Autor: Stefan Niggemeier

Gibt 9Live sich die Kugel?

Ich habe für die heutige Ausgabe der „taz“ über die neuen Gewinnspielregeln geschrieben, die vermutlich vom kommenden Frühjahr an die Rechtsgrundlage für die teuren Anrufspiele von 9Live, DSF, Tele 5 und die anderen bilden werden. Einige ursprünglich im Entwurf vorgesehene Punkte, die tatsächlich für Transparenz hätten sorgen und Spielsüchtige schützen können, konnten die Privatsender zwar verhindern. Aber die neue Satzung, das neue Aufsichtsgremium der Landesmedienanstalten („ZAK“) und die Tatsache, dass Verstöße erstmals eine Ordnungswidrigkeit sind und mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden können, werden das Leben für 9Live & Co. erheblich erschweren. (Mehr dazu auf taz.de.)

9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit hat im E-Mail-Interview auf die Verschärfung der Bedingungen mit süßlichen Nebelkerzen reagiert:

Ist 9Live mit dem jetzt vorliegenden Entwurf zufrieden?

Nun, der vorliegende Entwurf ist noch nicht abschließend in Kraft getreten. Zunächst müssen die Gremien der einzelnen Landesmedienanstalt das Papier prüfen und absegnen. Was unser Programm angeht, sehen wir für uns keine grundlegenden Änderungen. Seit Jahren verpflichten wir uns freiwillig einem strengen Regelwerk und gehen bereits heute mit gezielten Verbraucherhinweisen über die Forderungen der Landesmedienanstalten hinaus.

Halten Sie diese Regeln für praktikabel?

Grundsätzlich ist es doch so: Durch klare Regeln schafft man Transparenz und damit Vertrauen. Deshalb war und ist 9Live auch ein Treiber und Befürworter in dieser Sache. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob die deutlich gestiegene Zahl der Hinweispflichten einem Live-Programm zuträglich ist. Aber ein klares Règlement stellt auch einen fairen Wettbewerb sicher, von dem auch der Zuschauer profitiert. Wir setzen uns seit jeher dafür ein, das Geschäftsmodell langfristig und nachhaltig abzusichern.

Die jetzige Fassung ist gegenüber einem früheren Entwurf weniger streng — weggefallen ist zum Beispiel die Pflicht, die Zahl der Teilnehmer an einem Spiel ins laufende Programm einzublenden und eine Obergrenze für die Teilnahme pro Tag. Ist das im Sinne von 9Live?

Wir nehmen die Verantwortung gegenüber unseren Zuschauern ernst. So weisen wir zum Beispiel im laufenden Programm stets darauf hin, dass die Zuschauer ihr Anrufverhalten kontrollieren sollen.

Was wird 9Live am Programm und der konkreten Gestaltung der Spiele ändern müssen, um den neuen Regeln gerecht zu werden?

Wie bereits erwähnt, ist der vorliegende Entwurf noch nicht in Kraft. 9Live praktizierte aber bereits vor der neuen Gewinnspielsatzung die meisten der angekündigten Maßnahmen. Beispielsweise stellte 9Live schon immer sicher, dass für jeden Teilnehmer zu jeder Zeit des Spiels eine Chance besteht, ausgewählt zu werden und zu gewinnen. Die Teilnahme an den Gewinnspielen kostet seit jeher 50 Cent und Grundbedingung für eine Spielteilnahme bei Call-In Sendungen ist ein Mindestalter von 18 Jahren.

Besonders offensichtlich ist der Versuch der Irreführung bei Bartholeits letztem Satz: Denn zu der Begrenzung der Kosten und dem Ausschluss Jugendlicher ist 9Live auch schon „seit jeher“ gezwungen. Das hat mit den „angekündigten Maßnahmen“ nichts zu tun.

Unterdessen versucht auch der einschlägig bekannte 9Live-Moderator Max Schradin, den Kritikern „den Segel aus dem Wind“ zu nehmen. Die unermüdlichen Protokollanten von „Call-in-TV“ haben seine Aussagen mit dem Sendealltag von 9Live kontrastiert — das Video ist auch eine schöne Übersetzung dafür, was Ralf Bartholeit mit „Transparenz“ und „Vertrauen“ meinen muss:

(Über das merkwürdige Verhalten der „schwarzen Kugeln“ bei 9Live gibt es auch eine eigene ausführliche Video-Dokumentation. Mag sein, dass es sich nur um eine abwegige Verschwörungstheorie handelt. Aber warum sollte 9Live nicht auf diese Weise seine Ausgaben zu senken und die Ziehung zu manipulieren versuchen?)

Das Schweigen des DJV

Wieder ein Tag, an dem ich froh bin, nicht Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (DJV) zu sein, weil es mir die Zeit spart, aus ihm auszutreten.

Der „Kölner Stadtanzeiger“ berichtet über die Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Fußballbund und dem Journalisten Jens Weinreich:

Die Berufsverbände halten sich zurück. Der Präsident des Verbands Deutscher Sportjournalisten, Erich Laaser, lehnt jeden Kommentar ab, und beim Deutschen Journalistenverband nennt man die Pressemitteilung des DFB zwar „unglücklich“, aber es handele sich doch nur um eine Privatfehde.

Die European Federation of Journalists (EFJ) hat sich dagegen in einer Pressemitteilung auf die Seite Weinreichs gestellt und spricht von einem „schockierenden Beispiel für die Einschüchterung eines Journalisten“.

Nachdem Theo Zwanziger Jens Weinreich in der juristischen Auseinandersetzung mit 0:2 unterlag, liegt er im publizistischen Kampf aktuell schätzungsweise 1:37 zurück.

[via Jens Weinreich]

Nachtrag, 16:40 Uhr. Die Lämmer schweigen nicht mehr:

(…) Es gehe nicht an, dass der Sportjournalist Weinreich öffentlich so angeprangert werde, betonten DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken und der Präsident des Verbands Deutscher Sportjournalisten, Erich Laaser. Es sei an der Zeit, die Schärfe aus der Auseinandersetzung zu nehmen. (…)

Die Schleichwerbelinks von sueddeutsche.de

Vor zwei Jahren hat das Kammergericht Berlin ein erfrischend klares und verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Es stellte fest:

Ein Link, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer erkennbar ist, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird.

In dem Prozess ging es damals um Bild.de.

Das Internetangebot einer Zeitung wie der „Süddeutschen“ müsste schon aus Sorge um seinen guten Ruf darauf verzichten, seine Leser mit solchen Tricks in die Irre zu führen. Sogar ohne juristischen Fingerzeig.

Sollte man denken.

Aber sueddeutsche.de bietet Werbekunden seit geraumer Zeit in verschiedener Form die Möglichkeit, sich gegen Geld unauffällig in den redaktionellen Inhalt zu schleichen. Im Ressort Fitness scheint es zur Zeit zum Beispiel ein Unterressort „Alles über Erkältung“ zu geben:

Nichts deutet vor dem Klicken darauf hin, dass sich dahinter kein Angebot von sueddeutsche.de, sondern der Firma Bayer HealthCare verbirgt. Auch der verlinkte Artikel selbst ist nicht als Anzeige gekennzeichnet und sieht einer Nachrichtenseite von sueddeutsche.de zum Verwechseln ähnlich — das Bayer-Logo in der Mitte sollte aber zumindest aufmerksameren Lesern einen Hinweis auf den wahren Charakter der Seite geben.

Der Sparkassenverband Bayern hat das Schleichwerbeangebot von sueddeutsche.de genutzt, um sich im Ressort München als (vor dem Klick) redaktionell erscheinender „Finanz-Check“ auszugeben:

Und als redaktionelle Rubrik „Vermögen & Vorsorge“ tarnt sueddeutsche.de im Ressort „Geld“ Werbung von einem Fonds-Anbieter — ohne dass der unbefangene Leser eine Chance hätte, vor dem Klicken zu erkennen können, dass es sich darum handelt.

(Moment — habe ich weiter oben ernsthaft suggeriert, dass sueddeutsche.de einen guten Ruf hätte?)

Über Heilmann und die Wikipedia

Sven Felix Kellerhoff hat in einem Artikel in der „Welt“ formuliert, was er daran, dass sich der Politiker Lutz Heilmann (Die Linke) erfolgreich gegen Behauptungen in der Wikipedia über ihn gewehrt hat, besonders bemerkenswert findet:

Besonders bemerkenswert ist zudem, dass mit Heilmann ein ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit die Mittel des Rechtsstaates einsetzt, um seine Persönlichkeitsrechte schützen zu lassen.

Was für ein verräterischer Satz.

Die Logik ist mir vertraut: aus der Schwesterzeitung „Bild“, die regelmäßig an unserer Verfassung verzweifelt (die sie und ihr Verlag sonst ebenso regelmäßig gegen die Linke glauben verteidigen zu müssen), wenn sie fassungslos zusehen muss, dass unser schönes Recht einfach so von jedem dahergelaufenen Penner, Kinderschänder und Mörder in Anspruch genommen werden kann. Sogar von ehemaligen Terroristen!

Und so argumentiert nun also auch der Journalist und Autor Sven Felix Kellerhoff. Wäre es Herrn Kellerhoff lieber, wenn ehemalige Stasi-Mitarbeiter weiter die Mittel des Unrechtsstaates nutzen, also spitzeln, verleumden und bedrohen? Findet er es eine Zumutung, sich die Mittel des Rechtsstaates nun mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern teilen zu müssen? Hat man, wie das Altpapier der „Netzeitung“ als Interpretation vorschlägt, „als ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit naturgemäß seine Menschenrechte mit dem Vollzug der Deutschen Einheit verwirkt“? Oder ist sein Besonders-bemerkenswert-Satz nur ein ebenso kindisches wie Alt-Springereskes Na-Na-Nana-Na: Wir haben gewonnen und Du musst Dich sogar erniedrigen und unseren Rechtsstaat benutzen?

Dieser Sven Felix Kellerhof ist übrigens anscheinend leitender „Welt“-Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte.

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Ich finde an der Debatte über Heilmanns Vorgehen gegen Wikipedia und die Häme, die fast reflexartig über ihn ausgeschüttet wird, einen anderen Aspekt interessant, den auch Christian Stöcker bei „Spiegel Online“ anspricht: Welche Alternative hätte Heilmann gehabt, um gegen (angenommen) falsche Behauptungen über ihn vorzugehen? Die Standardantwort, dass bei der Wikipedia ja jeder selbst mitschreiben, redigieren und löschen kann, ist falsch. Schon der bloße Verdacht, dass der Betroffene selbst oder ein Mitarbeiter sich an seinem eigenen Eintrag zu schaffen gemacht hat, reicht, um empörte bis hysterische Reaktionen auszulösen.

Aber was ist richtige Weg, gegen Fehler oder problematische Formulierungen in der Wikipedia vorzugehen?

Ich weiß es nicht. Ich fürchte aber, ich weiß, welcher Weg funktioniert.

Denn Andreas Englisch, der Vatikan-Korrespondent der „Bild“-Zeitung hat es geschafft. Sein Wikipedia-Eintrag ist frei von jeder Kritik. Zum Beispiel frei von jedem Hinweis darauf, dass Herr Englisch leider wiederholt Fehlmeldungen liefert. Oder darauf, dass der Leiter der deutschsprachigen Radio-Vatikan-Redaktion, Pater Eberhard von Gemmingen, erklärt hat: „Herr Englisch liefert leider wiederholt Fehlmeldungen.“

Das stand einmal in Englischs Wikipedia-Eintrag. Aber dann scheint jemand die Wikipedia aufgefordert zu haben, diesen Hinweis zu löschen. Und ein Mitarbeiter des Support-Teams der Wikipedia hat diesen Hinweis gelöscht und erklärt, BILDblog dürfe in diesem Zusammenhang nicht mehr als Quelle verwendet werden.

Tatsächlich war der gelöschte Absatz zwischenzeitlich vielleicht ungenau formuliert: als offizielle Kritik von Radio Vatikan, nicht als Stellungnahme von Gemmingen. Aber auch eine korrigierte Version wurde von dem Wikipedia-Mitarbeiter wieder gelöscht.

