Autor: Stefan Niggemeier

PR lernen von den Profis

Christoph Körfer bei "Popstars"Ach du Schande. Vorletzte Woche durfte Christoph Körfer, Oberpressemufti bei ProSieben (Foto rechts), den „Popstars“-Kandidatinnen Tips im Umgang mit Journalisten geben. Und ich hab’s verpasst.

(Allerdings hat es Körfer offenbar geschafft, Leiter Programmkommunikation/PR bei einem Fernsehsender zu werden, ohne vorher den Kurs „Wie stelle ich mich im Fernsehen so hin, dass ich nicht schwangerer aussehe, als ich bin“ zu besuchen.)

Jörg Pilawa

Fangen wir mit dem Positiven an: Jörg Pilawa ist nicht Reinhold Beckmann. Das ist doch was. Und bevor man sich darüber ärgert, wie Pilawa den Deutschen Fernsehpreis oder diese WM-Countdown-Shows oder ähnliche TV-Ereignisse moderiert, sollte man sich kurz vorstellen, wie diese Sendungen mit Reinhold Beckmann wären. Oder mit Maxi Arland (den werden Sie vielleicht, wenn Sie Glück haben, nicht kennen, das ist so ein „junger“ Sänger, der in der ARD die „Feste der Volksmusik“ und den „Musikantendampfer“ moderiert und gerade zu einer Art zweiter Florian Silbereisen aufgebaut wird… was? Florian Silbereisen kennen Sie auch nicht? Also – – -).

Jedenfalls Jörg Pilawa. Ich mochte den immer ganz gern. Ich habe ihn im Kollegen- und Bekanntenkreis immer gegen fiese Kritik verteidigt. Der ist nett. Der kann Sendungen routiniert wegmoderieren, ohne daß es peinlich oder völlig uncharmant wird. Und in der NDR-Talkshow wirkt er, naja, gut gelaunt und entspannt. Also.

Aber wenn man so nach Adjektiven sucht, um Pilawas Eigenschaften zu beschreiben, merkt man natürlich das Problem: Er hat keine. Neulich hat er öffentlichkeitswirksam innerhalb von wenigen Monaten zweimal die gleiche Frau geheiratet, und das ist als PR-Aktion, wenn es eine war, natürlich tausendmal sympathischer als die Verzweiflungstaten vieler Kollegen. Aber ich fürchte, er könnte sich ins Guinness-Buch der Rekorde heiraten, und den Menschen wäre es egal. Das ist ein echtes Problem, denn den Pilawas dieser Welt fehlt die Fallhöhe. Beim Fernsehpreis hat er sich als eine Art Prima Ballerina verkleidet. Tja. Günther Jauch, Hape Kerkeling, Thomas Gottschalk im Tutu, das sind Ausrufezeichen, bei Pilawa ist es ein Schulterzucken.

Neuerdings flüchtet er sich immer mehr in so eine demonstrative Schluffigkeit, die aber natürlich auch nicht hilft, weil der Platz des Superoberschluffis uneinnehmbar von Oliver Geißen besetzt ist.

In seinem Munzinger-Porträt steht, zu seinen Markenzeichen gehörte „früh“ auch die „Berechenbarkeit“. Das ist hart. Bei einer seiner Moderationen beim Fernsehpreis stand er jetzt da mit offenem Jacket, das sich unglücklich hinter dem abstehenden Gürtelende verfangen hatte, das aus einer gewaltig überdimensionierten Schnalle herausragte, und die Krawatte endete weit über dem Hosenbund. Es wirkte alles irgendwie sehr unangemessen. Seitdem frage ich mich, ob das ein erster Akt der Revolution des Jörg Pilawa war. Und weiß nicht einmal, ob es mir gefiele.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Deutscher Fernsehpreis

Wenn die Stifter des Deutschen Fernsehpreises nächste Woche bekannt gäben, daß der Preis 2007 in einer Teeküche von RTL verliehen wird (Raum 27b, hinterm Kopierer links), ohne Bundespräsident, warmes Buffet und Fernsehgala, aber vielleicht, wenn es klappt, mit dem stellvertretenden Kölner Bürgermeister, Schnittchen und einer kleinen Webcam – vermutlich ginge ein großes Aufatmen durch die Branche. Es muß eine schreckliche Last zu sein, diese Veranstaltung Jahr für Jahr durchzuführen. Schon bei den ersten Schnitten ins Publikum gelang es den Kameras kaum, Prominente zu zeigen, denen nicht Leere, Langeweile und Lethargie übergroß ins Gesicht geschrieben stand. Und das, wo die ARD als diesjähriger Ausrichter doch die Show mit einem Feuerwerk aus Humor und Tanz die Show eröffnet hatte: Jörg Pilawa! Tanzte mit dem MDR-Fernsehballett! Begleitet von der WDR-Bigband!

