Autor: Stefan Niggemeier

Hihi

Der Anteil der US-Amerikaner, die Vizepräsident Dick Cheney positiv beurteilen, ist auf beeindruckende 18 Prozent gesunken. Ana Marie Cox, Wonkette-Gründerin und Washington-Korrespondentin von Time.com, bloggt dazu:

If he had feelings, I’m sure they’d be hurt by this.

UPDATE: I used to joke that Cheney was so disliked he was actually less popular than torture. (…) Turns out saying that Dick Cheney is less popular than torture is like saying slugs are less popular than ice cream. (…) I could only find a 2004 poll handy, but it says sixty-three percent of Americans say torture should never be used, leaving a tantalizing 37 percent who apparently are okay with it. Cheney wishes for 37 percent!

UPDATE: Commenter „space“ makes an excellent point: „In fairness to torture, it might be more popular if Cheney wasn’t dragging down its poll numbers.

Die deutschen Anrufsender und das Gesetz

In Großbritannien und den Niederlanden wird aus unterschiedlichen Gründen gegen die Veranstalter von kostenpflichtigen Gewinnspielen und Abstimmungen im Fernsehen vorgegangen. In Großbritannien wegen Betrugs. In den Niederlanden, weil es sich möglicherweise um unerlaubtes Glücksspiel handelt.

Und in Deutschland? Müsste man gegen die Sendergruppen von ProSiebenSat.1 und MTV sowie das DSF eigentlich aus beiden Gründen vorgehen.

Betrug?

Sämtliche Veranstalter ignorieren die Empfehlungen der Landesmedienanstalten und informieren konsequent falsch über Spieldauer, Spielchancen, Spielmodus, Schwierigkeitsgrad, Lösungsweg und (im Fall von Viva/Nick/Comedy Central) sogar die Gewinnsumme. Vor allem in den Sendungen, die von der Firma Callactive für die MTV-Sender produziert werden, wird aber noch mit ganz anderen Tricks gearbeitet.

Ein Beispiel: Die Sendung „Quiz Zone“ ist täglich am späteren Abend mehrere Stunden lang auf dem Kindersender (!) Nick zu sehen. Sie läuft fast jeden Tag nach dem gleichen Schema ab. Am Anfang werden ein paar kleine Gewinne ausgespielt. Dann beginnt ein Spiel, in dem es scheinbar viel Geld zu gewinnen gibt (zum Beispiel „50 Geldpakete“ oder mehrere tausend Euro). In diesem Spiel gibt es in aller Regel bis eine Minute vor Ende der Sendung keinen Gewinner. Es werden Leitungen geöffnet und geschlossen, Countdowns gezählt, falsche Endzeiten der Sendung angegeben, die Gewinnsummen vervielfacht und wieder reduziert, Spiele ungelöst abgebrochen, aber einen Gewinner gibt es bis unmittelbar vor Ende der Sendung nicht. Und das, obwohl in der „Quiz Zone“ auch vorher immer wieder angebliche Anrufer ins Studio gestellt werden. Diese angeblichen Anrufer geben aber entweder falsche Antworten, brabbeln unverständliches Zeug oder legen einfach wieder auf.

Dieser Spielablauf ist im Prinzip jeden Abend gleich. Wenn deutlich vor Ende der Sendung bei hohem Gewinnversprechen jemand ins Studio gestellt wird, kann man sicher sein, dass er die Antwort nicht weiß. Ein Gewinner wird erst unmittelbar vor Ende der Sendung, dann meist bei deutlich reduzierter Gewinnsumme, durchgestellt.

Man kann sich in den entsprechenden Foren von call-in-tv.de Dutzende von protokollierten „Quiz Zone“-Sendungsverläufen durchlesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Sendungsverläufe zufällig ergeben, liegt ungefähr bei null. Die einzig plausible Erklärung für die Art, wie die Sendung „Quiz Zone“ Abend für Abend verläuft, ist die, dass die frühen Falschanrufer und Aufleger keine echten Anrufer sind, sondern von Callactive gefaked werden, um dem Zuschauer vorzutäuschen, er habe eine Chance, schon vor Ende der Sendung durchzukommen.