Doch das Zitat Gemmingens stimmt. Es war die Antwort des Leiters der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan auf eine Presseanfrage von BILDblog an die offizielle E-Mail-Adresse [email protected]. Wir stehen zu dem Zitat. Und Gemmingen hat uns — nach einigem Hin und Her — am Ende unmissverständlich mitgeteilt, dass er keine Löschung seines Zitates mehr wünsche.

Wir sind nicht der Meinung, dass Andreas Englisch ein Recht darauf hat, dass sein Wikipedia-Eintrag frei von Kritik ist. Wir haben den Dialog mit der Wikipedia gesucht. Wir haben irgendwann ermattet aufgegeben.

Keine Frage, dass der Fall für Wikipedia knifflig war, weil Radio Vatikan vorübergehend kalte Füße bekommen hat. Aber kann das bedeuten, dass es im Eintrag über Andreas Englisch keinen Hinweis auf seine nachweislichen Fehlmeldungen geben darf?

Und ob all diejenigen, die die Wikipedia unreflektiert als Hort der freien Berichterstattung und als Widerstandskämpfer gegen Einflussnahmen Betroffener feiern, wissen, dass es manchmal so einfach sein kann, seinen Eintrag zu säubern, wenn man es nur geschickter anstellt als Herr Heilmann?

Die Lügen des DFB (2)

Der „Gießener Anzeiger“ ist eher versehentlich in die eskalierende Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und dem freien Sportjournalisten Jens Weinreich geraten. Die Zeitung war Mitveranstalterin einer Podiumsdiskussion am 6. November in Gießen, an der DFB-Präsident Theo Zwanziger teilnahm. Am 8. November berichtete das Blatt über den Verlauf des Abends und schrieb, Zwanziger habe dem Moderator Herbert Fischer-Solms „demagogische Fragen“ vorgeworfen.

Das hatte eine gewisse Brisanz, denn der Rechtsstreit, den Zwanziger gegen Weinreich zuvor angestrengt hatte, beruhte vor allem auf Zwanzigers Behauptung, das Wort „Demagoge“ sei untrennbar mit dem Nationalsozialismus und dem Begriff der Volksverhetzung verbunden.

Während Fischer-Solms die Formulierung bestätigte und weitere Zeugen benannte, bestritt Zwanziger laut seinem Anwalt die Darstellung des „Gießener Anzeigers“.

In der Presseerklärung, die der DFB am vergangenen Freitag über die Auseinandersetzung mit Weinreich verbreitet hat, erweckt Verbandssprecher Harald Stenger nun den Eindruck, der „Gießener Anzeiger“ habe seine Darstellung zurückgenommen:

Hinzu kommt, dass am 12. November auch der Chefredakteur des Gießener Anzeigers gegenüber Dr. Zwanziger die Berichterstattung des Blattes über die Teilnahme des DFB-Präsidenten an einer Podiumsdiskussion bedauert hat, die seitens Weinreich erneut benutzt wurde, um den DFB-Präsidenten zu diskreditieren.

Ich habe Chefredakteur Wolfgang Maaß daraufhin gefragt, welchen Teil der Berichterstattung er bedaure und ob die Darstellung des Sachverhaltes in seiner Zeitung falsch gewesen sei. Seine Antwort lautet:

in aller Kürze: Ich habe nicht unsere Berichterstattung bedauert, sondern dass durch diese ein unzutreffender Eindruck über den Besuch von Herrn Dr. Zwanziger bei unserer gelungenen Podiumsdiskussion entstehen konnte. Insofern sind wir mit dem DFB im Reinen. Für uns ist damit die Angelegenheit erledigt.

Die konkrete Frage ist vermutlich in der ganzen Geschichte ein eher unwesentliches Detail, aber das ist doch bemerkenswert: Nicht einmal die Position des Chefredakteurs des „Gießener Anzeigers“ scheint der DFB in seiner Pressemitteilung wahrheitsgemäß wiedergegeben zu haben.

Volksverdummungsversuch gescheitert

Würde ich in einer der Esoterik-Redaktionen des Landes arbeiten, also zum Beispiel bei „Bild“, ProSieben oder N24, müsste ich nun natürlich grübeln, welcher „Fluch“ wohl gestern auf meinem Festplattenrekorder lag und verhinderte, dass er die Show „Uri Geller live: Ufos und Aliens“ aufnahm. (Daran, dass die Festplatte voll war, wird es ja nicht gelegen haben.)

