Autor: Stefan Niggemeier

Wenn der Abmahner zweimal klingelt

Claudia Pechstein vermutet, dass Jens Weinreich gedopt war, als er über sie schrieb, dass vieles dafür spricht, dass sie gedopt hat, aber das hier wird kein Text über Leute, die Dinge sportlich nehmen. Im Gegenteil.

Jens Weinreich (die Älteren werden sich noch an seine Auseinandersetzung mit DFB-Präsident Theo Zwanziger erinnern) ist einer von den Kollegen, nach denen auf irgendwelchen Podien über Qualität im Journalismus dauernd gerufen wird. Er ist einer der wenigen investigativen Sportjournalisten, kritisch und unabhängig, er recherchiert statt abzuschreiben, er verbeißt sich in Themen, auch wenn sie gerade keine Konjunktur haben. In seinem Blog zapft er das Wissen seiner Leser an und veröffentlicht Original-Dokumente, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann. Und wenn er etwas nicht weiß, schreibt er das ebenso auf, wie wenn er etwas falsch gemacht hat.

Er ist, mit anderen Worten, eine unfassbare journalistische Nervensäge, und es gibt sicher eine erhebliche Zahl von Leuten, die nur darauf warten, dass sie ihm an den Karren fahren können.

Am vergangenen Donnerstag berichtete er über die Blutdoping-Fernsehshow der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und machte einen Fehler. Er schrieb zum Beispiel in der Online-Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“:

Inhaltliche Schwer- und Reizpunkte setzten die beiden von der Verteidigung beauftragten und bezahlten Gutachter: Holger Kiesewetter aus Berlin und Rolf Kruse vom Referenz-Institut für Bio-Analytik in Bonn.

Weinreich selbst hatte in der Pressekonferenz nach der Bezahlung gefragt, aber die Antwort teilweise falsch verstanden. Kiesewetter bekam Geld für sein Gutachten, Kruse nicht.

Nun hätte es vermutlich ausgereicht, Weinreich eine kurze Mail mit der Bitte um Korrektur zu schreiben, und alles spricht dafür, dass er dieser Bitte auch dann sofort nachgekommen wäre. Aber Weinreich erhielt keine Bitte um Korrektur, sondern noch am selben Abend per Fax eine Abmahnung von Simon Bergmann, dem Anwalt von Claudia Pechstein. Er wurde aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

So eine richtige Abmahnung hat gegenüber einer bloßen Aufforderung zur Richtigstellung einen schönen Nebeneffekt: Sie kostet den Abgemahnten Geld, sogar dann, wenn er der Forderung sofort nachkommt. Im konkreten Fall sind es Abmahngebühren in Höhe von 775,64 Euro inklusive Mehrwertsteuer für die Arbeitszeit des Anwalts.

Das kann man natürlich machen. Womöglich ist es im besten Interesse von Claudia Pechstein, wenn ihr Anwalt gleich mit großer Wucht gegen falsche Darstellungen ihrer Verteidigungsstrategie vorgeht, vielleicht war das auch ein Anliegen von Frau Pechstein selbst, die „Weinrich“ für den „naivsten Sportjournalisten“ hält, von dem sie „bislang je etwas lesen durfte“. Und natürlich muss ein Journalist für seine Fehler geradestehen — auch wenn er in diesem Fall einen unverhältnismäßig hohen Preis für ein offenkundiges Missverständnis zahlt.

So weit, so alltäglich.

Am nächsten Tag bekam Jens Weinreich eine weitere Abmahnung. Er sollte sich noch einmal verpflichten, den bereits einmal abgemahnten Satz nicht mehr zu wiederholen. Diesmal trat Simon Bergmann allerdings nicht als Anwalt, sondern als Klient auf. Absender des Schreibens war sein Sozius Christian Schertz.

Das ist ein lustiger Trick. Man behauptet, dass die falsche Aussage über Rolf Kruse und die „Verteidigung“ von Pechstein nicht nur die Rechte von Pechstein verletze, sondern auch die ihres Anwalts. Und verdoppelt so die Zahl der Abmahnungen. Und die Höhe der geforderten Abmahngebühren: auf schlappe 1551,28 Euro.