Um es deutlich zu sagen: Ich kann nicht beweisen, dass Mitarbeiter der Firma selbst bei „Quiz Zone“ anrufen und gezielt durchgestellt werden, um falsche Antworten zu geben, und die Zuschauer so — zusätzlich zu der Vielzahl von falschen oder irreführenden Einblendungen und Moderatoren-Aussagen — betrogen werden. Ich habe keine Aussage von einem Aussteiger aus der Szene und auch kein internes Callactive-Papier vorliegen. Ich habe nur die bloße Anschauung als Indiz, aber das ist sehr überzeugend. Sagen wir so: Wenn ein Poker-Spieler jeden Abend den gleichen „Royal Flush“ hinblättert, nehme ich bis zum Beweis des Gegenteils an, dass seine Karten gezinkt sind.

(Callactive ist übrigens eine Tochter von „Wer wird Millionär“-Produzent Endemol. Eine andere Tochter von Endemol ist maßgeblich in den britischen Betrugsskandal verwickelt. Die Welt ist klein.)

Verbotenes Glücksspiel?

Nach Paragraph 284 StGB wird bestraft, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet. Erlaubt sind dagegen zum einen Geschicklichkeitsspiele, bei denen die Teilnehmer bestimmte Fähigkeiten oder Kenntnisse unter Beweis stellen müssen, um zu gewinnen, und zum anderen Preisausschreiben oder Gewinnspiele, bei denen Teilnehmer keinen erheblichen Einsatz erbringen müssen.

Geht es bei den 9Live-Spielen um Wissen, Fähigkeiten oder Geschick? Teilweise ja — wenn die Aufgabe etwa lautet, sieben Tiere zu nennen, deren dritter Buchstabe ein „U“ ist. (Wobei die eigentliche Aufgabe häufig darin besteht, die überhaupt geltenden Regeln zu erraten, was wiederum nichts mit Geschick zu tun hat.) Der Bundesgerichtshof urteilte allerdings:

Ein Glücksspiel liegt auch dann vor, wenn der Spielerfolg nicht allein vom Zufall abhängt, dem Zufallselement aber ein Übergewicht zukommt.

Bei den Telefon-Gewinnspielen von 9live und anderen entscheidet der Zufall darüber, ob man überhaupt ins Studio durchgestellt und am eigentlichen Gewinnspiel teilnehmen darf. Experten wie die Rechtsanwälte Manfred Hecker und Markus Ruttig folgern daraus, dass solche Spiele in jedem Fall als Glücksspiele einzuordnen seien — selbst wenn das „nachgelagerte Spiel“ tatsächlich eine besonderes Geschick erfordert.

Bleibt die Frage, ob der Einsatz, den der Spieler zur Teilnahme leisten muss, „erheblich“ ist. Es ist kein Zufall, dass ein Anruf bei den Abzocksendern meist 50 Cent kostet. Das entspricht ungefähr den Kosten einer Postkarte und gilt damit nach der üblichen Rechtsprechung als „unerheblich“. Durch die Einführung einer solchen „Geringfügigkeitsgrenze“ haben die Gerichte vor Jahrzehnten verhindert, dass durch das Verbot des Glücksspiels gleichzeitig auch Kreuzworträtsel oder Preisausschreiben verboten wurden. An die Wiederholtaste beim Telefon, die interaktiven Medien, das erheblich höhere Suchtpotential eines Live-Anruf-Quiz und die Möglichkeit, dass der Veranstalter an den erheblichen Einnahmen aus den Telefongebühren beteiligt werden könnte, hatte zu der Zeit, aus der diese Rechtsprechung stammt, noch niemand gedacht.

Ist der Einsatz bei 9Live & Co. also „erheblich“? Wenn man den einzelnen Anruf zu 50 Cent betrachtet: natürlich nicht. Andererseits ist die gesamte Sendekonzeption offensichtlich auf eine wiederholte Teilnahme und dadurch de-facto eine Erhöhung des Einsatzes angelegt. Rechtsanwalt Hecker meint deshalb, man müsse den Gesamteinsatz eines Teilnehmers für ein Spiel berücksichtigen. Dann wäre der Einsatz alles andere als „geringwertig“. (Zum Beispiel wurde eine Rentnerin 2005 zur Zahlung von 23.087,10 Euro verurteilt, weil sie in 44 Tagen insgesamt 47.024 mal bei 9Live angerufen hat, ähnliche Fälle sind immer wieder in 9Live-Sendungen zu hören.)

