigeschmack, und, wie ich vorhin sagte, man muss da noch ein bisschen abwarten, vielleicht gibt’s da Neuigkeiten, noch während der Tour, ich hoffe es für den Radsport nicht, aber ich kann jetzt auch keinem mehr auch so wirklich glauben, zu oft wurde die Unschuld beschworen, und letztendlich kamen doch ganz andere Ergebnis heraus, also, von daher ist es im Moment wirklich ein Weg, der bisher in die Sackgasse ging, und ich hoffe einfach mal, dass durch die Vorfälle, die wir jetzt hatten, durch die Offenbarung der, ich sag mal, verschiedenen, Vorfälle, auch jüngst, ich sag mal, auch, man schreckt nicht mehr zurück, auch einen Mann wie Rasmussen, in der Führung in der Tour de France aus dem Gelben Trikot zu nehmen, also auch, wo man bisher dachte, kann niemals sein, glaub ich nicht, also, alle Konsequenzen werden hier im Moment gezogen, was ich gut finde, was notwendig ist, um einfach die, die es vielleicht immer noch nicht begriffen haben, auf jeden Fall abschrecken.

Mike Kluge über die spanische Euphorie:

Ich würde mir natürlich wünschen, dass, so kritisch, wie hier in Deutschland damit umgegangen wird, dass das, ich sag mal, in allen Nationen, in allen Ländern so entsprechend umgesetzt wird, nur denn wird’s auch eine Gleichberechtigung gegeben, weil, was natürlich traurig sein wird, wenn das so in etwa weitergehen wird, dass wir, ich sag mal, mit zu der führenden kontrollierenden Nation gehören, und die Ausländer, und gehen wir dabei ruhig mal weiter in Richtung Olympiade im nächsten Jahr, man da ganz andere Kontrollsysteme hat, auch im Grunde in den einreisenden Kontrolleuren erst große Probleme mit Visa-Beschaffung, ich sag mal, jemand belastet, ist natürlich klar, dass man da natürlich nicht mit gleichen Maßen messen kann, also von daher ist es also ganz wichtig, dass da auch die Wada, also die World Anti Doping Agency, guckt, dass sie flächen-, also, weltumspannend da entsprechend die gleichen Kontrollen hat, damit ich mir auch sicher sein kann, dass, egal wo ich hinkomm, wird nach dem gleichen System und Intensität kontrolliert, weil, ansonsten wär’s natürlich eine ungerechte Sache.

Mike Kluge über die Möglichkeit, dass die Straßenrad-WM in Stuttgart ausfällt:

Ja, das wären traurige Umstände, die dafür im Moment sprechen, hoffe aber nicht, dass sie eintreten, in der Vergangenheit haben sich immer wieder sozusagen Fachleute auch gerade aus der Politik gemeldet, jeder hat da so’n bisschen seine Meinung zu preisgegeben, ohne genau eigentlich zu wissen, wie der Stand eigentlich genau ist, einfach nur die Information, die so, ich sag mal, boulevardmäßig verteilt werden, aber man darf halt nicht vergessen, es dreht sich da um einen großen Sportbereich, den Radsport, und man darf nicht anhand von Eeinzelfällen, die wir hier nun aufgedeckt haben, Gottseidank, und damit ein Weg in die richtige Richtung, es kann nicht mehr so einfach betrogen werden, und ich hoffe, dass die Untersuchungsergebnisse und Möglichkeiten in der Zukunft mal soweit reichen, dass da keiner mehr durchrutscht, und dann haben wir doch mit diesen ganzen Vorfällen hier, so traurig und so groß der Schaden auch ist für die Tour de France und den Radsport, doch einen Weg in die richtige Richtung gemacht, aber ich hoffe zumindest für den deutschen Radsport, dass man ihn nicht fallen lässt, dass auch die Sponsoren daran festzuhalten, weil, das wäre, glaube ich, jetzt der falsche Zeitpunkt, auch, ich sag mal, was so in der Nachwuchs-, Jugend-, Vereinsebene gemacht wird, man will die Kinder von der Straße wegholen, natürlich hat man damit nicht die idealen Vorbilder, ohne Frage, das muss sich ändern, da muss intensiv dran gearbeitet werden, und die Fahrer, die sich herauskristallisieren von den Spitzenprofis, die müssen wieder als Vorbild genutzt werden, sofern man halt sicher ist, und wenn man diese einsetzt, sollte allerdings auch die Strafe, für den Fall, dass da was dochmal auftauchen sollte, immens hoch sein, und sehr schmerzhaft.

[Alle O-Töne aus der Tour-de-France-Übertragung auf Sat.1 vom 26. Juli.]