Hier ist Simon Bergmann nicht mehr für Claudia Pechstein im Einsatz. Hier handeln er und Christian Schertz quasi auf eigene Rechnung. Und womöglich hatten sie davon noch eine offen. Denn Weinreich und Schertz kennen sich persönlich — von der Auseinandersetzung zwischen dem Journalisten und Theo Zwanziger. Schertz vertrat dabei den DFB und seinen Präsidenten und musste eine Reihe peinlicher juristischer Niederlagen hinnehmen.

Die Frage, ob Schertz im Recht ist und Bergmann einen Anspruch gegenüber Jens Weinreich jenseits der (längst erfolgten) Korrektur des Fehlers hat, überlasse ich gerne Juristen. Aber was die Motivation des Vorgehens angeht, spekuliere ich gerne: Es könnte ein persönlicher Akt der Revanche sein. Oder der Versuch, einen kritischen, lästigen Journalisten einzuschüchtern. Es geht nicht um Gerechtigkeit (und um die Wahrheit schon gar nicht); es geht um Schadensmaximierung. Wer es wagt, kritisch über Pechstein und ihre Fernsehshow zu berichten, wer sich traut, kritisch über Simon Bergmann und seine PR- und Verteidigungsstrategie zu berichten, wer hartnäckig nervt, soll gewarnt sein: Schon ein blöder Fehler kann richtig teuer werden.

Christian Schertz hat uns bei BILDblog und mich bei den juristischen Auseinandersetzungen um dieses Blog sehr unterstützt. Aber ich habe mich (auch weil es schon früher Anlass für Zweifel gab) entschieden, mich in Zukunft nicht mehr von der Kanzlei Schertz-Bergmann vertreten zu lassen.

„Diebe, Rufmörder, Kinderschänder“

Es gibt eine ganz einfache Methode, aus Texten über das schlimme Internet die Luft herauszulassen. Man ersetze in ihnen einfach „digital“ durch „analog“ und „Netz“ durch „Welt“ und schaue, ob die Aussagen trotzdem stimmen.

An einem zentralen Absatz der aktuellen „Spiegel“-Titelgeschichte lässt sich das ganz gut demonstrieren:

Im Netz In der Welt tost nicht nur Karneval, es herrscht auch Krieg. Der Cyberspace Die Welt des 21. Jahrhunderts ist in der Hand von globalen Playern des Kommerzes, Finanzjongleuren, wirtschaftlichen und politischen Tyrannen. Die Grauzonen dieser neuen Weltordnung werden vom organisierten Verbrechen genutzt. Während an der Oberfläche des digitalen analogen Reichs tausend bunte Blumen blühen, Shopping, Chats, Schöngeistiges, wuchert im Wurzelwerk darunter ein Pilzgeflecht aus Intrigen, Täuschung und Terror.

Passt. Was der „Spiegel“ als bemerkenswerte Eigenart des Internet beschwört, ist also nur eine allgemeine Zustandsbeschreibung unserer Welt.

Man hätte im konkreten Fall natürlich auf den Test auch verzichten können, weil das Nachrichtenmagazin im nächsten Satz versucht, einen tatsächlichen Gegensatz zwischen „Netz“ und „Welt“ aufzubauen, und kläglich scheitert:

Das Netz, so sehen es manche, bedroht den Frieden der Welt.

Der Friede der Welt ist bedroht?? Nein, halt: Es herrscht ein Friede der Welt??

Ich wüsste gerne, ob die Menschen in der Dokumentation des „Spiegel“ wenigstens kurz in sich hineingekichert haben, als sie das lasen, bevor sie sich wieder an die anderen Artikel im Heft über Piraten, Terroristen, den „Kriegseinsatz von Ärzten“, ein „Kriegsverbrechertribunal für Bangladesh“, Vergewaltigungen als „Alltag des Krieges“ im Kongo, die „tödliche Logik der Gewalt“ in Nahost und „Hollywoods Kampf gegen den Irak-Krieg“ setzten.

Die These des Aufmachers lautet etwa: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, kann aber leicht mit einem verwechselt werden“, möglicherweise aber auch: „Das Internet ist ein rechtsfreier Raum, müsste das aber nicht bleiben“, ganz genau ist das nicht auszumachen. Das Stück gehört zum beliebten „Spiegel“-Multi-Autoren-Genre, in dem das Hauptziel ist, so viele Namen, Zitate und Faktenfetzen wie möglich in einem Text unterzubringen, die dann notdürftig miteinander verbunden werden.

