Autor: Stefan Niggemeier

Das Krümelmonster beim Datenschützer

Die Internetseite des Berliner Datenschutzbeauftragten hat natürlich auch eine eigene Datenschutzerklärung. In der heißt es unter anderem unmissverständlich:

Diese Seite verwendet keine Cookies.

Und was passiert, wenn Sie auf derselben Datenschutzseite des Datenschutzbeauftragten, auf der das steht, oben klicken, um die Schriftgröße verändern?

Es wird ein Cookie gesetzt.

Schöner Kommentieren mit Datenschutz

Aus rechtlicher Sicht ist die Kommentarfunktion in Blogs aus zwei Gründen problematisch:

1.) Weil jeder anonym kommentieren kann.
2.) Weil nicht jeder anonym kommentieren kann.

Ende 2007 durfte ich zusehen, wie den Richtern des Hamburger Landgerichts die Haare zu Berge standen angesichts des Leichtsinns, dass hier Menschen einfach Nachrichten hinterlassen können, ohne ihren richtigen Namen anzugeben zu müssen. Wenn ich nicht weiß, wer da kommentiert, muss ich im Zweifelsfall vorab prüfen, was da kommentiert wird, urteilte das Gericht — und entschied gegen mich.

Nun sind es die Berliner Datenschützer, denen die Haare zu Berge stehen angesichts der Ungeheuerlichkeit, dass ich von den Kommentatoren die Angabe einer E-Mail-Adresse verlange und die IP-Adressen, unter denen sie gerade im Netz unterwegs sind, gespeichert werden. Das zweite macht die Blog-Software WordPress automatisch; das erste ist für mich ein etwas hilfloser Versuch, die Moderation der Kommentare zu erleichtern und die Wahrscheinlichkeit des Schlimmsten zu reduzieren.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hält die Praxis (die mehr oder weniger Standard in Blogs ist) für unzulässig und hat mir mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro gedroht, wenn ich daran nichts ändere. Er verweist auf das Telemediengesetz, wonach „Nutzungsdaten“ in der Regel „nur zu Zwecken der Abrechnung“ gespeichert und „Bestandsdaten“ wie die E-Mail-Adresse nur erhoben werden dürften, „soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgesatltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind“.

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Das deutsche Datenschutzrecht als Alptraum zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Es ist ein Alptraum voller Alpträume. Selbst höchste Richter klagen über die „unglaubliche Länge” der Vorschriften, die Gerichte sind sich uneins über ihre Auslegung, und ob eine bestimmte Praxis zulässig ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wo ein Angebot ansässig ist und welche Linie der oberste Datenschützer des jeweiligen Bundeslandes gerade vertritt.

Eine der entscheidenden ungeklärten Fragen ist die, ob IP-Adressen personenbezogene Daten sind. Die IP-Adresse ist eine Zahlenkombination, die einem Computer in einem Netzwerk zugewiesen ist. Man bekommt sie jedesmal neu von seinem Internet-Anbieter zugewiesen, wenn man online geht. Sie lässt sich zwar in aller Regel keinem konkreten Internetnutzer zuordnen, aber dem Provider oder der Firma, über deren Netzwerk er sich einwählt. Wenn diese IP-Adressen als „personenbezogene Daten“ behandelt werden müssen, wogegen viel spricht, worauf aber unter anderem der Berliner Datenschützer beharrt, dürfen sie nach deutschem Recht nicht gespeichert werden – was aber quasi ununterbrochen automatisch geschieht.

Für mich sind die einzelnen Daten, die ein Besucher beim Aufruf dieser Seite hinterlässt, nicht interessant, sondern nur ihre statistische Zusammenfassung: Wieviele Besucher sind es insgesamt, von welcher Seite kommen sie, mit was für einem Browser sind sie unterwegs?

Allerdings können mir die IP-Adressen bei der Moderation der Kommentare helfen. Wenn ein Kommentator wiederholt unzulässige Beiträge veröffentlicht (für deren Inhalt ich bekanntlich je nach Gericht haftbar gemacht werden kann), kann ich einen IP-Bereich, der den oder die Computer umfasst, von denen aus er auf meine Seite kommt, so sperren lassen, dass seine Beiträge immer erst erscheinen, wenn ich sie manuell freigeschaltet habe. Das ist keine Methode mit hunderprozentiger Sicherheit, weil es verschiedene Möglichkeiten gibt, die IP-Adressen zu wechseln. Außerdem werden dadurch auch diverse „unschuldige“ Kommentierer belästigt, die sich zufällig über denselben IP-Bereich einwählen und nun immer erst auf die Moderation ihres Kommentars warten.

Die Methode ist aber ganz effektiv, um zum Beispiel Wahnsinnige, die eine ganze Nacht lang einen Krawallkommentar nach dem anderen abgeben, ins Leere laufen zu lassen. Wenn ich keine Möglichkeit hätte, solche Leute wenigstens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wiederzuerkennen, wäre die Gefahr viel größer, dass hier justiziable Kommentare veröffentlicht werden und ich noch mehr Lebenszeit mit den Richtern des Hamburger Landgerichts verbringe.

Die Berliner Datenschützer dagegen schreiben mir, sie hätten zwar „Verständnis für die Schwierigkeiten, die mit dem Angebot einer Kommentarfunktion in einem Blog verbunden sind“, es sei für sie jedoch „nicht ersichtlich, dass es sich bei der Sperrung von IP-Adressen um eine in diesem Sinne wirksame Maßnahme handelt“. Nun ja. Ich könnte ihnen Sachen zeigen… (Darf ich aber vermutlich nicht. Sie wissen schon: Datenschutz.)

Die IP-Adresse eines Kommentators hilft mir auch bei einer Art Plausibilitätsprüfung. Neulich kommentierte hier zum Beispiel jemand unter dem Namen des Chefs einer TV-Produktionsfirma und lehnte sich dabei ziemlich weit aus dem Fenster. Ich kann in solchen Fällen nicht eindeutig feststellen, ob der Mann der ist, als der er sich ausgibt. Aufgrund der IP-Adresse war aber klar, dass die Kommentare vermutlich von einem Computer der entsprechenden Firma abgegeben wurden, was immerhin für die Authentizität sprach. (Später habe ich die von dem Kommentator angegebene E-Mail-Adresse genutzt, um nachzufragen, ob er es wirklich ist, was er bejahte.)

Anhang der IP- und E-Mail-Adressen konnte ich auch in der lustigen Diskussion über Julia Franck und ihre Remixphobie feststellen, dass es sich bei der sympathischen „Julia Franck“, die sich beherzt einmischte, nicht um die echte Julia Franck handelte und bei der nicht ganz so sympathischen „J. Franck“, die später dazukam, wiederum weder um die echte noch die erste falsche Julia Franck. (Lesen Sie mehr irrwitzige Sätze wie diesen in meinem demnächst erscheinenden Buch „10.000 Gründe gegen Kommentare im Blogs“, kl. Scherz.)

Ich finde es schon einigermaßen erstaunlich, dass ich von den Leuten, für deren Kommentare ich gegebenenfalls rechtlich einstehen muss, nicht einmal eine E-Mail-Adresse verlangen dürfen soll. Doch die Berliner Datenschützer meinen, es bestehe „keine Rechtsgrundlage“ dafür, die Angabe zur Pflicht zu machen: „Zur Vorbeugung gegen Missbrauch durch Dritte ist die Erhebung der E-Mail-Adresse unserer Auffassung nach nicht geeignet, allein schon deswegen, weil der Nutzer eine beliebige E-Mail-Adresse — bei der es sich nicht einmal um seine eigene handeln muss — angeben kann.“ Wohl wahr, und doch gibt es Fälle, in denen mir diese Angabe — trotz ihrer beschränkten Aussagekraft — geholfen hat, Missbrauch zu erkennen.

Der Anwalt und Datenschutzrechtsexperte Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei JBB, der mich in dieser Sache vertritt, hat den Datenschützern einen langen Brief geschrieben, in dem er ihre Argumentation zurückweist. Eigentlich ist es so ein Fall, in dem man einen Prozess forcieren müsste, um eine richterlichen Klärung der grundsätzlichen Fragen, die viele Blogs und Online-Medien betreffen, zu erreichen. Allerdings hat Feldmann einen pragmatischen Vorschlag gemacht, das Dilemma zu lösen, der grundsätzlich die Zustimmung der Berliner Datenschützer gefunden zu haben scheint: Zukünftig muss jeder, der hier kommentiert, in die „Datenverarbeitung“ (also die Speicherung von IP- und E-Mail-Adresse) einwilligen. Ein entsprechender Text ziert jetzt das Kommentarfeld.

Viel mehr über die juristischen Hintergründe in Thorsten Feldmanns Feldblog.

Hademar Bankhofer und die Arschlöcher

Vor zwei Wochen hat Marcus Anhäuser in zwei Artikeln in der „Süddeutschen Zeitung“ noch einmal zusammengetragen, wie untrennbar der ehemals beliebte „Experte“ Hademar Bankhofer Werbung und scheinbar unabhängige Gesundheitstips miteinander verbunden hat. Man müsste seine Bereitschaft, Werbebotschaften unters Volk zu bringen, bizarr nennen — wäre nicht „geschäftstüchtig“ das viel treffendere Wort.

Allerdings gehen ihm langsam die Medien aus, die ihm eine Bühne bieten. Nachdem sich der WDR endgültig von ihm getrennt hat, kommt Bankhofer nun auch sein Magazin „Spektrum Gesundheit“ abhanden, das die Produktionsfirma CAMP-TV in ihren Schleichwerbeprogrammen auf Sat.1 und RTL in Bayern ausstrahlt. Auch der österreichische Sender TW1 hat Bankhofers Pharma-PR-Sendung „Die gesunde halbe Stunde“ eingestellt.

Aber der Werbeexperte hat noch Freunde. Zum Beispiel den Morgenshowmoderator Hary Raithofer vom Wiener Hörfunksender 88.6 („Wir spielen was wir wollen“), der anscheinend auch Förderer von Hademar Bankhofers Sohn Hademar Bankhofer ist. (Letzterer wird, kein Witz, „Hadschi“ gerufen.) Bei Raithofer durfte Bankhofer Senior dieser Tage für sein neues Buch werben und sich als Opfer einer von langer Hand geplanten Piefke-Intrige darstellen.

Auf Bankhofers eigener Homepage „Gesundheitswelten“ wird der Inhalt des Gesprächs [mp3] mit den Worten zusammengefasst: „Über das neue Buch ‚Ihre Gesundheit liegt mir am Herzen‘, über die besten und wichtigsten Tipps für Sie darin, über die Rufschädigung Bankhofers durch Arschlöcher in Deutschland und deren laufende Vermehrung.“

Konkret klingt der Teil mit der Rufschädigung so:

[audio:http://www.stefan-niggemeier.de/blog/wp-content/bankhofer.mp3]

Das Schöne an Leuten wie Bankhofer ist, dass sie den letzten Rest der Demontage nie anderen überlassen.

[via Mastermind in den Kommentaren]

Kurz verlinkt (38)

„Der Ludwig“ mag im rechtlichen Sinn zur Familie gehören, tatsächlich bleibt er ein Fremdkörper. Einer, der nicht dazu gehört, weil er nicht so geworden ist, wie gewollt — nämlich nichtbehindert.

Oliver Tolmein im FAZ-„Bioethik“-Blog über einen erstaunlichen „Spiegel“-Artikel, der dafür plädiert, die Spätabtreibung behinderter Kinder zuzulassen.

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Die FAZ, die seit Monaten eine Kampagne für neue Leistungsschutzrechte gegen „digitale Enteignung“ fährt, lizenzierte Texte von Elke Heidenreich ohne deren Wissen und ohne finanzielle Beteiligung.

Peter Mühlbauer in „Telepolis“ über die Folgen des Vertrages [pdf], den freie Mitarbeiter der FAZ [wie ich] unterschreiben müssen. Der ganze Fall im „Literaturcafé“.

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Ralf Köttker bleibt Sprachrohr des DFB, wechselt aber den Arbeitgeber.

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Aiman Abdallah stellt seine fehlende Kompetenz in den Dienst eines Joghurts mit Fruchtzubereitung und macht im Werbefernsehen einen Versuch, um herauszufinden: „Wie bekommt man soooo viele Früchte überhaupt in einen Becher“. Marcel Bülow hat für „Plazeboalarm“ nachgerechnet und stellt fest: In einem „Froop“ Erdbeer könnte ziemlich genau eine Erdbeere stecken.

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Verglichen mit dem Netz ist das Leben ein Sündenpfuhl. Das Gerede vom „rechtsfreien Raum“ kann also nur von Menschen kommen, die sich nicht einmal entfernt mit dem Internet und den Urteilen zu Störerhaftung, Urheberrecht, Markenrecht usw. befasst haben. Der Kampfbegriff des „rechtsfreien Raumes“ wird exzessiv genutzt, obgleich er erwiesenermaßen falsch ist.

Bettina Winsemann in „Telepolis“ über die schwachsinnige Lieblings-Floskel von Anwälten, Politikern und Verlagslobbyisten.

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Ein „Photoshop Disaster“ bei Boris Beckers Hochzeit und im „Blick“.

Hornauer ./. Niggemeier?

Bevor jemand fragt: Nein, bislang ist hier keine Rechnung von Thomas Hornauer angekommen. Das muss nichts bedeuten — wenn ich ihn richtig verstanden habe, will er ja zuerst Oliver Kalkofe armklagen, und dann ist anscheinend auch noch völlig offen, ob auf den fälligen Betrag für den Energieausgleich vor der Mehrwertsteuer noch die Postleitzahl addiert werden muss.

Ich hatte aber vor einem Jahr, am 21. Juli 2008, schon Post von einem Münchner Anwalt bekommen, der behauptete, Hornauer zu vertreten. Er bezog sich auf meine auch hier veröffentlichte Kolumne aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ über Hornauer und monierte Formulierungen wie diese:

„Der Mann mit den Fisselhaaren ist Thomas Hornauer, und am ehesten ist er wohl vergleichbar mit dem traurigen wirren Monologisierern, die entweder in der Mitte der Fußgängerzone zur Welt predigen oder am Rande der Fußgängerzone zu ihrem Bier.“

Diese Äußerungen in meinen „Internet-Foren“ stellten den „Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 Strafgesetzbuch sowie der Üblen Nachrede gem. § 186 Strafgesetzbuch dar“, schrieb der Anwalt und wies daraufhin, dass sowas „mit einer Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr geahndet“ werde. Die „Kundgabe“ der „Missachtung oder Nichtachtung in dem spezifische Sinn, dass dem Betroffenen der sittliche, personale oder soziale Gegenwert durch das Zuschreiben negativer Qualitäten ganz oder teilweise abgesprochen wird“ sei erfüllt, klärte er mich auf. Zudem hätte ich „durch die Verbreitung der Internet-Foren mit beleidigendem und verleumderischen Charakter“ wider besseres Wissen unwahre Tatsachen verbreitet, um Herrn Hornauer verächtlich zu machen. (Ob sich das mit den unwahren Tatsachen auf die Fisseligkeit der Haare oder etwas anderes bezieht, geht aus dem Schreiben leider nicht hervor.)

Jedenfalls:

„Unser Mandant wird diesen Sachverhalt auf keinen Fall hinnehmen.

Wir fordern Sie nunmehr unverzüglich auf, sich für diese Äußerungen in ihren Internet-Foren zu entschuldigen und machen bereits jetzt Schadensersatzansprüche dem Grunde nach geltend.“

Nach Rücksprache mit jemandem, der sich mit sowas auskennt, schrieb ich dem Anwalt, dass ich sein Anliegen gemäß § 174 BGB zurückweise, weil er mir keinen ordnungsgemäßen Nachweis seiner Bevollmächtigung vorgelegt habe. Sprich: Ich weiß gar nicht, ob er im Auftrag von Hornauer gehandelt hat.

Dann kam mit Datum vom 22. Juli 2008 noch ein lustiger Brief, in dem der Anwalt ankündigte, nunmehr „Privatklage“ gegen mich zu erheben:

„Sie werden dann wegen Beleidigung und übler Nachrede verurteilt werden und damit vorbestraft sein. Die Geldstrafe wird sie empfindlich treffen im Hinblick auf die wirtschaftliche Stellung unseres Mandanten und seinen Umsätzen.“

Danach habe ich nichts mehr von dem Mann gehört. Der Indikativ ist auch nicht mehr das, was er mal war.

Flauschmodels

Da bin ich wieder.

Und aus dem Urlaub habe ich dieses wunderbare und passende Buch mitgebracht, das mir eine Freundin geschenkt hat:

„Beautiful Sheep“ zeigt Schafe 40 verschiedener Rassen, aufgebrezelt und ins rechte Licht gerückt für die Kamera des Modefotografen Paul Farnham. „Die meisten Schafe waren prima, sie kamen einfach und liefen direkt vor den Vorhang“, sagte er dem „Daily Telegraph“. „Aber einige waren verrückt. Jedesmal, wenn man sich von ihnen entfernte, bockten sie und liefen weg. Es war ein bisschen wie bei der Arbeit mit Models.“

Die Bilder sind einerseits das krasse Gegenteil der von mir immer noch heißgeliebten Schnappschüsse, die Sakana von Schafen auf der Weide macht: gestellt und künstlich. (Und ich möchte nicht wissen, was die Models alles über sich ergehen lassen mussten. Das Buch will zwar für die „Schönheit, Eleganz und Verschrobenheit“ der Tiere werben. Aber es beschreibt auch, wie die flauschigen Teilnehmer vor Wettbewerben zurecht gemacht werden: Bei Schafen mit schwarzem Kopf wird das Gesicht eingeölt, bei weißen wird Kreide verwendet. „Vor der Show werden die Schafe gebadet, gewaschen und schamponiert — eine Erfahrung, die oft von den Schafen nicht wirklich geschätzt wird“, heißt es an einer Stelle. Gut, immerhin mussten sie sich nicht von Heidi Klum besprechen lassen.)

Aber Sakanas Schafe und die Models aus „Beautiful Sheep“ haben etwas gemeinsam: Sie zeigen Persönlichkeit. Das Besondere an den Fotos sind nicht nur die verschiedenen Formen und Farben der Tiere — sondern der unterschiedliche Charakter, den man in sie hineinlesen kann: Einige scheinen stolz vor der Kamera zu posieren, andere eher versonnen, es gibt stoische, neugierige und divenhafte Tiere. Und manchen scheint die Sache ein bisschen peinlich zu sein.

Christiane Ruff

Es könnte sein, dass sich dieser Text gleich ein bisschen zu sehr wie ein Nachruf lesen wird, aber keine Sorge: Christiane Ruff lebt. Sie verabschiedet sich nur in der kommenden Woche aus dem Fernsehgeschäft. Das ist allerdings besonders schade. Nicht nur, weil die Geschäftsführerin der Produktionsfirma Sony Pictures (früher: Columbia Tristar) mit ihrer lauten, undiplomatischen, leidenschaftlichen Art einer Frau aus dem Ruhrgebiet so ein sympathischer Fremdkörper in der Branche war. Sondern auch, weil sie uns das Genre der deutschen Sitcom schenkte.