Oder wie Alexander Mazza in der Nachbereitung des Boulevardmagazins „Brisant“ hinterher sagte: „Es war eine gelungene Preisverleihung. Sie hatte alles, was man sich wünschen konnte.“

Die Ideen- und Lustlosigkeit, mit der alle Beteiligten das Programm abspulten (einige Preisträger ausgenommen), grenzte an Arbeitsverweigerung. Ist das nicht die Gelegenheit, bei der das Fernsehen sich einmal im Jahr feiert? Mit Witz und Kreativität oder auch Technik und Bombast zeigt, was es kann oder wenigstens könnte? Wäre das nicht die Veranstaltung, aus der TV-Routine auszubrechen? Die ARD entschied sich stattdessen, den Beweis zu führen, daß ihr schlechtes Image in Sachen moderner Unterhaltung kein Versehen, sondern hart erarbeitet ist. Sie inszenierte die Show wie eine lästige Pflichtübung. Schon am nächsten Tag fällt es schwer, sich an irgendeinen herausragenden Moment aus der Show zu erinnern. Doch: die Sportfreunde Stiller, die ihren WM-Schlager im Big-Band-Arrangement grölten, das war schräg, aber wenigstens originell.

Und vielleicht noch, als die große Show mit Hape Kerkeling als Horst Schlämmer in „Wer wird Millionär“ ausgezeichnet wurde. Kerkeling nahm den Preis mit den Worten entgegen: „Das ist ja gar nicht meine Sendung“ und fügte mit Blick auf Produzent und Redakteur hinzu: „Ich kenne auch die Leute nur ganz flüchtig.“ Und als Günther Jauch erzählte, vor der Tür hätten damals Frauen Schilder „Horst, ich will ein Kind von Dir“ hochgehalten, und der Gattin des Bundespräsidenten zurief: „Sie kennen das ja, Frau Köhler“, warf sich das Publikum minutenlang weg, als sei das der erste gute Witz des Abends. Ach ja: Es war der erste gute Witz des Abends.

Als der Komiker Ralf Schmitz als Laudator auf die Bühne kam, schienen größere Teile des Publikums nicht zu wissen, um wen es sich da auf der Bühne überhaupt handelte. Laudator Peter Kloeppel beklagte sich (zu Recht), daß er zum Millionsten Mal mit seinem Landwirtschaftsstudium angekündigt wurde, Preisträgerin Anne Will (ebenso zu Recht), daß Männer es immer noch bemerkenswert finden, daß Frauen etwas können. Als Bundespräsident Horst Köhler auftrat, wirkte es kurz, als wollten ihm die Zuschauer stehende Ovationen spenden, vielleicht aus der Überraschung, offenbar doch wichtig zu sein.

Es war über weite Strecken ein überraschungsfreier Abend: Natürlich wurde für die WM-Präsentation das ZDF-Team um Johannes B. Kerner ausgezeichnet und nicht die traurigen RTL-Versuche oder Waldorf und Statler von der ARD, die aus einem merkwürdigen Wettbewerbsgeist heraus ebenfalls nominiert waren. Viele Höhepunkte des Fernsehjahres scheint es in jüngerer Zeit nicht gegeben zu haben: Matti Geschonnecks jeweils doppelt ausgezeichnete Filme „Die Nachrichten“ (beste Regie und Dagmar Manzel als beste Hauptdarstellerin) und „Silberhochzeit“ (beste Regie und Gisela Schneeberer als beste Nebendarstellerin) liefen schon im vergangenen Oktober und Januar, die Ausstrahlung der herausragenden Bella-Block-Folge „Die Frau des Teppichlegers“ liegt exakt ein Jahr zurück. Vor der Preisverleihung hatte die Jury davor gewarnt, das vergangene Fernsehjahr auf die großen Ereignisse zu reduzieren, und tatsächlich waren die eher die Verlierer des Abends. Das ZDF-Drama „Dresden“ bekam den Preis als bester Fernsehfilm, ging sonst aber leer aus, für „Die Luftbrücke“ wurde nur Ulrich Noethen als bester Nebendarsteller ausgezeichnet; die RTL-„Sturmflut“ war gar nicht erst nominiert worden. Stattdessen jubelte Jan Fedder über die unwahrscheinliche Auszeichnung als Bester Hauptdarsteller in „Der Mann im Strom“.

Ausgezeichnet wurde die feine Patchworkfamilienserie „Türkisch für Anfänger“. Als beste Sitcom setzte sich „Pastewka“ gegen „Stromberg“ durch, als beste Comedy Kurt Krömers Talkshow-Parodie „Bei Krömers“ – in einer traurigen Kategorie, die mit der Ausstrahlung des Live-Programms von Mario Barth aufgefüllt werden mußte. Und obwohl die Jury ohnehin weniger Preise vergab als in den vergangenen Jahren, nahm sich das Fernsehen noch weniger Zeit, die Preisträger in den Kategorien Kamera, Musik, Schnitt und Ausstattung zu würdigen. Kein Ausschnitt wurde gezeigt, nicht einmal die Namen der Produktionen genannt. Immerhin durften die Preisträger der Kategorien Reportage („Und du bist raus“) und Dokumentation („Die Nacht der großen Flut“) noch auf die Bühne und ein paar Sätze sagen, und für ein paar Momente wenigstens erinnerte man sich daran, daß es noch Leute gibt, die mit dem Fernsehen tatsächlich etwas erzählen oder bewegen wollen. Auch Claus Kleber, der für ein ZDF-Spezial zum Nahostkrieg ausgezeichnet wurde, erinnerte daran mit einem bewegten Appell, ein System zu bewahren, das sich Auslandskorrespondenten leisten kann und auch in schlechten Zeiten gut informiert.

Aber was von dem Abend blieb, war das Gefühl einer Branche, die schon von sich selbst gelangweilt ist. Warum soll man der beim Feiern zusehen?

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Werbung für die Lindenstraße?

Gerade nach dem Fernsehpreis lief in der ARD ein Werbespot für die „Lindenstraße“. Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal einen Werbespot für die „Lindenstraße“ gesehen habe. Vielleicht noch nie? Warum machen die das?

Ach, darum:

∅ Zuschauer Januar bis Mitte Oktober 2005: 4,5 Millionen
∅ Zuschauer Januar bis Mitte Oktober 2006: 3,8 Millionen

Zu Gast im Studio

bin ich! Und ich freue mich, wenn vielleicht ein paar Leute anrufen, die nicht wie Holgis Stammhörer in den letzten drei Jahren entweder gar nicht ferngesehen haben oder nur bizarr unbekannte 3sat- oder arte-Sendungen.

Autobildblogblog

Nun gibt es auch ein autobildblog. Feine Sache, könnte man denken, ist aber leider von „Auto Bild“ selbst. Das Blog ist keine Woche alt, schon nutzt es die Redaktion zur Desinformation. Nikolaus Eickmann, Vizechef von autobild.de, schreibt da „in eigener Sache“:

„… verweise ich an dieser Stelle nicht unfroh auf die aktuellen IVW-Zahlen: + 6,1 Prozent im Vergleich zu Q2. Vielen Dank all unseren Lesern.“

Die „aktuellen IVW-Zahlen“ sind die Zeitschriften-Auflagen im dritten Quartal. Sie sind für „Auto Bild“ kein Grund zur Freude — wenn man Äpfel mit Äpfeln vergleicht. Traditionell kaufen die Menschen im dritten Quartal nämlich mehr Zeitschriften als im zweiten. Der einzige aussagekräftige Vergleich ist deshalb der mit dem dritten Quartal des Vorjahres. Und siehe da: Die Zahl der „Auto Bild“-Käufer ist deutlich gesunken: von 670.000 auf 640.000 — ein Rückgang von 4,5 Prozent.

(via)

Der „Spiegel“ kann Fehler leider nicht selbst korrigieren

Dem „Spiegel“ ist in seiner apokalyptischen Titelgeschichte „Rettet dem Deutsch“ vor zwei Wochen ein Fehler unterlaufen. Er schrieb:

„Schon 2004, so stellte eine Studie der Universität Hannover fest, waren unter den 100 am meisten verwendeten Wörtern deutscher Rede 23 englische, fast ein Viertel — 1980 war es noch eins.“

Das ist Quatsch. Es ging nicht um die 100 häufigsten Wörter überhaupt, sondern um die 100 häufigsten Wörter in Werbeslogans (pdf).

Seit mindestens einer Woche weiß der „Spiegel“, dass er da einen blöden Fehler gemacht hat. Fragt man dort (aus aktuellem Anlass) nach, bekommt man zur Antwort:

„Es handelt sich um einen ärgerlichen Flüchtigkeitsfehler, der auch nicht damit zu erklären ist, dass der betreffende Artikel unter höchstem Zeitdruck Korrektur gelesen werden musste. (…)

Einen Leserbrief hierzu hat die SPIEGEL-Redaktion bisher nicht erhalten. Da der zeitliche Abstand zu der Titelgeschichte der Ausgabe 40/2006 inzwischen ziemlich groß ist, würde vermutlich auch keine Zuschrift zu dem Artikel mehr abgedruckt werden.“

Lustig. Die Frage lautete nämlich gar nicht: „Hat der ‚Spiegel‘ einen Leserbrief zu dem Thema bekommen?“, sondern: „Hat der ‚Spiegel‘ den Fehler in der gedruckten Ausgabe inzwischen nachträglich berichtigt?“

Für den „Spiegel“ sind beide Fragen anscheinend identisch. Das deutsche Nachrichtenmagazin korrigiert Fehler, wenn überhaupt, in der Leserbriefspalte. Wenn es keinen Leserbrief bekommt, sind ihm die Hände gebunden.

Was für ein Glück, dass im vergangenen Jahr, als der „Spiegel“ im Wahlkampf ungeprüft und ohne Quellenangabe falsche Berechnungen von CDU-Vorzeige-Steuerfachmann Paul Kirchhof übernahm, sich ein Heinz Ligges aus Bochum darüber offenbar schriftlich bei dem Magazin beschwerte. Ich hielt es damals für einen Skandal, dass der „Spiegel“ seine halbherzige Korrektur dieses Hammers (Ausriss rechts) unauffällig im letzten Drittel der letzten Leserbriefseite versteckte [pdf]. Ich ahnte ja nicht, dass ohne Heinz Ligges der gedruckte „Spiegel“ den Fehler vermutlich nie hätte richtigstellen können.