Autor: Stefan Niggemeier

Monika Piel

Bestimmt gibt es einen Grund, warum die WDR-Intendantin Monika Piel den „Presseclub“ moderiert und nicht jemand, der sowas kann.

Schön wäre zum Beispiel jemand, der es schaffte, bei der Begrüßung von vier Journalisten die Namen von mehr als zwei Zeitungen richtig auszusprechen. Aber das wäre sogar optional, wenn es nur jemand wäre, der wüsste, wer diese Menschen überhaupt sind, mit denen er oder sie da eine Dreiviertelstunde lang am Sonntagmorgen über Politik redet. Und, in einer idealen Welt, die Zuschauer an diesem Wissen sogar teilhaben ließe.

Also eine Moderatorin, die am vergangenen Sonntag Udo Ulfkotte nicht nur als „Publizisten“ vorgestellt hätte, ohne jeden weiteren Hinweis, was er wo publiziert. Eine Moderatorin, die gewusst und gesagt hätte, dass Ulfkotte, der bis 2003 FAZ-Redakteur war, längst weniger Journalist ist als Politiker, seit einem Monat prominentes Mitglied der rechtspopulistischen Bremer Wählervereinigung „Bürger in Wut“* und bekanntermaßen seit längerer Zeit schon intensiv mit der Gründung einer bundesweiten Anti-Islam-Partei beschäftigt (selbst auf der Homepage zur Sendung fehlt jeder Hinweis darauf). Eine Moderatorin, die es wichtig gefunden hätte, dass die Zuschauer in dieser Diskussion über die Bedrohung durch Terroristen wissen, wie Ulfkotte zum Islam steht, über dessen Möglichkeit zur „Läuterung“ er laut „Tagesspiegel“ gesagt hat: „Der Dialog wird immer als Hoffnung dargestellt, aber es wird ihn nicht geben.“ Eine Moderatorin, die jede Diskussion über Ulfkottes durchaus radikale Positionen, seine mangelnde Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus und seine Rhetorik auch in der Sendung von „den Moslems“ auf der einen Seite und „uns“ auf der anderen, nicht schon dadurch verhindert hätte, dass sie diese Positionen stellvertretend für Ulfkotte verklärte und entschärfte.

Aber der „Presseclub“ wird ja nicht von so einer Moderatorin geleitet, sondern von Monika Piel. Einer ARD-Journalistin, die unbeschwert die überraschende (und falsche) These in die Runde warf, man dürfe in Deutschland, wenn man das Grundgesetz ändern würde, auch vollbesetzte entführte Linienflugzeuge abschießen lassen, um zu verhindern, dass sie als Waffen missbraucht werden. Die sich zum Dolmetscher und Weichspüler eines Populisten machte, dessen politische Ambitionen sie nicht einmal andeutete. Und die die Diskussion mit verblüffender Logik begann: „Die versuchten Anschläge in London und in Glasgow haben gezeigt, dass (…) es nicht nur die Briten, sondern auch die Deutschen treffen könnte.“

Wenn es nicht so schlimm wäre, könnte man darüber lachen.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

*) In der „Sonntagszeitung“ steht „Bürger in Not“ statt „Bürger in Wut“, was mein Fehler war und sehr peinlich ist.

Schwarzer-Humor

Alice Schwarzer wirbt für „Bild“.

Die Frau, die vor knapp 30 Jahren den „Stern“ wegen sexistischer Titelbilder verklagt und vor knapp 15 Jahren Aktfotos von Helmut Newton „sexistisch“, „faschistisch“ und „rassistisch“ genannt hat, wirbt für das Blatt, das vielleicht mehr als jedes andere gegen die Gleichstellung der Frau getan hat, in dem irgendwelche Studentinnen zu sexsüchtigen „Nymphomaninnen“ werden und jeden Tag Hupen-Alarm ist und das über eine Mittvierzigerin, die gerade erfahren hat, dass ihr Mann als Mörder gesucht wird, schreibt, es sei für sie „wie ein Hauptgewinn im Lotto“ gewesen, dass sie „noch mal einen zehn Jahre jüngeren Mann abgreifen“ konnte.

Erster Gedanke: Die haben sie nicht gefragt. Die nehmen sie einfach als Werbefigur, ohne eine Genehmigung einzuholen.

Falsch. Die haben sie gefragt. Sie haben bei Frau Schwarzer angefragt, ob sie gegen ein Honorar für „Bild“ werben will, und sie hat Ja gesagt.