Würde man immer nur den Einzeleinsatz betrachten, müsste es konsequenterweise auch zulässig sein, so Hecker, „ohne Erlaubnis in der Öffentlichkeit einen Rouletttisch aufzustellen, an dem nur mit Jetons zu 50 Cent gespielt werden kann und jeder Mitspieler bei jedem einzelnen Lauf nur einen Jeton legen darf.“

Die meisten Gerichte haben sich dieser realistischen Bewertung der Höhe des Einsatzes jedoch noch nicht angeschlossen. Immerhin hat aber sogar das Oberlandesgericht München in seinem Urteil, in dem es die 9Live-Spiele für grundsätzlich zulässig erklärte, einschränkend hinzugefügt:

3. Eine Wettbewerbswidrigkeit ist nur dort gegeben, wo ein Moderator vortäuscht, dass keine Teilnehmer anrufen würden, obwohl dies nicht zutrefft, um Personen zur Teilnahme zu bewegen. (…)

5. Die Unerheblichkeit [des Einsatzes] kann (…) dann überschritten werden, wenn der Teilnehmer zu mehrmaligen Anrufen aufgefordert und motiviert wird.

Komisch. Wann immer ich eine Sendung von 9Live oder Callactive einschalte, muss ich nicht lange warten, bis der Moderator vortäuscht, dass keine Teilnehmer anrufen würden, oder die Zuschauer motiviert, mehrmals anzurufen.

Nobody in their right mind…

Um 40 bis 50 Prozent sind die Anrufzahlen bei den kostenpflichtigen Gewinnspielen und 9live-Varianten im britischen Fernsehen zurückgegangen, seit sich der Medienausschuss der Unterhauses eingeschaltet hat. Channel 4, Channel Five und ITV mussten wegen diverser Unregelmäßigkeiten vorübergenend sämtliche „Spiele“ dieser Art aus dem Programm nehmen. Der Vorsitzende des Parlamentsausschusses sagte:

„We lifted up a stone and since then every day has brought fresh revelations. It’s got to the stage where it’s beginning to bring the entire industry into disrepute. Their credibility has been completely destroyed. Nobody in their right mind would enter one of these things at the moment.“

Ich möchte auch in einem Land mit funktionierender Medienaufsicht leben.

Bei RTL.de ist das Grauen jetzt blau (2)

Nicht, dass jemand glaubt, RTL Interactive hätte es nach den, äh, Anfangsschwierigkeiten geschafft, aus RTL.de eine funktionierende Internetseite zu machen:






Und, mein aktueller Favorit:

Das einzige, das zuverlässig funktioniert, ist die Deklaration von Werbung als redaktioneller Inhalt.

Und welchen Sinn hatte es nochmal, Millionen für einen Werbekampagne auszugeben, um Peter Kloeppel als „Mister News“ zu verkaufen, wenn sein Gesicht nun hundertfach über traurigen Sprachruinen und unfassbar hingeschlunzten Artikeln steht, mit denen er sich eher als „Mister Grammatikfehler“, „Missther Legasthenie“ oder bestenfalls „Mister Mirdochegal“ profiliert?

Monrose

Vermutlich war es so, dass die ganzen siebzehnjährigen Mädchen, von denen jeder annahm, dass sie Monrose zum Grand Prix telefonieren würden, sich an die Gruppe einfach schon nicht mehr erinnert haben. Monrose? Die sind doch total 2006! Mann, damals war ich sechzehn!

Über vier Monate ist es her, dass aus Mandy, Senna und Bahar in der Pro-Sieben-Show „Popstars“ Monrose wurde, und Popstarsjahre sind Hundejahre, und „Popstars“-Jahre Goldhamsterjahre. Die Produzenten wussten, warum sie die größten Verrenkungen anstellten, damit die Single bereits eine Woche nach dem Finale und das Album eine weitere Woche danach auf dem Markt sein konnten. Dank kollektiver Aufmerksamkeitsdefizitstörung bedeutet jeder Tag Verzögerung, dass viele Millionen Fanzellen in den Gehirnen der Zielgruppe längst wieder unwiderruflich umprogrammiert sind.

Aber die Monrose-Produzenten waren schnell, und so haben junge Menschen im Dezember massenhaft Monrose-Platten gekauft. Dann war aber auch gut. Seit den Premieren-Siegern No Angels und Alexander Klaws hat es kein deutscher Castingshow-Gewinner geschafft, mit mehr als einer Single an die Spitze der Charts zu kommen. Man müsste all den Kandidaten sagen, dass sie den Moment genießen sollen, in dem sie das Casting gewinnen, weil es der Höhepunkt ihrer Karriere sein wird. Aber anstatt zu singen „Von nun an ging’s bergab“, grölt das ganze Umfeld natürlich „jetzt geht’s lohos“, und beim Grand-Prix-Vorentscheid wurde wieder offenbar, wie schlimm das ist. Wie sehr die frischgebackenen „Popstars“ und „Superstars“ den Versprechungen glauben. Dass diese jungen, auf Star geschminkten und geföhnten Frauen das wirklich meinen, wenn sie sagen: „Du kannst alles in deinem Leben erreichen, du musst nur dran glauben.“ Sie hatten, das sah man, ganz fest daran geglaubt, sie hatten überhaupt nicht die Möglichkeit eingeplant, diesen Vorentscheid nicht gewinnen zu können, und es ist trotzdem passiert. Natürlich haben diese Mädchen, wie sie dann heulend auf der Bühne standen, Mitleid verdient und keine Häme. Aber vielleicht tun sich all die, die auf Detlef D. Soost und Dieter Bohlen und ihre Versprechungen hereingefallen sind, irgendwann zusammen, und brüllen ihnen ins Gesicht, dass es in dieser Welt eben nicht reicht, ganz fest an sich zu glauben, nicht einmal, wenn man dazu noch ganz hart an sich arbeitet.

Und über diesen komischen Grand-Prix-Wettbewerb kann man ja sagen, was man will: Als öffentliche Entzauberungsmaschine funktioniert er gut.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Focus Online – jetzt mit Uhrzeit

Das neue „Focus Online“ ist da. Man kann alle Artikel kommentieren. Na und.

Es erhöht nicht mein Lesevergnügen und es befriedigt nicht mein Informationsbedürfnis, wenn unter einem Artikel über den aktuellen Stand der Geiselentführung im Irak ein Leserkommentar steht mit der Betreffzeile „Selbst schuld“ und dem Satz „wenn die Geiseln lokalisierbar wären, z.B. via Handy, sollte die Gegend sofort bombardiert werden ohne Rücksichten“.

Es mag ja sein, dass die Möglichkeit, unter den Artikeln von Journalisten Kommentare zu hinterlassen, inzwischen ein Standard ist, an dem kein Medium mehr vorbeikommt (außer BILDblog natürlich). Aber das ist eine theoretische Diskussion. Praktisch käme ich selten auf die Idee, auf Seiten von Massenmedien wie „Focus Online“ die Kommentare zu lesen oder selbst welche zu hinterlassen. Es ist mir auch egal, wie irgendwelche anonymen Leserscharen einen Artikel „bewerten“, was ich nun auch tun und lassen kann.

Was ich wirklich nützlich finde: „Focus Online“ gibt in der Regel schon auf der Startseite an, wann ein Artikel veröffentlicht wurde. Das ist bei einem Angebot, das sich kontinuierlich und schnell verändert, eine zentrale Information. Man muss nur einmal versuchen wollen, bei „Spiegel Online“ herauszufinden, von wieviel Uhr ein bestimmter Artikel stammt — welchen Stand aktueller Entwicklungen er wiedergibt. Es ist fast unmöglich. Es sei denn, man kennt den Trick, ganz unten auf der Seite auf „Schlagzeilen“ zu klicken, und dann zumindest für die vergangenen sieben Tage die Uhrzeit nachvollziehen zu können. Die „Netzeitung“ gibt bei jedem Artikel die Zeit der Veröffentlichung und der letzten Änderung an. Warum ist das kein Standard?

Ebenfalls interessant am neuen „Focus Online“: Vor den Videos laufen Werbespots. Das ist gewagt, solange die vermeintlichen „Focus Online“-Videos noch Reuters-Videos sind — also die, die überall laufen, auch ohne Werbung. Und ist es wirklich eine gute Idee, vor dem Reuters-Video, das nur aus einem ernsten O-Ton des Außenministers über die Geiselnahme im Irak besteht, einen Werbespot zu zeigen, in dem Opel den Zuschauern Fahrspaß garantiert? Ist das der Ort, an dem Opel werben will? Funktioniert das? Insbesondere in einem Land, wo die Menschen es von ihrem Fernsehen gewohnt sind, dass Nachrichten nicht von Werbung unterbrochen werden?