Dabei waren die Anfänge gruselig: Als RTL-Unterhaltungsredakteurin war sie zu Beginn der neunziger Jahre mitverantwortlich für die Idee, amerikanische Erfolgsserien wie „Eine schrecklich nette Familie“ einfach wörtlich ins Deutsche zu übersetzen und unter Titeln wie „Hilfe, meine Familie spinnt“ nachspielen zu lassen. Aber der Sender ließ sie weiter probieren, und irgendwann schien sie als Produzentin eine Formel gefunden zu haben für warmherzige und lustige Sitcoms, die ihre Protagonisten ernst nahmen und vom Publikum und von der Kritik geliebt wurden: „Nikola“, „Ritas Welt“, „Mein Leben und ich“. (Wenn man die Kritik weglässt, zählen noch „Die Camper“ und „Alles Atze“ dazu.)

Es war sehr ansehnliches, wiederholbares, kommerziell höchst erfolgreiches Unterhaltungsfernsehen, und nichts sprach dafür, dass dieses Genre – mit all seinen mehr und weniger gelungenen Nachahmern – je wieder verschwinden würde. Tat es aber. Nachdem der jüngste Versuch, „Der kleine Mann“ mit Bjarne Mädel auf Pro Sieben, gerade auf sensationelles Zuschauerdesinteresse stieß, kann selbst ein sehr ungeschickter Sägewerksarbeiter die Zahl der erfolgreichen deutschen Comedyserien an einer Hand abzählen.

Bei RTL glaubt man nicht einmal an seine eigenen Auftragsproduktionen: Die von Sony produzierte Schulcomedy „Der Lehrer“, die der Sender schon im Mai 2007 vorgestellt hat und die 2008 für die „Goldene Rose“ nominiert wurde, wird erst jetzt im Spätsommer, fast widerwillig, ins Programm genommen und schnell in Doppelfolgen versendet. Was man in Zukunft von RTL an fiktionalen Serienproduktionen erwarten darf, zeigt die Tatsache, dass der Sender die entsprechenden Mitarbeiter gerade entlässt und die Abteilungen de facto auflöst.

Die großen Erfolge von Sony liegen nun auch schon einige Jahre zurück, die Versuche mit Dramaserien waren ambitioniert, aber vergleichsweise erfolglos, stattdessen funktionierte Schrott wie das Versteckte-Kamera-Fake „Böse Mädchen“, und die Spielräume werden in Zukunft eher schrumpfen. Besser wird’s nicht, sagt Christiane Ruff und geht. Sie wird dem Fernsehen fehlen, auch wenn das Fernsehen das nicht merkt.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Urlaubsvertretung: Daniel Erk

Ich bin schon wieder urlaubsreif.

Was sich insofern ganz gut trifft, als ich ab morgen für zwei Wochen Urlaub mache.

In der Zwischenzeit übernimmt an dieser Stelle ein Mann, der von der Stadtillustrierten „tip“ im vergangenen Jahr zu einem der „100 peinlichsten Berliner“ gewählt wurde, was schon deshalb peinlich ist, weil Sascha Lobo nicht einmal in der Liste vorkommt. Er ist der „Hitlerblogger“ der „taz“, und ich habe ihn kennengelernt, als er einen ebenso klugen wie lustigen Vortrag namens „Das (kleine) Hitler-Diplom“ hielt.

Und wenn diese Sätze nicht geeignet sind, völlig unrealistische Erwartungen an Daniel Erk und das, was er hier in meiner Abwesenheit veranstalten wird, zu wecken, weiß ich es auch nicht.

(Schafcontent-Symbolfoto: Lukas)