Zweiter Gedanke: Sie muss einen guten Grund haben. Als „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann eine Werbeaktion mit willigen, sexgeilen jungen Frauen erfand, diagnostizierte Schwarzers Zeitschrift „Emma“ bei ihm noch einen „sehr persönlichen Trend zur Pornografie“ und urteilte über die Kampagne, sie ziele „auf eine Verhurung aller Frauen“. Als Sibel Kekilli „Bild“ öffentlich wegen der „dreckigen Hetzkampagne“ gegen sie angriff, lobte „Emma“ sie noch für ihren „Löwinnenmut“. Als die „Bild“-Zeitung vor zweieinhalb Jahren eine Papstaudienz bekam, schrieb „Emma“ noch über die „bigotte Mischung von Frömmelei und Obszönität“ der „Bild“-Zeitung und kennzeichnete das tägliche Seite-1-Mädchen als „die übliche heiße Hündin mit verblödetem Blick und gespitzten Ficklippen“.

Aber vielleicht findet Alice Schwarzer ja, dass „Bild“ sich gebessert hat. Vielleicht hat sie kein so kritisches Verhältnis mehr zu „Bild“ und zweifelt nicht mehr so sehr an dem Wahrheitgehalt dessen, was „Bild“ schreibt. Vielleicht hat sie irgendeinen Grund gefunden, der dafür spricht, für diese Zeitung jetzt doch und trotz allem zu werben.

Falsch. Auf ihrer Homepage beantwortet Alice Schwarzer die Frage, warum sie an dieser Werbeaktion teilnimmt, so:

Ganz einfach, weil ich finde, dass es nicht schaden kann, wenn in so einer Runde — von Gandhi bis Willy Brandt — auch mal eine Frau auftaucht. Und eine sehr lebendige noch dazu.

Sie selbst.

Womöglich hat sie nicht gemerkt, dass die anderen in dieser Runde — von Gandhi bis Willy Brandt — sich nicht mehr dagegen wehren konnten, von „Bild“ zu „Bild“-Werbefiguren gemacht zu werden. Womöglich glaubt sie sogar, dass „Bild“ mit dieser Kampagne für sie wirbt und nicht sie für „Bild“.

Jedenfalls findet Alice Schwarzer es gut, dass Alice Schwarzer ihren verdienten Platz bekommen hat. Als Alice Schwarzer findet sie es gut. Und als Frau. Denn sie macht das ja nicht nur für sich. Sie macht das als Kämpferin für die Gleichberechtigung: Wo kämen wir denn da hin, wenn nur Männer für dieses bigotte, frauenverachtende Blatt würben?

Von Nornen und externen Nasebohrern

„Norman E. Mailer“ hat sich die Mühe einer detaillierten Bildbetrachtung einer Aufnahme des „Welt“-Newsrooms gemacht.

… Unterstützt wird die maschinelle Unerbittlichkeit des auf die Zukunft gerichteten Prozesses durch die Exponiertheit der technischen Bildschirmaufhängungen, die mit ihren kalten Industriefarben (grau und metall) auf das Fließband als Vorbild tayloristischer Produktionsweisen deuten. Die suggerierte Flexibilität durch schwenkbare Bildschirme wird konterkariert durch die Einheitlichkeit der Ausrichtung und einheitliche Höhe der Bildschirmjustage. Als weiteres, fast schon nostalgisches Attribut journalistischen Arbeitens ist jedem Bildschirm ein Telefon beigesellt. Form und Ausgestaltung der Telefone gemahnen jedoch eher an die Verwendung als „Abteilungstelefone“, als dass sie auf den Verwendungszweck des Telefons als Werkzeug echter Recherche verweisen. Überhaupt ist es nur schwer vorstellbar, dass in der dargestellten Situation von einem, geschweige denn von mehreren dieser Apparate Telefonat geführt werden. …

Sensationell. Lesen!

Wie man aus nichts eine Meldung macht

Auch Herr Knüwer verzweifelt an der schlechten Arbeit der Nachrichtenagenturen und der vielfachen Verbreitung ihrer Fehler. Sein Aufhänger ist die Meldung, die man zum Beispiel bei „Spiegel Online“ unter der Überschrift „Rowling schürt Hoffnung auf achten Band“ lesen kann. Es ist eine Überschrift, die am Montag sicher häufig geklickt wurde, und sie ist falsch.

