Monat: September 2009

Stadlzeit


Der Musikantenstadl ist immer wieder ein ganz besonderes Fernsehereignis, denn durch das stark eingegrenzte Zielpublikum wurde über die Zeit eine Art Parallelwelt kreiert. Die 3 Grundpfeiler davon sind:

  1. Die aufgeführte Musik handelt von der Liebe (bis in alle Ewigkeit). Tut sie dies nicht, wird vom Meer gesungen, sobald der Protagonist in den Bergen sitzt und umgekehrt.
  2. Etwa 70% der zu hörenden Instrumente sind nicht zu sehen und 80% der zu sehenden Instrumente sind nicht zu hören. Blasmusikinstrumente werden zum Beispiel gern durch E-Gitarren ersetzt.
  3. Innerhalb der Aufzeichnung sind sämtliche Damen unter 30 Jahren prinzipiell leicht bekleidet und tragen zudem oftmals nichts drunter.

Nach langer Sommerpause war der Musikantenstadl am vorletzten Wochenende mit einer Sendung aus Linz endlich wieder zurück. An dieser Stelle nun ein leicht verspäteter, dafür umso genauerer, Einblick in diese leicht sonderbare Fernsehparallelwelt.

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Verdacht auf Internet

Seit Beginn des Monats hat RTL einige Neuerungen im Nachmittagsprogramm und kann damit durchaus Erfolge bei den Zuschauerzahlen verbuchen. Eine der neuen Sendungen dabei ist „Verdachtsfälle“. Eine Doku-Soap in deren Handlung jemand einer Straftat bezichtigt wird und daraufhin dokumentiert wird, wie die Familie bis zur Urteilsverkündung und darüber hinaus damit umgeht.

Menschen und Handlungen dieser Serie sind natürlich frei erfunden und so ergibt sich ein zumeist äußerst amüsanter Cocktail aus typischen RTL-Nachmittags Storylines und schauspielerischen Leistungen, welche gerne mal so feinfühlig wie Nussknacker sind. Manchmal ist dieser Cocktail dann so schön, dass er schlichtweg nacherzählt werden muss.

Wir widmen uns nun also einer Folge der vergangenen Woche, deren Titel bereits äußerst vielversprechend klingt: „Verdachtsfälle – Ehefrau befürchtet, dass ihr Mann sexsüchtig ist“

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Zum Mitnehmen

Da der heutige Sonntag bisher sehr viel Gutmütigkeit besitzt und seinem Namen alle Ehre macht, hier ein kleines musikalisches Extra um die Gemütlichkeit der ersten Herbstsonnenstrahlen zu unterstreichen.

Viele dürften sie schon kennen, die „Take Aways Shows“ der Blogotheque. Das Grundprinzip ist einfach: Zumeist junge aufstrebende Künstler/innen werden beim Musik machen gefilmt. Oftmals reichen dafür schon eine alte Gitarre, eine noch ältere Parkbank und eine Kamera. In Verbindung mit den Geschichten die sich rund um die Aufnahmen ergeben, bekommen diese „Take Away Shows“ einen ganz eigenen Zauber, welchen man sofort versteht, sieht man erstmal eins dieser Videos.

Hier meine Lieblingsausgabe der mittlerweile fast 100 Aufnahmen. Eine durchaus bekannte isländische Band spielt in einem Pariser Nobelcafé, dessen Durchschnittsalter für gewöhnlich bei etwa 60 Jahren liegt:

Sigur Ros – Við spilum endalaust

Bonus: 50% Bloc Party am Hintereingang eines Pubs.

Super-Bildunterschriften (1)

Ein wichtiger Bestandteil von Doku-Soaps und ähnlichen Fernsehformaten sind ja kurze Zwischeninterviews der Beteiligten bzw. Betroffenen. Dabei werden dann Statements zum Beispiel zur eigenen Person, der Katze oder der allgemeinen Gesamtlage abgegeben. Man kennt das ja.

Damit man als Zuschauer dabei den Faden nicht verliert, werden dabei stets 3 wichtige Informationen eingeblendet: Der Name der Person, deren Alter und ein kurzer prägnanter Satz welcher sehr viel Spielraum hat. Anfangs ist da zumeist der Beruf der eingeblendeten Person zu lesen, später dann eine Zusammenfassung der Meinung zusammen gekürzt au 3 Wörter wie etwa in Talk Shows und manchmal stehen da auch Sachen die vollkommen aus der Luft gegriffen zu sein scheinen. So mancher zuständiger Redakteur wird sich wohl hier und da einen kleinen Spaß auch nicht verkneifen können.

Zur mittlerweile üppigen, Sammlung an „Super-Symbolfotos“ kommt in den nächsten Tagen also eine kleine Ansammlung an „Super-Bildunterschriften“ (Ich glaube normalerweise nennt man so etwas im TV-Jargon „Bauchbinden“, aber „Super-Bauchbinden“ klingt so sehr nach Stiftung Warentest und Umstandsmoden.)

Beginnen wir Heute also mit einem Standbild aus einer Ausgabe von „Mitten im Leben“ (RTL), eine Sendung welche meistens eine Art „Frauentausch“ (RTL II) nur mit Kindern ist. Hier sehen wir Tauschpapa Gerald, welcher vor seiner imposanten Biertruck-Sammlung davon erzählt, dass Tauschtochter „Zändie“ lieber einen vernünftigen Beruf lernen soll. „Zändie“ träumt nämlich davon, beim „Tauschexperiment“ berühmt und zugleich als Darstellerin für GZSZ entdeckt zu werden.

Laster und Locken

Dazu sei vielleicht noch erwähnt, dass bezüglich seiner Frisur in der gesamten Sendung kein Wort gefallen ist. Wie diese Bildunterschrift also zu interpretieren ist, bleibt voll und ganz den Zuschauern überlassen. Vielleicht sind damit ja die Biertrucks gemeint.

Bonus-Info: Im Englischen hat man eine äusserst lustige Bezeichnung für den Vokuhila: business in the front, party in the back

Hund und Katze

Dann können wir ja mal loslegen mit der Urlaubsvertretung. Wenn man genauer darüber nachdenkt fühlt es sich ja eigentlich eher wie ein Ferienjob an. In etwa so, als würde man einem Bekannten wohlwollend versichern, dass man sich um dessen Hund kümmert, während er im Urlaub ist.

Wenn es dann so weit ist und man einen Korb mit den „nötigsten Sachen“ bekommt und der Hund in der eigenen beschaulichen 1-Raum-Wohnung steht, fällt einem erstmal auf wie riesig der doch eigentlich ist. Außerdem macht er nicht annähernd das was er soll, macht mit Vorliebe, aus Versehen natürlich, alles kaputt und hat ein ununterbrochenes Hungergefühl. Letztlich wird man also feststellen, dass man im Prinzip aus dem gleichen Holz geschnitzt ist, braucht zuvor aber ein wenig Eingewöhnung.

So geht es mir auch gerade. Ist ja auch gar nicht mal so einfach sich hier etwas einfallen zu lassen, wenn man zwischen den eingefleischten Kritikern auch noch gute Stimmung verbreiten soll. Emotional erschwert wird die Ideenfindung noch durch ein Musikstück, welches jedes Mal gespielt wird, wenn man sich im Backend dieses A-Blogs einloggt um beispielsweise die leere Eingabemaske anzustarren:

Aber ich bin da sehr zuversichtlich. Und während ich mir noch ein wenig Gedanken über eine adäquate Urlaubsvertretung mache, gibt es zur Einstimmung keinen Hund, sondern eine Katze: Party Cat! (Aus dem Hause Nedroid Comics.)

Am Morgen:
wake up wake up wake up wake up wake up

Für ein weiteres Katzenwecken zu später Stunde bitte einmal klicken. (mehr …)

Urlaubsvertretung: der Herm

Ein chronisches Problem mit diesem Blog ist ja die schlechte Stimmung, die es verbreitet. Dauernd machen alle alles falsch, Menschen mit gefärbten Haaren bekommen Aufmerksamkeit zugefächert, und in den Kommentaren versuchen die Leute immer wieder, sich Konsonanten zu kaufen!

Aber das ändert sich jetzt, denn in den kommenden zweieinhalb Wochen wird dieser freundliche junge Mann hier unten (also, der rechts) für Stimmung sorgen und versuchen, das hoffnungslos überzogene Karma-Konto dieses Blogs ein bisschen auszugleichen:

Er heißt Markus Herrmann, man nennt ihn Herm, er kommt aus dem Wald, ist vor wenigen Wochen erst von Bielefeld nach Berlin gezogen und verbringt seine Tage gerade damit, seine Bachelorarbeit zum Mediengestalter nicht zu schreiben. Ich muss zugeben, dass ich wenig über ihn weiß, aber irgendwann dem Charme seines Blogs „Herm’s Farm“ erlegen bin, in dem er auf außerordentlich schluffieske Weise über sein Leben schreibt und sich keine unnötigen Gedanken über Zeichensetzung und überschüssige Apostrophe macht und in dem für mich völlig unerklärlich Sätze wie „Das wird so toll alles“ ohne eine wattige Ironiehülle herumstehen.

Das könnte ein ziemlicher Kulturschock werden, wenn er hier übernimmt, und als kleine Demonstration, wie fremd und unangemessen positiv sein Zugang zu mir vertrauten Themen ist, zitiere ich hier mal aus einem aktuellen Eintrag:

Ich weiß nicht so recht wie ich damit umgehen soll. Jeden Morgen, den ich neuerdings mit fürchterlich guten fürchterlichen Reality-Soaps und Süßigkeiten ausgiebig im Bett verbringe, muss ich dran denken, dass sich in der Wohnung drunter ein Zahnarzt befindet. Quasi parallel zu mir liegt da also gerade jemand auf diesem Stuhl, während ich hier mein Schlafshirt mit Hilfe von Knusperflocken in eine Landkarte der Mecklenburgischen Seenplatte verwandele. Furchterregend. Manchmal hört man auch Bohrgeräusche wenn man durch den gewohnten Zahnarztpraxengeruch im Treppenhaus läuft.

Steht man aber erstmal bei Sonnenschein im Hof, ist aber alles wieder gut, denn dann fühlt man sich so, als wäre man in einer lauen ZDF Donnerstag Abend Verfilmung gelandet. Warum das so ist weiß ich auch nicht, fühlt sich halt so an.

Ich mag ja auch Klischees und wenn sie sich bewahrheiten. So gibt es neben den lustig anzusehenden Hipstern in Prenzlberg natürlich auch Unmengen an Kindern und dazu gehörigen Muttis. Ganz ehrlich, ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalten werde bevor ich nicht auch sowas haben möchte, also Mutti und Kind. Hier gibt es im näheren Umkreis gleich 5 große Spielplätze und wenn man zu den richtigen Zeiten nach draußen geht gibt es nur kleinwüchsiges Gewusel. Wunderbar! Als beim letzten Einkauf der Supermarkt von besagtem Gewusel durchzogen wurde, habe ich erstmals überlegt, wie lange so ein kleines Kerlchen wohl unbeaufsichtigt sein muss, bevor man dazu berechtigt ist ihn mitzunehmen. Ich sehe schon wie ich hier eine gefürchtete Kinderarmee errichte. Wir werden in ganz Berlin gefürchtet und Schutzgeld wird in Knisterkaugummi bezahlt.

Ich weiß nicht, wie das „Wunderbar!“ in diese Beschreibung rutschen konnte, und in meinen üblichen Fantasien in solchen Situationen kommen zwar auch Armeen vor, aber anders.

Eine gute Einstimmung ins Lebenswerk dieses Herm ist auch sein Live-on-tape-blogging eines Musikantenstadls, mit sauber beobachteten Beschreibungen der Sexfixiertheit dieser Szene und kleinen, wie sagt man, Schmankerln wie diesen:

  • “Die Ursprung Buam” stehen auf der Bühne, die waren sogar mal in meinem wunderbaren Heimatdorf zu Gast. Großartiger, wenn auch leicht bedrängender Text: „Latte Macchiato, du und i ja des passt scho. Trink ma aus du und i [Textteil den ich nicht verstehe, der aber mit großer Wahrscheinlichkeit von körperlicher Interaktion handelt]
  • Ah, Urgesteine der volkstümlichen Schlagerszene: Die Paldauer! Der neue Hit trägt den Titel “Du Du Du”. Womöglich eine Coverversion von The Police. Wo ich es jetzt gerade wieder sehe, ein weiterer Punkt den ich bei derartigen Sendungen immer erstaunlich finde ist, dass gut 2 Drittel der Instrumente auf der Bühne im Lied gar nicht vorkommen.
  • Herr Borg sagt, dass Publikum soll das mit den Fahnen noch mal machen, ich denke an Früher.

(Bitte beachten Sie auch die Bildbeschreibungen, insbesondere zu Florian Fesl sowie dem kleinen Mädchen, das von seiner Mutter zum Klatschen gezwungen wird.)

Ich habe mir von ihm unter anderem schöne Beschreibungen der frisch gestrichenen „Scripted Reality“- und Kindertausch-Hölle gewünscht, in die RTL sein Nachmittagsprogramm verwandelt hat, und sonst steht die nächsten zweieinhalb Wochen so nachrichtentechnisch ja auch nichts größeres an.

Seien Sie nett zu Herm, und ich schau in der Zwischenzeit mal, was die in den USA so an Schafcontent zu bieten haben.

Wo bei 3sat der Spaß aufhört

In der aktuellen Folge ihres wöchentlichen Witz- und Schimpf-Duells setzen sich die Herren Sixtus und Lobo mit den (gefühlten) Wahlprogrammen der Parteien auseinander, darunter dem der CSU. Ins Fernsehprogramm von 3sat, das die Reihe in seiner Computersendung „Neues“ zeigt, schaffte es dieser Teil nur nach einem winzigen Schnitt:

[Offenlegung: Ich betreibe mit Sascha Lobo und Mario Sixtus ein Aufmerksamkeits- und Meinungskartell im Internet.]

Schlag den Raab: Wie man eine halbe Million er- und alle Sympathien verspielt

Selten hat das Publikum einem Kandidaten seinen Gewinn so sehr missgönnt wie diesem. Hans-Martin Schulze, ein 24-jähriger Pharmazie-Praktikant aus Oldenburg, ist seit dieser Nacht um eine halbe Million Euro reicher. Er musste dafür nicht nur den Raab, sondern auch das Publikum schlagen. Am Ende, als er mit verzerrtem Gesicht und einem Triumphschrei den Geldkoffer in die Höhe streckte, buhten sie ihn hemmungslos aus.

Das ist nicht die übliche Rollenverteilung bei „Schlag den Raab“, und es war nicht so, dass dieser Hans-Martin in irgendeiner Weise gefoult hätte. Er hat nur alles getan, um die Sympathien zu verspielen.

Es begann schon, als er und eine Kandidatin auf das Ergebnis warteten, wer von ihnen beiden die meisten Zuschauerstimmen erhalten hatten und überhaupt gegen Raab um die 500.000 Euro spielen durfte. Das ist so ein Moment, in dem man schon einmal angespannt sein darf, aber die Art, wie Hans-Martin sich verkrampfte und wirkte, als wollte er mit seinem ganzen Körper seine Teilnahme erpressen, wirkte merkwürdig abstoßend und brachte den Moderator Matthias Opdenhövel zum ersten höhnischen Witz, fürs Beten sei es nun zu spät.

Der psychologisch vermutlich entscheidende Moment war aber ein anderer: Als er beim Diskuswerfen gegen einen sich ziemlich ungeschickt anstellenden Raab weit vorne lag, bot er gönnerhaft-ironisch an, die letzten Würfe gar nicht mehr zu machen. Das ist schon grundsätzlich keine so gute Idee, aber bei einem Gegner wie Raab erst recht nicht, bei dem genau eine solche Situation die Ausschüttung irgendeines Ehrgeiz-Hormones auslöst, das ihn dann im letzten Wurf das Spiel doch noch unerwartet gewinnen lässt. Und der, noch wichtiger, damit sofort alle Sympathien des Publikums auf seiner Seite hat (das es ihm in anderen Fällen, bei anderen Gegnern, auch gerne gönnt, wenn seine Verbissenheit keine Früchte trägt). Aber spätestens von diesem Moment beim Diskuswurf im Stadion an war das Saalpublikum fast geschlossen auf Seiten Raabs und machte keinen Hehl daraus.

Man weiß ja nicht, was man selbst für eine Figur abgeben würde unter den Bedingungen einer solchen Show, aber man kann zukünftigen Kandidaten den Auftritt von Hans-Martin als reichhaltiges Anschauungsmaterial geben für all das, was sie vermeiden sollten. Er freute sich immer viel zu sehr und oft zu früh über die Fehler seines Gegners, duschte sich in Schadenfreude. Als läppisch verlachte er die Frage, ob es stimmt, dass die Insel Lummerland drei Berge hat. „Klar, das Lied: ‚Eine Insel mit drei Bergen'“, eine Kindergartenaufgabe. Blöd nur, dass das Lied geht: „Eine Insel mit zwei Bergen…“ Seine aggressiven Siegesgesten kamen so wenig an wie sein beunruhigender Hang, sich im Selbstgespräch anzufeuern: „Komm schon“ / „Du schaffst das“ / „Geht doch“.

Er hatte sie bald alle gegen sich: das Publikum, die Moderatoren, den Kommentator. Auch Raab selbst sagte einmal bösartig (und für Hans-Martin vermutlich unerklärlich), er verliere ja immer ungern, in diesem Fall aber besonders. Es tat der Spannung der Sendung keinen Abbruch, gegen den Kandidaten zu fiebern statt mit ihm, aber je deutlicher und einmütiger die Ablehung wurde, desto grausamer wurde die Situation. Opdenhövel sagte zu einer Begleiterin Hans-Martins, dass es ja besser sei, viel Geld zu gewinnen als viele Freunde, und als sie freundlich in die Falle tappte und widersprach, viele Freunde seien ja auch ganz schön, forderte er das Publikum auf, per Applaus zu demonstrieren, für wen sie sind. Sie waren für Raab.

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter formierte sich unterdessen eine wachsende Horde von Leuten, die sich in immer gröberem Spott über den jungen Mann überboten, für den sie früh und konsequent den Spitz- und Erkennungsnamen #hassmartin erfunden hatten. (Unklar blieb dabei allerdings, welchen Grund nun ausgerechnet diese Leute haben sollten, sich mit ihrer begeistert zur Schau gestellten Asozialität dem sozial ungeschickten Kandidaten überlegen zu fühlen.)

Doch dem Urteil, dass hier jemand sensationell unsymphatisch auftrat, kann man nur schwer widersprechen. Der Abend war eine faszinierende und etwas beunruhigende Lektion, wie schnell und vollständig man sich ins Aus katapultieren kann. Dabei wird die Pose des übertrieben selbstbewussten Herausforderers eigentlich schon vom Format und dem Casting vorgegeben. Und viele der Eigenschaften, die bei Hans-Martin so abstoßend wirkten, gehören auch zum Repertoire Raabs, der aber als langjähriger Profi natürlich viel geschickter darin ist, sie in den Spitzen auf ein Maß herunterzuregeln, das im Fernsehen nicht zu peinlich aussieht.

Das war der Hauptfehler des Kandidaten an diesem Abend: Dass er nicht erkannt hat, was seine Rolle ist in diesem Spiel. Relativ früh, bevor sie beim 2000-Meter-Bahnradfahren gegeneinander antraten und nicht nur die Kondition gegen Raab sprach, sagte er, da würde er sich aber sehr schämen, wenn er das nicht gewinnen würde, und tätschelte dabei tatsächlich Raabs Bäuchlein. Es war einer dieser Fremdschäm-Augenblicke, die man schwer mit ansehen kann, und Raab hat danach fast instinktiv die Arme vor dieser vermeintlichen Schwachstelle verschränkt. Aber interessanterweise hätte die Szene umgekehrt funktioniert: Raab hätte sich über eine Schwäche des Gegners auf diese Weise lustig machen können, ohne dass es so peinlich gewesen wäre: Er hätte es professionell augenzwinkernd abfedern können, und wenn er durch so eine Form von Arroganz das Publikum gegen sich aufbringt, verschafft er dem Kandidaten nur zusätzliche Sympathien, was sehr in Ordnung geht.

Trotzdem war das Maß, in dem Raabs Erfolge von den Zuschauern im Studio gefeiert wurden, und Punkte von Hans-Martin Schulze fast schweigend quittiert wurden, fast schockierend, und bei den Buhrufen ganz am Ende musste sogar Raab selbst eingreifen. Wie geht man als Mensch eigentlich mit der Erfahrung um, dass die eigene Art auf andere anscheinend derart abstoßend wirkt?

Insofern erinnerte der Abend ein wenig an die erste Staffel von „Big Brother“: Als die Bewohnerin Kerstin Manuela irgendwann schockiert feststellen musste, dass dass sie im Laufe der Wochen im Container für die Zuschauer zuhause zu einer Hassfigur geworden war, und viele ihr das auch zeigten. Hans-Martin verspielte die Sympathien in nur einem Abend. Das hätte er auch nicht geahnt: Dass der Preis für die 500.000 Euro so hoch sein könnte.