„Der Markt selber ist ok“

Hören Sie nun Jürgen Koppelin, Haushaltsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, im Radio-Eins-Interview zum zusammenbrechenden Finanzmarkt.

Moderator: Die FDP hat jahrelang immer wieder argumentiert, man solle dem Markt vertrauen und sich nicht einmischen. Jetzt haben wir gesehen, was dabei herauskommt. Ist die FDP, sind Sie jetzt schlauer?

Koppelin: Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise… überwiegend auch an den Managern. Das hat daran gelegen, das muss man ja auch offen sagen, dass die Krise ja in den USA begonnen hat. Wir wollen ja mal die Urheber nennen. Das ist in den USA gewesen, das große Problem, damals mit den Niedrigzinsen. Dann hat man unglaublich vielen Menschen billige Hypotheken angedreht, die sie anschließend nicht bezahlen konnten, und unsere Banken, unsere Manager der Banken, sind auf diese Geschichte, diese Geschäfte reingefallen.

Moderator: Das ist doch der Markt.

Koppelin: Das ist nicht der Markt, das ist das Verhalten der Manager. Wenn ich Treu und Glauben mache, oder wenn ich, wie ich fordere, sage, oder warum müssen unsere Bankmanager, das hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert, müssen zum Jahresende noch Boni kriegen, nach Umsatz, und die haben sich die Taschen gefüllt, nachdem sie vorher schon die dicken Gehälter bekamen. Das ist nicht Markt, das ist ein Fehlverhalten bei den Banken, das ist ein Fehlverhalten auch bei den Aufsichtsgremien von Banken…

Moderator: Aber…

Koppelin: …und da muss mal Einhalt geboten werden.

Moderator: Der Markt hat doch mit seinen Regeln aber möglich gemacht, dass solche Menschen führende Positionen in diesem Business haben.

Koppelin: Nein, nicht da… das müssen Sie… Der Markt, der Markt selber ist ok. Es ist nur, wer kommt hin, wer kriegt Managerfunktionen, und da habe ich den Eindruck, manchen fehlt’s da wirklich, ja, nicht nur an der guten Ausbildung, sondern, sie waren nur noch auf Schnäppchenjagd. Das hat mit Markt nichts zu tun.

Die passenden Pointen dazu stehen drüben beim Alarmschrei.

[Das ganze Interview zum Anhören auf radioeins.de]

Kleine Zwischenfrage für Meedia

Fast drei Monate ist es her, dass Dirk Mantheys teuer produziertes Online-Branchenmagazin „Meedia“ nach ungefähr vierhundertjähriger Vorbereitungszeit gestartet ist. Wie lange mag es noch dauern, bis jemand bemerkt, dass in den RSS-Feeds der „Meedia“-Artikel immer der erste Absatz fehlt?

z.B. Website:

Feed:

(Das ist eh ein interessanter Effekt: Dass all die Verlage und Produzenten über ihre teuren Content-Management-Systeme stöhnen, die offenbar nur mit größeren Verrenkungen dazu zu bringen sind, das zu tun, was kostenlose und einfach zu bedienende Blog-Software vorbildlich macht.)

Angst essen Freiheit auf

Markus Beckedahl von Netzpolitik hat mich gefragt, ob ich nicht auf die Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung und ausufernde Überwachung hinweisen kann, die am kommenden Samstag, 11. Oktober, in Berlin stattfindet (die Demonstration, nicht die Überwachung).

Ehrlich gesagt, fällt mir das ein bisschen schwer. Man mag das für albern oder oberflächlich halten, aber ich kann nicht ernsthaft für eine Veranstaltung werben, die einen Slogan wie „Freiheit statt Angst“ auf ihre Banner schreibt. Mir ist schon klar, dass eine solche Demonstration einen griffigen Spruch braucht und das umso mehr, wenn das Thema so sperrig ist wie die Vorratsdatenspeicherung. Aber „Freiheit statt Angst“? Was ist das für eine Alternative? Soll das eine Parodie sein? Ist Angst nicht ein Preis der Freiheit? Müsste es nicht wenigstens „Freiheit trotz Angst“ heißen? Egal.

Ich halte aber die Diskussion, die die Aktion anstoßen will, für eine notwendige. Also: Lesen Sie sich die Argumente unter vorratsdatenspeicherung.de durch. Und wenn sie Sie überzeugen und Sie nicht an meiner Große-Menschenansammlungen-Allergie und Blöde-Slogan-Phobie leiden, freuen Sie sich, dass Sie am kommenden Samstag mit engagierten Gleichgesinnten auf die Straße gehen können.