Unabhängig davon: Ich glaube, dass „Focus Online“, so aufgeräumt und Web-2.0-ig das alles sein sein mag, auch in Zukunft nicht meine erste Adresse für Nachrichten im Netz sein wird. Aber es ist noch keine zwei Jahre her, dass „Focus Online“ sich mit dramatischer Unbeholfenheit und verwegenen Boulevardschlagzeilen irgendwo unterhalb von Bild.de positionierte. Das ist schon eine beeindruckender Weg, den die Kollegen seitdem zurückgelegt haben.

Das RTL-Politbüro gibt bekannt

KJM und RTL im konstruktiven Dialog zum Thema Jugendschutz bei DSDS

So lautete die Überschrift einer Pressemitteilung, die RTL gestern verschickte. Das ist die Art Satz, mit der früher gerne auch die „Aktuelle Kamera“ im DDR-Fernsehen ihre Meldungen begann.

Der Sender verlautbart:

RTL hat in der Sitzung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) am 6. März die Gelegenheit erhalten, auf die Vorwürfe der Kommission zu „Deutschland sucht den Superstar“ zu reagieren. „Die Gespräche mit der KJM sind sehr konstruktiv verlaufen“, so Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik bei RTL. „Unabhängig von der juristischen Bewertung von ‚Deutschland sucht den Superstar‘ durch die KJM ist das Thema Jugendschutz für uns von besonderer Bedeutung. Wir vertrauen darauf, dass es auch in Zukunft dazu einen positiven Austausch mit der KJM geben wird.“

Da hat jemand die ganz große Nebelmaschine angeworfen. Große Worte, viel Bläh und Bla. Eine Nachricht ist jenseits des Wir-haben-miteinander-geredet nicht zu erkennen. Und was bedeutet der letzte Satz? RTL „vertraut auf“ einen positiven Austausch mit den Jugendschützern? Ist das ein Versprechen: RTL wird sich Mühe geben, die Forderungen der Jugendschützer zu berücksichtigen? Oder eine Foderung: RTL verlangt, dass die Jugendschützer nicht so auf Konfrontationskurs gehen? Oder ein Deal: Wenn die Jugendschützer nicht so viel öffentlichen Krach schlagen, werden wir auch mit uns reden lassen?

Ein PR-Satz wie eine optische Täuschung: Wenn man genau hinguckt, ist plötzlich nichts mehr da.

Aber die Verlautbarung geht ja noch weiter. Womöglich werden wir noch so etwas wie eine Nachricht in ihr finden:

Das Unterhaltungsformat „Deutschland sucht den Superstar“ läuft inzwischen in der vierten Staffel sehr erfolgreich.

Okay, das hat mit dem Thema nichts zu tun, schreibt sich aber gut reflexartig mal hin.

„Wir sind sehr darauf bedacht, die Akteure nicht zu beschädigen.“

Das sagt der RTL-Unterhaltungs-Chef Tom Sänger, und ich hoffe, sie haben wenigstens herzhaft gelacht bei RTL, als sie sich diesen Satz ausdachten. Weiter sagt er:

„Einige der jetzt diskutierten Fragen sind aber wohl eher Geschmackssache und weniger ein nachhaltiges Problem des Jugendschutzes. Entsprechend freuen wir uns, dass es hinsichtlich des Formats DSDS und den Ausstrahlungen im Hauptabendprogramm keine Beanstandung geben wird.“

Haben Sie’s gemerkt? Da war die News. Denn es wird zwar keine formelle Beanstandung für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm geben, sehr wohl aber eine für die Wiederholung im Nachmittagsprogramm. Und das Urteil der KJM ist erfrischend deutlich, wie aus deren Pressemitteilung hervorgeht:

Beleidigende Kommen­tare der Jury sowie die redaktionelle Aufbereitung und Inszenierung der Auftritte einiger Kandidaten waren geeignet, die Entwicklung von Kindern unter 12 Jah­ren zu beeinträchtigen. In einem Massenmedium wurde vorgeführt, wie Menschen herab­gesetzt, verspottet und lächerlich gemacht werden. Antisoziales Verhalten wird auf diese Weise als Normalität dargestellt.

Und auch was die Ausstrahlung am Abend angeht, kritisieren die Jugendschützer RTL:

[Die KJM] war der Auffassung, dass die Sendungen auch für diese Altersgruppe [der 12- bis 16-jährigen] problematisch sind und äußerte Kritik daran, dass sie vor Ausstrahlung nicht von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) geprüft worden waren.

Aber auf all das wird RTL ja nun in seiner Pressemitteilung eingehen. Vielleicht ein bisschen harmloser formuliert, ein bisschen schöngefärbt, am besten gleich mit einer fundierten inhaltlichen Erwiderung gegen die Bedenken der Bedenkenträger. Also, hier der Rest der RTL-Pressemitteilung:

„Natürlich wissen wir um unsere besondere Verantwortung als Familiensender, die wir sehr gewissenhaft wahrnehmen“, so Tom Sänger, Bereichsleiter Unterhaltung Show & Daytime bei RTL.

Oh.

Wieviel Angst muss ein deutscher Fernsehsender haben, um solche prawdaesken Pressemitteilungen herauszugeben? Und bei der Prawda hatte das noch halbwegs Sinn, weil deren Leser keine Chance hatten, das, was sie verschwieg, woanders zu erfahren. Heute ist die Wahrheit nur einen Klick entfernt.

Ich glaube übrigens wirklich, dass das nicht nur traurig, sondern einfach schlechte PR ist. Denn mit jeder Pressemitteilung dieser Art, die RTL verschickt, sinkt das Grundvertrauen, das ich als Journalist in Zukunft gegenüber einer Pressemitteilung von RTL habe.

Kurz verlinkt 1

Johnny Haeusler im „Tagesspiegel“:

Warum bloggen Sie selbst?

Ich kann kaum etwas anderes als schreiben und reden, funktioniere in herkömmlichen Firmenstrukturen nicht, und ich mache gerne neue Dinge, von denen alle behaupten, dass man sie nicht machen kann. Kurz: Ich kann nicht anders.

Geht mir ähnlich. Und keiner erklärt dieses Blogs-Dings so schlicht und schön wie er.

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Thomas Knüwer ist mit frischer Wut aus dem Urlaub zurück:

Es ist keine Liebelei, die germanische Journalisten mit Second Life haben – es ist eine ausgewachsene Sexorgie.

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Alles Lüge: Wie der Stuttgarter Radiosender Antenne 1 in seiner Morningshow mit „Ostermann & Schatzi“ (!) seinen Hörern ein kleines Familiendrama vorspielte. Oder: Was dabei rauskommt, wenn man „9live“ mit „Zwei bei Kallwass “ kreuzt.

Hören und staunen bei Torsten Kleinz.

„Tagesschau“-Liveblogging

Hannah Pilarczyk, Medienredakteurin bei der „taz“, hat unser Liveblog-Event gestern zu folgender Einsendung inspiriert:

Freue mich schon darauf, wenn ihr von der Tagesschau livebloggt.

Peer: Ist es arg nostalgisch, wenn ich frage: Wo ist Karl-Heinz Köpcke?
Stefan: Das ist Retro, Peer, da bist Du zu jung zu.
(…)
Peer: Würden wir uns auf Merkel festlegen können wollen, Stefan?
Stefan: Ich bin dafür.
Stefan: HA!
Stefan: Oh, der Schröder sieht aber nur sehr mittelamüsiert aus. Das mit der guten Miene müssen wir noch mal üben.
Stefan: Äintschiieee Merkel darf Deutschland regieren.
Peer: Äintschiieee. gewinnt. Und Schröder hat dann doch ein bisschen irritiert geschaut in dem Moment.
(…)
Peer: War das denn für dich jetzt — äh: spannender als „heute“? Mal so ganz persönlich nachgefragt.
Stefan: Spannender als „heute“? Naja. Ja. Doch. Schon. Mir war ein bisschen weniger egal, was die sagen. Und doch zur Abwechslung auch schön, Leuten beim Nachrichten vorlesen zuzusehen, die Nachrichten vorlesen können. Und das konnten sie ja doch irgendwie alle. (Schon wieder so ein peinlich-spießiger Satz von mir.)
Peer: Wie versöhnlich. Ich gründe hiermit die Initiative: Stefan muss Nachfolger von Eva Herman werden.