Man kann sich nämlich ansehen, was Joanne K. Rowling am Freitag in der BBC zu Jonathan Ross über die Zukunft von Harry Potter gesagt hat, und es war wörtlich:

I think that Harrys story comes to quite a clear end in book seven. But I’ve always said that I wouldn’t say never. I can’t say I’ll never write another book about that world, just because I think: What do I know, in ten years‘ time I might want to return to it. But I think it’s unlikely.

(Ich finde, Harrys Geschichte findet im siebten Band ein klares Ende. Aber ich habe immer gesagt, dass ich nie nie sagen würde. Ich kann nicht sagen, dass ich nie wieder ein Buch über jene Welt schreiben werde, einfach weil ich denke: Ich weiß ja nicht, ob ich nicht in zehn Jahren vielleicht dazu zurückkehren will. Aber ich glaube, das ist unwahrscheinlich.)

Sie spricht nicht von einem Harry-Potter-Buch, sondern von einem Buch, das in dessen Welt spielt, und sie macht selbst darauf wenig Hoffnung. Und doch steht das Gegenteil überall, nicht nur online. Quelle ist die Nachrichtenagentur AFP, die seit Montagnachmittag mehrere entsprechende Meldungen sowohl international als auch auf deutsch verbreitet. Herr Knüwer fragt sich, warum überhaupt erst jetzt, wenn doch das BBC-Interview am Freitag war. Die Antwort ist einigermaßen erschütternd: Weil AFP das Zitat umdatiert und in einen anderen, spannenderen Kontext gerückt hat:

Fans der Romanserie „Harry Potter“ können möglicherweise aufatmen: Die Schriftstellerin Joanne K. Rowling ist am Montag von ihren vorherigen Äußerungen abgerückt, sie wolle die erfolgreiche Reihe nicht fortsetzen. „Man soll nie nie sagen“, erklärte Rowling nach Angaben ihres Verlags Bloomsbury. (…)

Mit ihrer Erklärung reagierte Rowling auf eine am Montag im Internet gestartete Initiative zur Fortsetzung der Romanserie. (…)

Aber hat sie das nicht schon am Freitag gesagt, also vor dem Start der Unterschriftenaktion im Internet? Ja, hat sie. Und auf Nachfrage am Montag hat ein Sprecher offenbar auch nur bestätigt: „As she said on Friday night in her BBC interview with Jonathan Ross — never say never.“

Wenn Rowling also von früheren Erklärungen abgerückt ist, dann nicht als Reaktion auf die neuen Protestinitiativen. Im BBC-Interview sagt sie aber ausdrücklich, sie sei von gar nichts abgerückt („I’ve always said…“). Und tatsächlich findet sich zum Beispiel eine Meldung der Nachrichtenagentur AP vom 4. März 2004, in der sie die Frage, ob sie nach dem siebten Band weitere Harry-Potter-Bücher schreibe wolle, so beantwortet:

„Probably not. But I’ll never say never because every time I do, I immediately break the vow.“

Auch am Wortlaut von Rowlings Sätzen in der BBC hat AFP ein bisschen geschraubt. In der deutschen Meldung wird sie mit den Worten zitiert, Harrys Geschichte nehme „traurigerweise“ im siebten Roman einen ziemlich deutlichen Ausgang. In der englischen AFP-Meldung ist der ganze Satz zitiert: „I think that Harry’s story comes to quite a clear end, sadly.“ Aber das „sadly“, das so gut zur Mär von der Autorin passt, die nicht mehr aufhören kann, über ihren Helden zu schreiben, hat sie im Original nicht gesagt.

Wie man es dreht: Die Nachricht ist keine Nachricht. Es ist nur genau die Geschichte, die die Journalisten schreiben und die Leute lesen wollen, und deshalb steht sie überall.

n-tv.de spart journalistische Energie

Wie nett: Der Energieversorger EnBW unterstützt die Journalisten von n-tv.de bei der Produktion eines großen Schwerpunktes zum Thema Energie. Sorgt mit Geld und Know-How für, öhm, redaktionelle Qualität.

Die „taz“ findet dieses „Energie Spezial — unterstützt von EnBW“, das auch den umweltpolitischen Positionen des Unternehmens breiten Raum gibt, merkwürdig. Und ein Vertreter des (nicht zuständigen) Presserates sagt, das hätte „mehr als ein Geschmäckle“, sich die Berichterstattung über ein Unternehmen von diesem Unternehmen sponsern zu lassen. Aber Tilman Aretz, Chef der sogenannten „Nachrichtenmanufaktur“, die die Online-Seiten von n-tv füllt, gibt Entwarnung: Einfluss auf die redaktionellen Inhalte habe der Stromkonzern nicht gehabt, sagt er gegenüber der „taz“. „Wir achten streng auf unsere Unabhängigkeit.“

Nee, ist klar.

Im folgenden stehen jeweils links einige unabhängige Zitate aus dem n-tv.de-Spezial. Und rechts einige EnBW-Sätze zum selben Thema:
 

n-tv.de-Eigenrecherche EnBW-Material
Schätzungen zufolge bieten die auf die europäischen Küsten treffenden Wellen ein Potenzial von 300 Gigawatt. Würde man nur 10 Prozent der im Wasser gebundenen Energie nutzen, könnten rund zehn Millionen Haushalte europaweit mit Strom versorgt werden. Das Wellenkraftwerk an der Nordseeküste soll eine elektrische Leistung von 250 Kilowatt erzielen. Schätzungen zufolge bieten die auf die europäischen Küsten treffenden Wellen ein Potenzial von 300 Gigawatt. Würde man nur 10 Prozent der im Wasser gebundenen Energie nutzen, könnten rund zehn Millionen Haushalte europaweit mit Strom versorgt werden. Das Wellenkraftwerk an der Nordseeküste soll eine elektrische Leistung von 250 Kilowatt erzielen.
Schon seit 1898 wird die Kraft des Rheins in den Stromschnellen von Rheinfelden zur Stromerzeugung genutzt. (…) Nach mehr als 100 Jahren wird das Flusskraftwerk nun um- und ausgebaut. Der Rhein hat mehr Kraft, als die alten Turbinen heute ausnutzen können. Die Energiedienst AG, eine Tochtergesellschaft der EnBW, realisiert das ehrgeizige Projekt in Etappen. Es ist das bundesweit größte Bau- und Investitionsvorhaben im Bereich Erneuerbarer Energien. Man rechnet mit Kosten von 400 Millionen Euro. Seit 1898 wird die Kraft des Rheins in den Stromschnellen von Rheinfelden zur Stromerzeugung genutzt. Nach über 100 Jahren wird das älteste Flusskraftwerk Europas nun um- und ausgebaut, denn der Rhein hat viel mehr Kraft, als die alten Turbinen heute ausnutzen können. (…)Die Energiedienst AG, eine Tochtergesellschaft der EnBW, realisiert das ehrgeizige Projekt in Etappen. Schließlich ist es das bundesweit größte Bau- und Investitionsvorhaben im Bereich Erneuerbarer Energien – mit erwarteten Kosten von 400 Millionen Euro.
„Die Anlage soll zeigen, wie die Biogaseinspeisung über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Biogas-Erzeugung über die Veredelung und Einspeisung bis zur Ausleitung und energetischen Nutzung – kosteneffizient und nachhaltig organisiert werden kann“, sagt Andreas Renner, Leiter der Steuerungsgruppe Regenerative Energien der EnBW. „Als Partner der Landwirte wollen wir zeigen, wie die Biogaseinspeisung über die gesamte Wertschöpfungskette kosteneffizient und nachhaltig organisiert werden kann, angefangen bei der Biogas-Erzeugung über die Veredelung und Einspeisung bis zur Ausleitung und energetischen Nutzung in einem Blockheizkraftwerk,“ sagt Ralf Biehl, Geschäftsführer der Erdgas Südwest.
Der Wind peitscht die Wellen auf die deutsche Nordseeküste zu. Immer wieder schwappt das Wasser in stetigem Auf und Ab an die Deiche und Hafenmauern. Genau diese Bewegung nutzen Wellenkraftwerke. Sie wandeln die Energie der Meereswellen in elektrischen Strom um. (…)