Apocalypse Then

In Großbritannien ist in der vergangenen Woche der Text veröffentlicht worden, der in den siebziger Jahren im Radio im Fall eines Atombombenanschlags auf das Land durchgegeben werden sollte [pdf]. Er beginnt mit den Sätzen:

This is the Wartime Broadcasting Service. This country has been attacked with nuclear weapons. Communications have been severely disrupted, and the number of casualties and the extent of the damage are not yet known. We shall bring you further information as soon as possible. Meanwhile, stay tuned to this wavelength, stay calm and stay in your own homes.

Und endet mit den Sätzen:

We shall repeat this broadcast in two hours‘ time. Stay tuned to this wavelength, but switch your radios off now to save your batteries until we come on the air again. That is the end of this broadcast.

Zwischendurch wird den Briten erklärt, dass sie kein Wasser verschwenden sollen und sich frische Nahrungsmittel nicht so lange halten wie Essen in Dosen, weshalb sie zuerst gegessen werden sollten. Vor allem aber:

Remember there is nothing to be gained by trying to get away.

Faszinierend ist auch, dass die Regierung sich sehr darum sorgte, dass die Bevölkerung das fatale Gefühl bekommen könnte, die nationale Institution, die BBC, sei ausgelöscht worden. Nur eine vertraute BBC-Nachrichtenstimme könne die Menschen beruhigen, schrieb 1974 der damalige Kommunikationsminister. Das Problem war nur, dass der einzige BBC-Sprecher, der nach Sicherheitsmaßstäben als zuverlässig genug eingestuft wurde, relativ unbekannt war — die Starmoderatoren der damaligen Zeit hatten nicht die nötige Freigabe der Behörden bekommen.

Wer letztlich ausgewählt wurde, ist unbekannt — aber laut „Independent“ ist die Aufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich produziert worden.

Die Grafik, mit der die BBC die Meldung über die apokalyptische Ansage illustriert, ist aber vermutlich eher nur ein Symbolfoto:

Programmhinweis (20)

Am kommenden Mittwoch, 8. Oktober, bin ich in Halle (Saale) bei einer Veranstaltung der — Luftholen! — Halleschen Europäischen Journalistenschule für Multimediale Autorschaft / Alfred Neven DuMont (HALESMA A.N.D.) des Halleschen Instituts für Medien (HIM) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Beim „6. Europäisches Journalistengespräch“ reden Jörg Biallas, Chefredakteur der „Mitteldeutschen Zeitung Halle“, Erik Staschöfsky, Vorsitzender des Verbandes junger Medienmacher Sachsen-Anhalt (fjp>media), Jochen Wegner, Chefredakteur von „Focus Online“, und ich über die „Zukunft des gedruckten Wortes in den Medien“. Der Eintritt ist (nach telefonischer Anmeldung) frei.

Weitere Informationen hier.

(In dem Zusammenhang habe ich einen Artikel für die „Mitteldeutsche Zeitung“ über den Klickwahn der Online-Medien geschrieben. Für regelmäßige Leser dieses Blogs steht da aber eher wenig Neues drin.)

Die „Krone“ als Königsmacher

Die österreichische „Kronen-Zeitung“ ist wahrscheinlich die, relativ zur Bevölkerungszahl, größte Zeitung der Welt. Sie wird täglich von über vierzig Prozent der Österreicher gelesen. Und sie ist bekannt dafür, besonders wenig Skrupel zu haben, diese Position für eigene Ziele zu missbrauchen. Der Aufstieg von Jörg Haider ist ohne die „Krone“ und ihre Kampagnen undenkbar.

Vor der Nationalratswahl vor einer Woche gab es eine Art Pakt zwischen SPÖ und „Krone“: Die SPÖ schwenkte mit einem offenen Brief an „Krone“-Herausgeber Hans Dichand auf die Linie der EU-feindlichen Boulevardzeitung ein, sprengte damit die große Koalition und wurde dafür von der „Krone“ im Wahlkampf mit positivsten Schlagzeilen und Berichten beschenkt.

Bei der Wahl erzielte die SPÖ das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte, schaffte es aber, stärkste Partei zu bleiben und ihren Vorsprung vor der — von der „Krone“ systematisch diffamierten — ÖVP deutlich auszubauen. Wie groß ist die Macht der „Krone“ (für die auch der ehemalige RTL-Informationsdirektor Hans Mahr schreibt) also wirklich?

Das Wahlverhalten von Nur-„Krone“-Lesern unterscheidet sich nach einer Umfrage der GfK dramatisch von denen, die nur andere Zeitungen lesen:

(Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen: Sie besagen zwar, dass die „Krone“-Leser ganz überwiegend im Sinne der „Krone“-Berichterstattung wählen. Ob sie das aber tun, weil sie die „Krone“ lesen, oder ob sie die „Krone“ lesen, weil sie bestimmte Parteien bevorzugen, ist damit nicht gesagt. Der Unterschied im Wahlverhalten ist jedenfalls frappierend.)

Mehr über die Macht der „Krone“: