Monat: August 2006

Geruhsame Nacht für Harald Schmidt

Ulrich Wickert hört nach 15 Jahren „Tagesthemen“ auf, die ARD berichtet seit Tagen über nichts anderes, die Fernsehnation fiebert den letzten Worten entgegen, der Außenminister persönlich bedankt sich live bei Wickert in der Sendung — aber die Show von Harald Schmidt gleich im Anschluss ist natürlich Stunden vorher aufgezeichnet und deshalb auch heute so egal wie immer und ihm alles.

Lisa Plenske heiratet Lichtdings

Morgen ist ja der große Tag. Nach 364 Folgen wird Lisa Plenske heiraten. David oder Rokko.

Sat.1 hat, damit die Auflösung nicht zu früh rauskommt, zwei Versionen der letzten Folge drehen lassen: je Bräutigam eine.

Entsprechend wurden auch bei den ersten Folgen der Fortsetzung von „Verliebt in Berlin“ (die sich dann um Lisas plötzlich aufgetauchten Stiefbruder dreht) einige Szenen doppelt gedreht. Die erste Folge besteht nämlich gefühlt zur Hälfte daraus, dass irgendwelche Freunde und Familienangehörigen einander Fotos von Lisa und ihrem Bräutigam zeigen.

Aber welche Variante verschickt man vorab an die Journalisten, ohne die auf die falsche (oder richtige) Fährte zu locken? Sat.1 hat sich für eine lustigen Ausweg aus dem Dilemma entschieden: In den Presse-DVDs sind die Stellen, auf denen man den Bräutigam sehen könnte, durch ein gleißendes Licht unkenntlich gemacht:



Ich würd das ja genau so ausstrahlen. Da die Entscheidung, wen Lisa Plenske heiratet, offenbar so beliebig ist, dass man sie auch fünf Minuten vor der Sendung noch auswürfeln könnte, wäre das Spannendste, sie überhaupt nie aufzulösen.

Und mit diesem geilen Lichtdings könnte Sat.1 „Verliebt in Berlin“ noch als weltweit erste Mystery-Telenovela verkaufen.

Déjà-vu

Von einem Freund gerade auf einen interessanten Artikel über Bastian Pastewka hingewiesen worden. Lars G. hat ihn vor einem Dreivierteljahr in der [Name der Zeitung nachträglich von mir entfernt] veröffentlicht. Und ganz viel von dem, was der Mann schreibt, kann ich unterschreiben. Besser noch: Ganz viel von dem, was der Mann schreibt, habe ich unterschrieben.

Lars G. über Bastian Pastewka in der [Zeitung], November 2005:

Stefan Niggemeier über Bastian Pastewka in der „Süddeutschen Zeitung“, Dezember 1999:

Ein Moderator [Brisko Schneider] mit festgegelter Playmobil-Männchen-Frisur in zu engen Klamotten. Er konnte eine einzige Silbe über drei Oktaven dehnen.

Moderiert wird sie von einem Mann mit festgegelter Playmobil-Männchen-Frisur in zu enger Kleidung (…) Brisko kann eine einzige Silbe über drei Oktaven ziehen.

… oberflächlich besteht sein Talent aus einem unerschöpflichen Repertoire unglaublich dämlicher Gesichtsausdrücke. Weniger oberflächlich aus der Fähigkeit, verschiedensten Figuren binnen drei Minuten gleichzeitig Tiefe, Glaubwürdigkeit und Witz zu geben.

Oberflächlich besteht dieses Talent aus einem unerschöpflichen Repertoire unglaublich dämlicher Gesichtsausdrücke. Weniger oberflächlich aus der Fähigkeit, verschiedensten Figuren in der Wochenshow in drei Minuten gleichzeitig Tiefe, Glaubwürdigkeit und Witz zu geben.

Wenn einer, so lange er denken kann, das Fernsehen als besten Freund hatte, weil es „immer das Beste war, was es gab“, er mittwochs schlecht schlafen konnte aus Sorge, donnerstags „Sindbad, der Seefahrer“ zu verpassen, er heimlich bei der Oma „Aktenzeichen XY“ guckte, wenn einer vier Videorekorder hat, um das Nachtprogramm zu konservieren, für so einen ist es dann ein sehr großer Tag – wenn „Wetten, dass…?“ anruft.

Wenn einer, so lange er denken kann, das Fernsehen als besten Freund hatte, weil es „immer das Beste war, was es gab“, er mittwochs nicht schlafen konnte aus Sorge, donnerstags Sindbad der Seefahrer zu verpassen, er heimlich bei der Oma Aktenzeichen XY guckte und sich an die ARD-Kindersendung Spaß am Montag erinnert, wenn einer vier Videorekorder hat, um das Nachtprogramm zu konservieren, dann ist es für einen erst 27-Jährigen ein großer Tag – wenn Wetten dass…? anruft!

Bei Gottschalk bot er eine eigene Wette an. Behauptete, er wisse 40 Titel der Kinderkrimis „Die drei ???“ auswendig. Und gewann. Nicht nur die Wette. Gottschalk fragte vor der Sendung: „Hat der junge Mann schon Wetten-dass…-Größe“? Später titelte die „B. Z.“: „Wenn Gottschalk ehrlich ist, dann hat ihm dieser junge Mann die Show gestohlen.“

Er wettet also, dass er 40 Titel der Kinderkrimis Die drei ??? auswendig kann – und gewinnt. Nicht nur die Wette. Gottschalk fragt eingangs: „Hat der junge Mann schon Wetten-dass-Größe?“ Später titelt die B.Z: „Wenn Gottschalk ehrlich ist, dann hat ihm dieser junge Mann die Show gestohlen“.

Die Leute von „Wetten, dass…?“ wollten, dass er den Brisko Schneider gibt. Das hat er abgelehnt. Weil ein Auftritt als Kunstfigur „rätselhaft“ sei. Weil Brisko als Zugabe lustiger sei. Und weil Brisko neben realen Menschen verpuffe. Pastewka ist einer, der sehr viel reflektiert.

Die Leute von Wetten dass…? wollten, dass er den Brisko Schneider gibt, seine populärste Figur. Das hat er abgelehnt. Weil ein Auftritt als Kunstfigur „rätselhaft“ sei. Weil Brisko als Zugabe lustiger sei. Und weil Brisko neben realen Menschen verpuffe. Pastewka ist einer, der ganz viel reflektiert.

Ich kenne diesen Lars G. nicht. Aber vielleicht sollten wir uns mal kennenlernen.

Tom Junkersdorf packt aus

Tom Junkersdorf, seit einem Jahr mit einigem Erfolg Chefredakteur der „Bravo“, war vorher bei „Bild“. Zu seiner Amtszeit als Unterhaltungschef nahm sich „Bild“ Sibel Kekilli in einer Weise vor, die das Berliner Landgericht als höhnische Herabsetzung und Eingriff in die Menschenwürde bezeichnete.

Junkersdorf sagt von sich, er habe mit „Bravo“ Tokio Hotel „gemacht“. Dem „Kress-Report“ sagte er:

„Ich habe von Kai Diekmann bei ‚Bild‘ einiges gelernt, was mir jetzt bei ‚Bravo‘ nützt: Themen setzen, an Themen glauben und sie mit Gewalt durchziehen.“

Ein spannender Gesprächspartner also. Und das einstündige Telefonat, das Planet-Interview.de mit Junkersdorf führte, muss ein richtig interessantes Gespräch gewesen sein. So interessant, dass der Verlag zwei Drittel der Antworten Junkersdorfs nicht zur Veröffentlichung freigab.

Zum Glück haben die Leute von Planet-Interview.de (ähnlich wie die „Zeit“ vor ein paar Wochen bei einem Interview mit Oliver Kahn) die wunderbare Idee gehabt, das Interview auch ohne die Antworten Junkersdorfs zu veröffentlichen. Das liest sich ganz wunderbar:

Was hören Sie eigentlich selber für Musik?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Und so:

Haben Sie sich schon mal einen Klingelton runtergeladen?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Und (offensichtlich im Zusammenhang mit dem Fall Sibel Kekilli) auch so:

Die Folgen, die diese Kampagne für die Schauspielerin hatte, sind Ihnen wohl bekannt.
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Vielleicht wäre sie auf anderem Wege nicht zu dieser tollen Rolle gekommen.
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Sollen wir denn eigentlich alles wissen über die Vorgeschichten von Schauspielern? Ist das Ihr Streben, alles im Privatleben aufzudecken?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Also, ein Goldener Bär ist ja schon noch etwas anderes als das Amt der Bundeskanzlerin.
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Sie haben dann auch Bilder aus Ihren Pornofilmen abgedruckt.
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Empfanden Sie das als würdevoll?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Man hätte ganz normale Portraits verwenden können. Doch so, wie die Bild verfahren ist, hat es Frau Kekilli enorm geschadet, auch psychisch glaube ich.
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Sie empfinden keinerlei Reue?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

(…) Wenn ich Sie richtig verstehe: Sie führen sämtliche Unwahrheiten in der Bild auf den großen Redaktions-Apparat zurück, in dem viele Sachen schief laufen, weil so viele Redakteure zusammenarbeiten? Die zahlreichen Klagen von Personen des öffentlichen Lebens und die Gegendarstellungen, welche Bild regelmäßig abdrucken muss: alles nur ein Resultat von schlechter Organisation?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Und warum hat dann der Deutsche Presserat die Berichterstattung der Bild über Frau Kekilli gerügt und eine Verletzung der Menschenwürde beanstandet?
Junkersdorf: — Antwort wurde gestrichen —

Das ganze Interview steht hier.

 

(Mein bittere, vernichtende Pointe wurde von mir gestrichen.)

Nie mehr von .htaccess-Dateien träumen!

Ich glaube immer noch, dass Textpattern theoretisch die schönste Blog-Software überhaupt ist: so kühl und streng, logisch und reduziert, elegant und flexibel. Aber damit Textpattern auch praktisch die schönste Blog-Software wäre, müssten ungefähr zehnmal so viele Leute Textpattern nutzen. Die würden dann Dokumentationen schreiben und Anleitungen, sie würden Foren mit ihren Antworten füllen und viele praktische Plugins programmieren, und wenn man auf irgendein Problem stieße, würde man nach einer kurzen Suche im Internet die Antworten finden. So wie bei WordPress halt.

Trotz vieler netter, hilfsbereiter Experten hab ich’s nicht geschafft, meine Probleme mit Textpattern zu lösen. Und nachdem ich einmal nachts von .htaccess-Dateien, Kommentar-Einbau-Regeln und Kalender-Plugins geträumt habe, beschloss ich, dass ich eigentlich genug Sachen im Leben habe, mit denen ich meine Zeit verschwenden kann (Fernsehen zum Beispiel), und nicht auch noch Experte für exotische Web-Software werden muss.

Deshalb ist dies hier jetzt einfach ein schnödes WordPress-Blog. Die alten Kommentare zu importieren, ist mir leider nicht gelungen, und auch in den Einträgen und Artikeln ist noch nicht alles, wie es soll. Aber im Grunde scheint’s zu laufen.

Danke noch mal an die Textpattern-User, die mir freundlich und geduldig versucht haben zu helfen — womöglich war ich einfach zu doof für Textpattern.

Thure Riefenstein

„So“, sagt der Chef, als die Mitglieder der Vox-Hauptabteilung „Kochen III“ endlich zur Ruhe gekommen sind, „wen haben wir dann in der ersten Woche der Prominenten-Version unseres Erfolgsformates ‚Das perfekte Dinner‘ dabei?“ Ein junger Redakteur meldet sich und antwortet stolz: „Thure Riefenstein.“ — „Neinnein, ich meine in der ersten Woche mit Prominenten.“ – „Ja, äh, Thure Riefenstein.“ — „Ach, ihr macht das so mit sanftem Übergang? Mischt prominente und nichtprominente Kandidaten?“ — Der junge Redakteur rollt mit den Augen, sucht das Memo der PR-Abteilung und liest triumphierend: „Der Schauspieler hat schon jede Menge Theaterluft geschnuppert: Er spielte auf Bühnen in New York, Los Angeles, Hamburg und Berlin. Aber auch im Filmgeschäft hat er sich neben bekannten Schauspielgrößen in Deutschland und im Ausland einen Namen gemacht.“ Stille im Konferenzraum. „Was für einen Namen?“ — „Thure Riefenstein.“ Der Chef resigniert. „Okay, schreib auf für die Anmoderation: ‚Thure Riefenstein, Charakterdarsteller‘.“

Es gab Zeiten, da war Reiz von solchen Sendungen mit Prominenten, mal einen anderen, halbprivaten Blick auf Menschen werfen zu können, die uns seit vielen Jahren aus Funk und Fernsehen bekannt sind. Heute schaut man sich diese Promi-Specials gerne an, um Menschen kennenzulernen, von denen man noch nie in seinem Leben gehört hat.

Und Herr Riefenstein, in dessen Biographie auf seiner Homepage unter „Theater“ unter anderem „Schauspielhaus Hamburg“, „Berliner Ensemble“ und „New York City, USA“ stehen, hatte beschlossen, die Chance zu nutzen, sich einem Millionenpublikum bekannt zu machen. Eigentlich gehört zum Repertoire dieser Show zwar nur, einzukaufen, füreinander zu kochen und miteinander zu essen, und oft spürte man, daß Thure sich viel lieber in Maden gebadet, in Schlamm gewälzt und unter Killer-Emus gemischt hätte, aber, hey, um sich zum Affen zu machen, braucht man keinen Dschungel. Und so nutzte Thure die Wohn- und Esszimmer als Bühne und gab den aufgedrehten Alleinunterhalter (auch wenn Moderatorin Andrea Kiewel meinte, es sei wie beim Kindergeburtstag: Thore wird drei). Aber gelohnt hat sich seine lustige Verkleidung als Pirat mit Augenklappe, Kopftuch, Make-Up und zerrissenen Hosen schon für den Augenblick, als seine Gäste ihn das erste Mal so sahen und versuchten, ihn zu begrüßen, ohne prustend zusammenzubrechen.

Als sie wieder weg waren, formulierte er als vorsichtiges Fazit: „Ich glaube, wenn die anderen so drüber nachdenken, könnte es schon sein, daß sie sagen, im Nachhinein: Irgendwie paßt das schon zu Thure. Weil: Irgendwie war das ein Thure-Abend. Vielleicht, ähm, das war ein Thure-Abend.“ Immer wieder schön zu sehen, wenn Menschen es schaffen, trotz ihrer Berühmtheit auf dem Teppich zu bleiben.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Baustelle

Schade ist ja, dass durch den Siegeszug der Blogs die typischen Homepage-Baustellenschilder weitgehend verschwunden sind.

Hier gehört jedenfalls eins hin, denn ich bau gerade um. Also vielleicht lieber morgen nochmal wiederkommen, wenn’s hoffentlich nicht mehr an ganz so vielen Stellen hakt.