Argumentative Stringenz ist dabei natürlich optional. So packen die Redakteure die Geschichte des Buchhändlers Amazon, der von ihm illegal verkaufte digitale Bücher auf den Lesegeräten seiner Kunden kürzlich löschte, in das Kapitel, in dem sie behaupten, dass der „digitale Fortschritt die zivilisierte Welt in die Zeit der Selbstjustiz, des Faustrechts zurückführen könnte“. Dabei ist der Fall ein interessantes Beispiel für das Gegenteil. Dass es unendlich dumm war von Amazon, die Bücher einfach zu löschen, ist das eine. Das andere ist: dass Amazon womöglich im Recht war. Wer gutgläubig Diebesgut kauft, hat keinen Anspruch darauf, es behalten zu dürfen. Im „wahren Leben“ kommt dann zwar auch nicht der Buchhändler und holt ein solches Buch aus dem Regal. Aber das Recht gilt, es lässt sich bloß nicht oder nur unter größten Mühen durchsetzen. Mit anderen Worten: Die analoge Welt ist ein rechtsfreier Raum. (Warten Sie nicht auf die entsprechende „Spiegel“-Titelgeschichte.)

Es gäbe unendlich viele solche Beispiele, auf die man aber natürlich nicht kommt, wenn man gleich am Anfang des Artikels die analoge Welt als Friedensidyll beschrieben hat. Bei allem gelegentlichen Versuch zum Differenzieren verlässt der „Spiegel“-Artikel auf seinen Millionen Zeilen an kaum einer Stelle die Grundannahme, dass es darum gehe, das Internet soweit zu zähmen, dass es so frei und zivilisiert wird wie der Rest der Welt. Dass viele Mächtige, nicht nur in China, längst erfolgreich daran arbeiten, im Internet Dinge zu kontrollieren, auf die sie außerhalb des Netzes keinen Zugriff haben, passt nicht ins Denkmuster der „Spiegel“-Geschichte. Dabei verbindet sich mit dem Internet genau so der Traum von der totalen Kontrolle wie der von der totalen Freiheit.

Perfide ist der Text gleich am Anfang, als er erst beschreibt, wie ein Polizist im Internet gegen Kinderpornographie kämpft, und dann fortfährt:

Sie sind ganz schön weit, die Kämpfer um die staatliche Hoheit im Cyberspace.

Die an der anderen Front aber auch. Die Flagge mit dem schwarzen Segel auf weißem Grund weht schon in unmittelbarer Nähe des Berliner Regierungszentrums: Die Piratenpartei hat Ende Juni ihr Wahlkampfbüro für die Bundestagswahl eröffnet.

„Die an der anderen Front“? Da muss man schon sehr genau aufpassen beim Lesen, um nicht zu denken, dass die Piratenpartei für den freien Zugang zu Kinderpornographie kämpft.

Was der „Spiegel“ aber mit den merkwürdigen Sätzen meint, dass es mit Informationen im „Paralleluniversum“ (gemeint ist das Internet) schlimmer sei „als mit Atommüll“ („Sie haben nicht einmal eine Halbwertszeit. Im Internet gibt es keine Zeit und keinen Zerfall.“), testet derweil eine „Spiegel“-Redakteurin mit einem denkwürdigen Auftritt im „ZDF-Morgenmagazin“:

 
Lesenwerte Auseinandersetzungen mit dem „Spiegel“-Titel:

  • Felix Schwenzel (1): „so ist das beim spiegel. arschiges verhalten ist beim spiegel OK, bei anderen ist es vergleichbar mit dem wirken eines polizeistaates.“ (wirres.net)
  • Felix Schwenzel (2): „schlimm und skandalös findet der spiegel auch, dass der urheber eines hassvideo gegen einen bayerischen lateinlehrer nie gefunden werden konnte. nur ob das wirklich etwas mit dem internet zu tun haben muss oder vielleicht der mangelhaften welt in der wir leben (oder gar schlechter polizeiarbeit), kommt den besorgten autoren nicht in den sinn. ich erinner mich zum beispiel daran, dass die schüler die einem lehrer an meiner schule hundescheisse auf die winschutzscheibe und die lüftung schmierten ebenso wie die, die den vorgarten des direktors verwüsteten und sein haus mit klopaier schmückten, nicht identifiziert werden konnten.“ (wirres.net)
  • Alexander Svensson: „Dass das Domainnamensystem den Übergang vom Wissenschaftler-Internet zum globalen Netzwerk mit mehr als einer Milliarde Nutzern einigermaßen unbeschadet überstanden hat, ohne völlig auseinanderzufliegen, ist schon eine Leistung. Was für ein Wahnsinn ist da ein Plädoyer, ICANN binnen zwei Monaten in „eine supranationale unabhängige Instanz“ zu verwandeln und mit „weitreichenden Befugnissen und Mitteln“ auszustatten, ohne auch nur einmal über Legitimation und Kontrolle zu reden, von den genauen Aufgaben ganz zu schweigen.“ („Wortfeld“)
  • Christian Stöcker: „Insgesamt aber muss, wer das Internet für überwiegend schädlich hält, ein Menschenfeind sein. Das Netz ist vor allem eins: Der größte Informationsvermittler und -speicher, den die Menschheit jemals zur Verfügung hatte. Vor nicht allzu langer Zeit herrschte im alten Europa noch Konsens darüber, dass mehr Information in der Regel besser ist als weniger Information. Dass die Möglichkeit, Bildung und Wissen zu erwerben, begrüßenswert ist, dass die Welt dadurch zu einem besseren, freieren, womöglich glücklicheren Ort wird.

    Manchmal kann man dieser Tage den Eindruck bekommen, dieser alte Konsens gelte nun nicht mehr: Weil unter der vielen Information im Netz auch so viel ist, das dem einen oder anderen nicht behagt. („Spiegel Online“)

(Das letzte ist natürlich nicht wirklich eine Antwort auf den „Spiegel“-Artikel. Liest sich aber so.)

Hohe Kompetenz mit versierten Fachautoren!

Vielleicht raten Sie einfach mal mit, ob es sich bei diesem Text um eine Pressemitteilung von Gruner+Jahr oder den aktuellen Aufmacher des Online-Medien-Dienstes „Meedia“ handelt:

’stern‘-Sensationserfolg mit Jacko-Sonderheft

(…) Die Verkaufszahlen sind vor dem Hintergrund des auch für ein Sonderheft hohen Copy-Preises extrem ermutigend. (…)

Beim Thema Michael Jackson konnte der „stern“ seine hohe Kompetenz in der Verbindung anspruchvolle [sic] Redaktion plus eindrucksvolle Fotostrecken ausspielen. „Ein solches Projekt“, so [„Stern“-Chefredakteur Andreas] Petzold, „ist eine Freude für jeden Layouter“. Für den Text zeichnete unter anderem der versierte Fachautor Jochen Siemens verantwortlich.

Die Produktion des Sonderheftes war laut Petzold schnell entschieden: „Wir waren überhaupt nicht zögerlich und wussten gleich, dass dies ein Sonderheft werden muss.“ Folgerichtig sicherte sich das Hamburger Magazin für den Extra-Titel umgehend die Exklusivrechte an dem legendären Jackson-Foto von Herb Ritts und brachte dieses auf dem Cover. (…)

Okay, war leicht.

[via Swarley in den Kommentaren]

Programmhinweis (30)

Wer mag, kann mich in dieser Woche gleich zweimal im Radio hören.

  • Gleich geht es kurz um den Kampf der Zeitungsverleger gegen Google und Co. (Deutschlandradio Kultur, heute, 15.07 Uhr).
  • Und am Mittwochvormittag darf ich mit Experten und Hörern ausführlich über das Thema „Glaubwürdigkeit im Journalismus“ diskutieren. Hintergrund ist eine Studie des Kommunikationswissenschaftlers Professor Wolfgang Donsbach über „Journalismusverdrossenheit“ in Deutschland (Deutschlandfunk, Mittwoch, 10 Uhr).

Meedioker

Beim Mediendienst „Meedia“ scheinen jetzt auch die betrunkenen Legastheniker zu arbeiten, die sonst die Seiten von „RP-Online“ füllen:

Ja, das ist eine Meldung für „Meedia“, und, ja, das ist die komplette Meldung.

Aber die Pointe kommt noch: Es stimmt nicht einmal, was da steht. Evan Williams sagte in der BBC (wie man auch der von „Meedia“ verlinkten Sekundärliteratur entnehmen kann), dass London die „top Twitter using city“ sei — also noch vor San Fran, äh, sico und New York liegen muss.

Dieses Geschäftsmodell, Nachrichten von anderen Seiten abzuschreiben und eigene Meldungen daraus zu machen, es ist anspruchsvoller, als man denken sollte.

Nachtrag, 12.35 Uhr. meedia.de hat flugs die Rechtschreibfehler korrigiert, am falschen Inhalt der Meldung aber sicherheitshalber nichts geändert.

Nachtrag, 13.30 Uhr. Nun ist die Meldung zwar nicht mehr eindeutig falsch. Aber von San Francisco und New York und ihren Platzierungen ist in Williams‘ BBC-Interview gar keine Rede.

Annemarie Warnkross

Ich glaube nicht mehr an die Existenz von Annemarie Warnkross.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob es eine der genialen Frauenfiguren von Anke Engelke ist oder eine neue Roboterentwicklung, die diese makellose leere Künstlichkeit ermöglicht. Aber alles andere ist zu unwahrscheinlich.


Fotos: ProSieben.de

Warnkross moderiert angeblich das Pro-Sieben-Starmagazin „red!“, das aus einem Paralleluniversum kommt, in dem La Toya Jackson in dieser Woche „zum allerersten Mal überhaupt“ über den „Tod ihres geliebten Bruders Michael“ sprach (in unserer Welt war La Toya seit dessen Tod mit wenig anderem beschäftigt, als darüber Interviews zu geben). Möglich gemacht hatte das „‚red!‘-Star-Reporterin“ Bettina von Schimmelmann, die Frau, „die als einzige deutsche TV-Reporterin während der Trauerfeier im Staples-Center“ saß. Alle drei Frauen müssen sich vorher schon beim Friseur getroffen haben, und Warnkross und Schimmelmann hatten sogar ein verständnisvolles Synchronnicken einstudiert, das im Gegenschnitt ihre Achtziger-Jahre-Locken perfekt wippen ließ.

La Toya erklärte Warnkross, die sie mit einer Art Hofknicks begrüßt hatte und danach ihr Gesicht in einem selig-debilen Dauergrinsen eingerastet ließ, dass man nicht vergessen dürfe, dass Michael Jackson bei den geplanten Konzerten ja älter gewesen wäre als früher. Und Warnkross gab in die Werbepause mit Sätzen wie: „Ja, da haben wir schon über sehr viele emotionale Sachen mit ihr sprechen können.“

Der Wahnsinn hatte das ganze Team erfasst. In Einspielfilmen nannten sie Jackson einen „King of Pop, der seit jeher Mundschutz statt Krone trägt“, und als alle nach der bizarren Audienz mitsamt dem Kamerateam von einem Hotelzimmer in ein anderes gingen, um sich Videos von Michael anzusehen, hieß das ein „persönliches Privatgespräch“. La Toya kämpfte hier sehr attraktiv mit den Tränen, und Warnkross neben ihr strahlte wie ein achtjähriges Mädchen, das endlich den Weihnachtsmann treffen durfte.

Als Bonusmaterial glucksten die „Star-Reporterin“ und die Schöne-Moderatorinnen-Parodie dann noch in die Kamera, wie „toll“ das war und dass La Toya gar nicht zickig gewesen sei und der Annemarie sogar Komplimente gemacht hat, selber aber keine annehmen wollte. Gut, über ihren Mordverdacht und sowas hätte La Toya natürlich nicht reden können, klar. „Aber ansonsten haben wir alles erfahren. Auch dass ihre Lieblingsfarbe Rot ist. Und Gold.“

Anke, komm raus!

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

 

Der DJV kennt Google News nicht

In dieser Woche schrieb Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), in der „FAZ“:

Der Nachrichtenaggregator Google News ist dagegen bisher weitgehend unbeschadet von Ansprüchen Dritter geblieben. Dabei ist hier die fast vollautomatische Zeitung schon heute Realität. Einerseits sorgt die Präsenz auf dieser Seite für mehr „Traffic“ bei den dort verlinkten Internetseiten, andererseits übernehmen diese und vergleichbare Angebote einen wichtigen Teil des Anzeigengeschäfts, das die Produktion dieser Inhalte erst möglich macht.

Das konnte man noch für den Irrtum eines schlechtinformierten Lobbyisten halten, der es mit der Wahrheit eh nicht immer so genau nimmt. Aber es ist schlimmer.

In der offiziellen Stellungnahme des DJV zu Änderungen der Urheberrechtes [pdf], die der Verband dem Bundesjustizministerium zukommen ließ, formuliert der Justiziar Benno H. Pöppelmann:

Es ist einerseits ärgerlich, wenn Google Geld mit Werbung verdient, die neben Hinweisen auf von Verlagen finanzierte Veröffentlichungen34 platziert wird. Andererseits kann nicht übersehen werden, dass die Anzeigen durch die Suchmaschine zu Zugriffen auf das Angebot der Verlage führen und damit für die Werbeeinnahmen der Verlage förderlich sind.

Und die Fußnote auf derselben Seite lautet unmissverständlich:

34 http://news.google.de

Weil die Sache so unübersichtlich ist, habe ich sie einmal in einem Schaubild verdeutlicht — als kleinen Service für Herrn Konken, Herrn Pöppelmann und die anderen. Das hier links ist eine verkleinerte Darstellung der aktuellen deutschen Google-News-Seite. Und auf der rechten Seite ist die komplette Werbung zu sehen, die Google darauf platziert hat, sämtliche Anzeigen, mit denen Google News auf der Grundlage der Inhalte der Verlage Geld verdient, das dem Anzeigengeschäft der Medien fehlt:

Ich kann’s aber auch sicherheitshalber noch einmal hinschreiben: Auf news.google.de ist keine Werbung. Google News ist zur Zeit in Deutschland ein kostenloser, werbefreier Service von Google, von dem Leser und Online-Medien profitieren.

Das Schlimme ist: Die differenzierte Position des DJV zur Forderung der Verlage nach einem Leistungsschutzrecht, wie sie in dem Papier formuliert wurde, ist gar nicht dumm; sie ist auch sehr in meinem Interesse als (freier) Journalist. Aber würden Sie diese Leute ernst nehmen?

Programmhinweis (29)

Er hat das Bildblog in Teilen, Schafscontent fast zur Gänze und unabhängige Medienkritik eigentlich gar nicht erfunden, dafür aber mit viel Geduld und Spucke im Netz hoffähig gemacht.

Das ist mal eine tolle Kurzbiographie! Die sympathischen Fußballblogger von „Du gehst niemals allein“ haben eine originelle Serie namens „Im Abseits“ gemacht, in der sie mit Menschen gesprochen haben, „die am Samstag Abend nichts besseres zu tun haben, als nicht die Sportschau zu gucken“. Gesprächspartner sind nette Blogger und ein „Don Alphonso“. Und in der achten und letzten Folge spreche ich über traumatische Kindheitserlebnisse und verrate exklusiv, wer Deutscher Meister 2009/2010 wird.

E-Mail-Zusammenarbeits-Dings gesucht

Ich bin auf der Suche nach einem Programm. Bei BILDblog arbeiten wir zur Zeit so, dass mehrere Leute auf einen E-Mail-Account (über Google Apps) zugreifen, wo die ganzen sachdienlichen Hinweise einlaufen. Was die Arbeit erheblich übersichtlicher machen würde, wäre, wenn man zu jeder Mail im Postfach eine kurze Notiz für die anderen BILDblogger schreiben könnte, also etwa: „schon erledigt“, „ich kümmer mich drum“, „ist nichts“, „kannst Du morgen da mal nachfragen“ o.ä.

Kennt jemand eine Online-Anwendung oder ein Programm, mit dem sich so etwas machen lassen könnte? Die üblichen Softwarelösungen zum Customer Relationship Management (oder wie das heißt) oder irgendwelche Ticket-Systeme wären für uns vermutlich völlig überdimensioniert und unnötig komplex. Andererseits kommt man mit den Labels in GMail auch nicht weit.

Ideen, anyone?