Ich habe immerhin für ein paar Minuten reingeschaltet und festgestellt, dass ich mir das nicht angucken kann. Die dort zur Schau gestellte Dummheit und Lust am Versuch der Verdummung anderer übersteigt selbst meinen Masochismus und meine in vielen Stunden 9Live-Konsum eigentlich gestählte Leidensfähigkeit.

Aber der Peer hat es für „Spiegel Online“ durchgehalten:

Ein „Ufo-Forscher“ durfte erklären, woran man erkennt, dass ein Ufo-Video echt ist (wenn die Untertasse hinter Bäumen vorbeifliegt, weil das so schwer zu manipulieren ist). Autor Erich von Däniken („umstritten aber erfolgreich“) schilderte seine Theorie der Prä-Astronautik und dass die Menschen früher Sex mit Aliens hatten, weil sie sonst keine Pyramiden hätten bauen können. Und die überzeugte Ufo-Befürworterin Nina Hagen durfte ein Interview mit einem Herrn aus dem Untertassen-Absturzort Roswell beisteuern, der von sich behauptet, halb Mensch und halb Alien zu sein (Pyramiden hat er allerdings noch keine gebaut).

Und Thomas Lückerath vom Medienmagazin DWDL hat sich schön in Rage geschrieben:

Um mit Vorsatz und Anlauf auch gleich bleibend weitere Marken des Programms zu schädigen, hat man „Galileo“-Moderator Daniel Aminati in diesem pseudo-wissenschaftlichen Umfeld seine Glaubwürdigkeit demontieren lassen. Aminati stand während der Sendung – so hieß es zumindest – in einem Kontrollraum des wiederum tatsächlich existierenden Radio-Teleskop nahe der Stadt Evpatoria in der Ukraine – und durfte immer wieder betonend wie spannend und unheimlich alles sei. Extra eingespielte Ton- und Bildprobleme legten allerdings beinahe den Verdacht nahe, dass sich Aminati mit ein paar schlechten, Wissenschaftler darstellenden Schauspielern im Nachbarstudio aufhielt. (…)

Wer in der Öffentlichkeit kegelt, muss sich gefallen lassen, wenn andere die Punkte zählen. Deshalb muss die Kritikfähigkeit der Verantwortlichen und Beteiligten einigen Fragen standhalten. Herr Steiner, Herr Brock, wie kann man so etwas produzieren? Herr Proff, wie kann man so etwas über den Sender gehen lassen? Herr Gödde (Foto), wie kann man so etwas moderieren? Ob von diesen Herren irgendjemand den Anstand besitzt, sich von dieser Sendung zu distanzieren? Oder etwa die Dreistigkeit dies noch als Qualitätsfernsehen zu verteidigen?

Ich hatte gestern Abend einen ähnlichen Gedanken: Dass es bei diesen Privatsendern nicht einmal mehr jemanden gibt, den man mit den Fragen an diese Sendung konfrontieren könnte, wie man es vor ein paar Jahren noch ganz selbstverständlich für eine Medienseite getan hätte. Ich weiß gar nicht, ob ProSieben zum Beispiel überhaupt noch einen Chefredakteur hat. Und wenn es ihn gibt, bin ich sicher, dass er nichts sagen würde, was irgendwie von Belang und nicht nur erwartbares PR-Geschwätz wäre. Die Herren Steiner und Brock, die Lückerath anspricht, sind die Chefs der Produktionsfirma Constantin Entertainment. Die produzieren alles! Herr Gödde moderiert bei ProSieben sonst das Boulevardmagazin „taff“ und hat schon den „Next Uri Geller“-Unsinn präsentiert. Der moderiert alles!

Dass kaum eine ernsthafte Debatte über das perfide Sat.1-Sozialschmarotzerformat „Gnadenlos gerecht“ geführt wurde, lag auch daran, dass jedes ernst zu nehmendes Gegenüber fehlt: Mit wem bei dem Sender oder der Produktionsfirma würde man sich darüber auseinandersetzen können? Wollen?

Es gibt unter den Verantwortlichen bei den deutschen Privatsendern vielleicht noch eine Handvoll Leute, die die Frage überhaupt verstehen würden, wie man so etwas wie den Uri-Geller-Quatsch senden kann, und mit denen man ein Gespräch darüber führen könnte, wo die Unterhaltung aufhört und die gefährliche Volksverdummung anfängt. Die anderen machen halt, was sie machen, was gibt es da zu reden?

Aber die gute Nachricht des Abends lautet: Die Leute sind nicht halb so blöd wie ProSieben glaubt. Die Quoten waren außerunterirdisch. Auch in der jüngeren Zielgruppe sahen fast viermal soviele Menschen „Die Chroniken von Narnia“, die im Vergleich zur Geller-Show wie eine realistische Dokumentation wirkten.

„WamS“ macht sich zum Komplizen des DFB

Ralf Köttker, Sportredakteur der „Welt“ mit berühmter Frau, hat sich in den Dienst der Desinformationskampagne des DFB und seines Präsidenten Theo Zwanziger gestellt. In einem Interview (inzwischen nur noch gekürzt online) in der heutigen „Welt am Sonntag“ heißt es:

Sie selbst haben auch ein Zeichen gesetzt und sich juristisch gewehrt, weil Sie in einem Internet-Blog als „unglaublicher Demagoge“ bezeichnet wurden. War das nötig?

Zwanziger: Wer mein Engagement gegen Rechtextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung verfolgt, der wird dafür Verständnis haben. Ich bin nicht empfindlich, wenn ich sachlich kritisiert werde. Aber ich wehre mich auch entschieden, wenn ich mit Unwahrheiten und Unterstellungen in ein falsches Licht gerückt werde. Die massive Kampagne dieses Journalisten, der mich in die Nähe eines Volksverhetzers im strafrechtlichen Sinne gerückt hat, hat mich tief getroffen. Hier wurde meine persönliche Ehre bewusst verletzt, da gibt es bei mir keine Kompromisse.

Hand in Hand führen Köttker und Zwanziger die Öffentlichkeit in die Irre: Welcher Leser würde ahnen, dass Köttkers Aussage „Sie haben sich juristisch gewehrt“ eine Kurzform sein muss für: „Sie haben vergeblich versucht, sich juristisch zu wehren.“ Welcher Leser würde aus Köttkers Frage „War das nötig?“ nicht fälschlicherweise schließen, dass Zwanziger erfolgreich war? Und wer käme nach dem Lesen des Interviews darauf, dass zwei Berliner Gerichte einstweilig zu dem Ergebnis kamen, von einer Herabsetzung Zwanzigers jenseits zulässiger polemischer Kritik könne keine Rede sein und er sei nicht in die Nähe eines Volksverhetzers im strafrechtlichen Sinne gerückt worden?

Ich kenne Herrn Köttker nicht. Ich kann deshalb nicht spekulieren, ob es Ahnungslosigkeit oder Kalkül ist, das ihn zum Komplizen des DFB in seinem Kampf gegen die Wahrheit werden lässt. Ich weiß nicht einmal, was ich schlimmer fände.

Crazy-Talk auch nach Bush gesichert

As to speculation on running in 2012, Governor Palin has shown that we will still have plenty of crazy-homeless person syntax after President Bush leaves office…

„That is based on my philosophy that it’s crazy to close a door before you know what’s even open in front of you,“ she said.

That would be a door, Governor.

(Indecision 2008)

Nachtrag (via Jürgen Kalwa in den Kommentaren): Dick Cavett hat einen weiteren wunderbaren Satz von Palin:

My concern has been the atrocities there in Darfur and the relevance to me with that issue as we spoke about Africa and some of the countries there that were kind of the people succumbing to the dictators and the corruption of some collapsed governments on the continent, the relevance was Alaska’s investment in Darfur with some of our permanent fund dollars.