Man braucht eine stabile    Kammer, die auch heftigen Stürmen trotzt. Die Kammer zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen Boden hat: der Teil, der unter der Wasserlinie liegt, ist offen. Durch den ständigen Wellenhub bewegt sich das Wasser in der Kammer auf und ab und presst die darüber liegende Luft im Rhythmus der Wellen zusammen, so ähnlich wie der Kolben die Luft in einer Luftpumpe. Die meisten Wellenkraftwerke sind solche „OWC-Kraftwerke“. OWC steht für „oscillating water column“, was so viel bedeutet wie „schwingende“ oder „sich bewegende Wassersäule“. Die Luft durchströmt eine so genannte Wells-Turbine. Wenn das Wasser steigt, strömt die Luft in die eine, wenn die Wellen zurückgehen, in die andere Richtung. Der Clou an der Wells-Turbine: Egal, ob die Luft vor oder zurückströmt, sie dreht sich immer in dieselbe Richtung. Der Generator wandelt diese Drehbewegung in Strom um, der dann über einen Transformator ins Netz eingespeist wird. Strom aus Wellen ist absolut emissionsfrei benötigt keinerlei Brennstoff.
Ein Wellenenergie-Kraftwerk dieser Art ist bereits auf der schottischen Insel Islay in Betrieb. Es wurde von der Voith Siemens Hydro Power Generation gebaut. Zusammen mit der Voith Siemens und unterstützt durch das Land Niedersachsen entwickelt die EnBW ein solches OWC-Wellenkraftwerk nun für die deutsche Nordseeküste.
Mit einer Leistung von 250 Kilowatt und einer Jahresstromerzeugung von 400.000 Kilowattstunden könnten etwa 120 Haushalte mit Strom versorgt werden. An den europäischen Küsten hat die in Meereswellen vorhandene Leistung ein theoretisches Potenzial von 300 Gigawatt. Bei einer realistischen Ausnutzung von zehn Prozent könnten zehn Millionen Haushalte mit Strom aus Wellenenergie versorgt werden.
Der Wind peitscht die Wellen auf die deutsche Nordseeküste zu. Immer wieder schwappt das Wasser in stetigem Auf und Ab an die Deiche und Hafenmauern. Und genau diese Bewegungsenergie kann durch ein so genanntes OWC-Wellenkraftwerk in Strom verwandelt werden. Zuerst braucht man eine stabile Kammer, die auch Stürmen über Jahre standhält. Diese Kammer zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen Boden hat, das heißt, mit dem Teil der unter der Wasserlinie liegt, offen ist. Durch den ständigen Wellenhub bewegt sich das Wasser in ihr auf und ab und presst die darüber liegende Luft im Rhythmus der Wellen zusammen, so ähnlich wie der Kolben die Luft in einer Luftpumpe. Die Abkürzung OWC steht für die englische Bezeichnung „oscillating water column“, was so viel bedeutet wie „schwingende“ oder „sich bewegende Wassersäule“.
Die Luft durchströmt eine so genannte Wells-Turbine wenn das Wasser steigt erst in die eine, und wenn die Wellen zurückgehen, in die andere Richtung. Der Clou an der Wells-Turbine: Egal, ob die Luft vor oder zurückströmt, sie dreht sich immer in dieselbe Richtung. Der Generator wandelt diese Drehbewegung in Strom um, der dann über einen Transformator ins Netz eingespeist wird.
Strom aus Wellen ist absolut emissionsfrei benötigt keinerlei Brennstoff.
Ein Wellenenergie-Kraftwerk dieser Art ist bereits auf der schottischen Insel Islay in Betrieb. Es wurde von der Voith Siemens Hydro Power Generation gebaut. Zusammen mit der Voith Siemens und unterstützt durch das Land Niedersachsen entwickelt die EnBW ein solches OWC-Wellenkraftwerk für die deutsche Nordseeküste.
Mit einer Leistung von 250 Kilowatt und einer Jahresstromerzeugung von 400.000 Kilowattstunden könnten etwa 120 Haushalte mit Strom versorgt werden. An den europäischen Küsten hat die in Meereswel- len vorhandene Leistung ein theoretisches Potenzial von 300 Giga- watt. Bei einer realistischen Ausnutzung von zehn Prozent könnten zehn Millionen Haushalte mit Strom aus Wellenenergie versorgt werden.

Bitte kommentieren Sie nach dem Piepston!

Man kann dem Blog der „Frankfurter Rundschau“ nicht vorwerfen, seinen Lesern Illusionen über die Bereitschaft der FR-Journalisten zu machen, sich auf einen Dialog mit ihnen einzulassen:

Sagen Sie uns, was Sie von der Schwerpunktausgabe der FR vom Freitag, 6. Juli, zum Thema Klimawandel halten. Und nur von dieser Ausgabe! (…)

Bitte erwarten Sie nicht, dass die Redaktion mitdiskutiert. Ihre Meinung, liebe Leserinnen und Leser, ist uns wichtig, aber die Redaktion ist schon dabei, die nächste Ausgabe der FR zu produzieren, und auf diese Aufgabe soll sie sich meiner Meinung nach konzentrieren. Ich werde im Rahmen meiner Möglichkeiten jedoch ansprechbar sein.

[via The Daily Mo]

Alles dpa — die Illusion der Medienvielfalt

Das „Begleitschreiben“-Blog hat noch ein Beispiel dafür, wie nachhaltig sich falsche Agenturmeldungen verbreiten — und in welchem Maße die Vielfalt der Online-Medien eine Illusion ist.

Es geht um den Bachmann-Preis, den Lutz Seiler am vergangenen Sonntag gewann – im ersten Wahlgang, mit sechs von neun Stimmen der Juroren. Die Agentur dpa berichtete ab 11.36 Uhr in mehreren kurzen Meldungen über die Wahl. Um 13.44 Uhr lieferte die dpa-Korrespondentin einen längeren Bericht mit den Worten:

Die Spannung hielt bis zur Kür der Preisträger zum Schluss am Sonntag. Mehrere Stichwahlen waren nötig, bis mit dem Berliner Lutz Seiler der Haupt-Preisträger feststand, der 25 000 Euro Preisgeld erhält.

Um 14.35 schickte dpa noch ein Portrait des Preisträgers hinterher, das die Korrespondentin verfasst hatte und in dem es hieß:

Auch als die Spannung bei der Wahl zum Haupt-Preisträger in Klagenfurt stetig stieg, weil immer neue Stichwahlen nötig waren, blieb der gebürtige Thüringer nach außen ruhig.

Das war natürlich Unfug — Stichwahlen waren nur bei den weiteren Plätzen nötig gewesen. In einer Agenturmeldung von AP von 13.26 Uhr stand es unter Verweis auf die österreichische Agentur APA richtig: „…überzeugte die Jury so sehr, dass er gleich im ersten Wahlgang sechs von neun möglichen Stimmen erhielt und damit unangefochten den Sieg davontrug…“. Und wenn man wollte, hätte man sich die Entscheidung live auf 3sat ansehen können.

Doch selbst die Homepage von 3sat verließ sich nicht auf das Programm von 3sat, sondern lieber auf die falsche dpa-Meldung. Als Gregor Keuschnig, der „Begleitschreiben“-Blogger, bei der Redaktion nachfragte, bekam er zur Antwort, es sei „in solchen Momenten einfach unabdingbar“, sich auf die Agentur zu verlassen.

Die „taz“ übernahm den Fehler sogar in ihre Druckausgabe. Und wer sich heute über den diesjährigen Bachmann-Preisträger im Internet zu informiert versucht, der wird fast zwangsläufig glauben, Seiler erst nach vielen Stichwahlen gekürt worden. Die falschen und bis heute nicht korrigierten dpa-Meldungen wurden und werden nach wie vor u.a. von „Spiegel Online“, tagesspiegel.de und orf.at und der „Netzeitung“ verbreitet — auf sueddeutsche.de sogar als Überschrift:

Anatomie eines Schlüsselerlebnisses

Am 30. Juni endete nach 16 Jahren der Vertrag von Volker Finke als Trainer beim SC Freiburg, und die letzten Wochen waren einigermaßen turbulent.

Aber das ist hier keine Sport-Geschichte, sondern eine Medien-Geschichte. Sie beginnt, wie so viele, in der „Bild“-Zeitung. Sie berichtet am Dienstag, Finke habe „trotz mehrfacher Aufforderung seine Schlüssel nicht abgegeben“. Der Verein habe deshalb die Schlösser ausgetauscht, schreibt „Bild“ und zitiert den neuen Sportdirektor Dirk Dufner mit dem Satz: „Ja – wir wollten einfach unsere Ruhe und keinen Ärger haben!“

Schöne Geschichte. In einer Meldung des Sport-Informationsdienstes (sid) von 11.45 Uhr am Dienstag liest sie sich dann so:

Finke gibt Schlüssel nicht ab
SC Freiburg tauscht Schlösser aus

Freiburg (sid) (…) Nach SC-Angaben hat Finke (…) trotz mehrfacher Aufforderung seine Schlüssel für den Management-Raum nicht abgegeben.

Aus diesem Grund tauschten die Freiburger in der vergangenen Woche vor der Abreise der SC-Profis in das Trainingslager nach Schruns sicherheitshalber die Schlösser aus. „Wir wollten einfach unsere Ruhe und kein Ärger haben“, sagte Sportdirektor Dirk Dufner der Bild-Zeitung.

Die Formulierung „nach SC-Angaben“ ist interessant. Bedeutet sie, dass der sid beim Verein selbst nachgefragt hat? Oder nur, dass der sid die angeblichen „SC-Angaben“ der „Bild“-Zeitung entnommen hat? Der sid will das auf Nachfrage nicht beantworten. Es könne beides bedeuten, sagt der diensthabende Chef vom Dienst, das gehe niemanden etwas an. Auf die Idee, in jedem Fall auch eine Stellungnahme Volker Finkes zu den Vorwürfen einzuholen, ist der sid jedenfalls nicht gekommen.

Auch nicht die Nachrichtenagentur dpa, wo die Geschichte am Dienstag um kurz nach 12 Uhr auftaucht. Hier scheint wenigstens die Quellenlage eindeutig:

Fußball-Trainer Volker Finke hat nach seinem Abschied vom SC Freiburg seine Schlüssel nicht abgegeben. (…) Der neue SC-Sportdirektor Dirk Dufner ließ daher in der vergangenen Woche die Schlösser zu den Management-Büros austauschen. „Ich habe keine andere Möglichkeit gesehen. Wir wollten ganz sicher gehen“, sagte Dufner am Dienstag und bestätigte einen Bericht der „Bild“-Zeitung.

Es scheint also keinen Grund zu geben, am Wahrheitsgehalt der Geschichte zu zweifeln — bis der Online-Auftritt der „Badischen Zeitung“ am Dienstagnachmittag mit einem Dementi überrascht:

(…) Ex-Trainer Volker Finke soll (…) — und seinen Schlüssel bei Vertragsende am 30. Juni nicht abgegeben haben, trotz mehrmaliger Aufforderung. Doch das ist falsch.

Gegenüber der Badischen Zeitung erklärte SC-Sportdirektor Dirk Dufner, dass Finke seinen Schlüssel sehr wohl abgegeben habe – und das fristgerecht. Warum er von der Nachrichtenagentur dpa im gegenteiligen Sinn zitiert wurde, ist Dufner ein Rätsel. (…)

Der Tausch der Schlösser sei nur eine „präventive Maßnahme“ gewesen. Am Tag darauf in der gedruckten Ausgabe der „Badischen Zeitung“ macht Dufner das „Rätsel“ noch konkreter: „Von denen“, sagt er auf dpa gemünzt, „hat keiner mit mir gesprochen.“

Das ist, wie so vieles in dieser Geschichte, nicht ganz falsch, aber noch lange nicht richtig. Und wir müssen kurz die Chronologie verlassen und zum Freitag vergangener Woche zurückgehen und zu einem Treffen, mit dem das ganze Drama begann. Am Rande des Trainingslagers des SC Freiburg stand Dufner offenbar mit ein paar Journalisten zusammen, ein Mann von dpa war dabei und der Kollege von der „Bild“-Zeitung, und man redete über Volker Finke. Und anscheinend erzählte Dufner bei dieser Gelegenheit auch von möglicherweise fehlenden Schlüsseln und der Schloss-Austauschaktion — vielleicht unter der Maßgabe, die Journalisten sollten darüber nicht berichten, vielleicht nur in der Annahme, sie täten es nicht.

Als „Bild“ dann die vermeintliche Schlüsselaffäre publik machte, erinnerte sich der dpa-Mann, dass er ja dabei war, als Dufner davon erzählt hatte. Er verzichtete deshalb darauf, bei Dufner noch einmal nachzufragen, und lieferte stattdessen ein Zitat Dufners, das er selbst am Freitag vor Ort notiert hatte. Die Agenturmeldung datierte dieses Zitat jedoch auf den Dienstag — und erweckte den falschen Eindruck, Dufner habe den „Bild“-Bericht nach dessen Erscheinen bestätigt. Was besonders verheerend war, denn ob Dufner sich tatsächlich so über Finke geäußert hat, ist die eine Frage; ob er diese Äußerung im Nachhinein „bestätigt“ hätte, eine ganz andere. Gegenüber der „Badischen Zeitung“ (die offenbar beim kleinen Journalistentreffen am Rande des Trainingslagers nicht dabei war), ruderte er jedenfalls heftig zurück.

Zu spät. Am Mittwochmorgen, als in der „Badischen Zeitung“ das Dementi steht, steht die Meldung von Finkes Schlüssel-Affäre in vielen Tageszeitungen, zum Beispiel in „SZ“, „Welt“, „taz“ und „Tagesspiegel“. Erst am Mittwochnachmittag schwenkt dpa, wo man sich intern inzwischen intensiv um eine Aufklärung der Vorgänge bemüht, auf eine offenbar sehr sorgfältig formulierte Version um, auf die sich alle Beteiligten inzwischen verständigt zu haben scheinen:

Freiburgs Ex-Coach Finke wehrt sich: «Habe Schlüssel abgeliefert»

Freiburg (dpa) – Die «Schlüsselaffäre» beim Fußball-Zweitligisten SC Freiburg um Ex-Trainer Volker Finke hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. «Ich habe meinen Schlüssel am 29. Juni abgeliefert», teilte der 59-Jährige, dessen Vertrag am 30. Juni ausgelaufen ist, der Deutschen Presseagentur dpa mit. Er reagierte damit auf einen Medienbericht, in dem es unter Berufung auf SC-Sportdirektor Dirk Dufner geheißen hatte, der Sportclub habe die Schlösser ausgetauscht, weil die Schlüssel nicht vollzählig seien.

Dufner hatte zuvor vor Medienvertretern erklärt, dass Schlösser an Gebäuden auf dem Freiburger Trainingsgelände ausgewechselt worden waren. «Vor der Abreise ins Trainingslager wurde vorsorglich das Schloss im Management-Büro ausgetauscht, weil bei einer Bestandsaufnahme festgestellt worden war, dass nicht alle Schlüssel da waren. Dort lagern schließlich wichtige Papiere. Volker Finke hat seinen Schlüssel aber inzwischen fristgerechtigt abgegeben», sagte Dufner am Mittwoch.

Auf Aufforderung, den Schlüssel abzugeben, sei zunächst aber keine Reaktion Finkes erfolgt, hatte unter anderem die dpa aus einem Gespräch mit Dufner berichtet.

Bei dpa hofft man, dass sich mit dieser Meldung auch eine juristische Auseinandersetzung erledigt hat: Der empörte Volker Finke fordert über seinen Anwalt nämlich von dpa Richtigstellung und Widerruf der ursprünglichen Behauptungen. Die „Bild“-Zeitung hat ihre Version bis heute nicht korrigiert; ihr Sprecher will auf Anfrage nicht sagen, ob Finke auch gegen „Bild“ vorgeht, was logisch wäre.

Und beim sid verbittet der Chef vom Dienst alle Fragen nach Quellen, Wahrheitsgehalt und juristischen Folgen seiner Meldungen. Dort ringt man sich erst am Donnerstagnachmittag, 24 Stunden nach dpa, zu einer Korrektur durch — die allerdings auf jede noch so leise Andeutung verzichtet, dass es sich um eine Korrektur einer eigenen Meldung handelt:

Freiburg (sid) Ex-Trainer Volker Finke hat vor Ablauf seines Vertrages am 30. Juni seinen Schlüssel für den Managementraum des Fußball-Zweitligisten SC Freiburg zurückgegeben. Dies bestätigte SC-Manager Dirk Dufner der Badischen Zeitung: „Wir haben — übrigens in sehr angenehmer Atmosphäre — natürlich über dieses Thema gesprochen. Er hat seinen Schlüssel am 29. Juni abgegeben, also vor dem offiziellen Ende seines Vertrages.“ (…)

Das ist die Geschichte von der Schlüsselaffäre des SC Freiburg. Ein Lehrstück über den Umgang mit Quellen und verschiedene Varianten des Stille-Post-Spiels im modernen „Nachrichten“-Journalismus.

Und das letzte Wort soll der „Tagesspiegel“ haben, dessen Mitarbeiter Claus Vetter von der kleinen, irreführenden dpa-Meldung zu einem großen Meisterwerk der Fantasie angeregt wurde:

Mal heimlich nachts in die alte Trainerkabine schleichen und kiebitzen, was der neue Trainer taktisch so vorhat? Oder nach Geschäftsschluss in der Geschäftsstelle einen Gratiskaffee trinken? So muss sich Volker Finke das vorgestellt haben, als er die Schlüssel von seinem alten Arbeitgeber, dem SC Freiburg, eingesteckt und trotz mehrfacher Aufforderung nicht herausgerückt hat. Finke hat wohl gedacht, der Klub lasse ihn schalten und walten wie die 16 Jahre zuvor. (…)

Volker Finke, eine traurige Freiburger Schlüsselfigur? Ja, das ist der 59 Jahre alte Fußballlehrer wohl. (…) Zu Hochzeiten wollte sogar mal der FC Bayern etwas von Finke. Doch der konnte nie loslassen in Freiburg – bis heute. Nun muss er draußen bleiben. Der traurige Trainer, der seinen Klub verloren hat und darüber nicht hinwegkommt.