Die Lügen des DFB

bei seinem Rufmordversuch an dem lästigen Journalisten Jens Weinreich — Oliver Fritsch hat sie im „Direkten Freistoß“ sehr übersichtlich gesammelt. Am Ende fragt er:

Ist jemand für den größten Sportverband der Welt tragbar, der in einer Mitteilung an die Presse und die Politik wesentliche Punkte des von Gerichten verhandelten Falls verschweigt, Sachen verdreht, propagiert statt argumentiert, manipuliert statt aufklärt, verleumdet und diffamiert? Kann sich der DFB einen Lügner als Generalsekretär leisten?

Und auch Jens Weinreich selbst hat noch einmal akribisch die Auslassungen, Manipulationen, Unwahrheiten und Lügen des DFB aufgelistet. Sein Fazit über die von dem ehrenwerten Verband an zig Journalisten, Prominente, Bundestagsabgeordnete und andere Multiplikatoren versandten Meldungen lautet:

Der Inhalt dieser Mitteilungen lässt mir als Betroffenem mäßige Interpretationsmöglichkeiten: Es geht einzig und allein darum, die Wahrheit zu beugen, mich zu diffamieren, meine Integrität, Kompetenz und Professionalität als Journalist in Frage zu stellen und meine wirtschaftliche Existenz als freier Journalist zu gefährden. Ich habe durch diese Auseinandersetzung schon jetzt finanzielle Nachteile erlitten. Und ich frage mich, um mal ein Beispiel zu nennen, wie potenzielle Kunden (Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunkstationen) wohl reagieren, wenn ich ihnen im März 2009, wenn Theo Zwanziger in Kopenhagen in das Exekutivkomitee der Uefa gewählt werden will, Beiträge anbiete. Ich glaube die Antwort zu kennen.

Kai Pahl hat sich in „Alles außer Sport“ ebenfalls ausführliche Gedanken über den Fall und seine Bedeutung gemacht. Er urteilt:

Die Drei von der DFB-Stelle und ihr Cheffe besorgen sich die Selbstdemontage derzeit selber. Profitum sieht anders aus.

(Vermutlich notwendiger, aber wirkungsloser Hinweis an Wolfgang Niersbach: Keines der verlinkten bösen „Internetblogs“ ist anonym. Die genannten Personen stehen mit ihren Namen für ihre Aussagen und können, wenn es dem DFB beliebt, also auch persönlich verklagt oder öffentlich diffamiert werden.)

DFB: Diffamieren statt Klagen

Der Deutsche Fußball-Bund hat seine Strategie geändert. Sein Präsident Theo Zwanziger verzichtet nun darauf, den freien Sportjournalisten Jens Weinreich zu verklagen. Stattdessen hat sich der DFB entschieden, den Kollegen vor einem illustren Publikum zu diffamieren.


Die Homepage des DFB zeigt lachende ältere Herren und formuliert treffend zweideutig: „Zwanziger-Diffamierung missbilligt“. Screenshot: dfb.de

DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach hat heute Abend eine E-Mail verschickt, in der er erklärt, sein Verband könne es nicht hinnehmen, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens „grundlos diffamiert werden“ — „auch nicht in – mehr oder weniger anonymen – Internetblogs“. Da sich der Fall, auf den sich Niersbach bezieht, vor allem im Blog „Direkter Freistoß“ von Oliver Fritsch und „Jens Weinreich“ von Jens Weinreich abspielte (unter unmaßgeblicher Beteiligung dieses Blogs, dessen Betreiber Sie oben in Weiß auf Grün sowie in der Adresszeile lesen können), meint Niersbach mit „mehr oder weniger anonym“ offenbar „nicht anonym“. Das nur als erstes Indiz für den Respekt vor der Wahrheit, den der Deutsche Fußball-Bund hier demonstriert.

Das Dokument, das der DFB in dieser Sache verbreitet und das Kürzel des DFB-Direktors Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit, Harald Stenger, trägt, strotzt vor weiteren Unwahrheiten. Zum Beispiel behauptet der DFB, Weinreich habe Zwanziger „ohne Anlass“ einen „unglaublichen Demagogen“ genannt. Man kann darüber streiten, ob Weinreich ihn so nennen durfte. Man kann nicht darüber streiten, ob er es „ohne Anlass“ getan hat. Der Anlass ist ein konkreter Auftritt Zwanzigers und ein konkrete inhaltliche Auseinandersetzung. Den „Sachbezug“ hat auch das Landgericht Berlin festgehalten, als es Zwanzigers Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen Weinreich ablehnte. Dass die Pressemitteilung des DFB nicht einmal erwähnt, dass zwei Gerichte der Argumentation Zwanzigers, seines Anwaltes und nun des DFB bereits widersprochen haben, zeigt, wie unredlich der DFB agiert.

Der DFB schreibt als Erklärung für die neue Strategie:

Unmittelbar vor der Erhebung einer auf Unterlassung und Widerruf abzielenden Klage Dr. Zwanzigers gegen Weinreich hat der Berliner Journalist jedoch nunmehr über seinen Anwalt am 11. November 2008 dem DFB eine Erklärung zukommen lassen, die Dr. Zwanziger als ausreichende Entschuldigung und Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich akzeptiert.

Jens Weinreich bestreitet, dass er oder sein Anwalt dem DFB oder seinem Anwalt am 11. November 2008 überhaupt irgendeine Erklärung haben zukommen lassen. Weinreich hat in seinem Blog ein Schreiben von heute (14. November) veröffentlicht, in dem sein Anwalt erklärt, nichts Neues zu erklären zu haben. Sollten sich die Behauptungen des DFB auf diesen Brief beziehen, ist er von erstaunlicher Perfidie, es als ein Dokument zu bezeichnen, aus dem man eine „Entschuldigung“ und das „Eingeständnis eines Fehlverhaltens von Weinreich“ lesen kann.

Als Zeugen für die Ungeheuerlichkeit Weinreichs und Unantastbarkeit Zwanzigers (der nicht nur gegen Jens Weinreich, sondern auch gegen Nazis und Homophobie im Sport ist) führt der DFB neben seinem Generalsekretär noch den Ligaverbands-Präsidenten Dr. Reinhard Rauball sowie den für Rechtsfragen zuständige DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch auf. Koch wird mit den Worten zitiert:

[…] als Demagoge wird ein Volksverhetzer bezeichnet, der sich einer strafbaren Handlung schuldig macht. Eine Volksverhetzung begeht, wer zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde dadurch angreift, dass er andere beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Koch suggeriert, es gäbe nur diese eine Definition für den „Demagogen“. Nicht nur ein Blick in den Duden, mit dem Theo Zwanziger argumentiert hat, zeigt, dass er damit unrecht hat. Und falls der DFB gerade keinen Duden zur Hand hat — die hier nicht ganz unmaßgebliche Meinung des Berliner Landgerichtes in der Sache müsste er doch vorliegen haben. Sie lautet:

Dass Diktatoren demagogisch agieren mögen, führt jedenfalls nicht dazu, dass derjenige, den man einen Demagogen nennt, mit einem Diktator gleichzusetzen wäre.

So steht es in dem Beschluss des Gerichtes in Sachen Zwanziger ./. Weinreich.

Der DFB hat die Pressemitteilung, in der er Jens Weinreich diffamiert, nicht nur auf seiner Homepage veröffentlicht, sondern direkt per E-Mail verschickt. Unter den Empfängern sind neben dem Integrationsbeauftragten des DFB, diversen Fußball-Verbänden, dem Schriftsteller Albert Ostermaier, dem Leiter der Ulmer Staatsanwaltschaft, Dr. Wolfgang Zieher und dem Büro von Grünen-Chefin Claudia Roth über ein Dutzend Bundestagsabgeordnete.

Vielleicht lässt es sich ja noch einrichten, morgen in den Bundesliga-Stadien eine Schweigeminute für die verlorene Ehre des Theo Zwanziger abzuhalten.

Jens Weinreich hat auch die neuesten Entwicklungen ausführlich dokumentiert.

(Noch einmal der dringende Hinweis, von Beschimpfungen und möglichen Beleidigungen der handelnden Personen in den Kommentaren sowie mehr oder weniger anonymen „Internetblogs“ abzusehen. Auch wenn der DFB offenbart meint, die „Grenzen der Meinungsfreiheit“ würden von ihm bestimmt und nicht von Gerichten, würde ich mich nicht darauf verlassen, dass er von rechtlichen Schritten gegen Kritiker absieht.)